TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/5 98/21/0198

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991;
AsylG 1997;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art102;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §70 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs2;
FrG 1997 §94 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des SN (geboren am 9. August 1968) in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. März 1998, Zl. Fr 290/1997, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Zaire (demokratische Republik Kongo), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 25. März 1998 gerichtet, mit dem gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt wurde, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Zaire gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Dem in den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 1996, betreffend die Gewährung von Asyl, zufolge hatte der Beschwerdeführer seinen Asylantrag wie folgt begründet:

Er sei am 22. Juli 1992 aus seinem Heimatland über die Republik Kongo und Rumänien geflüchtet. Die österreichische Grenze habe er am 8. Oktober 1992 an einer ihm nicht bekannten Stelle illegal überschritten. Am 22. Juli 1992 habe er gemeinsam mit seinem Bruder Kinshasa verlassen und sei mit dem Schiff, die Linie sei ihm nicht bekannt, in die Republik Kongo und zwar die Hafenstadt "Kinzuka" gefahren, wo er sich zwei Monate lang aufgehalten habe. Sein Bruder sei wieder nach Kinshasa zurückgereist und habe dem Beschwerdeführer einen Reisepaß sowie ein Flugticket besorgt. Auf welche Person dieser Reisepaß ausgestellt gewesen sei, könne der Beschwerdeführer nicht angeben. Er habe sich etwa zwei Monate in der Republik Kongo in einer ihm namentlich nicht bekannten Stadt aufgehalten und zwar habe er bei einer Frau mit dem Namen Menga Jeanette gewohnt. Sie hätten das Haus niemals verlassen (bzw. das Haus doch verlassen, sich jedoch nicht lange außerhalb aufgehalten).

Am 2. Oktober 1992 sei der Beschwerdeführer mit dem Flugzeug von Brazzaville direkt nach Moskau und am 4. Oktober 1992 weiter nach Rumänien gereist. Seine Flucht habe er dann mit der Eisenbahn in Richtung Österreich fortgesetzt, wo er am 8. Oktober 1992 eingetroffen sei. Noch am Bahnhof habe er einen Landsmann getroffen, der ihm den Weg nach Traiskirchen erklärt habe. Seinen Reisepaß habe er an eine ihm bekanntgegebene Adresse in Kinshasa zurückgeschickt. Angaben bezüglich seiner Reiserouten, der von ihm benutzten Fluglinien etc. könne er nicht machen, die auflaufenden Kosten seien von seinem Bruder getragen worden, weshalb er auch hiezu keine Angaben tätigen könne.

Sein Heimatland habe der Beschwerdeführer verlassen, weil er nicht länger im Polizeigefangenenhaus habe bleiben wollen. Er sei am 16. Februar 1992 von einem Polizisten auf der Straße im Ort "Matonge" verhaftet und im Polizeigefangenenhaus Makala bis zu seiner Flucht eingesperrt worden. Am Tag seiner Verhaftung habe er auf der Straße Saint Sprient gemeinsam mit vielen seiner Landsleute, alle Angehörige der katholischen Glaubensgemeinschaft, so wie er selbst auch, gegen die Regierung demonstriert. Er habe dabei ein 100 cm x 80 cm großes Plakat getragen, das ihm am Veranstaltungsort übergeben worden sei. Wer dieses Plakat, in dem für mehr Demokratie eingetreten worden sei, angefertigt habe, sei ihm nicht bekannt. Der Chef der Gruppe, welche die Demonstration angeführt habe, habe jedenfalls Mbasi Manoka geheißen. Der Verhaftung hätten nur wenige Demonstranten entkommen können. Der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit drei Personen in einer ca. 4 m x 3 m großen Zelle, welche mit einer Eisentüre versperrt gewesen sei, eingesperrt gewesen. Während seiner Haft sei er zwei- oder dreimal von mehreren Personen mit den Händen und einem ca. 50 cm langen Gummiknüppel auf die Handflächen, aber auch auf den gesamten Körper geschlagen worden, auch hätte man ihn mit Füßen getreten. Durch diese Mißhandlungen hätte der Beschwerdeführer aber weder innere noch sichtbare Verletzungen davongetragen, auch hätte er nicht in einem Spital behandelt werden müssen.

Am 22. Juli 1992 sei der Beschwerdeführer von einigen Polizisten aus dem Gefängnis heraus und zu seinem in einem Personenkraftwagen vor dem Gefängnis wartenden Bruder gebracht worden. Sein Bruder habe ihm mitgeteilt, daß seine Schwester getötet worden wäre. Der Beschwerdeführer selbst sei nicht aus dem Gefängnis entlassen worden, sondern drei Polizisten hätten ihm zur Flucht verholfen. Er sei gemeinsam mit seinem Bruder in dem Personenkraftwagen zum Hafen gebracht worden. Überdies hätten ihm die Polizisten seinen Personalausweis, der ihm bei der Verhaftung abgenommen worden sei, übergeben. Er sei, außer dieser Verhaftung, in seinem Heimatland weder von den staatlichen Organen, noch von anderen Personen verfolgt oder belästigt worden.

Der Beschwerdeführer habe nach dem Besuch der Mittelschule und der (nicht abgeschlossenen) Berufsschule als Mechaniker gearbeitet. Er sei "Ehrenmitglied" der katholischen Glaubensgemeinschaft. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen und politischen Lage im Lande hätte diese Gemeinschaft beabsichtigt, eine Demonstration gegen die Regierung von Präsident Mobutu Sisiku zu organisieren. Am 9. Februar 1992 hätte eine Nationalkonferenz stattfinden sollen, an welcher alle politischen Parteien und Organisationen vertreten gewesen wären. Diese hätte über die politische Zukunft des Landes debattieren sollen. Staatspräsident Mobutu habe diese Konferenz verboten, weil sie seinem Alleinherrschen ein Ende hätte machen wollen.

Der Beschwerdeführer sei bei der Demonstration beauftragt worden, ein Plakat zu tragen und die Parole "Nieder mit dem Diktator" zu rufen. Während der Demonstrationszug durch die Straßen gezogen sei, habe die Polizei diesen umzingelt und auf die Demonstranten mit Gummiknüppeln eingeschlagen. Der Beschwerdeführer sei, so wie viele andere Demonstranten auch, verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden. Dort sei er verhört und gefoltert worden. Er habe sich allen Foltermethoden, von Schlägen bis zum Entzug von Mahlzeiten unterziehen müssen. Die Gefangenen hätten ein Gerichtsverfahren verlangt, dies sei ihnen jedoch nicht zuerkannt worden. - Soweit das im Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 1996 wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Der angefochtene Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich die belangte Behörde den Ausführungen der Behörde erster Instanz in deren Bescheid vom 7. Februar 1997 vollinhaltlich anschließe und diese "u.a. zum Inhalt des ggst. Bescheides" erhebe.

Der Beschwerdeführer habe am 4. Februar 1997 vor der Bundespolizeidirektion Graz niederschriftlich folgendes angegeben:

"Ich kann nicht nach Zaire zurückkehren, da ich bei der Rückkehr mit meinem Tod zu rechnen hätte. Ich werde wegen meiner politischen Aktivitäten in Zaire von der Polizei gesucht. Die genaueren Angaben diesbezüglich habe ich anläßlich meiner Asyleinvernahme dargelegt und verweise ich auf diese. Diesen Angaben habe ich nichts hinzuzufügen. Die vorstehende Niederschrift wurde mir von einer französisch sprechenden Dolmetscherin verständlich übersetzt. Die Angaben entsprechen der Wahrheit und wurden richtig festgehalten."

Aufgrund des Verweises des Beschwerdeführers auf seine Angaben im Asylverfahren seien auch diese von der belangten Behörde berücksichtigt worden. Die Angaben des Beschwerdeführer seien jedoch nicht glaubwürdig. So habe er zwar vor der Asylbehörde angegeben, daß er an einer Kundgebung vom 16. Februar 1992, die im Stadtteil- nicht Ort, Matunge stattgefunden hätte, teilgenommen hätte, doch habe er angegeben, daß der Verhaftung nicht viele Demonstranten entkommen hätten können. Wie sich jedoch aus der Historie ergebe, hätten - so führte die belangte Behörde weiter aus - an dieser Demonstration tausende Personen teilgenommen, verhaftet worden seien jedoch nur etwa fünfzig. Abgesehen von diesen Divergenzen zwischen den Angaben des Beschwerdeführers und den tatsächlichen Geschehnissen habe er die doch dramatisch verlaufende Auflösung dieser Kundgebung, die immerhin einer größeren Anzahl von Menschen das Leben gekostet habe, nicht auch nur mit einem Wort erwähnt, was aufgrund des vagen Vorbringens des Beschwerdeführers als Indiz dafür gewertet werde, daß der Beschwerdeführer an dieser Kundgebung überhaupt nicht teilgenommen habe, sondern diesen Vorfall lediglich zur Begründung seines Feststellungsantrages herangezogen habe. Ein weiteres Indiz dafür, daß die vom Beschwerdeführer gemachten Aussagen nicht der Wahrheit entsprächen, sei seine Behauptung, daß er erst am 22. Juli 1992 unter Beihilfe von drei bestochenen Polizeibeamten die Möglichkeit erhalten habe, das - wie er es bezeichnet habe - Polizeigefängnis Makala zu verlassen. Tatsache sei jedoch, daß die am 16. Februar 1992 festgenommenen Kundgebungsteilnehmer nach 48 Stunden, spätestens jedoch Ende April ohne Anklageerhebung wieder freigelassen worden seien, weshalb auch das diesbezügliche Vorbringen nicht mit den historisch belegten Tatsachen übereinstimme. Das Gefängnis von Makala unterstehe übrigens der Justizverwaltung. Aufgrund der Anlage und der Sicherheitseinrichtungen bedürfe es für die Durchführung einer Flucht der Bestechung von wenigstens vierzig Personen. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtmodalitäten stünden in keinem Einklang zu den tatsächlichen Gegebenheiten, sondern ließen vielmehr den Schluß zu, daß er niemals in diesem Gefängnis gewesen sei bzw. dieses nicht auf die von ihm behauptete Art und Weise verlassen habe.

Nach Ansicht der belangten Behörde komme daher dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit keine Glaubwürdigkeit zu. Dies betreffe auch die Modalitäten seiner Ausreise aus Zaire. So habe er behauptet, Zaire mit einem Schiff einer ihm nicht bekannten Linie verlassen zu haben und in die Republik Kongo gereist zu sein. Er gebe aber auch an, daß er zu diesem Zeitpunkt lediglich im Besitz seines Personalausweises, den ihm die drei Polizeibeamten von der Gefängnisverwaltung mitgebracht hätten, gewesen sei. Er habe sohin keinen Reisepaß besessen. Aufgrund der Schilderung des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, daß er mit einem offiziellen Schiffahrtsunternehmen gereist sei. In derartigen Verkehrsmitteln werde jedoch seitens der staatlichen Behörden des Ausreise- und des Einreisestaates sehr wohl geprüft, ob die Passagiere über die notwendigen Dokumente zum Grenzübertritt verfügten, weshalb auch die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers in Zweifel gezogen würden. Im übrigen seien die Angaben des Beschwerdeführers durch keinerlei Dokumente belegt.

Das Bundesministerium für Inneres habe mit Bescheid vom 10. November 1997 rechtskräftig festgestellt, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukäme und daß er in seinem Heimatland vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sicher wäre. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 57 Abs. 2 FrG, es könne daher davon ausgegangen werden, daß diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen, da der Beschwerdeführer im darauffolgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe und, was die Fluchtgründe anlange, auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. dieses wiederholt habe. Die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens sei nicht unzulässig, ja vielmehr naheliegend.

Es sei der belangten Behörde bekannt, daß die politische Lage in Zaire sehr instabil sei und daß im Heimatland des Beschwerdeführers immer wieder Unruhen herrschten. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen gingen jedoch nicht über das hinaus, was die Bewohner im Heimatland aufgrund der dort herrschenden amtsbekannten Verhältnisse allgemein hinzunehmen hätten und stelle daher keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung im Sinn des § 75 FrG dar. Die Angaben des Beschwerdeführers, er sei aufgrund politischer Probleme inhaftiert gewesen und müsse bei einer etwaigen Rückkehr in sein Heimatland mit einer sofortigen Verhaftung rechnen, seien für die belangte Behörde zu pauschal, um Verfolgung bzw. Bedrohungsgründe im Sinn des § 57 des Fremdengesetzes 1997 entstehen zu lassen.

