TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/22 W220 1403259-2

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Veröffentlicht am 22.11.2019
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Entscheidungsdatum

22.11.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z3

Spruch

W220 1403259-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016, Zl. 411778308-150544850, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG idgF. stattgegeben. Der Aufenthalt von XXXX im Bundesgebiet ist geduldet.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 30.03.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes fand am 30.03.2007 statt.

1.3. Am 11.04.2007, 18.05.2007 und 30.11.2007 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

1.4. Mit Bescheid vom 08.01.2008, Zl. 07 03.180-BAW, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gem. § 3 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.02.2008 durch Hinterlegung zugestellt.

2.1. Am 07.10.2008 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Am 06.10.2008 und 20.10.2008 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

2.3. Mit Bescheid vom 13.11.2008, Zl. 07 03.180-BAW, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.); gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG erkannte es ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.); gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wies es ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

2.4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.03.2009, Zl. C13 403259-1, als unbegründet ab.

2.5. Im Weiteren ersuchte das Bundesasylamt am 11.11.2009 bei der indischen Botschaft um die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer und urgierte dies am 23.08.2010, 10.01.2011, 22.03.2011, 01.06.2011, 31.08.2011, 27.08.2013 und 08.01.2016.

2.6. Der Beschwerdeführer wurde am 16.08.2010 vor der BPD XXXX , Fremdenpolizeiliches Büro, niederschriftlich einvernommen.

2.7. Im Weiteren legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der indischen Botschaft in XXXX , datiert mit 15.12.2015, vor, wonach der Beschwerdeführer an diesem Tag die Botschaft in Zusammenhang mit konsularischer Tätigkeit ("passport enquiry") besucht habe.

3.1. Am 14.01.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG.

3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a FPG abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass trotz des Ersuchens und zahlreicher Urgenzen bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikats an die indische Botschaft der Beschwerdeführer mit den bestehenden Personaldaten nicht als Staatsbürger von Indien identifiziert werden habe können und daher zu Recht vermutet werden müsse, dass der Beschwerdeführer sich im Asylverfahren einer Verfahrensidentität bedient habe, die durch kein Dokument belegt sei. Der Beschwerdeführer sei weder seiner Verpflichtung zur Ausreise noch zur Mitwirkung an der Identitätsfeststellung nachgekommen. Betreffend die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe habe er sich mit der Caritas in Verbindung gesetzt, jedoch sei das eingeleitete Verfahren wieder abgebrochen worden. Rechtlich hielt die belangte Behörde fest, dass er laut eigenen Angaben über kein Dokument verfüge, es dem Beschwerdeführer aber zumutbar sei, sich um die Ausstellung eines gültigen Reisepasses zu kümmern. Der Beschwerdeführer behaupte zwar, eigenständig bei seiner Vertretungsbehörde vorgesprochen zu haben, sei der Behörde aber jeglichen Nachweis darüber schuldig geblieben. Es liege keine der Voraussetzungen für die Erteilung einer Karte für Geduldete vor und sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3.3. Gegen diesen am 08.02.2016 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer stets richtige und gleichlautende Angaben über seine Herkunft gemacht habe. Wenn die indischen Behörden die Identität des Beschwerdeführers nicht bestätigen könnten, dann sei dies deren Schuld und nicht die des Beschwerdeführers. Dass die Nicht-Ausstellung eines Heimreisezertifikates dem Beschwerdeführer "anzurechnen" sei, sei daher unrichtig und ergebe sich dies nicht aus der Aktenlage. Wenn trotz seiner korrekten Angaben und seiner Kooperation mit den Behörden kein Heimreisezertifikat und kein Reisedokument erlangt werden könne, so träfe ihn daran keine Schuld und wäre sein Aufenthalt als geduldet festzustellen gewesen. Im Bescheid sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer mit der indischen Botschaft bezüglich seines Reisedokuments Kontakt aufgenommen habe und dass Bemühungen um ein Heimreisezertifikat seit 2009 erfolglos gewesen seien. Daraus sei ersichtlich, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers tatsächlich unmöglich erscheine und er seiner Mitwirkungspflicht Folge geleistet habe. Der Beschwerdeführer sei von 11.11.2009 bis August 2015 mehrmals einvernommen worden und habe er immer Folge geleistet, das Heimreisezertifikats-Formular wahrheitsgemäß ausgefüllt und sich erkennungsdienstlich behandeln lassen. Das gegen ihn am14.04.2009 verhängte gelindere Mittel sei am 13.05.2009 behoben worden. Der Beschwerdeführer habe Folge geleistet. Trotz alldem sei das Ersuchen um ein Heimreisezertifikat erfolglos verlaufen. Die Hindernisgründe würden nicht im Einflussbereich des Beschwerdeführers liegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Der Beschwerdeführer ist nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet seit dem März 2007 in Österreich aufhältig.

3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 16.08.2010 vor der BPD

XXXX , Fremdenpolizeiliches Büro, bejahte der Beschwerdeführer seine Kooperation beim Ausfüllen eines Formerfordernisses zur Erlangung eines Reisepasses sowie auch, bei der indischen Botschaft zu einem Interviewtermin zu erscheinen. Das vom Beschwerdeführer ausgefüllte Formular wurde seitens der BPD XXXX , Fremdenpolizeiliches Büro, zur weiteren Veranlassung und zur Weiterleitung an die indische Botschaft an das Bundesministerium für Inneres übermittelt.

4. Die indische Botschaft in XXXX bestätigte schriftlich, dass der Beschwerdeführer am 15.12.2015 die Botschaft in Zusammenhang mit konsularischer Tätigkeit ("passport enquiry") besucht hat.

5. Der Beschwerdeführer gab im Laufe der von ihm angestrengten Asylverfahren durchgehend an, dass er über keine indischen Dokumente verfügt. Zu seinen persönlichen Daten (Name, Geburtsdatum, Herkunft) machte der Beschwerdeführer durchgehend gleichbleibende Angaben.

2. Beweiswürdigung:

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen, welche in den Asylverfahren getätigt wurden. Zwar konnte der Beschwerdeführer kein Identitätsdokument vorlegen und ist seine Identität in diesem Sinne deshalb nicht abschließend geklärt. Er machte jedoch hinsichtlich seiner Herkunft, seines Namens und seines Geburtsdatums durchgehend gleichbleibende Angaben. Ebenso gleichbleibend gab der Beschwerdeführer an, keine Dokumente (etwa einen Reisepass oder Staatsbürgerschaftsnachweis) zu besitzen. Aufgrund des konstanten Vorbringens des Beschwerdeführers sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass diese Daten und seine Angaben zur Identität nicht den Tatsachen entsprechen würden.

Das Verhalten (Ausfüllen des Formblattes zur Erlangung eines Heimreisezertifikates; Zustimmung zum Erscheinen bei einem allfälligen Interviewtermin) des Beschwerdeführers, ergibt sich unstrittig aus der Niederschrift dieser Einvernahme (AS 217 und 222). Insoweit erweist sich die Festhaltung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten an der Identitätsfeststellung nicht nachgekommen sei, vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer sich in der Einvernahme am 16.08.2010 kooperativ zeigte, als aktenwidrig, sodass dem nicht zu folgen ist. Ebenso erweist sich die Festhaltung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer der belangten Behörde jeglichen Nachweis darüber, bei der Vertretungsbehörde vorgesprochen zu haben, schuldig geblieben sei, aufgrund der tatsächlich vorgelegten Bestätigung der Botschaft als aktenwidrig, sodass dem nicht zu folgen ist.

Die Feststellung zur Bestätigung der indischen Botschaft beruht auf dem entsprechenden, im Akt einliegenden Schriftstück (AS 264).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Der von der belangten Behörde herangezogene, obwohl im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr in Kraft stehende, § 46a FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 (Vorgängerbestimmung;

Inkrafttretensdatum 01.01.2014, Außerkrafttretensdatum 19.07.2015) lautete auszugsweise:

"Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

1. §§ 50 und 51 oder

2. §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist.

(1a) Darüber hinaus ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, wenn das Bundesamt von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. Diese Duldung kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden, sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen. § 56 gilt sinngemäß.

(1b) Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(1c) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist ebenfalls geduldet, wenn das Bundesamt festgestellt hat, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Hinblick auf § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist.

(2) Das Bundesamt hat Fremden, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet ist, eine Karte für Geduldete auszustellen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(3) [...]"

3.2. § 46a FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (Vorgängerbestimmung; Inkrafttretensdatum 20.07.2015, Außerkrafttretensdatum 31.10.2017) lautete zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung auszugsweise:

"(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) [...]

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet."

