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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §69 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des am 23. März 1970 geborenen J H in Linz, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Mai 1997, Zl. 665.797/13-III/16/96, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 54 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem, im November 1994 im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.
In der Folge, am 15. April 1996, hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Diesen Antrag wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien bescheidmäßig ab. Hiegegen erhob der Beschwerdeführer per Postaufgabe 4. Juli 1996 Berufung.
Mit der Behauptung, der zur Entscheidung über seine Berufung zuständige Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) sei säumig, brachte der Beschwerdeführer die am 9. Jänner 1997 hg. eingelangte und zur Zl. 97/21/0015 protokollierte Säumnisbeschwerde ein. Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Berichterverfügung vom 21. Jänner 1997 bezüglich dieser Säumnisbeschwerde das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Diese Anordnung wurde der belangten Behörde am 4. Februar 1997 zugestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Mai 1997, Zl. 665.797/13-III/16/96, gegenüber dem Beschwerdeführer unstrittig am 9. Mai 1997 erlassen, wies die belangte Behörde die Berufung gegen den die Wiederaufnahme versagenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 69 Abs. 1 AVG ab. Mit Beschluß vom 11. Juni 1997 stellte der Verwaltungsgerichtshof daraufhin das Verfahren über die Säumnisbeschwerde - der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 entsprechend - gemäß § 33 Abs. 1 VwGG wegen Klaglosstellung ein.
Gegen den zuvor genannten Bescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 1997 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn "wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften insbesonders aber wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit" aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr zuständig gewesen sei, weil die vom Verwaltungsgerichtshof für die Nachholung des Bescheides gesetzte Frist versäumt worden sei.
Gemäß § 36 Abs. 2 erster Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die belangte Behörde bleibt während der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG zur Nachholung des versäumten Bescheides gesetzten Frist zuständig, verliert diese Zuständigkeit aber mit Ablauf dieser Frist. Damit die Frist gewahrt ist, muß innerhalb derselben der Bescheid durch die belangte Behörde erlassen werden. Ein erst nach Ablauf der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist erlassener Bescheid ist zwar nicht von Amts wegen, aber dann wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, wenn der Beschwerdeführer die Unzuständigkeit geltend macht (vgl. zuletzt etwa den hg. Beschluß vom 13. Mai 1998, Zl. 97/01/0951 mwN).
Im Beschwerdefall endete die gemäß § 36 Abs. 2 VwGG der belangten Behörde zur Nachholung des versäumten Bescheides gesetzte dreimonatige Frist - wie der Beschwerdeführer richtig aufzeigt - im Hinblick auf § 33 Abs. 2 AVG mit Ablauf des 5. Mai 1997. Der nachgeholte Bescheid wurde aber erst am 9. Mai 1997 durch Zustellung an den Vertreter des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren erlassen. Die belangte Behörde war daher nicht mehr zuständig.
Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich darüber hinaus aus folgendem Grund: Gemäß § 70 Abs. 3 AVG steht dem Antragsteller gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde zu. Unter dieser Behörde ist jedoch nur jene zu verstehen, die nach Lage des Falles der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Angelegenheit auch in der Sache selbst als Berufungsbehörde zur Entscheidung berufen ist. Da in der dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Verwaltungsangelegenheit - Feststellungsverfahren nach § 54 FrG - der Rechtszug gemäß § 70 Abs. 1 leg. cit. bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien endete, kam der Bundesminister für Inneres als Berufungsbehörde in der Hauptsache nicht in Betracht. Er konnte demnach auch mit der gegen den verfahrensrechtlichen Bescheid der Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens erhobenen Berufung nicht rechtens angerufen werden (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 70 AVG sub 5a ff. zitierte hg. Judikatur). Indem der Bundesminister für Inneres ungeachtet dessen die Berufung nicht als unzulässig zurückwies, sondern dieselbe durch Abweisung meritorisch erledigte, hat er eine ihm nach dem Gesetz nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen, weshalb der von ihm erlassene Bescheid auch aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Mai 1968, Slg. Nr. 7357).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. August 1998
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997210308.X00Im RIS seit
20.11.2000