TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/5 96/21/0367

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.1998
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der AI, (geboren am 22. Oktober 1969), in Ybbs, vertreten durch Dr. Franz Hofbauer, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs, Hauptplatz 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. Oktober 1995, Zl. Fr 2837/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG), BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin, die weder im Besitz eines gültigen Reisedokumentes noch einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich sei, habe am 18. April 1995 ihr Heimatland verlassen und sei in einem Pkw versteckt nach Ungarn eingereist. Nachdem sie sich dort bis in die Morgenstunden des 21. April 1995 aufgehalten habe, sei sie wieder in einem Pkw versteckt unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Da sie nicht direkt aus dem Land, in dem sie behaupte, verfolgt zu werden, eingereist sei, komme ihr kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz 1991 (AsylG) zu.

Bei ihrer Einvernahme am 26. April 1995 habe die Beschwerdeführerin angegeben, daß ihre Einreise illegal erfolgt und sie völlig mittellos sei. Sie habe während des Berufungsverfahrens weder eine tragfähige Verpflichtungserklärung beigebracht, noch reiche es aus, daß sie in die Bundesbetreuung aufgenommen worden sei, um nicht von ihrer Mittellosigkeit auszugehen. Eine gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen liege dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen könne. Im übrigen stelle die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle einen Verstoß gegen das österreichische Grenzkontrollgesetz dar. "Der Mißachtung" der für die Einreise nach und für die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides sei nicht zu prüfen, in welches Land die Beschwerdeführerin abgeschoben werden könne. Da sämtliche Tatbestandsmerkmale für die Erlassung der Ausweisung vorlägen, habe die Behörde diese Maßnahme zu treffen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung, daß die Beschwerdeführerin ohne gültiges Reisedokument und ohne Aufenthaltsberechtigung unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet von Ungarn aus eingereist sei, unbekämpft. Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme ist der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG unbedenklich.

Der Rechtmäßigkeit der Ausweisung hält die Beschwerdeführerin entgegen, daß ihr eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 AsylG zukomme, sodaß die belangte Behörde keinen Ausweisungsbescheid hätte erlassen dürfen. Diese hätte erst nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens davon ausgehen dürfen, daß die Beschwerdeführerin nicht in Ungarn verfolgt werde, dies umso mehr, als die Beschwerdeführerin in diesem Land vor Verfolgung nicht sicher sei.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG kommt unter weiteren, hier nicht strittigen Voraussetzungen einem Asylwerber, der gemäß § 6 AsylG eingereist ist, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Die genannte Voraussetzung ist jedoch im Beschwerdefall nicht erfüllt. Diese ist weder direkt aus einem Gebiet, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinn des Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bedroht war (Art. 31 Z. 1 der Konvention), noch direkt aus dem Staat, in dem sie im Verwaltungsverfahren behauptete, Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 AsylG), nach Österreich gekommen. Daß sie in Ungarn vor Verfolgung nicht sicher sei, hat die Beschwerdeführerin im Verfahren zur Erlassung der Ausweisung nicht behauptet, sodaß ihr diesbezügliches auf § 6 Abs. 2 AsylG abzielendes Beschwerdevorbringen eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Demzufolge ist dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe die Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens unterlassen, der Boden entzogen.

Der am 24. April 1995 gestellte Asylantrag konnte der Beschwerdeführerin somit keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 AsylG verschaffen, weshalb § 9 Abs. 1 leg. cit. der bekämpften Ausweisung nicht im Wege stand.

2.1. Die Beschwerde rügt ferner, daß es die belangte Behörde im Zusammenhang mit dem ihr nach § 17 Abs. 2 FrG zustehenden Ermessensspielraum unterlassen habe, auf den bereits über ein Jahr dauernden Aufenthalt der Beschwerdeführerin mit ihrem Kind bei ihrem Ehegatten, auf die Intensität der familiären Bindung im Zusammenhang mit der Geburt der weiteren gemeinsamen Tochter in Österreich und auf das Ausmaß ihrer Integration in Österreich Bedacht zu nehmen, und daß die Ausweisung zu einem relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 19 FrG führen würde.

2.2. Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerde, daß bei einer auf § 17 Abs. 2 FrG gestützten Ausweisung - anders als im Fall einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG - § 19 FrG nicht anzuwenden und auf ein durch Art. 8 Abs. 2 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben im Hinblick darauf nicht Bedacht zu nehmen ist, daß die Ausweisung schon vom Tatbestand des § 17 Abs. 2 FrG her innerhalb kurzer Frist nach der Einreise erfolgt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0978, m.w.N.).

Im übrigen ist der Beschwerde zuzugeben, daß die Behörde bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG Ermessen zu üben hat. Hiebei wird lediglich in den Fällen, in denen die öffentliche Ordnung nur ganz geringfügig berührt wird, im Lichte einer gesetzmäßigen Ermessensübung von der Erlassung einer Ausweisung abzusehen sein. Im Hinblick darauf, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt, handelt es sich bei der unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne Reisedokument erfolgten Einreise der Beschwerdeführerin jedoch nicht um eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis), weshalb sich die auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützte Ausweisung nicht als rechtswidrig erweist.

3. Konnte die belangte Behörde zutreffend ihren Bescheid auf diesen Tatbestand stützen, so kann es dahingestellt bleiben, ob auch der weitere von der belangten Behörde herangezogene Grund des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt ist (vgl. das vorzitierte Erkenntnis), sodaß auf die zu diesem Ausweisungstatbestand gemachten Beschwerdeausführungen nicht weiter eingegangen zu werden braucht.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG i.d.F. BGBl. I Nr. 88/1997 abgesehen werden.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996210367.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten