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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des WD in Wien, geboren am 1. September 1950, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 12. Juli 1996, Zl. Fr-289/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. Mai 1996 hatte die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg den Beschwerdeführer, einen irakischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, "im Interesse der öffentlichen Ordnung" ausgewiesen, einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt und den Beschwerdeführer zum Ersatz der der Behörde oder dem Bund bei der Durchsetzung der Ausweisung erwachsenen Kosten verpflichtet.
Mit Bescheid vom 12. Juli 1996 (Spruchpunkt I.) gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) der dagegen erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid uneingeschränkt. Außerdem (Spruchpunkt II.) wies sie die Berufung gegen einen weiteren Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg (vom 14. Juni 1996), mit dem gemäß § 54 FrG festgestellt worden war, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer im Irak oder in Jordanien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei, als verspätet zurück.
Ihre Entscheidung zu I. begründete die belangte Behörde damit, daß der Beschwerdeführer am 15. Mai 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle, von Ungarn kommend, illegal nach Österreich eingereist sei, wo er von einer österreichischen Grenzgendarmeriepatrouille im Besitz eines Personalausweises sowie geringfügiger Barmittel betreten und anschließend festgenommen worden sei. Damit seien die im § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG normierten Tatbestände eindeutig verwirklicht. Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, dem nie ein rechtmäßiger Aufenthalt vorausgegangen sei, - noch dazu ohne entsprechende Barmittel - stelle eine derart grobe Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen von solchem Gewicht dar, daß das Dringendgebotensein der Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch unter Ausschluß der aufschiebenden Wirkung (gemeint: einer allfälligen Berufung) zu bejahen gewesen sei. Die Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen verliere nicht dadurch an Gewicht, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner von diversen Schlepperorganisationen organisierten Flucht aus dem Irak keinerlei Reisedokumente mitgenommen bzw. sich dieser bewußt entledigt habe, zumal gerade an der Bekämpfung des Schlepperunwesens ein gewichtiges öffentliches Interesse bestehe. Der verfügten Ausweisung stehe schließlich auch das anhängige Asylverfahren nicht entgegen, weil dem Beschwerdeführer mangels "direkter Einreise" aus dem Irak keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof erhobene, von diesem an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene und rechtzeitig ergänzte Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, den Beschwerdepunkt ausdrücklich zu bezeichnen. Das schadet ihm freilich nicht, weil es im gegebenen Zusammenhang nur darauf ankommt, daß der Inhalt der Beschwerde insgesamt klar erkennen läßt, in welchem Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Zl. 82/03/0112, VwSlg. 11.525/A). Das ist hier aber der Fall, weil nach dem gesamten Inhalt der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und nach Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde kein Zweifel daran bestehen kann, daß es dem Beschwerdeführer einzig um die zu Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides verfügte Ausweisung (das Recht, nicht aus dem Bundesgebiet ausgewiesen zu werden) geht. Außerdem ist klar, daß sich der Beschwerdeführer in diesem Rahmen lediglich durch die Ausweisung selbst, nicht aber (eventualiter) durch den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung und durch die ihm auferlegte Kostenersatzpflicht für beschwert erachtet.
Gemäß § 17 Abs. 2 FrG in der hier anzuwendenden Fassung vor der FrG-Novelle 1996 (BGBl. Nr. 436/1996) können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung u.a. dann mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden (Z.6). § 17 FrG findet jedoch keine Anwendung auf Flüchtlinge, die Asyl haben, sowie auf Asylwerber, die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung haben und auf Fremde mit befristeter Aufenthaltsberechtigung (§ 9 Asylgesetz 1991).
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid zunächst im Hinblick darauf, daß die verfügte Ausweisung nach § 9 Asylgesetz 1991 unzulässig sei. Er sei - am 15. Mai 1996 nach illegalem Grenzübertritt aus Ungarn - gemäß § 6 leg. cit. in das Bundesgebiet eingereist und habe unmittelbar nach dem Grenzübertritt gegenüber den ihn festnehmenden Organen seinen Wunsch auf Asylgewährung geäußert, sodaß ihm nach § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme. Die Annahme der belangten Behörde, er sei nicht "direkt" nach Österreich eingereist, sei verfehlt.
Die (umfangreiche) Argumentation des Beschwerdeführers zur Qualifikation seiner Einreise, die er als solche nach § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bewertet wissen will, ist nicht zielführend. Er übersieht nämlich, daß eine ihm allenfalls zugekommene vorläufige Aufenthaltsberechtigung mit rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens erloschen ist (§ 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991). Wie sich den vorgelegten Verwaltungsakten entnehmen läßt, wurde der das Asylverfahren negativ beendende letztinstanzliche Bescheid am 25. Juni 1996 erlassen. Damit kam dem Beschwerdeführer aber jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des hier in Frage stehenden Ausweisungsbescheides vom 12. Juli 1996 (das ist der 18. Juli 1996) keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Daß er eine solche im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Ausweisungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg innegehabt haben mag, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Bedeutung, weil nur der letztgenannte Bescheid Gegenstand der Überprüfung durch den Gerichtshof ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0495). Unmaßgeblich ist es aber auch, daß gegen den negativen letztinstanzlichen Asylbescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (protokolliert zur Zl. 96/20/0579) erhoben und daß dieser Beschwerde - worauf der Beschwerdeführer hier hinweist - mit hg. Beschluß vom 16. August 1996, Zl. AW 96/20/0439, die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an eine Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof wird nämlich lediglich ex nunc, also mit Zustellung (Erlassung) des betreffenden Beschlusses wirksam (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 97/21/0389, m.w.N.), was für die aufschiebende Wirkung in Ansehung der Beschwerde gegen den den Beschwerdeführer betreffenden negativen Asylbescheid somit nicht vor dem 16. August 1996 angenommen werden kann. Im Zeitpunkt der Erlassung des den Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Ausweisungsbescheides kam dem Beschwerdeführer daher keinesfalls eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Von daher entbehren die Modalitäten seiner Einreise ins Inland der Relevanz.
Im Ergebnis erweist sich daher die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegende Annahme, § 9 Asylgesetz 1991 stehe der Ausweisung nicht entgegen, als frei von Rechtsirrtum.
Auf dem Boden der in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Feststellungen, daß der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne das erforderliche Reisedokument in das Bundesgebiet eingereist sei, hegt der Verwaltungsgerichtshof des weiteren keine Bedenken gegen die von der Behörde gezogene Schlußfolgerung, es sei im vorliegenden Beschwerdefall der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht.
Zwar weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, daß die Behörde bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG Ermessen zu üben hat. Im Hinblick darauf aber, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt, handelt es sich bei der unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Reisedokument erfolgten Einreise des Beschwerdeführers nicht um eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, weshalb die verfügte Ausweisung nicht als rechtswidrig zu erkennen ist. Nur bei einer geringfügigen Störung der öffentlichen Ordnung ist in den Fällen des § 17 Abs. 2 FrG von der Erlassung einer Ausweisung abzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 96/21/0324, m.w.N.). Das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung wird nicht schon dadurch gemindert, daß der Fremde sofort nach seiner unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgten Einreise einen Asylantrag stellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 98/21/0207). Wenn in der Beschwerde darauf hingewiesen wird, daß Personen wie der Beschwerdeführer "sich aus subjektiven wie objektiven Gründen außerstande sehen, ihren Grenzübertritt an einer Grenzkontrollstelle vorzunehmen und sich dabei dem Risiko auszusetzen, von den Grenzaufsichtsorganen des potentiell unsicheren Nachbarlandes nicht einmal bis zur österreichischen Grenzkontrolle durchgelassen zu werden", so ist dem im übrigen zu entgegnen, daß jedenfalls im Verwaltungsverfahren solche Gründe nicht konkret angeführt worden sind.
In seiner ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde hat der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, die gegenständliche Ausweisung greife in sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Schutz seines Privatlebens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein. Diesen Gedanken greift er im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof auf, wenn er der belangten Behörde vorwirft, sie habe es verabsäumt, eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung seiner privaten Interessen an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet vorzunehmen. Daß dieses "Versäumnis" mit dem Wortlaut des § 19 FrG in Einklang steht, wonach nur bei einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. oder bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auf das Privat- oder Familienleben des Fremden Bedacht zu nehmen ist, erkennt er freilich selbst. Er gesteht überdies zu, "daß in den Fällen des § 17 Abs. 2 FrG im allgemeinen noch kein erheblicher Eingriff in bestehende, im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigende Rechte verwirklicht werde, weil ein Inlandsbezug in aller Regel noch nicht in einer rechtserheblichen Intensität in derart kurzer Aufenthaltsdauer hergestellt werde, von welcher die im § 17 Abs. 2 FrG angeführten Tatbestände durchwegs" ausgingen (siehe in diesem Sinn auch das vorzitierte hg. Erkenntnis
Zl. 96/21/0324, m.w.N.). Allerdings vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß hier trotz der Kürze seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides befand er sich noch nicht einmal zwei Monate im Inland - zwingende private Interessen seiner Ausweisung entgegenstünden. Begründet wird dies damit, daß die Durchsetzung der Ausweisung sein Leben, seine Freiheit und seine Unversehrtheit gefährden und jegliches Privat- oder auch Familienleben seinerseits vernichten würde, weil er im Fall einer Abschiebung in den Irak unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre oder hingerichtet würde und weil keiner der für eine Abschiebung sonst noch in Frage kommenden Staaten ihm ausreichend Sicherheit vor einer Abschiebung in den Irak bieten würde.
Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, daß mit der Erlassung einer Ausweisung lediglich die Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden ist (§ 22 FrG), nicht jedoch darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 96/21/0324). Im übrigen ist das Privatleben des Beschwerdeführers unter dem von ihm herangezogenen Aspekt ausreichend durch § 54 FrG (nunmehr § 75 Fremdengesetz 1997) geschützt, dessen Abs. 4 normiert, daß der Fremde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf. Der in der Beschwerde aufgezeigten Gefahr, es könnte die Abschiebung des Beschwerdeführers in ein anderes Land als Ungarn oder Jordanien bewirkt werden, von wo - ohne daß er die Möglichkeit hätte, im Wege des § 54 FrG "verhindernd einzugreifen" - ihm ebenfalls die Auslieferung in den Irak drohte, könnte schließlich mittels eines Antrags auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes nach § 36 Abs. 2 FrG (nunmehr § 56 Abs. 2 Fremdengesetz 1997) entgegengewirkt werden. Damit geht jedenfalls im vorliegenden Beschwerdefall auch die Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 2 EMRK fehl.
Konnte sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid zutreffend auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG stützen, so kann es dahingestellt bleiben, ob auch der weitere von ihr herangezogene Grund des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt ist. Deshalb war auf die vom Beschwerdeführer zu diesem Ausweisungstatbestand gemachten Ausführungen nicht näher einzugehen und die Beschwerde unabhängig davon gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997210048.X00Im RIS seit
20.11.2000