TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/25 W222 2225593-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2019
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Entscheidungsdatum

25.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W222 2225593-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf 1 Jahr herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangerhöriger, stellte am 09.10.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am 10.10.2019 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftliche einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, am XXXX in Indien geboren worden und ledig zu sein. Im Heimatland würden seine Eltern und seine Schwester leben. Er habe sieben Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Feldarbeiter auf einem fremden Bauernhof gearbeitet. Den Entschluss zur Ausreise habe er im August 2019 gefasst. Er sei mit seinem gültigen indischen Reisepass über Russland nach Österreich eingereist. Die Ausreise habe seine Familie und er organisiert. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer Folgendes an: "Ich will wie alle Sikhs, eine unabhängige Region Punjab. Ich habe mit allen anderen dafür protestiert. Die Polizei wollte mich mehrmals festnehmen. Es gelang mir aber immer die Flucht. Aus Angst, dass mich die indische Polizei festnimmt, musste ich Indien verlassen. Ich habe nun all meine Fluchtgründe genannt. Andere Fluchtgründe habe ich nicht." Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab der Beschwerdeführer an:

"Ich habe Angst vor der indischen Regierung, weil ich für die Unabhängigkeit Punjabs demonstriert und protestiert habe."

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 16.10.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er keine Medikamente nehme und keinen Arzt besuche. Er gab an, sechs Jahre die Grundschule besucht zu haben und über keine Berufsausbildung zu verfügen. Er habe in seinem Heimatland als Landwirt gearbeitet. Am Anfang hätten sie eine eigene Landwirtschaft und ein eigenes Grundstück gehabt. Dieses hätten sie dann verkauft. Dann habe er für andere Leute als Landwirt gearbeitet. Bis vor zirka zwei Jahren habe er seine eigene Landwirtschaft gehabt. Dann hätten sie diese verkauft. Bis zum Jahre 2018 habe er die Landwirtschaft gehabt. Er habe die Landwirtschaft verkauft, um sein Leben zu finanzieren. Er habe in seinem Dorf als Landwirt gearbeitet. Die Landwirtschaft sei nicht gut gegangen. Er habe aber von der Landwirtschaft gut leben können. Er habe nicht bis zur Ausreise gearbeitet. Er sei ledig und habe keine Kinder. In weiterer Folge wurde ausgeführt: "

L: Geben Sie die letzte Adresse aus Ihrem Heimatland an?

A: Dist: XXXX , Punjab, Indien

L: Waren Sie an dieser Anschrift gemeldet?

A: Ja.

L: Bei der Erstbefragung durch die Polizei haben Sie angegeben, dass

Sie im Dorf: XXXX , Bez. XXXX , Dist. Punjab, Indien, gelebt haben. Welche Anschrift ist jetzt richtig?

A: Ich ging zuerst zu meinem Dorf. Dort habe ich genächtigt. Am nächsten Tag ging ich zurück nach Delhi und von dort bin ich ausgereist.

L: An welcher Adresse waren Sie jetzt wohnhaft?

A: In XXXX . Das war eine Mietwohnung.

L: Diese Adresse haben Sie bis jetzt nicht erwähnt und Sie antworten nicht auf meine Frage. Können Sie mir das erklären, von wann bis wann Sie an welcher Adresse gelebt haben.

A: In dem Dorf XXXX habe ich von meiner Geburt bis 2018 gelebt. Danach ging ich nach XXXX . Dort wohnte ich im Jahr 2018 für 2

Monate und zuletzt war ich in dem Dorf: XXXX . Dort wohnte ich bis zu meiner Ausreise. Nachgefragt gebe ich an, dass ich in XXXX auch als Landwirt gearbeitet habe.

L: Danach sind Sie vor Ihrer Ausreise nochmals in Ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Ist das richtig?

A: Ja.

L: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein.

L: L: Hatten Sie in Ihrem Heimatland irgendwelche Probleme mit staatlichen Behörden wie z.B. Polizei, Gerichte etc?

A: Nein. L: Wurden Sie in Ihrem Heimatland schon einmal verurteilt oder waren Sie in Haft?

A: Nein.

L: Welchen Glauben haben Sie?

A: Sikh.

L: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Ich bin Punjabi (Kambuj).

L: Sind oder waren Sie Mitglied/Anhänger einer politischen Partei?

A: Nein.

L: Haben Sie Angehörige in Ihrem Heimatland? Wenn ja, welche und wo halten sich diese auf?

A: In meiner Heimat habe ich folgende Angehörige:

Vater: XXXX , ca. 50 Jahre

Mutter: XXXX , ca. 47 Jahre

Schwester: XXXX , ca. 27 Jahre

Alle wohnen in Indien. Nachgefragt gebe ich an, dass Sie zuletzt in meinem Heimatdorf XXXX gelebt haben, aber jetzt weiß ich es nicht.

L: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?

A: Sie arbeiten selbst.

L: Was arbeiten Ihre Angehörigen?

A: In der Landwirtschaft. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Vater arbeitet, meine Mutter ist Hausfrau und meine Schwester macht nichts.

L: Haben Sie oder Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z.B. Häuser, Grund?

A: Als ich dort war, hatten wir ein Haus, aber jetzt nicht mehr.

L: Warum haben Sie kein Haus mehr?

A: In meinem Heimatdorf haben wir das Haus noch immer. Nachgefragt gebe ich an, dass ich das Grundstück verkauft habe.

L: Wohnt in dem Haus jemand?

A: Meine Familie lebt in diesem Haus.

L: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

A: Ich habe bei anderen Leuten als Landwirt gearbeitet.

L: Wie war Ihre finanzielle Situation in Ihrer Heimat?

A: Gut.

L: Wie ist die finanzielle Situation Ihrer Familie?

A: Auch gut.

L: Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?

A: Nein.

L: Haben Sie Kontakt zu Angehörigen im Heimatland? Wenn ja, in welches Ausmaß?

A: Nein.

L: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

A: Als ich letztes Mal in mein Dorf ging. Das war vor meiner Ausreise. Da habe ich meine Eltern und meine Schwester zuletzt gesehen.

L: Wie ist es Ihren Eltern damals gegangen?

A: Es ging Ihnen gut.

L: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Ich bin in der Grundversorgung.

L: Werden Sie von Verwandten finanziell unterstützt?

A: Nein.

L: Sind Sie oder waren Sie in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen in Österreich tätig?

A: Nein.

L: Sind Sie arbeitsfähig? Was würden Sie gerne arbeiten?

A: Ich würde gerne arbeiten und ich kann in jedem Bereich arbeiten. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht weiß, was ich gerne machen würde. Ich kann irgendwas machen.

L: Wann und wie haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

A: Am 12.09.2019 ging ich nach Delhi. Ich flog nach Russland. Dort war ich bis zum 23.09.2019. Am nächsten Tag wurde ich mit dem Auto weggebracht. Ein Schlepper versteckt mich im Kofferraum und ich wurde dann über mir unbekannte Länder bis nach Österreich gebracht.

L: Hatten Sie ein Reiseziel?

A: Ich wollte nur aus Indien ausreisen und in ein sicheres Land.

L: Hatten Sie ein Visum in Ihrem Reisepass, den Sie bei der Ausreise am Flughafen vorgewiesen haben?

A: Ja, ein russischen Visum.

L: Wer hat das Visum organisiert?

A: Der Schlepper.

L: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Am 09.10.2019.

L: Haben Sie in Österreich Verwandte?

A: Nein.

L: Leben Sie in Österreich mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft?

A: Nein, ich wohne hier im Lager.

L: Haben Sie bei der Erstbefragung alle Ihrer Fluchtgründe genannt?

A: Ja, ich habe alles gesagt.

L: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte schildern Sie möglichst konkret und detailliert!

A: Ich hatte dort für die Khalistan-Bewegung teilgenommen. Die jetzige Regierung will nicht, dass die Khalistan-Bewegung ein eigenes Land gründet. Wir wollten ein eigenes Land gründen. Die Regierung und die Polizei belästigen uns.

Anmerkung: AW wird aufgefordert weiterzuerzählen.

A: Was noch?

A: Die Polizei hat die Teilnehmer der Kundgebung festgenommen und geschlagen. Ich hatte auch teilgenommen bei Kundgebungen. Ich wurde auch geschlagen. Deswegen bin ich geflüchtet.

