Entscheidungsdatum
20.11.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W166 2218113-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Mag. Joachim PFEILER, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 15.03.2019, wegen Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung", nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 10.09.2018 einen Antrag auf Ausstellung bzw. Verlängerung eines Behindertenpasses und eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960, und legte diverse Beweismittel vor.
Im Antragsformular ist vermerkt, dass dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt, sofern der Antragsteller noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses ist bzw. darin noch nicht die eben genannte Zusatzeintragung angeführt ist.
Von der belangten Behörde wurde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt und ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt. Dieser Einschätzung wurden die Funktionseinschränkungen Leiden 1 "Zustand nach Fusions-Operation C5/6 und Bandscheibenoperation L4/5 mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades mit Fußheberschwäche links" und Leiden 2 "g.Z. komplexes regionales Schmerzsyndrom des linken Armes bei Zustand nach traumatischer Schädigung des Nervus ulnaris links bei ausgeprägter Symptomatik und regelmäßiger Schmerzmedikation" zu Grunde gelegt.
Zur beantragten Zusatzeintragung ist dem medizinischen Gutachten vom 05.11.2018 im Wesentlichen Nachfolgendes zu entnehmen:
"(...) Derzeitige Beschwerden:
Bewegungseinschränkung im linken Ellbogen, ständig Schmerzen im gesamten rechten Arm, die Beweglichkeit im Schultergelenk und Handgelenk ist eingeschränkt, Beugekontraktur der linken 4. und 5. Finger, zusätzlich Schmerzen im LWS-Bereich, Fußheberschwäche links, im linken Unterschenkel krampfartige Schmerzen
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Lyrica 2x75mg, Tramal 250mg, Dulasolan 30mg, Physiotherapie, bei Bedarf Peroneusschiene, die schlecht toleriert wird, Seractil
(...)
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Orthopädischer Befund vom 22.06.2018, Dg.: Traumatische Schädigung des Ellennervens links, Zustand nach Ödem am Epicondylus des Oberarms links, Komplexes regionales Schmerzsyndrom der linken oberen Extremität,
mitgebrachter orthopädischer Befund vom 23.10.2018 zur Vorlage beim BSA, Dg.: Diskusprolaps C5/6 links (OP 03/12), Diskusprolaps L4/5 links mit Peroneusparese links (OP 06/15), traumatische Ulnarisparese links (OP 12/16), NB: VKB Plastik links 1995 mit medialer Compartmentarthrose, es besteht eine erhebliche Gangunsicherheit links, Probleme beim Stufen steigen bzw. Überwinden von Bodenunebenheiten (Randstein...) und Gehen in unebenen Geländen ist kaum möglich. Zusätzlich ist Heben und Tragen mit der linken Hand nicht möglich. Somit ist auch die Verwendung von Haltegriffen und Geländern nicht möglich, die freie Gehstrecke ist auf unter 200 m eingeschränkt.
Gesamtmobilität-Gangbild:
Extremitäten: linke OE: Elevation des Armes bis zur Horizontalen möglich, Schürzengriff bis gluteal, Nackengriff bis zum Occiput möglich, geringgradige Muskelatrophie der Oberarmmuskulatur, blande Narbe über dem Ellbogen nach OP, Beugung endlagig, Streckung deutlich eingeschränkt, der Unterarm im Seitenvergleich deutlich verschmächtigt, auch die kurze Handmuskulatur atrophiert, das Handgelenk in der Dorsal- und Palmarflexion und Supination deutlich eingeschränkt, Pronation nahezu frei, Beugekontraktur des 4. und 5. Fingers, Pinzettengriff mit 2. bis 4. Finger möglich, Faustschluss komplett, grobe Kraft im Seitenvergleich herabgesetzt, sonst die Gelenke der OE frei beweglich, UE: die Gelenke altersentsprechend frei beweglich, Atrophie der Wadenmuskulatur links, mäßiggradig ausgeprägte Fußheberschwäche links. WS: HWS: blande Narbe rechte Halsregion nach OP, Reklination des Kopfes mäßiggradig eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach links und rechts mittelgradig eingeschränkt, Kinn-Jugulum-Abstand: 3cm, BWS/LWS: blande Narbe nach OP, paravertebraler Hartspann, Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts deutlich eingeschränkt, Finger-Boden-Abstand: 10cm unter Kniehöhe. Das Gangbild linkshinkend, normalschrittig und flüssig, angedeuteter Steppergang links, Einbeinstand links ohne Anhalten kurz möglich, Zehengang beidseits durchführbar, Fersengang links nicht möglich.
"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich einschränken. Die Fußheberschwäche links führt zwar zu einer gewissen Beeinträchtigung, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken können allein ohne Unterbrechung, allenfalls unter Verwendung eines Gehbehelfs bzw. einer Peroneusschiene zurückgelegt werden. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion, trotz Fußheberschwäche links, im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet ist. Im
Bereich der rechten oberen Extremitäten liegt keine relevante Funktionseinschränkung vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten sind nicht eingeschränkt. Kraft und Koordination rechts sind ebenfalls zufriedenstellend und stellen kein Hindernis dar. Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, können nur indirekt erfasst werden. Anhand des beobachteten Gangbildes, zwar linkshinkend, jedoch relativ normalschrittig und flüssig, und des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten, ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Erreichen und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich bzw. unzumutbar machen.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Keine."
Zu einem vom Beschwerdeführer nachgereichten fachärztlicher Befund vom 31.10.2018 wurde in der ärztlichen "Sofortigen Beantwortung" vom 30.11.2018 ausgeführt:
"Der nachgereichte Befund Univ.Doz. Dr. XXXX vom 31.10.2018 (via Dr. XXXX an uns weitergeleitet) bewirkt keine Änderung der bisherigen Einschätzung. Er enthält eine Aufzählung von Diagnosen, fachspezifische Befunde wurde nicht vorgelegt."
Nach vom Beschwerdeführer eingebrachter Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs zu den Ermittlungsergebnissen (allgemeinärztliches Gutachten vom 05.11.2018 und ärztliche Sofortige Beantwortung vom 30.11.2018) wurde seitens der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 14.03.2019, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, eingeholt, in welchem Nachfolgendes ausgeführt wurde:
"Anamnese:
Zustand nach vorderer Kreuzbandoperation links 1995
2012 Diskusoperation C5/C6 links, Fusion C5/C6
09/2016 Sturz, stumpfes Trauma mit Ulnarisläsion links bei Zustand nach Quetschung oberhalb des Sulcus Ulnaris, 12/2016 Verlagerung des N. ulnaris, Zustand nach CRPS linke obere Extremität 2016/17
6/2016 Discusoperation L4/5 links mit postoperativer Peronäusparese links Hüftkopfnekrose Stadium II nach ARCO beidseits, aktivierte Coxarthrose beidseits, femoroacetabuläres Impingement rechts
Letzte Begutachtung im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 16.11.2018, Ges GdB 50% (Zustand nach Fusions-Operation C5/6 und Bandscheibenoperation L4/5 mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades, Fußheberschwäche links 40%, g.Z. komplexes regionales Schmerzsyndrom des linken Armes bei Zustand nach traumatischer Schädigung des Nervus ulnaris links 40%)
Derzeitige Beschwerden:
"Habe nach wie vor eine Schwäche und Gefühlsstörung im Bereich der linken Hand und im linken Bein vor allem im linken Vorfuß, Sensibilitätsstörungen vom Oberschenkel links außenseitig bis zu den Zehen. Habe anhaltend Beschwerden von Seiten des CRPS vor allem im Bereich der linken Hand. Schmerzen habe ich im Bereich der linken Schulter, linken Hand, Schmerzen im Sitzen und Stehen in der Lendenwirbelsäule und in beiden Hüftgelenken. Schmerzen habe ich auch im Segment C6/C7 und C5/C6, fast immer Parästhesien im Bereich des Daumens und Zeigefingers links. Die letzte Nervenleitgeschwindigkeit wurde 2018 gemessen, eine Besserung konnte nicht festgestellt werden. Hergekommen bin ich mit dem Auto, bin selber gefahren. Nach 100-200 m Gehstrecke habe ich Beschwerden in den Hüftgelenken und im linken Bein und muss mich niedersetzen. Stufensteigen ist von der Tagesform abhängig, abends schlechter möglich, Anhalten erforderlich. Wegen der Neuralgie im Bereich der linken Hand, Ringfinger und Kleinfinger, kann ich mich nicht sicher anhalten, wenn ich rechts etwas trage, wegen der Schmerzen kann ich nicht mehr schlafen, schlafe fast nie durch, trotz Tramal 250 mg abends. Mache regelmäßig Physiotherapie, Ergotherapie, bisher keine Rehabilitation oder Kur."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Dulasolan 30/0/60, Lyrica 75 mg, Tramal 250 mg abends
