TE Vwgh Beschluss 2020/1/27 Ra 2020/04/0005

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Index

L72003 Beschaffung Vergabe Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs3
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §10 Abs1 Z7 idF 2019/054
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §4 idF 2019/054
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §7 idF 2019/054
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der H GmbH in E, vertreten durch Mag. Thomas Stenitzer, Mag. Kurt Schick, Rechtsanwälte in 2136 Laa an der Thaya, Rathausgasse 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. November 2019, Zl. LVwG-VG-8/001-2019, betreffend Zurückweisung eines Antrags im Nachprüfungsverfahren nach dem NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H in H), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei führte als öffentliche Auftraggeberin ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich über die Lieferung von LED-Straßenleuchten durch. Unter anderem legte die Revisionswerberin ein Angebot. Nach Prüfung der Angebote teilte die mitbeteiligte Partei der Revisionswerberin per E-Mail am 3. November 2019 mit, dass die E M I GmbH als Bestbieter ermittelt worden sei.

2 Mit Schriftsatz vom 13. November 2019, am selben Tag per E-Mail beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) eingelangt, beantragte die Revisionswerberin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und "folgendes Urteil (zu) treffen: Entgegen der ursprünglichen Beschlussfassung ist der Antragsteller GmbH (Revisionswerberin) mit der angebotenen Leuchte 'L' entsprechend der Vergabekriterien im Vergabeverfahren 'LED-Leuchten Stadtgemeinde H' als Bestbieter festzustellen."

3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin zurück und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Mitteilung der mitbeteiligten Partei an die Revisionswerberin vom 3. November 2019 über die Ermittlung der E M I GmbH als Bestbieterin stelle eine Zuschlagsentscheidung dar, die gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2006 gesondert anfechtbar sei.

Ein Antrag wie jener der Revisionswerberin, wonach das Verwaltungsgericht feststellen möge, dass die Revisionswerberin im gegenständlichen Vergabeverfahren mit ihrem angebotenen Produkt Bestbieterin sei, sei dem NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz fremd. Ein korrekter Nachprüfungsantrag hätte vielmehr auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zu lauten gehabt. Eine Umdeutung des gestellten Antrags dahingehend sei nicht zulässig, weshalb der Antrag ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen sei. Ein Verbesserungsauftrag käme ebenso nicht in Betracht, weil es nicht Aufgabe eines solchen Auftrags sei, einen in der Rechtsordnung nicht vorgesehenen und somit unzulässigen Antrag in einen - bis dato noch nicht gestellten - "zulässigen Antrag zu verbessern". 5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, die Frage, wann ein Nachprüfungsantrag im Vergabeverfahren zurückzuweisen sei, und wann der Partei die Möglichkeit einzuräumen sei, ein missverständliches Nachprüfungsbegehren zu verbessern, sei in der bisherigen Rechtsprechung - soweit überblickbar - nicht einheitlich beantwortet worden.

Der zurückgewiesene Antrag sei umfangreich begründet worden. Aus dieser Begründung ergebe sich eindeutig, welches Rechtsschutzziel damit verfolgt werde. Die Klärung der Frage, ob das Verwaltungsgericht einen Antrag im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, dessen Rechtsschutzziel klar erkennbar sei, der jedoch nicht ausreichend klar formuliert sei, zurückzuweisen sei, oder vielmehr eine Umdeutung vorgenommen bzw. die Möglichkeit zur Mängelbehebung eingeräumt werden hätte müssen, sei "im wirtschaftlich äußerst heiklen Bereich des Vergaberechts äußerst bedeutungsvoll". Es handle sich daher um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, deren Relevanz über den gegenständlichen Einzelfall weit hinausgehe.

10 Das gegenständliche Vergabeverfahren fällt gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 lit. a B-VG in den Vollzugsbereich des Landes, weshalb für das anhängige Verfahren über den Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin das NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG), LGBl. 7200-0 idF LGBl. Nr. 54/2019, zur Anwendung kommt. 11 Gemäß § 6 Abs. 1 erster Satz NÖ VNG kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines den Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Art. 14b Abs. 1 und 5 B-VG) unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

12 Ein solcher Antrag auf Nachprüfung hat gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 NÖ VNG jedenfalls unter anderem einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung zu enthalten.

13 Vorliegend hat die Revisionswerberin nicht die Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung begehrt, sondern die Feststellung, dass sie Bestbieterin sei. Eine derartige Feststellungskompetenz ist in den §§ 4 und 7 NÖ VNG nicht vorgesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat - wenn auch zu anderen Landesvergaberechtsschutzgesetzen - bereits festgehalten, dass die Aufzählung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten abschließend ist (vgl. die Nachweise in VwGH 13.11.2013, 2011/04/0034). Dies lässt sich auf die hier maßgeblichen Regelungen des NÖ VNG übertragen.

14 Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei deren Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2016/10/0121, Rn. 16, mwN).

15 Aus § 10 Abs. 1 Z 7 NÖ VNG ergibt sich, dass ein Nachprüfungsantrag (iSd § 6 Abs. 1 leg. cit.) ein bestimmtes Begehren und zwar "einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung" zu enthalten hat. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn das Verwaltungsgericht nicht an ein solches Begehren gebunden wäre. Eine rechtliche Grundlage für ein Umdeuten eines von vornherein verfehlten Begehrens lässt sich aus den Bestimmungen des NÖ VNG nicht ableiten (vgl. VwGH 17.11.2004, 2002/04/0176, zum Begehren auf Feststellung der Antragstellerin als Best- und Billigstbieterin in Bezug auf die vergleichbaren Bestimmungen des § 8 Abs. 4 lit. f TVergG bzw. § 17 Abs. 3 Z 6 TVergG 1998, mwN). Ein amtswegiges Umdeuten des klar formulierten, jedoch verfehlten Begehrens in ein gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 NÖ VNG zulässiges Begehren kommt somit nicht in Betracht.

16 Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Rechtsansicht handelt es sich bei dem entsprechend § 10 Abs. 1 Z 7 NÖ VNG unzulässigen Begehren ihres Nachprüfungsantrags um einen nicht verbesserungsfähigen Mangel. Nicht verbesserungsfähig iSd § 13 Abs. 3 AVG sind Mängel, die die Erfolgsaussichten eines Anbringens beeinträchtigen, die also einer inhaltlich positiven Erledigung eines Anbringens entgegenstehen. Unzulänglichkeiten eines Anbringens, die nicht dessen Vollständigkeit, sondern vielmehr seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen, sind somit keine Mängel iSd § 13 Abs. 3 AVG (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/05/0040, Rn. 18, mwN). Das Verwaltungsgericht wird durch § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG nicht verpflichtet, die Partei zu einer solchen "Verbesserung" (in Wahrheit: Änderung) des Anbringens aufzufordern, welche eine stattgebende Entscheidung ermöglicht (vgl. dazu VwGH 22.6.2011, 2007/04/0080). Im vorliegenden Fall liegt nicht ein Form- oder Inhaltsmangel des Nachprüfungsantrags vor, sondern es wurde ein Antrag gestellt, dem es an der gesetzlichen Grundlage mangelte (siehe VwGH 27.9.2000, 2000/04/0051).

17 Das Verwaltungsgericht hat demnach entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend den Nachprüfungsantrag ohne weiteres Verbesserungsverfahren zurückgewiesen.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040005.L00

Im RIS seit

22.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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