L: Wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Das wars.

L: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

L: Wann genau war diese Kundgebung?

A: Im Jahr 2018.

L: Haben Sie nur an dieser Kundgebung teilgenommen.

A: Ja.

L: Wo hat Sie stattgefunden?

A: In XXXX .

L: Schildern Sie, was dort genau passiert ist.

A: Es gab dort Schlägereien zwischen den Khalistan Anhängern und der Polizei. Die Polizei hat die Anhänger geschlagen. Die Anhänger wollen ein eigenes Land gründen.

L: Wollen Sie noch etwas hinzufügen?

A: Nein. Alle sind geflüchtet, die an dieser Kundgebung teilgenommen haben.

L: Seit wann sind Sie bei der Khalistan-Bewegung?

A: Seit 2017.

L: Gibt es Beweise, dass Sie ein Anhänger der Bewegung sind?

A: Ich hatte nur an den Kundgebungen teilgenommen.

L: Ich habe Sie gefragt, ob Sie Beweise dafür haben.

A: Nein.

L: Was ist Ihnen konkret passiert? Das haben Sie bis jetzt nur am Rande erwähnt.

A: ich wurde auch geschlagen.

L: Können Sie das detailliert schildern?

A: Bei der Kundgebung wurde ich mit einer Holzstange geschlagen.

L: Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

A: Nein.

L: Gibt es Zeugen für diesen Vorfall?

A: Ja, die Zeugen sind dort in Indien.

L: Wer sind die Zeugen?

A: Landsleute.

L: Haben Sie eine Anzeige bei der Polizei gemacht?

A: Nein.

L: Warum haben Sie keine Anzeige gemacht?

A: Die Polizei hört nicht zu.

L: Haben Sie sonst irgendwelche rechtlichen Schritte dagegen unternommen und sich an Behörden oder Gerichte in Indien gewandt?

A: Nein.

L: Können Sie zu diesem Vorfall irgendwelche Beweismittel vorlegen?

A: Nein. Ich wurde nur geschlagen.

L: Haben Sie versucht sich in einem anderen Landesteil von Indien niederzulassen, um diesen Problemen zu entgehen?

A: Ich habe es versucht in XXXX .

L: Was meinen Sie mit versucht?

A: Ich wollte dort leben, aber dort wurden die Leute auch von der Polizei belästigt. Ich konnte dort nicht mehr leben.

L: Haben Sie Ihr Heimatland aufgrund dieses Vorfalles im Jahr 2018 verlassen?

A: Ja.

L: Sie geben aber an, dass der Vorfall im Jahr 2018 war und es sich auch um den einzigen Vorfall handelte. Sie haben an keiner weiteren Kundgebung mehr teilgenommen und haben auch nicht mehr erwähnt, dass Ihnen irgendetwas passiert wäre. Sie haben dann seit dem Sie von der Polizei im Jahr 2018 geschlagen wurden, bis zu Ausreise am 12.09.2019 an Ihrer Wohnadresse gelebt und sind Ihrem Alltag nachgegangen. Wie können Sie mir das erklären?

A: Diejenigen, die an der Kundgebung teilgenommen hatten, wurden von der Polizei geschlagen.

L: Das haben Sie mir bereits erzählt. Ich wollte wissen, wie Sie mir das erklären können, dass Sie Ihren Alltag fortgesetzt haben, ohne dass Ihnen etwas passiert ist.

Anmerkung: Dem AW wird die oa Frage nochmals vorgelesen.

A: Ich war dort versteckt und habe gearbeitet. Ich musste arbeiten für das Leben.

L: Womit haben Sie die Schlepperkosten bezahlt?

A: Ich habe mein Grundstück verkauft.

L: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

L: Wurden Sie jemals wegen Ihrer Religionszugehörigkeit, Rasse, Zugehörigkeit einer Gruppierung etc. vom Staate diskriminiert oder vom Staate gar verfolgt?

A: Ja. Die anderen Religionsangehörigen haben mich belästigt.

L: Bezieht sich das auf den oa Fluchtgrund?

A: Ja.