In der Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

     Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     Die maßgeblichen Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 lauten

wie folgt:

     "Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung

§ 57. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu eine bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974).

...

(4) Die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinne des Abs. 2 jedoch nicht im Sinne des Abs. 1 bedroht sind, ist nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten (Art. 33 Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).

(5) Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 4 ist mit Bescheid festzustellen. Dies obliegt in jenen Fällen, in denen ein Asylantrag abgewiesen wird oder in denen Asyl aberkannt wird, den Asylbehörden, sonst der Sicherheitsdirektion.

...

Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen

bestimmten Staat

§ 75. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, daß für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht."

§ 8 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, lautet:

"Non-refoulement-Prüfung

§ 8. Ist ein Antrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."

Die belangte Behörde ist zunächst darin im Recht, daß sie ihre Zuständigkeit zur Erlassung eines Berufungsbescheides bejaht und den angefochtenen Bescheid auf das zum Zeitpunkt seiner Erlassung in Kraft befindliche Fremdengesetz 1997 gegründet hat. Zwar wurde der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 7. Februar 1997 auf der Grundlage des § 54 des gemäß § 111 Abs. 3 FrG mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes aus 1992 erlassen. Auch ordnet das mit zahlreichen Übergangsvorschriften ausgestattete Fremdengesetz 1997 nicht ausdrücklich an, daß Verfahren über einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat, die bei Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 anhängig sind, nach den entsprechenden Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 weiterzuführen sind. Existieren keine Übergangsbestimmungen, die Gegenteiliges anordnen, so ist grundsätzlich die im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage anzuwenden. Das gemäß seinem § 111 Abs. 1 mit 1. Jänner 1998 in Kraft getretene Fremdengesetz 1997 ordnet in seinem § 94 Abs. 1 an, daß "(ü)ber Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz ..., sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz" entscheidet. Diese Bestimmung gilt auch für Berufungen gegen Bescheide nach den entsprechenden Bestimmungen des Fremdengesetzes aus 1992, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er habe zur Behandlung derartiger Fälle andere Behörden als die Sicherheitsbehörden berufen wollen (vgl. Art. 102 B-VG). Vorliegend kam daher auch § 75 Abs. 1 zweiter Satz FrG nicht zum Tragen, weil keiner der darin genannten Fälle vorlag.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 hat der Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 des Fremdengesetzes aus 1992 glaubhaft zu machen, und ist von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes aus 1992 im Verfahren gemäß § 54 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/21/0399, m.w.N.) Diese Überlegungen sind gleichermaßen für die Anwendung des § 75 Abs. 1 FrG von Bedeutung.