Dieser neugefasste Abs. 1 gibt nun einen Überblick über sämtliche Formen der Duldung: Die Duldung aus rechtlichen Gründen wegen Unzulässigkeit der Abschiebung aus Gründen der §§ 50 und 51 FPG sowie der §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005, die Duldung aus tatsächlichen, von Fremden nicht zu vertretenden Gründen (insbesondere mangels Erlangung eines Ersatzreisedokuments) [Anm.:

vormals § 46a Abs. 1a FPG] sowie die Duldung aus rechtlichen Gründen wegen vorübergehender Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung. Der bisherige Abs. 1c konnte entfallen, da diese Bestimmungen nun bereits in Abs. 1 Z 4 leg.cit. enthalten sind. Die Änderungen des Abs. 2 umfassen nur der neuen Systematik geschuldete und sonstige redaktionelle Änderungen. Der Abs. 3 der neuen Fassung entspricht dem bisherigen Abs. 1b (vgl. dazu ausführlich 92/ME XXV. GP - Ministerialentwurf - FrÄG 2015- Vorblatt, WFA und Erläuterungen

BEGUTACHTUNG).

3.3. § 46a idgF lautet:

"Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1.

deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2.

deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3.

deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4.

die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1.

seine Identität verschleiert,

2.

einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3.

an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

1.

deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;

2.

die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;

3.

das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

4.

andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet."

3.4. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur vorangegangenen, ob Wesensgleichheit aber durchaus vergleichbaren, Rechtslage:

3.4.1. § 46a FPG 2005 idF FrÄG 2011 kennt zwei Grundtypen einer Duldung, die einerseits in dessen Abs. 1 und andererseits in dessen Abs. 1a erfasst sind. Die beiden Fälle des § 46a Abs. 1 leg.cit. erfassen Konstellationen, in denen die Abschiebung eines Fremden aus rechtlichen Gründen, insbesondere wegen sonst (drohender) Verletzung von Art. 3 MRK, unzulässig ist. § 46a Abs. 1a leg.cit. (Anm.: nunmehr Abs. 1 Z 3) stellt hingegen darauf ab, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist (VwGH 28.08.2014, Zl. 2013/21/0218).

Nach dem Gesetzestext des § 46a Abs. 2 FPG sind die Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden iSd § 46 Abs. 1 - 1c geduldet ist, was dann der Fall ist, wenn die dort genannten Tatbestände (alternativ) erfüllt sind. Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, ist die genannte Karte, aus der sich die Duldung des Aufenthaltes der dort angeführten Person ergibt, auszustellen (VwGH 19.3.2013, 2011/21/0240 mwN, jedoch bezogen auf eine textlich abweichende Vorgängerbestimmung des § 46a FPG; aufgrund der identischen Interessenslage sind die dort angeführten Überlegungen jedoch auch hier anwendbar).

3.4.2. In einem Fall (Ra 2014/21/0040, 30.06.2015), in dem die Fremden schon in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht bestritten hatten, dass sie ihre Identität verschleiert hätten, und darauf hingewiesen haben, in den asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren stets gleichlautende Angaben gemacht zu haben und außerdem Urkunden vorlegten, die bestätigten, dass sie sowohl die armenische als auch die russische Botschaft aufgesucht hatten, ihnen aber keine Heimreisedokumente ausgestellt worden waren hielt der Verwaltungsgerichtshof unter anderem fest, dass allein aus der Mitteilung einer Botschaft, wonach die Identität bzw. Staatsangehörigkeit einer Person nicht festgestellt werden könne, nicht geschlossen werden könne, dass diese falsche Angaben über ihre Identität gemacht hat (Hinweis E 28. August 2012, 2011/21/0209). Dass die Fremden aber keine "unbedenklichen Identitätsnachweise" vorgelegt haben, könnte ihnen nur dann zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie tatsächlich über solche verfügt hätten oder solche beschaffbar gewesen wären. Davon, dass in diesem Fall der Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergab, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entsprach, konnte somit keine Rede sein (Hinweis E 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018; E 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039).

3.5. Ein unter § 46a Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des Beschwerdeführers weder substantiiert vorgebracht, noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren. Hier wird auch auf das bereits durchgeführte asylrechtliche Verfahren verwiesen, in dem ein solcher Sachverhalt ebenfalls nicht festgestellt werden konnte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stütze sich in der Bescheidbegründung maßgeblich auf § 46a Abs. 1b FPG (nunmehr: § 46a Abs. 3 FPG) und sohin darauf, dass die "Unabschiebbarkeit" vom Beschwerdeführer selbst zu vertreten wäre und es ihm zumutbar wäre, sich um die Ausstellung eines Reisepasses zu kümmern. Dabei stützte sich die belangte Behörde erstens - aktenwidrig - darauf, dass der Beschwerdeführer den Nachweis einer Vorsprache bei der indischen Botschaft schuldig geblieben wäre und zweitens auf die Vermutung, dass aufgrund der Nicht-Ausstellung eines Reisedokuments davon auszugehen sei, dass sich der Beschwerdeführer einer "Verfahrensidentität" bedient hätte, die durch kein Dokument belegt sei, womit die belangte Behörde also die Angabe falscher Identitätsdaten durch den Beschwerdeführer vermutete.

3.5.1. Die belangte Behörde geht zum ersten offenbar davon aus, dass den Beschwerdeführer die Obliegenheit träfe, sich aus eigenem ein Reisedokument zu besorgen und nimmt im Gegenschluss - aktenwidrig - an, dass er das nicht getan hätte und dass durch das Nicht-Tätigwerden des Beschwerdeführers dieser nicht an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments notwendigen Schritten mitwirke oder diese vereitle iSd Abs. 1b Z 3 leg.cit. (nunmehr: § 46a Abs. 3 Z 3 FPG).

Dazu ist festzuhalten, dass den Beschwerdeführer eine solche Verpflichtung nach geltender Rechtslage nicht trifft. Gemäß ständiger Judikatur ist der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, sich aktiv um die Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft zu bemühen, um eine Abschiebung möglich zu machen.

Dementsprechend führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.08.2012, Zl. 2011/21/0209, aus:

"Aus dem Umstand, dass sich die Fremde hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft in Verbindung gesetzt hat, woraus die Behörde die Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht folgerte, lässt sich daher ebenso wenig die Beurteilung ableiten, die Abschiebung der Fremden sei aus von ihr zu vertretenden Gründen tatsächlich unmöglich."

Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage bei der Beurteilung der Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Erlangung eines Ersatzreisedokuments von einer verfehlten Rechtsansicht ausgegangen ist. Die Argumentation im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer von sich aus Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates anstrengen hätte müssen, gehen somit ins Leere. Zudem erwies sich die Annahme, dass der Beschwerdeführer eine Vorsprache bei der indischen Botschaft nicht nachgewiesen hätte, als aktenwidrig - vielmehr bestätigte die indische Botschaft in dem vom Beschwerdeführer dem BFA vorgelegten Schriftstück, dass er am 15.12.2015 die Botschaft in Zusammenhang mit konsularischer Tätigkeit ("passport enquiry") besucht hätte, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde der Boden entzogen ist.

3.5.2. Zum zweiten vermutete die belangte Behörde - ohne dass sie dies durch irgendein Ermittlungsergebnis untermauerte, dass der Beschwerdeführer sich einer "Verfahrensidentität" bedient hätte, anders gewendet also: seine Identität verschleiert (§ 46a Abs. 3 Z 1 FPG), was sie auf das Nichtausstellen eines Heimreisezertifikats durch die indische Botschaft trotz zahlreicher Urgenzen zurückführte.

Nach der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs könnte aber nicht einmal (allein) aus der Mitteilung einer Botschaft, wonach die Identität bzw. Staatsangehörigkeit einer Person nicht festgestellt werden könne, geschlossen werden, dass eine Person falsche Angaben über ihre Identität gemacht hat (Hinweis E 28. August 2012, 2011/21/0209). Lediglich die Nichtausstellung eines Heimreisezertifikats trotz Urgenzen kann daher umso weniger dafür hinreichen, dem Beschwerdeführer falsche Identitätsangaben zu unterstellen. Dafür ergaben sich in den vorangehenden wie auch im gegenständlichen Verfahren keinerlei Hinweise. Dass der Beschwerdeführer aber keinen "unbedenklichen Identitätsnachweis" vorgelegt hat, könnte ihm nur dann zum Vorwurf gemacht werden, wenn er tatsächlich über solche verfügt hätte oder solche beschaffbar gewesen wären (so die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH Ra 2014/21/0040, 30.06.2015), wofür sich aber kein Anhaltspunkt ergab. Auch unter diesen Gesichtspunkten ergeben sich tatsächlich also keine vom Beschwerdeführer zu vertretende Gründe iSd § 46a Abs. 3

FPG.

3.5.3. Zum Vorliegen von vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen iSd § 46a Abs. 3 FPG (Bestimmungen sind gleichlautend wie die Vorgängerbestimmungen des Abs. 1b):

Es sind im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer seine Identität verschleierte. Folglich ist der Tatbestand des Abs. 3 Z 1 leg.cit nicht erfüllt.

Der Beschwerdeführer blieb keinem Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes fern. Aus diesem Grund ist der Tatbestand des Abs. 3 Z 2 leg.cit. nicht erfüllt.

Aus den Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates (AB 1160 XXIV. GP) ergibt sich bezüglich § 46a Abs. 1b Z 3 FPG (Vorgängerbestimmung. gleichlautend wie nun § 46a Abs. 3 Z 3 FPG) Folgendes:

"...Unter die Z 3 ist das Nichtmitwirken oder das Vereiteln an behördlich notwendigen Schritten zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu subsumieren. Dies kann insbesondere das Nichtmitwirken an einer erkennungsdienstlichen Behandlung oder an einer Befragung sein. Neben Handlungen ist ein Unterlassen gleichfalls vom Anwendungsbereich dieser Norm erfasst."

Der Beschwerdeführer beantwortete sämtliche, im Rahmen der Einvernahme am 16.08.2010 an ihn gerichteten Fragen. Eine "Nichtmitwirkung an einer Befragung" ist ihm folglich nicht vorzuwerfen. Der Beschwerdeführer bejahte vielmehr seine Kooperation beim Ausfüllen eines Formerfordernisses zur Erlangung eines Reisepasses sowie auch, bei der indischen Botschaft zu einem Interviewtermin zu erscheinen. Das vom Beschwerdeführer ausgefüllte Formular wurde seitens der BPD XXXX , Fremdenpolizeiliches Büro, zur weiteren Veranlassung und zur Weiterleitung an die indische Botschaft an das Bundesministerium für Inneres übermittelt. Demnach ist ihm auch kein Nichtmitwirken an einer erkennungsdienstlichen Behandlung vorzuwerfen. In einer Gesamtschau wird deutlich, dass sich der Beschwerdeführer kooperativ zeigte und weder eine Vereitelungshandlung setzte noch seine Mitwirkung verweigerte, weshalb auch der Tatbestand des Abs. 3 Z 3 leg.cit nicht erfüllt ist.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keinen (Ausschluss-)Tatbestand iSd Abs. 3 leg.cit idgF. verwirklicht hat und sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, weshalb die Abschiebung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre. Die mangelnde Reaktion der Vertretungsbehörde seines Heimatstaates auf die mehrfach an sie gerichteten Ansuchen auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats sind nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten (vgl. dazu auch nochmals die dezidierte Bezugnahme auf den Fall der Nichterlangung eines Ersatzreisedokuments in den oben wiedergegebenen Erläuterungen zum Ministerialentwurf).

Eine Feststellung gem. § 46 Abs. 1 Z 3 FPG (vormals § 46a Abs. 1a FPG) wurde daher seitens der belangten Behörde zu Unrecht nicht getroffen.

Dem entsprechend judizierte bereits der UVS Oberösterreich zur früheren Rechtslage (siehe § 46 a FPG Inkrafttretensdatum 01.01.2010, Außerkrafttretensdatum, 30.06.2011: Duldung, solange Abschiebung gemäß Abs. 1 Z 3 aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint) in der Entscheidung vom 04.01.2011 zu Zl. VwSen-231185/3/BP/Ga: "Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und sind die Bemühungen der Fremdenpolizei, ein Heimreisezertifikat durch den Heimatstaat des Fremden zu erlangen, fruchtlos geblieben, ist klargestellt, dass der Fremde weder in seinen Heimatstaat abgeschoben werden, noch rechtmäßig in irgend einen anderen Staat einreisen kann. Im Ergebnis liegt somit aber eine Konstellation des § 46a Abs 1 Z 3 FPG 2005 vor, zumal die Abschiebung des Fremden - aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - tatsächlich undurchführbar ist und kein Sachverhalt des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung erkannt wird. (...)".

Wie bereits dargestellt, ist die Abschiebung des Beschwerdeführers aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich. Da die Voraussetzung des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG idgF. vorliegt, ist dem Beschwerdeführer gem. Abs. 4 leg. cit. eine Karte für Geduldete auszustellen.

3.6. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) - folgend: GRC - hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.3.2012, U 466/11, ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zahlen Ra 2014/20/0017 und 2014/20/0018 (auf welches auch in aktuellen Erkenntnissen verwiesen wird, siehe etwa VwGH 28.04.2015, Ra 2014/19/0125), ausführlich mit der Frage der Möglichkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung im Asylverfahren auseinandergesetzt und dabei unter anderem folgendes ausgeführt:

"Bezogen auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung regelmäßig unterbleiben könne, wenn das Vorbringen erkennen lasse, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse. Habe der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände und Fragen bereits in erster Instanz releviert oder seien solche erst nachträglich bekannt geworden, sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde (an den Asylgerichtshof) aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft sei (vgl. dazu nochmals VfGH vom 14. März 2012, Zl. U 466/11 ua.). In weiteren Entscheidungen hat er die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung verneint, wenn der Sachverhalt "sichtlich nicht hinreichend geklärt erscheint" (vgl. VfGH vom 13. März 2013, Zl. U 1175/12 ua.), mangels vertiefender Ermittlungen zur behaupteten Verfolgung "gerade nicht" geklärt sei (vgl. VfGH vom 26. Juni 2013, Zl. U 1257/2012), der Asylgerichtshof notwendige Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Asylwerbers in wesentlichen Punkten unterlassen habe (vgl. VfGH vom 3. Oktober 2013, Zl. U 477/2013), die Glaubwürdigkeit der Asylwerberin "großteils nur auf Grund ihres Vorbringens in erster Instanz beurteilt" habe, obwohl in der Beschwerde an ihn "wesentliches Tatsachenvorbringen erstattet wurde, welche die in erster Instanz durchgeführte Beweiswürdigung und die darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen begründet in Frage" gestellt habe (vgl. VfGH vom 3. Oktober 2013, Zl. U 642/2012), in nicht nachvollziehbarer Weise und ohne Einräumung von Parteiengehör andere Feststellungen getroffen worden seien als zuvor im Verwaltungsverfahren, die dort zudem auf den durch die persönliche Einvernahme gewonnenen persönlichen Eindruck des Asylwerbers beruht hätten (vgl. VfGH vom 21. Februar 2014, Zl. U 152/2013), oder wenn seit Einbringung der Beschwerde bereits lange Zeit vergangen sei, sodass allein schon deswegen der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt einer Aktualisierung bedurft habe (vgl. VfGH vom 22. November 2013, Zl. U 729/2013, bezogen auf die im Rahmen einer Entscheidung über eine aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu klärende Frage des Ausmaßes der mittlerweile bestehenden Integration des Fremden).

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber (...) im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Ausgehend von diesem Kriterienkatalog war im gegenständlichen Fall eine weitere Beweisaufnahme und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht nötig, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt unzweifelhaft aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang und den unter Punkt 2. getroffenen Feststellungen. Der angefochtene Bescheid enthält ob des unstrittigen Verfahrensganges keine beweiswürdigenden Ausführungen, sondern nimmt die belangte Behörde ohne weiteres Bezug auf den aus der Aktenlage ersichtlichen Verfahrensgang, von dem auch das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Erkenntnis ausgeht, wenn das erkennende Gericht dabei auch das von der belangten Behörde nicht gewürdigte Schreiben der indischen Botschaft verwertet.

Bei Zugrundelegung der gleichen Tatsachenebene kommt das erkennende Gericht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als die belangte Behörde, es konnte dabei jedoch von dem vom Bundesamt soweit ermittelten Sachverhalt (schließlich ist das Schreiben der Botschaft aktenkundig) ausgegangen werden. Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entgegensteht (vgl. dazu insb. VwGH 28.08.2012, Zl. 2011/21/0209, wonach nicht einmal der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft in Verbindung gesetzt hat nicht als Verletzung seiner Mitwirkungspflicht zu beurteilen ist und VwGH Ra 2014/21/0040, 30.06.2015, wonach das Nichtausstellen eines Heimreisezertifikat nicht auf die Verschleierung der Identität schließen lässt). Auch legt das ho. Gericht in seinen Ausführungen in Bezug auf das Absehen einer mündlichen Verhandlung die bereits beschriebenen Tatbestandsmerkmale im Lichte der ebenfalls zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aus.

Schlagworte

Duldung, Mitwirkungspflicht, Rechtsansicht, Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W220.1403259.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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