TE Bvwg Beschluss 2019/11/4 L521 2124141-2

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Veröffentlicht am 04.11.2019
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Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

ASVG §113
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32

Spruch

L521 2124141-2/6E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Dr. Lorenz Huber, 5027 Salzburg, Julius-Raab-Platz 1, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

I. Der Antrag auf amtswegige Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Dem Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, abgeschlossenen Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG nicht stattgegeben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Antragstellerin wurde mit Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.12.2015 auf Grund einer ihr als Dienstgeberin unterlaufenen Meldepflichtverletzung gemäß § 113 Abs. 1 und 2 ASVG zur Zahlung eines Beitragszuschlages in der gesetzlich festgelegten Höhe von EUR 1.300,00 verpflichtet, da anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes festgestellt wurde, dass die Antragstellerin am 22.10.2015 hinsichtlich der Beschäftigung des XXXX gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen habe. Dieser Dienstnehmer sei arbeitend für den Betrieb der Antragstellerin angetroffen worden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, das die Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Erkenntnis vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, als unbegründet abwies.

3. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2019 wurde der Antragstellerin am 06.09.2019 im Wege der Hinterlegung zugestellt. Von der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof nahm die Antragstellerin Abstand.

4. Mit dem Bundesverwaltungsgericht zunächst per E-Mail übermitteltem Antrag vom 11.09.2019 begehrt die Antragstellerin die amtswegige Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, in eventu die Wiederaufnahme des mit diesem Erkenntnis rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

Begründend führt die Antragstellerin aus, das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe die in der gegenständlichen Angelegenheit gegen sie erlassenen Verwaltungsstrafbescheide der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg mit Erkenntnis vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, hinsichtlich des hier in Rede stehenden XXXX jeweils aufgehoben und die Strafverfahren eingestellt. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe eine ausführliche mündliche Verhandlung durchgeführt und mehrere Zeugen einvernommen. Es sei letztlich zur Einschätzung gelangt, dass ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis in Ansehung des XXXX nicht vorgelegen habe.

Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg stelle eine neue Tatsache dar, die eine im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis herbeigeführt hätte.

5. Am 23.10.2019 übermittelte die Antragstellerin ihren zunächst per E-Mail übermittelten Antrag neuerliche per Telefax und damit in einer gemäß § 1 Abs. 1 BVwG-EVV zulässigen technischer Form.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Antragstellerin ist Inhaberin des nicht protokollierten Einzelunternehmens XXXX . Sie betreibt dort ein italienisches Restaurant.

1.2. Die Antragstellerin wurde Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.12.2015 auf Grund einer ihr als Dienstgeberin unterlaufenen Meldepflichtverletzung gemäß § 113 Abs. 1 und 2 ASVG zur Zahlung eines Beitragszuschlages in der gesetzlich festgelegten Höhe von EUR 1.300,00 verpflichtet, da anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes festgestellt wurde, dass die Antragstellerin am 22.10.2015 hinsichtlich der Beschäftigung des XXXX gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen habe.

1.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Erkenntnis vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, als unbegründet ab. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der Antragstellerin am 06.09.2019 im Wege der Hinterlegung zugestellt.

Die Antragstellerin beantragte in der im Verfahren L510 2124141-1 des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Beschwerde vom 21.01.2016 die " XXXX " dreier Zeugen, nämlich des XXXX , des XXXX und der XXXX , und damit implizit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht trat diesen Anträgen nicht näher.

1.4. Mit Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 19.04.2016, Zl. 30506-369/43556-2015, wurde die Antragstellerin aufgrund desselben Sachverhaltes einer Übertretung des § 111 Abs. 1 Z. 1 iVm § 33 Abs. 1 und 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes schuldig erkannt und wider die Antragstellerin eine Geldstrafe von EUR 1.000,00 verhängt. Mit weitem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 19.04.2016, Zl. 30506-369/43557-2015, wurde die Antragstellerin außerdem einer Übertretung des § 28 Abs. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz schuldig erkannt und dafür eine weitere Geldstrafe von EUR 1.500,00 verhängt.

Den dagegen erhobenen Beschwerden gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit Erkenntnis vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, Folge, hob die angefochtenen Straferkenntnisse in Ansehung der Beschäftigung des XXXX auf und stellte die Verwaltungsstrafverfahren ein. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Salzburg im Wesentlichen aus, aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens könne nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der bei der Antragstellerin angetroffene XXXX als Dienstnehmer beschäftigt worden sei. Es sei vielmehr von einer freundschaftlichen Bindung des XXXX und der Antragstellerin und ihrem Ehegatten auszugehen, sodass ein freiwilliger und unentgeltlicher Freundschaftsdienst nicht ausgeschlossen werden könne. Das Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass XXXX über das Enteisen eines Kühlgerätes hinausgehende weitere Tätigkeiten verrichtet habe. Er habe zwar nichts für Kost und Logis bezahlen müssen, dies lasse jedoch nicht den verlässlichen Schluss zu, dass damit eine Entlohnung der von den Kontrollorganen beobachteten Tätigkeit habe erfolgen sollen.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg verfügte die Zustellung seines Erkenntnisses vom 12.07.2017 zu Handen der Antragstellerin persönlich sowie zu Handen ihres auch in diesem Verfahren ausgewiesenen Vertreters. Der Antragstellerin wurde das Erkenntnis spätestens am 20.07.2017 zugestellt.

Eine Vorlage dieses Erkenntnisses im Verfahren L510 2124141-1 des Bundesverwaltungsgerichtes unterblieb.

1.5. Am 11.09.2019 beantragte die Antragstellerin unter Hinweis auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend das Verfahren L510 2124141-1 des Bundesverwaltungsgerichtes und ferner den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg in dessen Erkenntnis 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, das von der Antragstellerin in Kopie in Vorlage gebracht wurde. Das Erkenntnis weist einen Eingangsstempel vom 20.07.2017 und einen handschriftlichen Vermerk vom "20.7." auf, wonach die Antragstellerin aufgrund des Erkenntnisses Kontakt mit der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg aufnehmen werde. Die Zustellung des Erkenntnisses spätestes mit dem 20.07.2017 steht somit unzweifelhaft fest.

Dass das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 12.07.2017 im Verfahren L510 2124141-1 des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vorgelegt wurde, ergibt sich ebenso zweifelsfrei aus dem Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend dieses Verfahren.

2.2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im Wiederaufnahmeverfahren nicht strittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lassen die Materialien zum VwGVG erkennen, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind. Auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung kann demgemäß zurückgegriffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136 mwN; 23.02.2016, Ra 2015/01/0116).

Die Aufzählung der Wiederaufnahmegründe ist taxativ (VwGH 22.03.2001, Zl. 2001/07/0029). Nur wenn eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 VwGVG erfüllt ist, darf die seinerzeitige Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren neu aufgerollt werden (VwGH 24.11.1993, Zl. 93/02/0272). Das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist streng zu prüfen, da sie eine Durchbrechung der Rechtskraft und damit einen Eingriff in die Rechtssicherheit ermöglichen (VwGH vom 24.09.2014, Zl. 2012/03/0165 mwN).

3.3. Aus der mannigfachen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 Abs. 1 AVG bzw. § 32 Abs. 1 VwGVG können insbesondere nachstehende Aussagen abgeleitet werden.

Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG setzt voraus, dass neue Tatsachen oder Beweise hervorgekommen sind, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits bestanden haben, aber nicht bekannt waren und im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Es muss sich um Tatsachen oder Beweise handeln, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind.

§ 69 Abs. 1 Z. 2 AVG stellt auf die sogenannten nova reperta ab (VwGH 17.02.2006, Zl. 2006/18/0031), deren Verwertung der Partei ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde (VwGH 19.10.2005, Zl. 2005/09/0140) bzw. die der Behörde im rechtskräftig durchgeführten Verfahren nicht zugänglich waren (VwGH 19.01.1999, Zl. 97/05/0115).

Mit dem Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens ist bei einer Wiederaufnahme auf Antrag der Partei der Eintritt der formellen Rechtskraft gemeint, weil die Partei ihr vorher bekannt gewordene Tatsachen oder Beweise noch im Rechtsmittelweg geltend machen kann (VwGH 24.04.2007, Zl. 2005/11/0127). Bei neu hervorgekommene Tatsachen bzw. Beweismittel, die im Verfahren mangels Gewährung von Parteiengehör nicht geltend gemacht werden konnten, handelt es sich um keine nova reperta und da Verfahrensfehler, wie die Verletzung des Parteiengehörs, ohnedies im Rechtsmittelweg geltend gemacht werden können, stellen diese daher keinen Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG dar (VwGH vom 16.06.1999, Zl. 98/01/0411).

Tatsachen sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit Beweismittel sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint. Eine gerichtliche Entscheidung ist weder Beweismittel noch Tatsache im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG, da Tatsache nur ein Element jenes Sachverhaltes sein kann, der von der Behörde des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu beurteilen war. Als Beweismittel kommt daher nicht die gerichtliche Entscheidung selbst, sondern allenfalls darin verwertete neu hervorgekommene Beweismittel in Frage (VwGH 14.01.1993, Zl. 92/09/0099; 24.02.2011, Zl. 2010/09/0198).

Auch kann eine in einem anderen Verfahren geäußerte Rechtsansicht, selbst wenn sie in den im anderen Verfahren ergangenen Bescheid eingeflossen ist, keinen Wiederaufnahmegrund darstellen (VwGH 17.02.2006, Zl. 2006/18/0031 mwN). Mitteilungen oder Entscheidungen betreffend den Inhalt von generellen Normen können ebenso wenig als Beweismittel im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gelten (VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0107). Auch das nachträgliche Erkennen von Verfahrensmängeln stellt keinen Wiederaufnahmegrund das (VwGH 03.07.2015, Ro 2015/08/0013). Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient nämlich nicht dazu, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels zu sanieren (VwGH 24.09.2014, Zl. 2012/03/0165 mwN).

Auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung stellt keine Tatsache dar, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt (VwGH 23.04.1998, Zl. 95/15/0108), gleichgültig ob diese später durch Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.11.2004, Zl. 2000/17/0022), durch eine Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache (VwGH 24.04.2007, Zl. 2005/11/0127) oder nach Unkenntnis der Gesetzeslage oder vorheriger Fehlbeurteilung durch die Partei (VwGH 06 23.11.1988, Zl. 88/01/0225) oder durch bessere Einsicht gewonnen werden (VwGH 04.09.2003, Zl.2000/17/0024).

Ebenso ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Norm, dass Tatsachen, die bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht wurde, jedenfalls keinen Wiederaufnahmegrund. Dies gilt auch für Vorbringen, die im Wesentlichen nur eine Wiederholung von bereits während des ersten Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Umständen oder eine Bekämpfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung (VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/09/0199; 29.04.2011, Zl. 2010/09/0008 mwN). Das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes ist schließlich in jenen Fällen zu verneinen, in denen bereits im abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, ausreichend Gelegenheit bestand, die Einvernahme von Personen als Zeuge zu beantragen (VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197 mwN).

3.4. Anders als beim Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG 2014 bzw. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG kommt es beim Wiederaufnahmegrund der abweichenden Entscheidung einer Vorfrage nicht darauf an, ob die wiederaufnehmende Behörde im wiederaufgenommenen Verfahren zu einem voraussichtlich anderen Verfahrensergebnis kommen kann, wohl aber, dass die neue Vorfragenentscheidung bindende Wirkung für die Behörde entfaltet (VwGH 31.08.2015, Ro 2015/11/0012).

3.5. Die Antragstellerin begründet den gegenständlichen Antrag damit, das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe die in der gegenständlichen Angelegenheit gegen sie erlassenen Verwaltungsstrafbescheide der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg mit Erkenntnis vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, jeweils betreffend den hier in Rede stehenden XXXX aufgehoben und die Strafverfahren eingestellt.

Aus dem in Vorlage gebrachten Erkenntnis vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, lässt sich in dieser Hinsicht ableiten, dass das Landesverwaltungsgericht Salzburg nach Durchführung eines Beweisverfahrens und Einvernahme von Zeugen zur rechtlichen Einschätzung gelangte, dass eine Arbeitsleistung des in Rede stehenden XXXX zur Antragstellerin in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit nicht erwiesen wurde und demnach kein Dienstverhältnis festgestellt werden könne. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg gelangte vielmehr zum Ergebnis, dass ein freiwilliger und unentgeltlicher Freundschaftsdienst nicht ausgeschlossen werden könne, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass über das Enteisen eines Kühlgerätes hinausgehende weitere Tätigkeiten verrichtet wurden. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe demnach nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass die Antragstellerin eine Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bzw. des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu verantworten habe.

3.6. Damit wird kein Grund für eine Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens aufgezeigt.

Das als Wiederaufnahmegrund angeführte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 10.10.2018, Zlen. 405-7/558/1/5-2018 und 405-7/559/1/5-2018, stellt zunächst keine Entscheidung über eine für die Verhängung eines Beitragszuschlages maßgebliche Vorfrage dar, weil die Frage des Vorliegens eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses sowohl im Verfahren gemäß § 113 ASVG als auch im Strafverfahren als Hauptfrage zu entscheiden ist (VwGH 10.10.2018, Ra 2015/08/0130 mwN). Eine Berufung auf § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG kommt damit nicht in Betracht.

Sohin ist zu prüfen, ob das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 10.10.2018, Zlen. 405-7/558/1/5-2018 und 405-7/559/1/5-2018, wie im Antrag behauptet wird als neue Tatsache oder Beweismittel im Sinn des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG anzusehen ist, das im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnte und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte.

Einer erfolgreichen Berufung auf diesen Wiederaufnahmegrund steht indes bereits entgegen, dass eine (nachträglich hervorgekommene) gerichtliche Entscheidung nach der eingangs zitierten Rechtsprechung weder Beweismittel noch Tatsache im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG ist und demgemäß keine Wiederaufnahme des Verfahren rechtfertigt (vgl. nochmals VwGH 24.02.2010, Zl. 2010/09/0198). Auch kann eine in einem anderen Verfahren geäußerte abweichende Rechtsansicht - wie hier über die Frage des Bestehens eines sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses - stellt keinen Wiederaufnahmegrund dar. Ebenso wäre eine allfällige unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, nach der eingangs zitierten Rechtsprechung nicht geeignet, eine Verpflichtung zur Wiederaufnahme dieses Verfahrens zu begründen.

Dazu tritt, dass das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg auf den 12.07.2017 datiert und somit mehr als zwei Jahre vor der hier gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erlassen wurde. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg war der Antragstellerin somit bereits weit vor der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, bekannt, dennoch unterließ sie es, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Selbst wenn diese Entscheidung - entgegen der zitierten Rechtsprechung - als neue Tatsache anzusehen wäre, wäre der Antragstellerin daher ein die Bewilligung der Wiederaufnahme ausschließendes Verschulden aufgrund der unterlassenen Vorlage des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg im hier gegenständlichen Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes anzulasten.

3.7. Als Beweismittel kommen nach der Rechtsprechung allerdings allenfalls in einem anderen Verfahren verwertete neu hervorgekommene Beweismittel in Frage (VwGH 14.01.1993, Zl. 92/09/0099; 24.02.2011, Zl. 2010/09/0198).

Solche neu hervorgekommenen Beweismittel werden jedoch mit der Vorlage des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, nicht aufgezeigt, zumal das Landesverwaltungsgericht Salzburg seine Entscheidung auf die Angaben jener Zeugen gestützt wurde, deren Angaben entweder bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes berücksichtigt wurden oder die von der Antragstellerin in ihrer Beschwerde vom 21.01.2016 sowie in ihrem Vorlageantrag vom 24.03.2016 als Zeugen namhaft gemacht und ihre Einvernahme in einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht kann daher keine erst in zeitlicher Nähe zum gegenständlichen Antrags vom 11.09.2019 neu hervorgekommenen Beweismittel erkennen. Das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes ist darüber hinaus nach der Rechtsprechung in jenen Fällen zu verneinen, in denen bereits im abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, ausreichend Gelegenheit bestand, die Einvernahme der Person als Zeuge zu beantragen (VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197). Die hat aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für Fälle wie den hier gegenständlichen zu gelten, in welchen die Einvernahme von Zeugen sogar beantragt wird.

Das im Spruch anders lautende Ergebnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg ist im Übrigen im Wesentlichen auf eine andere Würdigung der aufgenommenen und bereits im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zugänglichen Beweise zurückzuführen, was jedenfalls keinen Wiederaufnahmegrund darstellt. Mit dem Wiederaufnahmeantrag wird daher im Ergebnis die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes angegriffen, was - wie oben dargelegt - eben keinen Grund für eine Wiederaufnahme darstellt, zumal damit keine nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens L510 2124141-1 neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel aufgezeigt werden, die in diesem Verfahren von der Antragstellerin nicht geltend gemacht werden konnten.

Im gegebenen Zusammenhang ist auch neuerlich darauf zu verweisen, dass der Antragstellerin jedenfalls auch ein die Bewilligung der Wiederaufnahme ausschießendes Verschulden anzulasten ist, da ihr das Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 12.07.2017, Zlen. 405-7/80/1/18-2017 und 405-7/175/1/5-2017, bereits seit langer Zeit bekannt war und sie es unterlassen hat, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (bzw. die Niederschrift über die vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg durchgeführte mündliche Verhandlung) dem Bundesverwaltungsgericht umgehend vorzulegen.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren L510 2124141-1 von einer mündlichen Verhandlung und der Einvernahme der beantragten Zeugen abgesehen hat und die Antragstellerin dies beanstandet, wäre die Antragstellerin schließlich dazu gehalten, im Verfahren L510 2124141-1 ein Rechtsmittel an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu erheben, um eine allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, oder eine Verletzung von Verfahrensvorschriften (etwa die unterbliebene Durchführung einer mündlichen Verhandlung samt Einvernahme der beantragten Zeugen) wahrzunehmen. Das Wiederaufnahmeverfahren bildet keine Gelegenheit, die Notwendigkeit der Erhebung eines Rechtsmittels zu umgehen und dient ausweislich der eingangs zitierten Rechtsprechung gerade nicht dazu, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels zu sanieren. Das Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG dient nämlich nicht dazu, eine eventuelle Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens nachträglich geltend zu machen (VwGH 24.09.2014, Zl. 2012/03/0165).

3.8. Dem Antrag ist daher gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG nicht stattzugeben, da keiner der in der angeführten Gesetzesstelle taxativ aufgezählten Gründe verwirklicht ist.

Für die ebenfalls begehrte amtswegige Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, L510 2124141-1/3E, mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage, er ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen. In Betracht käme lediglich eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens, was bereits daran scheitert, dass keiner der in § 32 Abs. 1 VwGVG angeführten Wiederaufnahmegründe verwirklicht ist (§ 32 Abs. 3 VwGVG).

3.9. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt schon aufgrund der Aktenlage feststeht und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens fällt selbst grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070; 24.06.2014, Ro 2014/05/0059 mwN), sodass sich auch insoweit keine Notwendigkeit im Hinblick auf eine mündliche Verhandlung ergibt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde schließlich von der Antragstellerin nicht begehrt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der vorstehend zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

amtswegige Aufhebung, Rechtsgrundlage, Wiederaufnahme,
Wiederaufnahmegrund, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L521.2124141.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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