Neben allgemeinen Ausführungen über die Situation der Menschenrechte in Zaire enthält die Beschwerde den an die belangte Behörde gerichteten Vorwurf, diese habe im angefochtenen Bescheid die Ausführungen der Behörde erster Instanz ohne die Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens übernommen, obzwar gemäß §§ 37 bis 55 AVG der Erlassung jedes Bescheides ein Ermittlungsverfahren voranzugehen habe. Sie sei ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Aus dem gegenständlichen Bescheid sei nicht ersichtlich, welche Feststellungen sie überhaupt getroffen und welchen Sachverhalt sie ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt habe. Sie wäre zumindest verpflichtet gewesen, "negative Feststellungen" zu treffen. Ein Fremder habe die Umstände, die zu seiner Verfolgung führten, nicht zu beweisen, sondern diese lediglich glaubhaft zu machen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zu den aufgeworfenen Fragen vor Bescheiderlassung einzuvernehmen, um das als unglaubwürdig betrachtete Vorbringen auf geeignete Weise zu überprüfen, anstatt die Unglaubwürdigkeitsargumente der schriftlichen Bescheidausfertigung vorzubehalten. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer überhaupt kein Parteiengehör gewährt. Die von der belangten Behörde gefundenen Widersprüche könnten auch das Ergebnis von Sprachschwierigkeiten, Übersetzungsfehlern, interkulturellen oder psychologischen Kommunikationsproblemen oder schlichten Mißverständnissen sein.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Zwar ist es der zur Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat zuständigen Behörde aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse eines denselben Fremden betreffenden Asylverfahrens zu berücksichtigen (vgl. zur Feststellung gemäß § 54 des Fremdengesetzes aus 1992 etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0794). Eine derartige Verwertung der Ergebnisse des Asylverfahrens - die im übrigen bloß im Hinblick auf die in § 75 Abs. 2, nicht aber ohne weiteres im Hinblick auf die in § 75 Abs. 1 FrG genannten Gefahren möglich ist - entbindet die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, im Fall der Abweisung eines derartigen Antrages zu begründen, aus welchen Erwägungen in bezug auf den Antragsteller die in § 57 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren nicht vorliegen. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur dem Sinn und Zweck der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht, sondern hindern im Fall seiner Anrufung auch den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie in § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 97/21/0576, mwN aus der Rechtsprechung und Literatur).

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers auf seine Unglaubwürdigkeit wegen einzelner von ihm erstatteter Vorbringen, die im Widerspruch zu von ihr selbst getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Frage, ob "Matonge" bzw. "Matunge" ein Ort oder ein Stadtteil (von Kinshasa) sei, der Zahl der Teilnehmer bei der Demonstration, der Zahl der Festnahmen, der Dauer der Inhaftierung einzelner Demonstrationsteilnehmer sowie der Feststellung, daß es sich bei dem Gefängnis Makala nicht um ein Polizeigefängnis, sondern um ein solches der Justizverwaltung handle, stünden, sowie schließlich darauf gestützt, daß es unglaubwürdig sei, daß dem Beschwerdeführer die Ausreise von Zaire in die Republik Kongo mit einem "offiziellen Schiffahrtsunternehmen" lediglich im Besitz eines Personalausweises gelungen sei.

Die belangte Behörde ist zu diesem Ergebnis nicht aufgrund eigenständiger Ermittlungen gelangt, sondern hat ihrem Bescheid offensichtlich den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 1996 wie auch den erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 7. Februar 1997 zugrundegelegt.

Gegen die solcherart erfolgte Berücksichtigung der im angefochtenen Bescheid nachvollzogenen Ergebnisse des Asylverfahrens bestehen im Lichte der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken. Die auf dieser Grundlage gezogene Schlußfolgerung auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers stößt auf dem Boden der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (eingeschränkten) Überprüfungsbefugnis hinsichtlich der behördlichen Beweiswürdigung (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) auf keinen Einwand, zumal es der Beschwerdeführer unterläßt - und auch in seiner Berufung unterlassen hat -, der Beweiswürdigung der belangten Behörde stichhaltige Argumente entgegenzusetzen. Die insoweit maßgeblichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurden ebenso wie die Bezugnahme auf die "Historie" von der Beschwerde unangetastet gelassen, somit nicht einmal in Zweifel gezogen, geschweige denn dezidiert durch eine Darstellung dessen, was aus der Sicht des Beschwerdeführers tatsächlich zutrifft, bestritten. Es wird nicht einmal versucht, die von der belangten Behörde angenommenen Widersprüche und Ungereimtheiten zu entkräften und konkret darzutun, zu welchen für den Beschwerdeführer günstigeren Feststellungen sie bei Gewährung von Parteiengehör hätte gelangen müssen. Daher wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.

Auch die unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemachten Beschwerdeausführungen nehmen auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers nicht Bezug und sind aufgrund ihrer Allgemeinheit für die Entscheidung des Beschwerdefalles unerheblich.

Die belangte Behörde hat somit auf der Grundlage unbedenklicher Feststellungen auf schlüssige Weise die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers aufgezeigt. Ihre daraus gezogene Schlußfolgerung, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Zaire gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 5. August 1998

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Grundsatz der Unbeschränktheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998210198.X00

Im RIS seit

16.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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