TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W161 2139920-2

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W161 2139918-2/5E

W161 2139919-2/2E

W161 2139920-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft XXXX vom 02.01.2019, Zl. XXXX -OB/KONS/3364/2015, aufgrund des Vorlageantrags von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 3. mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Afghanistan, sämtlich vertreten durch Österreichisches Rotes Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft XXXX vom 05.11.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers. Alle sind afghanische Staatsangehörige und stellten am 24.11.2015 bei der Österreichischen Botschaft XXXX (im Folgenden: "ÖB XXXX ") unter gleichzeitiger Vorlage diverser Urkunden einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG.

Begründend führten sie aus, sie möchten zu ihrem Ehemann/Vater XXXX , geb. XXXX, der in Österreich subsidiär Schutzberechtigter sei.

1.2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 21.03.2016 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass betreffend die antragstellenden Parteien die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine gültige Eheschließung zwischen der Erstantragstellerin und der Bezugsperson können nicht festgestellt werden, weshalb die Antragstellerin keine Familienangehörige im Sinn des 4. Hauptstücks des Asylgesetz 2005 sei (§ 35 Absatz 5 Asylgesetz 2005).

1.3. Mit Schreiben vom 13.04.2016, zugestellt am 04.05.2016, wurde den Antragstellern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihnen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine gültige Ehe zwischen der Erstantragstellerin und der Bezugsperson könne nicht festgestellt werden, weshalb die Erstantragstellerin keine Familienangehörige im Sinn des vierten Hauptstücks des Asylgesetz 2005 sei (§ 35 Abs. 5 AsylG 2005).

Den Antragstellern wurde die Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Schreibens die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen, widrigenfalls aufgrund der Aktenlage entschieden werde.

1.4. Die Antragsteller brachten am 10.05.2016 eine Stellungnahme ein. Darin wird insbesondere vorgebracht von der Erstantragstellerin seien alle Eheschließungsdokumente vorgelegt worden. Diese würden nochmals in Kopie beigelegt. Ferner seien aus dieser Ehe auch zwei Kinder (Zweit- und Drittantragsteller) hervorgegangen. Die Ehe sei in Afghanistan geschlossen worden. Die Antragstellerin entspreche somit der Definition des § 35 Absatz 5 Asylgesetz und sei als Familienangehörige zu betrachten.

1.5. Das BFA hielt mit Mitteilung vom 03.06.2016 an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose fest, dies mit der Begründung, dass die Angaben der Erstantragstellerin zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprächen und die Ankerperson laut ZMR und GVS-Auszug nicht mehr in Österreich gemeldet sei und sich somit dem Verfahren entzogen habe.

1.6. Mit Schreiben vom 15.06.2016 wurde den Antragstellern ein neuerliches Parteiengehör eingeräumt.

1.7. Mit Schriftsatz vom 26.07.2016 wiederholten die Antragsteller ihr Vorbringen aus der Stellungnahme vom 10.05.2016, erklärten ihre Bereitschaft, die Familieneigenschaft mittels DNA-Gutachten nachzuweisen, legten eine Meldung betreffend die Bezugsperson vom 17.11.2014 sowie einen aktuellen ZMR-Auszug vom 26.07.2016 vor und führten an, die Ankerperson habe sich dem Verfahren nicht entzogen und sei die gesamte Zeit unter der angegebenen Adresse wohnhaft und erreichbar gewesen. Des Weiteren seien bereits bei der Stellungnahme vom 10.05.2016 die Heiratsdokumente vorgelegt worden. Eine Verweigerung der Einreise würde die Fortführung des Familienlebens verhindern und einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Artikel 8 EMRK darstellen.

1.8. Mit Mitteilung vom 03.08.2016 teilte das BFA mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, die Angaben der Erstantragstellerin zur Angehörigeneigenschaft widersprächen in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben. Die Bezugsperson befinde sich seit September 2008 in Österreich und habe am 31.03.2016 den EU-Raum verlassen. Die Bezugsperson habe sich vom 31.03.2016 bis 26.07.2016 nachweislich nicht im EU-Raum befunden und sich somit dem Verfahren entzogen. Die Mitwirkungspflicht der Ankerperson sei somit nicht gegeben.

1.9. Mit Bescheid vom 01.09.2016 verweigerte die ÖB XXXX - nach negativer Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG idgF iVm §35 AsylG 2005 idgF mit der Begründung, eine gültige Eheschließung zwischen der Erstantragstellerin und der Bezugsperson könne nicht festgestellt werden, weshalb die Antragstellerin keine Familienangehörige im Sinn des vierten Hauptstücks des Asylgesetz 2005 sei (§ 35 Abs. 1 AsylG 2005). Zusätzlich sei auszuführen, dass die Ankerperson laut ZMR und GVS-Auszug nicht mehr in Österreich gemeldet sei und sich somit dem Verfahren entzogen habe.

Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 08.09.2016 zugestellt.

1.10. Dagegen wurde firstgerecht eine Beschwerde eingebracht.

1.11. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2016 wies die ÖB XXXX die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.

1.12. Am 08.11.2016 wurde bei der ÖB XXXX ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

1.13. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 15.11.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

1.14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2017 wurde die Beschwerde gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

1.15. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.02.2018 zu Zl.en Ra 2017/18/0131 bis 0133-10 wurde das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

1.16. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.04.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

1.17. Am 27.06.2018 wurde die ÖB XXXX vom BFA verständigt, dass gegen die Bezugsperson in Österreich, XXXX ein Aberkennungsverfahren gemäß §§ 7 und 9 AsylG anhängig sei und das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Urteilsverkündung ausgesetzt worden sei.

1.18. In seiner Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 22.10.2018 führte das BFA aus, dass betreffend die antragstellenden Parteien die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Gegen die Bezugsperson sei ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten (subsidiär Schutzberechtigten) gemäß § 7 (§ 9) AsylG 2005 anhängig. Auch würden die Angaben der Antragsteller zu Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen.

Aus der Stellungnahme vom 22.10.2018 ergibt sich, dass nach Ansicht des BFA schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren nicht vorlägen, weil die Ankerperson sich dem Verfahren entzogen habe und laut aktueller ZMR und GVS-Abfrage nicht mehr in Österreich gemeldet sei, die Ankerperson sich nachweislich erst am 26.07.2016 wieder in Österreich angemeldet habe und gegen die Ankerperson in Österreich ein Aberkennungsverfahren gemäß §§ 7 und 9 AsylG und eine Aussetzung der Vorfrage gemäß § 38 AVG anhängig sei. Gegen die Bezugsperson werde wegen des Verbrechens des Suchtmittelhandels gemäß § 28 a SMG ermittelt.

1.19. Mit Schreiben vom 23.10.2018 wurde den Antragstellern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt.

1.20. Die Antragsteller brachten am 30.10.2018 eine Stellungnahme ein. Darin wird auf die neu angeführten Ablehnungsgründe eingegangen und ausgeführt, das Bundesamt gebe an, dass die Ehe der Erstantragstellerin mit der Bezugsperson in seiner Abwesenheit geschlossen worden sie. Diese Ansicht werde allerdings nicht weiter ausgeführt, was an sich schon einen Begründungsmangel darstelle. Weiters sei im Zuge des Verfahrens eine Heiratsurkunde vorgelegt werden, die klar bestätige, dass die Ehe am XXXX geschlossen worden sei, was vom Bundesamt jedoch unerwähnt bleibe. Zudem würden auch zwei minderjährige Kinder zu den Antragstellern gehören, die in ihrer Geburtsurkunde die Bezugsperson als Vater aufweisen würden. Wie allgemein bekannt sei, sei es in Afghanistan gesellschaftlich nicht möglich, unverheiratet eine Familie zu gründen. Allein schon diesen Umstand hätte das Bundesamt als Beweis für eine aufrechte Ehe und eine Existenz des Familienlebens sehen müssen. Zum neuen Ablehnungsgrund des Aberkennungsverfahrens gegen die Bezugsperson werde ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft XXXX noch ermittle und noch kein Urteil gefällt worden sei. Voraussetzung für die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens sei eine rechtskräftige Verurteilung, welche aber nicht vorliege. Es lägen somit begründete Zweifel darüber vor, ob das Aberkennungsverfahren rechtskonform eingeleitet worden sei, insbesondere auch durch die sofortige Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG. Zu den vom Bundesamt angeführten gravierenden Widersprüche im Zuge der Prüfung des bestehenden Familienverhältnisses unterlasse das Bundesamt vollständig Ausführungen und Konkretisierungen.

1.21. Das BFA hielt mit Rückmeldung vom 31.10.2018 an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose fest, dies mit der Begründung, dass der Sachverhalt für das BFA unverändert bleibe.

1.22. Mit Bescheid vom 05.11.2018 wurden die Anträge der nunmehrigen Beschwerdeführer auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, das BFA habe nach neuerlicher Befassung mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten erneut nicht wahrscheinlich sei, eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des BFA vom 22.10.2018 zu entnehmen.

Das BFA habe auch nach neuerlicher Zuleitung der Stellungnahme der Antragsteller am 31.10.2018 mitgeteilt, dass es auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK vollinhaltlich an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose vom 22.10.2018 festhalte. Es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen und werde darauf hingewiesen, dass jederzeit eine Neuantragstellung gemäß § 35 AsylG möglich sei.

1.23. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher zunächst der Sachverhalt wiedergegeben wird und in der Folge insbesondere auf die Stellungnahme vom 30.10.2018 verwiesen wird, welche neuerlich wiedergegeben wird. Ergänzend wird ausgeführt, die Antragsteller würden sich dazu bereit erklären, eine DNA-Analyse durchzuführen.

1.24. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.01.2019 wies die ÖB XXXX die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt haben und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei.

Auch sei erst nach Verstreichen der Stellungsnahmefrist mit Bescheid abgesprochen worden.

Als alleintragender Grund für die Abweisung des von den Beschwerdeführern gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Unabhängig von der Bindungswirkung sei in dem fortgefahrenen Verfahren allein entscheidungswesentlich, dass ein Aberkennungsverfahren des Status der Bezugsperson anhängig ist. Es führe allein das Vorliegen der Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens des Status der Bezugsperson nach § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005 zwingend dazu, dass die begehrten Einreisetitel zu versagen seien (und komme es auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen weiterer Versagungsgründe nicht an). Die beschwerdeführenden Parteien hätten die Möglichkeit gehabt, ihre Anträge bzw. ihre Beschwerde zurückzuziehen, um den Verfahrensausgang abzuwarten und haben sie nach Beendigung des Aberkennungsverfahrens jederzeit die Möglichkeit, einen neuen Antrag zu stellen.

Schon (und allein aufgrund des anhängigen Aberkennungsverfahrens des Status der Bezugsperson) seien daher zu Recht die begehrten Einreisetitel zu versagen gewesen. Den beschwerdeführenden Parteien sei es somit nicht gelungen, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

1.25. Am 08.04.2019 wurde bei der ÖB XXXX ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

1.26. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 12.02.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführenden Parteien stellten am 24.11.2015 bei der Österreichischen Botschaft XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX, StA. Afghanistan genannt, welcher der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und der Vater der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers sei.

Dem angegebenen Ehemann/Vater der nunmehrigen Beschwerdeführer wurde nach seiner Asylantragstellung vom 16.09.2007 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2014 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2015 wurde ihm ein befristeter Aufenthaltstitel bis 20.05.2017 zuerkannt.

Am 20.07.2017 wurde ein Aberkennungsverfahren gemäß §§ 7 und 9 AsylG gegen die Bezugsperson XXXX eingeleitet. Gleichzeitig wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Beendigung des Strafverfahrens ausgesetzt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da sich im vorliegenden Fall gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten (im Sinne von § 35 Abs. 5 AsylG) Familienverhältnisses ergeben hätten, weil die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe bzw. eine Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens nicht habe nachgewiesen werden können, sodass eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei. Im Zuge der Prüfung des bestehenden Familienverhältnisses hätten sich bei einer Gegenüberstellung der Angaben gravierende Widersprüche ergeben. Aufgrund der angeführten Widersprüche und mangels vorgelegter relevanter und unbedenklicher Beweismittel (trotz Aufforderung dazu) sei keineswegs vom Nachweis im Sinne eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen.

Auch sei gegen die Ankerperson in Österreich ein Aberkennungsverfahren gemäß §§ 7 und 9 AsylG und eine Aussetzung der Vorfrage gemäß § 38 AVG anhängig. XXXX stehe im Verdacht, als zum Teil führendes Mitglied einer kriminellen Vereinigung, vorwiegend im Bundesland XXXX , Suchtmittel in einer um mehr als das 25-fach übersteigenden Grenzmenge gewinnbringend in Verkehr gesetzt zu haben. Gegen ihn werde wegen des Verbrechens des Suchtmittelhandels gemäß § 28 a SMG ermittelt.

Nach Einholung einer Stellungnahme der Beschwerdeführer erfolgte eine neuerliche Prüfung des Sachverhaltes durch das BFA und teilte dieses in der Folge in seiner Stellungnahme mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe.

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft XXXX , Zahl XXXX , vom 10.01.2019, wurde gegen die Bezugsperson XXXX Angklage erhoben wegen

1. des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 2 und 3 und Abs. 4 erster Fall FPG,

2. des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1, 5. Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG und

3. des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 2. Fall StGB und 28 Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG.

In der Hauptverhandlung vor dem LG XXXX am 18.09.2019 wurde XXXX zu Aktenzeichen XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es wurde von Seiten des Verurteilten ein Rechtsmittel erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der Österreichischen Botschaft XXXX sowie aus den beigeschafften Aktenbestandteilen des Strafaktes XXXX der Bezugsperson und wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§35 Asylgesetz 2005 (AsylG) i.d.g.F. lautet:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§ 9 AsylG lautet:

(1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen

§ 11 und 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) i.d.g.F. lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte. Im Verfahren zur Einteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.

Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:

Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich subsidiär Schutzberechtigte XXXX als Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer genannt.

Entscheidender Punkt im gegenständlichen Verfahren ist, dass gegen die Bezugsperson ein Aberkennungsverfahren anhängig ist. Diesbezüglich lässt die Bestimmung des § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG keinen Auslegungsspielraum. Da die Voraussetzung des § 34 Abs. 4 Z 1 schon dann nicht erfüllt ist, wenn ein Aberkennungsverfahren bloß anhängig ist, besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes auch kein Raum für eine Aussetzung des Verfahrens, da es sich bei der Entscheidung im Aberkennungsverfahren nicht um eine Vorfrage handelt. Die Anhängigkeit des Aberkennungsverfahrens reicht aus, um zwingend zu einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose zu führen. Eine Überprüfung der Einleitung des Aberkennungsverfahrens steht dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu.

Die BF hätten lediglich die Möglichkeit gehabt, ihre Anträge bzw. ihre Beschwerde zurückzuziehen, um den Verfahrensausgang abzuwarten. Sie haben auch jederzeit die Möglichkeit, einen neuen Antrag zu stellen.

Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein jeweils mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, dass die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten an die BF in Bezug auf den in Österreich befindlichen Sohn bzw. Bruder nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.

In Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK ist gegenständlich auszuführen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Die Vertretungsbehörden im Ausland verfügen auch nur über eingeschränkte Möglichkeiten und sie wenden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder unmittelbar noch mittelbar das AVG an. Das Verfahren richtet sich vielmehr nur nach dem Visakodex und den besonderen Verfahrensvorschriften des Fremdenpolizeigesetzes (nunmehr §§ 11 und 11a FPG; vgl. zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 VwGH 13.12.2012, 2012/21/0070; 24.10.2007, 2007/21/0216). Dies gilt unverändert auch nach der mit 01.01.2014 in Kraft getretenen aktuellen Rechtslage, weil vom Gesetzgeber diesbezüglich eine Änderung nicht beabsichtigt war (Gruber, Die Frage der Anwendung des AVG für Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten im Hinblick auf die Novellierung des EGVG durch BGBl. I 33/2013, FABL 3/2013, 17 ff).

Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennungsverfahren, Einreisetitel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W161.2139920.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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