L: Die Verständigung mit dem Dolmetsch ist gut?

A: Ja.

L: Sie behaupten unglaubwürdiger Weise bloß Verfolgung durch die Polizei. Entsprechend den Länderfeststellungen des BFA sind indische Sicherheitsbehörden bei derartigen Bedrohungen schutzfähig und schutzwillig. Was sagen Sie dazu?

A: Nein, das stimmt nicht. Die Behörden schlagen uns. Sie bringen auch manche um.

L: Aus den von Ihnen behaupteten Gründen, warum Sie Ihr Land verlassen haben ist weder ein Asylstatus noch subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten noch ist jenes Vorbringen dazu geeignet eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Darüber hinaus existiert kein Meldewesen in Ihrem Heimatland, wie sich aus dem LIB zur Lage in Indien ergibt, sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offen steht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um Ihren Problemen zu entgehen. Was sagen Sie dazu?

A: Es gibt ein großes Problem wegen der Khalistan-Bewegung. Ich konnte in einem anderen Landesteil nicht leben.

L: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

A: Die Polizei und die Regierung und die Leute werden mich umbringen.

L: Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl liegen schriftliche Feststellungen zur Lage in Indien vor, insbesondere zur Ausgestaltung des dortigen Asylverfahrens und zur Versorgungslage in diesem Land, einschließlich der medizinischen Versorgung. Diese wurden Ihnen am 14.10.2019 gleichzeitig mit der Ladung zur Einvernahme ausgefolgt. Ihnen wurde dabei die Möglichkeit eingeräumt eine schriftliche Stellungnahme bis zum Einvernahmetermin bei der Behörde abzugeben. Davon haben Sie keinen Gebrauch gemacht. Möchten Sie jetzt noch eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen abgeben?

A: Die Lage ist sehr schlecht. Es gibt fast jeden Tag Kundgebungen.

Anmerkung: Die ausgefolgten schriftlichen Feststellungen werden in Gleichschrift zum Akt genommen.

L: Inwieweit würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Ihr Familien- und Privatleben eingreifen?

Anmerkung: Die Fragestellung näher erläutert, insbesondere dass im Rahmen einer Ausweisungsprüfung verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich, Aufenthaltsberechtigungen für Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, udgl. berücksichtigt werden.

A: Ich habe hier in Österreich niemanden.

L: Sie haben am 14.10.2019 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. § 29/3/5 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass, seitens des Bundesamtes die Absicht besteht, Ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen. Weiters wurden Sie auch dahingehend informiert, dass vor Ihrer Einvernahme durch das Bundesamt, zur Wahrung des Parteiengehörs, gem. § 29/4 AsylG eine Rechtsberatung stattfindet. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes Stellung zu beziehen. Möchten Sie eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich bitte Sie, dass Sie das nicht ablehnen. Ich möchte nicht zurück.

L: Haben Sie bereits ein Beratungsgespräch zur freiwilligen Rückkehr absolviert?

A: Nein.

L: Sie haben gleichzeitig mit der Ladung zur Einvernahme auch die Ladung für ein verpflichtendes Rückkehrberatungsgespräch unterfertigt. Sie haben heute um 13.00 Uhr hier im Lager im Haus 7b ein Rückkehrberatungsgespräch. Werden Sie daran teilnehmen?

A: Ja, ich werde hingehen.

L: Was werden Sie tun, wenn Ihr Asylantrag negativ beschieden wird? Sind Sie bereit freiwillig zurückzukehren?

A: Mein Leben ist dort in Gefahr. Ich möchte nicht zurückkehren.

Anmerkung: Dem/der RB wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben, wovon kein Gebrauch gemacht wird.

L: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?

A: Ja.

L: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen?

A: Ja.

L: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

L: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

A: Nein.

L: Wurde alles vollständig und richtig protokolliert?

A: Ja."

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Ziffer 4,5 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gem. § 55 Abs. 1a besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus, dass das Vorbringen nicht glaubhaft ist: "Sie brachten als Fluchtgrund im Wesentlichen vor, dass Sie der Religionsgemeinschaft der Sikh angehören und auch ein Mitglied dieser Bewegung sind, welche sich dafür einsetzt, dass die Sikh ein eigenes Land namens Khalistan gründen. Sie haben im Jahr 2018 an einer Kundgebung in XXXX teilgenommen. Dabei kam es zu Schlägereien der Khalistan-Anhänger mit der Polizei. Auch Sie wurden von der Polizei mit einer Holzstange geschlagen. Des Weiteren brachten Sie vor, dass alle Khalistan-Anhänger, die an der Kundgebung teilgenommen hatten, geflüchtet sind. Sie haben nur an dieser einen Kundgebung teilgenommen und es kam zu keinen Verfolgungshandlungen durch die Polizei. Danach haben Sie bis zu Ihrer Ausreise am 12.09.2019 in Ihrem Heimatdorf bzw. an anderen Adressen in der Nähe Ihres Heimatdorfes gelebt und sind Ihrem Alltag nachgegangen, ohne dass es zu irgendwelchen Vorfällen gekommen ist bzw. die Polizei nach Ihnen gesucht hätte. Trotz der Aufforderung Ihr Vorbringen detailliert zu schildern, blieben Ihre Angaben während der gesamten Befragung vage und nahezu einsilbig und ließen jedes Detail vermissen.

Erst über Aufforderung und Nachfragen begannen Sie nähere - wenn auch sehr spärliche - Details zu dem Vorfall zu schildern. Auch den tätlichen Angriff der Polizei gegen Sie erwähnten Sie nur am Rande. Laut Ihren Angaben sei dies der einzige Vorfall gewesen.

Es kann ferner erwartet werden, dass eine Person, die im Ausland um Schutz ansucht, Anstrengungen unternimmt, die Behörde von ihrer Darstellung zu überzeugen bzw. an der Feststellung eines Sachverhaltes mitwirkt, und nicht, wie Sie, völlig desinteressiert die Fragen über sich ergehen lässt, obwohl er ausreichend und wiederholt manduziert wurde, dass er seine Fluchtgründe ausführlich und aus eigenem schildern solle.

Ihre Angaben waren trotz einer ausführlichen Einvernahme am 16.10.2019 sehr allgemein und vage gehalten und konnte keine konkrete Bedrohung Ihrer Person glaubwürdig dargelegt werden. Auch ist es nicht sehr glaubwürdig, dass Sie sich bis zu Ihrer Ausreise in Ihrem Heimatdorf gemeinsam mit Ihrer Familie aufgehalten haben bzw. in der näheren Umgebung Unterkunft genommen haben und Ihrem täglichen Leben wie gewohnt nachgegangen sind. Eine staatliche Verfolgung kann auch deshalb ausgeschlossen werden, da Sie angegeben haben, Indien auf legalem Weg mittels Flugzeug (Grenzübertritt) mit Ihrem eigenen Reisepass verlassen zu haben.

Des Weiteren gaben Sie an, dass Sie Ihre Eltern und Ihre Schwester kurz vor Ihrer Ausreise das letzte Mal gesehen haben und dass es ihnen zu diesem Zeitpunkt gut ging. Befragt zu dem derzeitigen Aufenthaltsort Ihrer Eltern konnten Sie aber keine Angaben machen. Sie gaben lediglich an, dass sie sich zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise in Ihrem Heimatdorf XXXX aufgehalten haben. Es ist aber anzunehmen, dass Ihre Eltern sich nach wie vor in Ihrem Heimatdorf aufhalten und Ihrem Alltag nachgehen, da sie auch vor Ihrer Ausreise dort gelebt haben, ohne dass es zu Problemen gekommen ist. Immerhin haben Sie bei der Einvernahme angegeben, dass es Ihrer Familie gut gegangen ist.

Insgesamt ist es Ihnen vor der Behörde nicht gelungen Ihr Vorbringen glaubhaft darzustellen,

zumal Sie an Ihrer Wohnanschrift Ihren Alltag fortgeführt und bis zum Tag Ihrer Ausreise in Ihrem Heimatbezirk gelebt haben. Weiters ist anzumerken, dass die Polizei seit Ihrer Teilnahme an der Kundgebung im Jahr 2018 bis zu Ihrer Ausreise am 12.09.2019 nie nach Ihnen gesucht hat bzw. nie bei Ihnen zu Hause vorstellig geworden ist.

Wenn Sie begründete Furcht gehabt hätten, hätten Sie nicht Ihren Alltag fortgesetzt, sondern hätten sich bis zu Ihrer Flucht versteckt gehalten oder versucht, Ihr Herkunftsland so bald als möglich zu verlassen oder sich in einem anderen Landesteil Indiens niederzulassen.

Abgesehen von den bereits angeführten Ungereimtheiten, haben Sie Ihr Vorbringen viel zu "blass" und wenig detailreich geschildert. Ein reales Erlebnis ist in der Regel in einen größeren Kontext eingebettet, es ist mit anderen Ereignissen, bewiesenen Tatsachen verflochten, bzw. steht im raumzeitlichen Zusammenhang mit anderen, quasi externen Gegebenheiten, wie z.B. Alltäglichkeiten. Bei Personen ohne wahren Erlebnishintergrund bleibt das berichtete Ereignis - wie im gegenständlichen Fall - eigenständig, d.h. ohne Vor- und Nachgeschichte.

Da die von Ihnen behaupteten Verfolgungsgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen, ist auch nicht davon auszugehen, dass Sie bei einer Rückkehr in die Heimat aus diesen Gründen mit Schwierigkeiten zu rechnen haben.

Zusammengefasst zeigt Ihre eigene Darstellung Ihrer Fluchtgründe, dass Sie bloß einen höchst abstrakten und unkonkreten Sachverhalt behaupten und Sie auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht in der Lage waren eine stichhaltiges und fundiertes bzw. nachvollziehbares Vorbringen darzulegen! Es ist aus diesem Grund davon auszugehen, dass Ihr Vorbringen beim BFA eine gedankliche Konstruktion darstellt!

Sie konnten auch keinerlei Beweismittel über Ihren Fluchtgrund vorlegen. Sie gaben auch an, dass die Polizei Ihnen nicht zuhöre, da Sie Sikh sind und man als Sikh in Indien keine Hilfe bekommt. Weitere rechtliche Schritte hätten Sie keine unternommen, welches ebenso nicht glaubwürdig und nachvollziehbar ist, da jede verfolgte Person wohl vor einer Flucht ins Ungewisse vorher den Rechtsweg in Indien beschritten hätte und zumindest versucht hätte den Sachverhalt in Indien zur Anzeige zu bringen.

Sie waren nicht in der Lage, die einzelnen Vorfälle Ihrer Geschichte glaubwürdig und plausibel zu schildern. Insgesamt betrachtet musste Ihnen die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

In Indien hatten Sie augenscheinlich mit den indischen Behörden, Sicherheitsbehörden oder den Gerichten keinerlei Schwierigkeiten/Probleme. Sie haben in Ihrem Heimatland keine strafbaren Handlungen begangen und waren Sie in Ihrer Heimat nicht politisch oder religiös tätig; auch waren Sie in Ihrem Heimatland kein Mitglied einer Partei oder sonstigen Organisation.

Abschließend ist zu erklären, dass Sie sich mit dem Verlassen Indiens dazu entschlossen hatten die äußerste aller Möglichkeiten zu wählen, um Ihren vermeintlichen Problemen zu entgehen. Dies scheint insofern unverhältnismäßig, als dass Sie angaben, dass beispielsweise Ihre Eltern und Ihre Schwester unbehelligt in Indien leben können, so wie Sie auch das letzte Jahr, nachdem Sie an dieser Kundgebung im Jahr 2018 teilgenommen haben, unbehelligt dort leben konnten und es zu keinen Verfolgungshandlungen durch die Polizei gekommen ist. Wenn Sie begründete Furcht gehabt hätten, hätten Sie nicht Ihren Alltag fortgesetzt, sondern hätten sich bis zu Ihrer Flucht versteckt gehalten oder versucht, Ihr Herkunftsland so bald als möglich zu verlassen oder sich in einem anderen Landesteil Indiens niederzulassen.

Es existiert kein Meldewesen in Ihrem Heimatland, wie sich aus dem LIB zur Lage in Indien ergibt, sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offensteht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um Ihren vermeintlichen Problemen zu entgehen. Dass man gerade Sie in ganz Indien suchen und auch finden sollte, ist, wie erwähnt, widersprüchlich zur im LIB geschilderten allgemeinen Lage und somit aus Sicht der Behörde nicht glaubhaft.

Des Weiteren wird auch angemerkt, dass Sie innerhalb Ihres eigenen Heimatlandes laut Ihren Angaben bereits eine innerstaatliche Fluchtalternative genutzt haben. Angemerkt hierzu wird, dass Sie vorbrachten, versucht haben in XXXX zu leben, aber auch dort von der Polizei belästigt worden zu sein. Dies steht aber in Widerspruch, da Sie bei der Schilderung Ihrer Fluchtgründe nur erwähnt haben, von der Polizei während der Demonstration mit einer Holzstange geschlagen worden zu sein und es danach zu keinen weiteren Vorfällen gekommen zu sein. Erst als Sie konkret auf die innerstaatliche Fluchtalternative angesprochen wurden, brachten Sie dies vor.

Gesamt betrachtet ergaben sich aus Ihrem Vorbringen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es konkret gegen Sie gerichtete asylrelevante Verfolgung gegeben hätte bzw. welche Ihre Flucht begründet hätte.

Es ist prinzipiell bemerkenswert, im Falle eines wie von Ihnen beschriebenen Konfliktes, die Notwendigkeit zu sehen, Ihr Heimatland zu verlassen und in einem anderen Land um Asylgewährung zu ersuchen. Dass dies als Anlass genommen werden könnte, das Heimatland und sämtliche dortigen sozialen Anknüpfungspunkte zu verlassen, ohne dass der "Flucht" weitere Motive zugrunde liegen sollten, ist für das Bundesamt nicht nachvollziehbar. Exakt dies wurde aber von Ihnen behauptet.

Vielmehr erscheint es vor dem Hintergrund Ihrer Angaben wahrscheinlich, dass Sie für Ihre Ausreise aus Indien letztlich ganz andere Motive hatten, als angegeben. Es ist naheliegend, dass Sie Indien aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen haben, da Sie selbst angegeben haben, dass Sie die eigene Landwirtschaft verkauft haben, um Ihr Leben und das Ihrer Familie zu finanzieren. Außerdem gaben Sie an, dass die Landwirtschaft nicht sehr gut ging. Auch um Ihre Ausreise zu finanzieren, mussten Sie ein Grundstück verkaufen.

Gesondert in der Einvernahme darauf angesprochen, ob Sie Ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätten, verneinten Sie dieses und begründeten Ihre Ausreise wegen den Problemen mit der indischen Polizei.

Insgesamt steht daher für das Bundesamt fest, dass Sie in Ihrem Heimatland keiner wie auch immer gearteten asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt waren und dies nach einer Rückkehr nach menschlichem Ermessen auch nicht sein werden. Hierfür spricht auch, dass sich nach wie vor Ihre Eltern und Ihre Schwester in Indien befinden und dort leben. Auch sind Sie aus Indien auf legalem Weg mittels Flugzeug (Grenzübertritt) mit Ihrem eigenen Reisepass ausgereist."

Betreffend die Erlassung eines Einreiseverbotes führte das BFA Folgendes an: "Die Feststellung, dass Sie die Mittel für Ihren Unterhalt nicht nachweisen können, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Bei Ihrem Aufgriff durch die Polizei (Erstbefragung vom 10.10.2019, Seite 3, Punkt 6) konnte lediglich Bargeld in der Höhe von € 55,- vorgefunden werden und Sie gehen weder einer geregelten Arbeit nach, noch liegen sonstige Hinweise vor, dass Sie die Mittel zu Ihrem Unterhalt aufbringen können. Bei der Einvernahme am 16.10.2019 haben Sie angegeben, dass Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich aus der Grundversorgung beziehen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus dem Punjab. Der Beschwerdeführer hat in Indien mindestens 6 Jahre die Grundschule besucht und bis zur Ausreise als Feldarbeiter gearbeitet. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft, hingegen halten sich seine Eltern und seine Schwester in Indien auf. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zugrunde gelegt und insbesondere Folgendes festgestellt:

Politische Lage:

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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