TE Vwgh Beschluss 2020/1/29 Ra 2019/09/0141

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Veröffentlicht am 29.01.2020
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Index

E1P
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §12b Z1
AuslBG §4b Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs3
VwRallg
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/09/0142

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision 1. der A GmbH und

2. der B C, beide in D, beide vertreten durch Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2018, Zlen. 1. W156 2168498-1/24E und 2. W156 2168819-1/24E, betreffend Versagung der Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 1. Juni 2017 versagte die belangte Behörde der Zweitrevisionswerberin, einer im Jahr 1988 geborenen philippinischen Staatsangehörigen, im Hinblick auf ihren Antrag vom 4. November 2016 an die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde die Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) im Gastronomieunternehmen der erstrevisionswerbenden Partei. 2 Die von beiden revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3 In seiner Entscheidungsbegründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass nach der dem Antrag beigelegten Arbeitgebererklärung beabsichtigt sei, die Zweitrevisionswerberin im Personalmanagement mit einer Entlohnung von 2.500,-- Euro brutto /Monat bei einer Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden unbefristet zu beschäftigen, und die Vermittlung von Ersatzkräften erwünscht sei. Der Vermittlungsauftrag enthalte als Berufsbezeichnung "Arbeits- und Beschäftigungstherapeutin" und als höchste abgeschlossene Ausbildung "Bachelor der Pflegewissenschaften". Die Zweitrevisionswerberin habe auf einer Universität auf den Philippinen einen Bachelor-Studiengang in Gesundheits- und Krankenpflege abgeschlossen; der erworbene "Bachelor of Science of Nursing" entspreche - so das Verwaltungsgericht weiter, wozu es sich insbesondere auf das eingeholte berufskundliche Gutachten stützte - am ehestens der österreichischen Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin; sie sei nicht berechtigt, diesen Beruf in Österreich auszuüben und besitze keinen Abschluss als "Bachelor der Pflegewissenschaften", womit der Nachweis, dass sie - wie im Anforderungsprofil der erstrevisionswerbenden Partei verlangt - einen "Bachelor der Pflegewissenschaften" als höchste abgeschlossene Ausbildung und damit die zur Ausübung der angestrebten Beschäftigung erforderliche Ausbildung aufweise, nicht erbracht worden sei. 4 Die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass eine solche nicht beantragt worden und nach Einholung eines berufskundlichen Gutachtens auch nicht erforderlich sei. Weder könne dem Grundsatz der materiellen Wahrheit noch der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheine eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC geboten. Vielmehr erscheine der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids aus der Aktenlage geklärt.

5 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurück- oder Abweisung der Revision beantragt.

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Wenn im Zulässigkeitsvorbringen der Revision die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung gerügt wird, so ist den revisionswerbenden Parteien zunächst zu entgegnen, dass im Gegensatz zu dem von ihnen ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/09/0051, die Durchführung einer solchen im gesamten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht beantragt wurde:

10 Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Auf den Anspruch auf Durchführung einer Verhandlung kann verzichtet werden, was dann angenommen werden kann, wenn der Beschwerdeführer keinen Verhandlungsantrag iSd § 24 Abs. 3 VwGVG stellt. Ein schlüssiger Verzicht liegt aber nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007). Im gegenständlichen Fall waren die revisionswerbenden Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertreten.

11 Der fehlende Antrag, in der vom rechtskundigen Vertreter verfassten Beschwerde sowie im verfassten Vorlageantrag, ist als impliziter Verzicht auf die Abhaltung einer solchen Verhandlung zu verstehen, zumal auch keine diesem Verständnis entgegenstehende Beweisanträge gestellt worden sind (vgl. VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0021). Im Übrigen war der gegenständliche Sachverhalt durch die Einholung des berufskundlichen Gutachtens auch ausreichend geklärt.

12 Darüber hinaus wurde im zitierten hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/09/0051, betont, dass es sich "beim Verfahren betreffend die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft um ein 'civil right' im Sinn der (...) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte handelt," und "(b)ei einer solchen Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen die Parteien (...) grundsätzlich ein Recht darauf (haben), dass ihre Angelegenheit in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem in der Sache entscheidenden Gericht erörtert wird". Gleichzeitig wurde aber auch ausgeführt, dass "(n)ach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein Entfall der nach Art. 6 Abs. 1 EMRK grundsätzlich gebotenen öffentlichen mündlichen Verhandlung dann zulässig (ist), wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der Gerichtshof hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände dann angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder hochtechnische Fragen ('exclusively legal or highly technical questions') betrifft. Er verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ('rather technical nature of disputes') auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige. Weiters kann eine Verhandlung dann nicht geboten sein, wenn etwa keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, mwN)".

13 Im vorliegenden Fall wurde den revisionswerbenden Parteien zum berufskundlichen Gutachten Parteiengehör eingeräumt; diese haben in ihrer Stellungnahme in Bezug auf die relevante Frage, ob die Zweitrevisionswerberin das Anforderungsprofil der erstrevisionswerbenden Partei erfüllt, kein Vorbringen erstattet, wonach im Hinblick auf die Beweiswürdigung und die daraus abzuleitenden Tatsachenfeststellungen im Sinn der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen wäre.

14 Soweit die revisionswerbenden Parteien weiters die Unterlassung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens rügen, ist ihnen zu erwidern, dass nach der dazu dargelegten Judikatur ein solches nur im Fall einer mangelhaften Arbeitgebererklärung nicht von vornherein abgelehnt werden darf. In diesem Verfahren lag hingegen ein ausreichend konkretes Anforderungsprofil vor. Sollten die revisionswerbenden Parteien damit auch das Vorliegen einer mangelhaften Arbeitgebererklärung behaupten wollen, so ist ihnen entgegenzuhalten, dass sie nicht darlegen, worin ein allfälliger Mangel der Arbeitgebererklärung gelegen wäre, wie auch im Übrigen diese erstmalige Behauptung eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung darstellen würde. 15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich Sache des Beschäftigers, das Anforderungsprofil hinsichtlich des zu besetzenden Arbeitsplatzes und der konkreten von der Arbeitskraft zu leistenden Tätigkeiten auf abstrakte Weise festzulegen. Der Beschäftiger hat zwar nach § 4b Abs. 1 letzter Satz AuslBG den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen der gewünschten Arbeitskraft zu erbringen. Die Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden (VwGH 20.3.2019, Ra 2018/09/0136).

16 Angesichts der Beweislage, dass (schon) die Zweitrevisionswerberin das Anforderungsprofil des erstrevisionswerbenden Unternehmens nicht erfüllen kann, erübrigte sich ein Ersatzkraftstellungsverfahren ebenso wie die in der Revision begehrten Ermittlungen zur Prüfung des Arbeitsmarktes zwecks Vermittlung von Ersatzkräften. Dasselbe gilt für die begehrten weiteren Ermittlungen, für welche Tätigkeiten die Zweitrevisionswerberin beschäftigt werden sollte, wozu auch verabsäumt wird, die Relevanz für den Verfahrensausgang darzulegen. Da das Verwaltungsgericht die Arbeitgebererklärung (unter Heranziehung des berufskundlichen Gutachtens) seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde legt, kann auch der im Weiteren behauptete Verstoß gegen das Überraschungsverbot nicht erblickt werden.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG entfallen.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Jänner 2020

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090141.L00

Im RIS seit

04.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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