Entscheidungsdatum
27.11.2019Norm
AlVG §10Spruch
W262 2225379-1/3E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Martin REIHS, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 30.07.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 18.09.2019, GZ XXXX , betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vom 23.08.2019 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird - soweit sie sich gegen Spruchpunkt B des
angefochtenen Bescheides richtet - gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden als AMS oder "belangte Behörde" bezeichnet) vom 10.04.2019 wurde festgestellt, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß §§ 10 iVm 38 AlVG den Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum 06.03.2019 bis 16.04.2019 verloren habe. Begründend führte das AMS aus, dass die Beschwerdeführerin das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen liegen nicht vor bzw. konnten nicht berücksichtigt werden.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 06.05.2019 fristgerecht eine Beschwerde, der von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukam. Die Leistung wurde (vorläufig) weiter ausbezahlt.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 25.06.2019 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.04.2019 mit näherer Begründung als unbegründet abgewiesen. Diese wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung am 26.06.2019 zugestellt. Die Beschwerdevorentscheidung wurde als "nicht behoben" an die belangte Behörde retourniert.
4. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.07.2019 gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 1.363,32 verpflichtet (Spruchpunkt A). Diesbezüglich wurde die Einbehaltung der Leistung im Falle eines fortdauernden Leistungsbezuges in Aussicht gestellt. Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin nicht im Leistungsbezug steht, wurde die Einzahlung des Betrages binnen vierzehn Tagen auf ein näher bezeichnetes Konto gefordert. Des Weiteren wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B).
Zu Spruchpunkt A des Bescheides führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass die Verpflichtung zum Rückersatz des angeführten Betrages aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vom 25.06.2019 bestehe.
Der in Spruchpunkt B verfügte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde wie folgt begründet: Da bereits eine Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache vorliege, würde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausschließlich dazu führen, dass die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft verzögert werde, obwohl mit einer anderslautenden Entscheidung in der Sache zu Gunsten der Beschwerdeführerin nicht mehr zu rechnen sei. Aus diesem Grund überwiege in der Angelegenheit das öffentliche Interesse an der Einbringlichkeit der offenen Forderung. Die aufschiebende Wirkung sei daher abzuerkennen.
5. In der fristgerecht von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde vom 23.08.2019 wurde lediglich ein Vorbringen betreffend die Rechtswidrigkeit des Verlustes des Anspruches auf Notstandshilfe erstattet. Sie führte zusammengefasst aus, dass sie das Fehlen des Bewerbungsschreibens wahrscheinlich übersehen habe, was im Hinblick auf die zahlreichen Bewerbungen und ihre private Situation zu entschuldigen sei.
6. In der Folge wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.09.2019 die Beschwerde vom 23.08.2019 gegen den Bescheid vom 30.07.2019 gemäß §§ 14 VwGVG iVm § 56 AlVG als unbegründet abgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Nach Wiedergabe des Sachverhalts und der maßgeblichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, dass mit rechtskräftiger Entscheidung vom 25.06.2019 der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum 06.03.2019 bis 16.04.2019 eingestellt wurde und die aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausbezahlte Notstandshilfe im Zeitraum rückgefordert wurde. Festgestellt wurde, dass der noch offene Rückforderungsbetrag iHv € 1.054,95 vom Leistungsbezug einbehalten werde; bei Ausscheiden aus dem Leistungsbezug wurde die Einzahlung des Betrages auf ein näher bezeichnetes Konto gefordert.
7. Am 30.09.2019 stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses Verfahren wurde hg. zur Zahl W262 2225379-1 protokolliert.
8. Am 04.10.2019 brachte die Beschwerdeführerin eine "Beschwerde" gegen oa. Bescheid des AMS vom 10.04.2019 ein und führte aus, dass sie ergänzend zu ihrer Beschwerde vom 05.05.2019 [eingelangt am 06.05.2019] vorbringe, dass eine "Beschwerdevorentscheidung niemals ergangen sei und ihr auch niemals zugestellt worden sei." Inhaltlich führte sie aus, dass ihr aufgrund der Flut an Bewerbungsschreiben und der Stresssituation ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sei und ihr insofern der Vorsatz fehle.
9. Die belangte Behörde wertete dieses Schreiben als Vorlageantrag und wies mit Bescheid vom 04.11.2019 den Vorlageantrag vom 30.09.2019 [richtig: 04.10.2019] als verspätet zurück. Die belangte Behörde führt begründend aus, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 25.06.2019 rechtkräftig durch Hinterlegung am 26.06.2019 zugestellt worden sei und somit die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages mit Ablauf des 14.08.2019 geendet habe. Der nunmehr am 04.10.2019 eingebrachte Vorlageantrag sei somit als verspätet zurückzuweisen.
10. Mit Schreiben vom 06.11.2019 brachte die nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin einen "Vorlageantrag, in eventu einen Wiedereinsetzungsantrag und einen Vorlageantrag, jedenfalls einen Antrag auf aufschiebende Wirkung und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung" ein. Dieses Verfahren wurde hg. zur Zahl W262 2225377-1 protokolliert.
9. Die Beschwerden, die Vorlageanträge und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 14.11.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und den hg. zu W262 2225377-1 protokollierten Akt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:
"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat."
Die belangte Behörde begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung insbesondere damit, dass eine Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache vorliege und die aufschiebende Wirkung lediglich dazu diene, die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verzögern.
3.4. Im vorliegenden Fall verweist die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 23.08.2019 ausschließenden Spruchpunkt B des Bescheides lediglich auf die inhaltliche Rechtswidrigkeit des der Rückforderung zu Grunde liegenden Entscheidung über den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe. Damit hat die Beschwerdeführerin jedoch kein hinreichend konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, dass sie der Vollzug des Bescheides über die Rückforderung der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053) trifft den Beschwerdeführer hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils eine Konkretisierungspflicht (vgl. auch VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). In diesem Sinne erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte.
Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).
Vorliegend führte die Beschwerdeführerin nicht näher aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für sie mit der Einbehaltung bzw. Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe verbunden wären. Sie legte diesbezüglich auch keinerlei Bescheinigungsmittel vor.
3.5. Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war daher spruchgemäß abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe) nicht vorweggenommen wird.
3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2225379.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.02.2020