TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/5 95/21/0504

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Veröffentlicht am 05.08.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des M P in Braunau am Inn, geboren am 17. März 1949, vertreten durch Dr. Werner Schmid, Rechtsanwalt in 5280 Braunau/I, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995, Zl. 300.008/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 17. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sichtvermerksfrei eingereist und habe seinen begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Damit stehe fest, daß die Aufenthaltsbewilligung nach sichtvermerksfreier Einreise im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG erteilt werden sollte. Daher sei die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen persönlichen Verhältnissen einzugehen, sei bei einer auf dieser Bestimmung gestützten Entscheidung nicht geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen; von der Erstattung einer Gegenschrift nahm sie Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit die Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich. Ein Fall des Außerkrafttretens des vorliegenden Bescheides gemäß § 113 Abs. 6 und Abs. 7 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, liegt nicht vor.

Anders als die Behörde erster Instanz, die den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 9 Abs. 3 leg. cit. abgewiesen hatte, weil die für das Bundesland Oberösterreich in der gemäß § 2 AufG erlassenen Verordnung festgesetzte Höchstzahl von Bewilligungen im Entscheidungszeitpunkt erreicht (gewesen) sei, hat die belangte Behörde den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei erfüllt, weil der Beschwerdeführer sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist sei.

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautet wie folgt:

"Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. Der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;

..."

Im Gegensatz zu den Darlegungen im angefochtenen Bescheid, aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ergebe sich, daß er sichtvermerksfrei eingereist sei, ist diesen (vgl. die Berufungsausführungen in AS 145 und 146; insbesondere auch seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, in dem der Beschwerdeführer als Ort der Unterzeichnung Braunau anführte, wo er sich seit 19. Dezember 1989 rechtmäßig aufhalte) nicht zu entnehmen, daß er mit seinem Antrag die Fortsetzung seines Aufenthaltes nach "sichtvermerksfreier Einreise" anstrebe.

Nach der hg. Rechtsprechung kann die Berufungsbehörde - in dem durch den Begriff der "Sache" (vorliegend: Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung) abgesteckten Rahmen - auch einen von der Vorinstanz nicht herangezogenen Versagungsgrund (hier jenen des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG) aufgreifen, sofern das Parteiengehör im erforderlichen Umfang gewährt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntis vom 29. Februar 1996, Zl. 94/18/1175).

Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund auf Basis eines neuen Sachverhaltes, so ist sie grundsätzlich verpflichtet, dies dem Beschwerdeführer vorzuhalten (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 328 ff, wiedergegebene Judikatur).

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die von ihr erstmals zugrunde gelegte, in seinen Angaben keine Deckung findende Annahme, er sei sichtvermerksfrei eingereist, nicht vorgehalten. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe den gegenständlichen Antrag zur Verlängerung seines jahrelangen rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich eingebracht.

Bei Zutreffen dieses Vorbringens wäre aber der von der belangten Behörde gebrauchte Abweisungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht gegeben. Eine Bewilligung wird (im Sinn dieser Gesetzesbestimmung) dann nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt, wenn sich der Fremde im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Inland aufhält. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Fremde, wie dies hier vom Beschwerdeführer behauptet wird, weder vor noch nach seiner im Inland erfolgten Antragstellung sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist ist.

Aus diesen Erwägungen hat der Beschwerdeführer mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels dargelegt.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Beschwerde lediglich zweifach einzubringen und für den angefochtenen Bescheid S 30,-- Stempelgebühren zu entrichten waren.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995210504.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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