Allergie: 0
Nikotin: gelegentlich
behandelnder Arzt: Dr. XXXX
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut, 56 Jahre
Ernährungszustand:
BMI 25,5
Größe: 188,00 cm Gewicht: 90,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, annähernd symmetrische
Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberarm rechts 29 cm, links 28 cm, Unterarm rechts 27 cm, links 25,5 cm
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird im Bereich des Unterarms links streckseitig, Ringfingers und Kleinfingers, und im Bereich des Daumens und Zeigefingers links als herabgesetzt angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Ellbogen links: Narbe 20 cm ulnarseitig, Sulcus nervi ulnaris geringgradig druckdolent Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern F links 0/80, S links 0/90, rechts jeweils frei, Innenrotation/Außenrotation rechts 80/0/50, links 80/0/30, Ellbogengelenke rechts 0/0/140, links 0/15/130, Pronation/Supination rechts 80/0/80, links 80/0/30, Handgelenk S rechts 80/0/80, links 70/0/80, Daumen und Langfinger rechts frei beweglich, links Streckdefizit Ringfinger und Kleinfinger auf etwa 2-3 cm, Beugefunktion nicht eingeschränkt. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Daumen Opposition mit allen Langfingern beidseits kräftig möglich. Der Faustschluss ist beidseits komplett, Fingerspreizen links etwas geschwächt, rechts unauffällig, Kraft: Fingerspreizen Kraftgrad 3, Händedruck links geringgradig geschwächt, sonst unauffällig, Tonus und Trophik unauffällig, unauffällige Hauttextur, Behaarung, keine Hyperhidrose, seitengleiche Farbe. Kleine Handmuskulatur links im Seitenvergleich geringgradig herabgesetzt.
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberschenkel beidseits 45 cm, Unterschenkel rechts 38,5 cm, links 38 cm.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird links vom Oberschenkel bis zu den Zehen als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Hüftgelenke beidseits: kein Stauchungsschmerz, endlagige Rotationsschmerzen.
Kniegelenke beidseits: keine Umfangsvermehrung, keine Schwellung, kein Erguss, stabil, links Narbe nach vorderer Kreuzbandplastik
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/100, IR/AR 15/0/30, Knie beidseits 0/0/130, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Vorfußheben links KG 4, Großzehenheben links KG 4, sonst KG 5
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Narbe LWS median 4 cm, Narbe halbkragenförmig rechts, deutlich Hartspann paralumbal und mäßig im Bereich der Schulter-und Nackenmuskulatur. Ggr Klopfschmerz über der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: Rotation jeweils 60°, Seitneigen jeweils 30°, Kinn/Jugulum Abstand 3/15
BWS/LWS: FBA: 20cm, Rotation und Seitneigen jeweils 20°
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild zeigt links eine geringgradige Schwäche beim Vorfußheben, jedoch ausreichende Bodenfreiheit, sonst unauffälliges und zügiges Gangbild, Gesamtmobilität unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Cervikolumbalsyndrom bei Zustand nach Fusion C5/C6 und Bandscheibenoperation L4/L5 mit geringgradiger Fußheberschwäche links
2 Teillähmung des Nervus ulnaris links mit Restsymptomatik nach komplexem regionalem Schmerzsyndrom
3 Hüftkopfnekrose beidseits, geringgradige funktionelle Beeinträchtigung
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Hinzukommen von Leiden 3, sonst keine relevante Änderung
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule mit Lumboischialgie links und geringgradiger Vorfußheberschwäche links im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung geringgradig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. Es liegen zwar belastungsabhängige Beschwerden im Bereich der Hüftgelenke vor, eine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung, welche eine Einschränkung der Gehstrecke auf 100-200 m ausreichend begründen könnte, ist jedoch nicht objektivierbar. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft und Beweglichkeit vor allem im Bereich der Finger ausreichend, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Anhand des beobachteten Gangbilds mit geringgradig links hinkendem Gehen und sicherer Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der derzeitigen Therapieerfordernis ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten. Kraft und Koordination der unteren Extremitäten sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.03.2019 hat die belangte Behörde die beantragte Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass der akute Bandscheibenvorfall im Jahr 2015 beim Beschwerdeführer zu einer Parese des linken Beines geführt habe, und er den Vorfuß nicht mehr aktiv heben habe können. Aufgrund der daraus resultierenden Sturzneigung habe der Beschwerdeführer im Jahr 2016 einen Sturz gehabt, und sei dabei der Ulnarisnerv massiv beschädigt worden weshalb nach wie vor eine Ulnarisparese und ein chronisch regionales Schmerzsyndrom bestehe. Weiters bestehe beim Beschwerdeführer eine Hüftkopfnekrose beidseits welche offenbar von der fachärztlichen Sachverständigen nicht gewürdigt worden sei. Zusammenfassend bestünden beim Beschwerdeführer komplexe neurologische, neurochirurgische und orthopädische Beeinträchtigungen. Überdies seien von der Gutachterin die ins Treffen geführten Schmerzen als nicht bestehend, die Sturzneigung als nicht existent und die Beeinträchtigung des Armes als nicht gegeben angesehen worden. Mit der Beschwerde wurde beantragt Gutachten aus dem Bereich der Neurologie und Orthopädie einzuholen, Univ. Doz. Dr. XXXX als Zeugen einzuvernehmen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 29.04.2019 vorgelegt.
Mit Schriftstück vom 18.07.2019 wurden der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, sowie die im Verfahren beigezogene fachärztliche Sachverständige - welche den Beschwerdeführer am 30.01.2019 persönlich untersucht hat - zur öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen. Der Sachverständigen wurden alle bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gutachten und die Beschwerde zur Vorbereitung für die mündliche Verhandlung übermittelt.
Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am 19.09.2019 im Beisein des Beschwerdeführers, seines Rechtsanwaltes und der fachärztlichen Sachverständigen statt. Dem Beschwerdeführer bzw. dem Vertreter wurde im Zuge der Verhandlung Gelegenheit gegeben, sich zum Sachverhalt und den Gutachten eingehend zu äußern, zu den vorliegenden Gutachten Stellung zu nehmen und anhand von Fragen an die Sachverständige diese zu erörtern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte am 10.09.2018 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:
1 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Cervikolumbalsyndrom bei Zustand nach Fusion C5/C6 und Bandscheibenoperation L4/L5 mit geringgradiger Fußheberschwäche links
2 Teillähmung des Nervus ulnaris links mit Restsymptomatik nach komplexem regionalem Schmerzsyndrom
3 Hüftkopfnekrose beidseits, geringgradige funktionelle Beeinträchtigung
Es liegen belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule mit Lumboischialgie links und im Bereich der Hüftgelenke sowie eine Hüftkopfnekrose beidseits im Stadium II vor.
Beim Beschwerdeführer liegt eine geringgradige Schwäche beim Vorfußheben links vor, es besteht jedoch ausreichende Bodenfreiheit. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen können überwunden werden. Der Bewegungsumfang sämtlicher unteren Extremitäten ist ausreichend. Es liegt kein neurologisches Leiden vor, das das Hochheben des Beines bzw. das Hüftbeugen beeinträchtigt.
Die Steh- und Gehleistung ist geringgradig eingeschränkt, die Gesamtmobilität ist jedoch unauffällig und ausreichend. Freies Stehen ist möglich.
Das Gangbild ist unauffällig und zügig. Gehbehelfe werden nicht verwendet.
Der Beschwerdeführer kann aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ohne Unterbrechung zurücklegen.
Im Bereich des linken Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenkes liegen Funktionseinschränkungen vor. Die Beweglichkeit der linken Schulter ist bis zur Horizontalen möglich. Es besteht links ein Streckdefizit am Ring- und Kleinfinger, die Beugefunktion ist nicht eingeschränkt. Die Kraft und Beweglichkeit vor allem auch in den Fingern ist ausreichend, der Faustschluss beidseits ist komplett. Erhebliche Einschränkungen an den oberen Extremitäten sind nicht objektivierbar. Die Benützung von Haltegriffen ist sowohl mit der linken als auch mit der rechten Hand möglich. Der rechte Arm bzw. die rechte Hand ist voll funktionstüchtig und uneingeschränkt belastbar. Bei Bedarf ist eine Kompensierbarkeit des Leidens bei den oberen Extremitäten von der linken auf die rechte Seite gegeben.
Beim Beschwerdeführer liegen ein guter Allgemein- und Ernährungszustand vor.
Ein CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom) wurde in Leiden 2 eingeschätzt und berücksichtigt. Eine höhergradige Schmerzsituation beim Gangbild konnte nicht festgestellt werden, eine analgetische Therapie ist zumutbar.
Erhebliche Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten liegen nicht vor.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit liegen ebenfalls nicht vor.
Die sichere Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln unter üblichen Transportbedingungen ist möglich.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 29.04.2019 vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung wurde ein unfallchirurgisches Gutachten vom 25.01.2019, ein undatierter Auszug (S. 43-89) aus einem Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie ein Schriftstück eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 18.09.2019 mit der Überschrift "Diagnose: Hüftkopfnekrose beidseits (ARCO II)" vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 05.11.2018 und einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie vom 14.03.2019, jeweils basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers sowie den diesbezüglichen Erörterungen durch die fachärztliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 19.09.2019.
In den ärztlichen Sachverständigengutachten und in der mündlichen Verhandlung wurde ausführlich, nachvollziehbar und schlüssig - unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Befunde sofern sie nicht der Neuerungsbeschränkung unterliegen, der persönlichen Untersuchungen und der an die Sachverständige gestellten Fragen - auf die Leiden und Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung eingegangen.
Die ho. anlässlich der mündlichen Verhandlung vorgelegten medizinischen Beweismittel welche nach Beschwerdevorlage (29.04.2019) beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurden, konnten nicht berücksichtigt werden, da in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen - siehe dazu auch unter Punkt 3. Rechtliche Beurteilung.
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung von der vorsitzenden Richterin zu seinen gesundheitlichen Beschwerden befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule mit Teillähmung im linken Bein, eine Hüftkopfnekrose beidseits und schmerzmäßig im Vordergrund stehe eine Verletzung des linken Ellenbogens mit Nervenschädigung und hochgradigem Funktionsausfall des linken Armes. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass diese gesundheitlichen Probleme bereits anlässlich der persönlichen Untersuchungen am 16.11.2018 bzw. am 30.01.2019 bestanden, und auf Grundlage dieser Beeinträchtigungen die gutachterlichen Beurteilungen zur beantragten Zusatzeintragung erfolgten.
Zum Vorhalt der vorsitzenden Richterin in der mündlichen Verhandlung, der Beschwerdeführer habe in der Beschwerde angegeben, die - eben auch in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer angeführten Gesundheitsbeeinträchtigungen - seien von der fachärztlichen Sachverständigen nicht berücksichtigt worden, und der Beschwerdeführer möge nun vorbringen, was im Gutachten nicht berücksichtigt worden sei, gab der Beschwerdeführer an, laut dem vorliegenden Gutachten "habe er nichts". Die Armeinschränkung links sei zu gering berücksichtigt worden, er könne damit weder Haltegriffe verwenden noch etwas tragen oder heben, der Schmerz sei nicht berücksichtigt worden, ein CPRS sei ignoriert worden, er habe eine Gangbehinderung und eine Gangunsicherheit.
Die fachärztliche Sachverständige führte dazu in der mündlichen Verhandlung aus, beim Beschwerdeführer liegen belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule mit Lumboischialgie links und im Bereich der Hüftgelenke sowie eine Hüftkopfnekrose beidseits im Stadium II vor. Ebenso besteht eine geringgradige Schwäche beim Vorfußheben links, jedoch ist ausreichende Bodenfreiheit gegeben. Die Beine können gehoben, und Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen können überwunden werden. Der Bewegungsumfang sämtlicher unteren Extremitäten ist ausreichend. Es liegt auch kein neurologisches Leiden vor, welches das Hochheben des Beines bzw. das Hüftbeugen beeinträchtigt.
Zur Lähmung im linken Bein hat die fachärztliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass hier keine komplette Lähmung vorliegt, sondern eine geringfügige Schwäche, die mit geeignetem Schuhwerk kompensiert werden kann. Ein L5- Schmerzsyndrom, das zu einer maßgeblichen Schwäche führen könnte ist vorgelegen und hat zur Bandscheiben-Operation geführt. Bei der aktuellen Untersuchung konnte kein Hinweis auf eine Wurzelreizung objektiviert werden. Ein Beweis dafür ist der Status der Wirbelsäule.
Weiters wurde gutachterlich in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Steh- und Gehleistung ist geringgradig eingeschränkt, die Gesamtmobilität jedoch unauffällig und ausreichend wobei auch freies Stehen möglich ist. Das Gangbild ist unauffällig und zügig, Gehbehelfe werden nicht verwendet. Der Beschwerdeführer kann daher aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ohne Unterbrechung zurücklegen.
Im Bereich des linken Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenkes liegen Funktionseinschränkungen vor. Die Beweglichkeit der linken Schulter ist bis zur Horizontalen möglich. Es besteht links ein Streckdefizit am Ring- und Kleinfinger, die Beugefunktion ist nicht eingeschränkt. Die Kraft und Beweglichkeit vor allem auch in den Fingern ist ausreichend, der Faustschluss beidseits ist komplett. Erhebliche Einschränkungen an den oberen Extremitäten sind nicht objektivierbar. Die Benützung von Haltegriffen ist sowohl mit der linken als auch mit der rechten Hand sicher möglich. Der rechte Arm bzw. die rechte Hand ist voll funktionstüchtig und uneingeschränkt belastbar. Bei Bedarf ist eine Kompensierbarkeit des Leidens bei den oberen Extremitäten von der linken auf die rechte Seite gegeben.
Zur Feststellung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, laut fachärztlichem Gutachten "habe er nichts", stellte die fachärztliche Sachverständige fest, sie habe nie gesagt, dass er nichts habe, sondern sie habe die vorliegenden Defizite berücksichtigt und beschrieben. In der Fragestellung zur gegenständlichen Zusatzeintragung ist gutachterlich zu beurteilen, wie sich die vorliegenden Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken wobei als Grundlage objektive Befunde herangezogen werden. Daher ist bei den Einschränkungen des linken Armes im gegenständlichen Verfahren auch nicht der Armwert ausschlaggebend, sondern zu beurteilen, ob sich der Beschwerdeführer anhalten bzw. Haltegriffe erreichen könne, und sei dies möglich.
Betreffend das Vorliegen von Schmerzen führte die fachärztliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung aus, Schmerzangaben sind subjektiv, werden vom Gutachter zur Kenntnis genommen und unter "Anamnese" angeführt. Bei der beim Beschwerdeführer vorliegenden Hüftkopfnekrose im Stadium II handelt es sich um ein schmerzhaftes Leiden, welches mit Schmerzmittel behandelt wird. Sonstige diesbezüglich in Anspruch genommene Therapien seien der Sachverständigen nicht bekannt. Weiters wird fachärztlich festgestellt, dass eine Hüftkopfnekrose im Stadium II. unter Analgetika Therapie die Möglichkeit eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300 bis 400 Meter zurückzulegen nicht verkürzt. Krücken werden überdies nicht verwendet. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an: "Ich könnte mir Krücken nehmen, das habe ich nicht notwendig."
Die fachärztliche Sachverständige stellte weiters fest, dass es bei Schmerzangaben immer die Frage ist, wozu dieser Schmerz führt und konnte beim Gangbild kein Hinweis auf eine höhergradige Schmerzsituation festgestellt werden und ist außerdem eine analgetische Therapie zumutbar.
Auf die diesbezügliche Frage des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers an die fachärztliche Sachverständige, was Hinweise auf höhergradige Schmerzzustände wären, antwortete die Gutachterin, dies wären beispielsweise entsprechende Gangbildbeeinträchtigungen, eine Einschränkung des Bewegungsumfangs der entsprechenden Gelenke, ein entsprechender Befund der bildgebenden Diagnostik und auch eine entsprechend herabgesetzte Bemuskelung.
Ein CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom) wurde in Leiden 2 eingeschätzt und berücksichtigt.
Auch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hielt die fachärztliche Sachverständige an ihren Ausführungen und der Beurteilung - basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und vorgelegten medizinischen Beweismitteln - im Sachverständigengutachten vom 14.03.2019 fest.
Das vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegte Privatgutachten des Facharztes für Orthopädie, orthopädische Chirurgie und Neurochirurgie Univ. Doz. Dr. XXXX vom 22.06.2018 und der Patientenbrief vom 31.10.2018 (Anm.: das Datum 31.10.2018 wurde handschriftlich auf 17.12.2018 ausgebessert. Dazu in der mündlichen Verhandlung befragt gab der Beschwerdeführer an, die Sekretärin habe es falsch ausgedruckt, der Beschwerdeführer sei dann schon zu Hause gewesen und habe das Datum auf 17.12.2018 ausgebessert) wurden in den ärztlichen Sachverständigengutachten vom 05.11.2018 und vom 14.03.2019 bereits berücksichtigt, und wurden diese Beweismittel in der mündlichen Verhandlung - auf Grund von diesbezüglichen Fragestellungen des Beschwerdeführers bzw. dessen Rechtsvertreters an die fachärztliche Sachverständige - nochmals eingehend erörtert.
Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde beantragte Ladung von Univ. Doz. Dr. XXXX als Zeugen erschien dem Gericht für das gegenständliche Verfahren nicht zweckdienlich, und haben sich auch anlässlich der mündlichen Verhandlung keine Hinweise dafür ergeben. Überdies ist festzuhalten, dass die Ladung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung weder erwähnt noch nochmals beantragt wurde.
Zum Antrag des Beschwerdeführers in der Beschwerde auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Bereichen der Neurologie und Orthopädie ist festzuhalten, dass einerseits von der belangten Behörde bereits ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie und Unfallchirurgie eingeholt wurde, und andererseits kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht (siehe dazu auch unter Pkt. 3 "Rechtliches"). Zur Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Neurologie ist festzuhalten, dass die hinzugezogene fachärztliche Sachverständige die beim Beschwerdeführer vorliegenden Leiden von ihrem Fachgebiet her auch im Zusammenhang mit neurologischen Defiziten beurteilen kann, und dies - zusätzlich in dem von ihr erstellten Gutachten vom 14.03.2019 - in der mündlichen Verhandlung auch erörtert hat. Maßgebliche neurologische Defizite welche zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen konnten nicht objektiviert werden. Aus den dargelegten Gründen konnte die Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Neurologie unterbleiben, wurde auch von der hinzugezogenen fachärztlichen Sachverständigen nicht angeregt, und wurde in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens vom Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter auch nicht mehr beantragt.
Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter haben in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen erhoben, welche das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften vermochten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der gegenständlichen ärztlichen Sachverständigengutachten.
Das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 05.11.2018 sowie das fachärztliche Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Unfallchirurgie und Orthopädie vom 14.03.2019 werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 46 BBG letzter Satz dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 29.04.2019 vorgelegt worden ist, waren die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten medizinischen Beweismittel im gegenständlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen.
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II 263/2016 wird der Behindertenpass als Karte aus Polyvinylchlorid hergestellt. Seine Gesamtabmessungen haben 53,98 mm in der Höhe und 85,60 mm in der Breite zu betragen. Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten:
1. die Bezeichnung "Behindertenpass" in deutscher, englischer und französischer Sprache;
2. den Familien- oder Nachnamen, den Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung;
3. das Geburtsdatum;
4. den Verfahrensordnungsbegriff;
5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;
6. das Antragsdatum;
7. das Ausstellungsdatum;
8. die ausstellende Behörde;
9. eine allfällige Befristung;
10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck "Behindertenpass";
11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug "Sozialministeriumservice" im Hintergrund;
12. das Logo des Sozialministeriumservice;
13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie
14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.
Gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
[...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (nunmehr § 1 Abs. 4 Z 3) wird ausgeführt:
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
[...]
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapiefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder: