Entscheidungsdatum
28.11.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W133 2218491-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 29.01.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 19.04.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin ist seit 25.06.2010 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Nach einem Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung wurde ein chirurgisches Sachverständigengutachten vom 18.03.2015 eingeholt, in dem die Funktionseinschränkung "Hüfttotalendoprothese beidseits bei vorbestehender Hüftdysplasie", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) nach der Positionsnummer 02.05.10 der Anlage der Einschätzungsverordnung und ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurden. Es wurde weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Nach einem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass vom 09.02.2017 wurde ein orthopädisches Sachverständigengutachten vom 02.05.2017 eingeholt, in dem die Funktionseinschränkungen 1. "Hüfttotalendoprothese beidseits bei vorbestehender Hüftdysplasie" und 2. "Beginnende Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule" festgestellt wurden. Es wurde wiederum festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Daher wies das Sozialministeriumservice (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet) mit Bescheid vom 29.05.2017 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.
Am 21.11.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass. Mit Bescheid vom 27.11.2017 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurück. Dies erfolgte mit der Begründung, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung vom 29.05.2017 noch kein Jahr verstrichen und eine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen nicht glaubhaft gemacht worden seien.
Am 21.03.2018 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass. Mit Bescheid vom 23.03.2018 wies die belangte Behörde diesen Antrag erneut gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurück. Dies erfolgte wiederum mit der Begründung, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung vom 27.11.2017 noch kein Jahr verstrichen sei und eine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Am 19.06.2018 stellte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den XXXX , einen weiteren Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf die Beschwerdeführerin zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. In dem, dem Antrag beigelegten Schreiben des XXXX wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin unter Angststörungen und Klaustrophobie leide und diesbezüglich auch behandelt worden sei, was jedoch zu keiner Besserung des Zustandes geführt habe. Neben einer von der Beschwerdeführerin unterschriebenen Vollmacht zugunsten des XXXX vom 13.06.2018, wurde eine Bestätigung einer näher genannten Psychotherapeutin vom 07.03.2018 und ein Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 24.05.2018 vorgelegt.
Mit Nachreichung vom 09.07.2018 wurden von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 19.04.2018, ein Befundbericht einer näher genannten Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin vom 06.07.2018, ein Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 02.07.2018 und ein handschriftlicher Befund eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vorgelegt.
Die belangte Behörde holte in der Folge Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie vom 30.10.2018, Neurologie vom 11.12.2018 und eine, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gesamtbeurteilung einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 12.12.2018 ein.
In dem Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 30.10.2018 konnten nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.10.2018 fachbezogen folgende Funktionseinschränkungen objektiviert werden:
1.) Hüfttotalendoprothese beidseits und 2.) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Fachbezogen gebe es keine wesentliche Änderung zum Vorgutachten vom 02.05.2017. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
In dem Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 11.12.2018 konnte nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag fachbezogen folgende Funktionseinschränkung objektiviert werden: 1.) Rez. depressive Störung. Es wurde ausgeführt, dass im Vergleich zum Vorgutachten vom 02.05.2017 die Depression neu angeführt worden sei. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
In der Gesamtbeurteilung der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 12.12.2018 konnten auf Grundlage der Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie vom 30.10.2018 und Neurologie vom 11.12.2018 folgende Funktionseinschränkungen objektiviert werden:
1.) Hüfttotalendoprothese beidseits, 2.) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und 3.) Rez. depressive Störung. Es wurde begründend ausgeführt, dass sich bezogen auf die orthopädischen Leiden keine wesentlichen Änderungen zum Vorgutachten vom 02.05.2017 ergeben hätten. Sowohl der Röntgen- als auch der klinische Befund der Hüfte seien im Wesentlichen unauffällig. Die Depression sei neu angeführt worden. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 12.12.2018 räumte die belangte Behörde der rechtlich vertretenen Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die eingeholten Gutachten wurden der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Mit Schreiben der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 02.01.2019 wurde um Erstreckung der Frist zur Einbringung einer Stellungnahme ersucht.
Mit Schreiben vom 17.01.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 18.01.2019, brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den XXXX , eine Stellungnahme ein. Darin wird ausgeführt, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Ängste aus neuro-psychiatrischer Sicht nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Weiters leide die Beschwerdeführerin an einer schweren dauerhaften Gehbehinderung und benötige daher zwei Unterarmstützkrücken. Es wurden zwei Befundberichte einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 27.11.2018 und 15.01.2019 sowie ein Befundbericht einer näher genannten Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin vom 07.01.2019 vorgelegt.
Aufgrund der erhobenen Einwendungen und der vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin vom 28.01.2109 ein, welche die Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 erstellt hatte. Darin führt die Gutachterin aus, dass die nachgereichten Befunde keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Vornahme der Zusatzeintragung beinhalten würden. Der Beschwerdeführerin sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 29.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vom 19.06.2018 gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Sie stützte den Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens.
Mit Nachreichung vom 11.02.2019 wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 06.02.2019 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 11.03.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 12.03.2019, erhob die durch den XXXX vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.01.2019. Darin wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin aus neuropsychiatrischen Gründen nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie sei seit Jahren in neurologischer/psychiatrischer Behandlung und habe auch jahrelang Psychotherapien absolviert. Medikamentös sei die Beschwerdeführerin ebenfalls behandelt worden und die Medikation sei mehrfach angepasst worden. Sie habe alle sinnvollen, verfügbaren und zumutbaren Therapiemethoden in Anspruch genommen, dies sei durch die der Beschwerde beigelegten Befunde nachgewiesen. Trotz jahrelanger Behandlung sei es der Beschwerdeführerin nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zudem sei es der Beschwerdeführerin aufgrund der orthopädischen Leiden nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie leide an einer schweren dauerhaften Gehbehinderung und benötige Unterarmgehstützen. Es sei ihr keinesfalls möglich, eine Entfernung von 300-400 m aus eigener Kraft zurückzulegen und sie könne auch keine Niveauunterschiede überwinden. Der Beschwerde wurden die bereits vorgelegte Bestätigung einer näher genannten Psychotherapeutin vom 07.03.2018, ein undatiertes Schreiben einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie ein Befundbericht dieser Ärztin vom 05.03.2019 sowie ein bereits vorgelegter Befundbericht einer näher genannten Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin vom 07.01.2019 beigelegt.
Aufgrund der erhobenen Einwendungen und der vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage der Allgemeinmedizinerin vom 21.03.2019 ein, welche die Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 erstellt hatte. Darin führt die Gutachterin zusammengefasst aus, dass die nachgereichten Befunde keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Vornahme der Zusatzeintragung beinhalten würden. Der Beschwerdeführerin sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Mit Schreiben vom 22.03.2019 räumte die belangte Behörde der rechtlich vertretenen Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das eingeholte Aktengutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Mit Nachreichung vom 18.04.2019 wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 11.04.2019 vorgelegt.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 19.04.2019 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 29.01.2019 gemäß §§ 41, 42 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Sie stützte die Beschwerdevorentscheidung auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens.
Mit Schreiben vom 29.04.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 02.05.2019, brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den XXXX , fristgereicht einen Vorlageantrag ein. Es wird darin auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 13.05.2019 den Verwaltungsakt und die Beschwerde vor.
Mit Beweismittelvorlage vom 06.05.2019 wurden von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 29.04.2019 sowie ein Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 11.04.2019, welcher bereits am 18.04.2019 nachgereicht wurde, vorgelegt.
Mit Beweismittelvorlage vom 19.09.2019 wurden von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin zwei Befundberichte einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 27.06.2019 und 16.09.2019 vorgelegt.
Mit weiterer Nachreichung vom 20.11.2019 wurden von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 19.11.2019 und allgemeinmedizinisches ärztliches Attest vom 20.11.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Die Beschwerdeführerin stellte zuletzt am 19.06.2018 im Wege ihrer Rechtsvertretung einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Hüfttotalendoprothese beidseits;
2) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule;
3) Rezidivierende depressive Störung mit Angsstörung.
Es bestehen bei der Beschwerdeführerin weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist der Beschwerdeführerin zumutbar und möglich. Es ist befundmäßig dokumentiert, dass die Beschwerdeführerin mit einem Gehstock mobil ist. Die Benützung eines Gehstockes stellt eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit dar. Eine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit konnte bei den gutachterlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin nicht objektiviert werden. Niveauunterschiede können von ihr u¿berwunden werden. Es besteht auch ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten, die Greifformen sind erhalten.
Ebenso besteht von neurologisch/psychiatrischer Seite keine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Es bestehen keine maßgebliche Einschränkung bei der Orientierung im öffentlichen Raum und keine maßgeblichen kognitiven Einschränkungen. Es sind keine Befunde vorliegend, die eine psychotische Veränderung in dem Ausmaß dokumentieren, welche eine erhebliche Erschwernis der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zu begründen vermögen.
Es besteht weiters keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems. Auch besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 30.10.2018, eines Facharztes für Neurologie vom 11.12.2018 bzw. die von einer Ärztin für Allgemeinmedizin erstellte Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 sowie die Stellungnahme vom 28.01.2019 und das Aktengutachten vom 21.03.2019 jener Ärztin für Allgemeinmedizin, welche die Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 erstellt hatte, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Diese Gutachten wurden von der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin weder in der Beschwerde, noch im Vorlageantrag substantiiert bestritten. In der Beschwerde, auf die im Vorlageantrag verwiesen wird, wird eingewendet, dass die Beschwerdeführerin einerseits aus neuropsychiatrischen Gründen nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, andererseits sei ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund ihrer orthopädischen Leiden nicht möglich. Sie leide an einer schweren dauerhaften Gehbehinderung und benötige Unterarmgehstützen. Befunde, welche die gegenständlich von der belangten Behörde eingeholten Gutachten entkräften könnten, wurden nicht vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur aktuellen Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 30.10.2018, eines Facharztes für Neurologie vom 11.12.2018 bzw. auf die von einer Ärztin für Allgemeinmedizin erstellte Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 sowie auf die Stellungnahme vom 28.01.2019 und das Aktengutachten vom 21.03.2019 jener Ärztin für Allgemeinmedizin, welche die Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 erstellt hatte. In all diesen Gutachten wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin aktuell zumutbar ist. In allen eingeholten Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzten sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Aus dem am 18.04.2019 vorgelegten Befund eines näher genannten Diagnosezentrums betreffend die Lendenwirbelsäule, welcher keine Aussage über die Auswirkungen der bestehenden Funktionseinschränkungen auf die Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trifft, und. aus den am 07.05.2019 bzw. am 20.09.2019 nachgereichten neurologischen Befunden (welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen), ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Die getroffenen Beurteilungen basieren auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunde und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).
Die Feststellungen und die getroffenen medizinischen Beurteilungen zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchungen im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.
Im Klinischen Fachstatus hielt der Facharzt für Orthopädie Folgendes fest:
"...
Allgemeinzustand:
altersentsprechend
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 160,00 cm Gewicht: 87,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: unauffällig
Thorax: symmetrisch, elastisch
Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz
Obere Extremitäten:
Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.
Sämtliche Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Untere Extremitäten:
Freies Gehen wird nicht ausgeführt. Die Beinachse ist im Lot. Beinlänge rechts +1/2. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird als wie Ameisenlaufen an den Füßen angegeben. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten. Beschwielung ist durchaus vorhanden. Knie- und Sprunggelenke sind bandfest und unauffällig. An der rechten Hüfte:
besteht eine etwa 20 cm lange reaktionslose Narbe. Eine klinische Untersuchung ist aufgrund heftigster Gegeninnervation nicht möglich. Im Sitzen werden beide Hüften über 90° gebeugt.
Wirbelsäule:
Freies Stehen wird nicht ausgeführt. Es wird auf die Verwendung der Stützkrücken bestanden, dadurch sind Achse- und Krümmungsverhältnisse an der Wirbelsäule nur eingeschränkt beurteilbar, es besteht aber keine höhergradige Achsabweichung. (Die Krücken sind zu hoch eingestellt.) An der Wirbelsäule besteht kein auffälliger Hartspann. Es wird diffus Druck- und Klopfschmerz angegeben. Auf Auffordern wird keine verwertbare Beweglichkeit gezeigt. Bei der Ent- und Bekleidung und bei der Anamneseerhebung ist keine höhergradige Beweglichkeitseinschränkung objektivierbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt in Begleitung der Tochter zur Untersuchung, verwendet zwei
Unterarmstützkrücken, das Gangbild wird teilweise unter Entlastung eines Beins
(abwechselnd) ausgeführt. Das Aus- und Ankleiden wird im Stehen durchgeführt, teilweise hilft die Tochter.
..."
Der Facharzt für Neurologie hielt im Klinischen Fachstatus Folgendes fest:
"...
Klinischer Status - Fachstatus:
Die AW versteht schlecht Deutsch, verminderte Mitarbeit, gibt am ganzen Körper Schmerzen an. Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten besteht eine Bewegungseinschränkung in beiden UE schmerzbedingt proximal betont, bei verminderter Mitarbeit (starke Schmerzen am ganzen Körper, jede Berührung schmerzt). Die Sensibilität wechselnd als gestört angegeben, einmal, sie spüre ab Nabel überhaupt nichts, dann bei Berührung starke Schmerzen. Das Gangbild ist mit 2 Krücken breitbasig, aber am Gang relativ flüssig, Stiegensteigen alternierend möglich.
Status Psychicus:
AW versteht schlecht Deutsch, ausreichend orientiert, Auffassung soweit beurteilbar regelrecht, Antrieb ausreichend, Stimmung depressiv mit Somatisierung, Ängste, Ein- und Durchschlafstörung, nicht produktiv, nicht suizidal eingeengt"
Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin aus neuropsychiatrischen Gründen nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ist auszuführen, dass bei ihr keine maßgebliche Einschränkung bei der Orientierung im öffentlichen Raum sowie keine maßgeblichen kognitiven Einschränkungen bestehen. Es wurden im gesamten Verfahren (dies trifft auch auf die am 07.05.2019, 20.09.2019 und 20.11.2019 nachgereichten neurologischen Befunde, welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen, zu) keine Befunde vorgelegt, die eine psychotische Veränderung in dem Ausmaß dokumentieren, welche eine erhebliche Erschwernis der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zu begründen vermögen. Die nachgereichten, neuerungsbeschränkten neurologisch/psychiatrischen Befundberichte betreffen die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Zudem war auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen im neurologischen Gutachten bei der Untersuchung nicht entsprechend mitgewirkt hat.
Schließlich wird in der Beschwerde auch dargelegt, dass es der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer orthopädischen Leiden nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Sie leide an einer schweren dauerhaften Gehbehinderung und benötige Unterarmgehstützen. Dazu ist auszuführen, dass bei der Beschwerdeführerin weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestehen. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist der Beschwerdeführerin zumutbar und möglich. Es ist insbesondere in den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten neurologischen Befunden vom 15.01.2019 bzw. vom 05.03.2019 dokumentiert, dass die Beschwerdeführerin mit einem Gehstock mobil ist. Eine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit konnte bei den gutachterlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin nicht objektiviert werden (vgl. diesbezüglich die oben wiedergegebenen Statuserhebungen). Auch können Niveauunterschiede von der Beschwerdeführerin u¿berwunden werden. Weiters besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten, die Greifformen sind erhalten. Die Verwendung eines Gehstockes erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entscheidungserheblicher Weise, es handelt sich vielmehr um ein zumutbares Kompensationsmittel.
Auch im Bereich der orthopädischen Begutachtung wirkte die Beschwerdeführerin nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen im Gutachten ebenfalls nicht ausreichend bei der Untersuchung mit.
Zusammenfassend führte die belangte Behörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durch und wurden die im Beschwerdevorbringen angeführten Krankheitsbilder in den von der belangten Behörde eigenholten mehrfachen Sachverständigengutachten bereits berücksichtigt. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern berücksichtigt. Dass die beigezogenen Gutachter die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätten, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden.
Die Beschwerdeführerin ist den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
"§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)...
b)...
...
2. ... 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des
Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
...
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
...
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
-
schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
-
nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
..."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 30.10.2018, eines Facharztes für Neurologie vom 11.12.2018 bzw. die von einer Ärztin für Allgemeinmedizin erstellte Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 sowie die Stellungnahme vom 28.01.2019 und das Aktengutachten vom 21.03.2019 jener Ärztin für Allgemeinmedizin, welche die Gesamtbeurteilung vom 12.12.2018 erstellt hatte, zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine anhaltende ausreichend erhebliche Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Befunde vorgelegt, die die vorliegenden Gutachten entkräften oder diesen widersprechen würden. Aus dem am 18.04.2019 vorgelegten Befund eines näher genannten Diagnosezentrums betreffend die Lendenwirbelsäule, welcher keine Aussage über die Auswirkungen der bestehenden Funktionseinschränkungen auf die Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trifft bzw. aus den am 07.05.2019, 20.09.2019 und 20.11.2019 nachgereichten neurologisch/psychiatrischen Befunden (welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen), war eine abweichende Beurteilung ebenfalls nicht ableitbar. Die von der belangten Behörde eingeholten Gutachten erwiesen sich als vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig.
Auch eine Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen ist nicht belegt. Nach den anzuwendenden Erläuterungen ist aber auch die Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin wäre hierfür nach den Erläuterungen nicht ausreichend.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welche aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung von weiteren Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Neurologie/Psychiatrie bzw. der Orthopädie nicht Folge zu geben, zumal im gegenständlichen Verfahren bereits medizinische Sachverständigengutachten dieser beiden Fachrichtungen eingeholt wurden und der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht.
Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten erheblichen Verschlechterung ihres Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist,