Entscheidungsdatum
29.11.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W216 2225434-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 02.09.2019, OB: XXXX , betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) vom 04.12.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass mangels Vorliegens der Voraussetzungen abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Am 23.08.2019 stellte der Beschwerdeführer erneut bei der belangten Behörde einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.
Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme des ärztlichen Dienstes, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass eine neuerliche Begutachtung innerhalb eines Jahres nicht gerechtfertigt sei, da aus dem vorgelegten Befund keine offenkundige Änderung des Leidenszustandes zu entnehmen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 02.09.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 41 und 45 BBG zurückgewiesen, zumal seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei. Eine offenkundige Änderung seiner Funktionsbeeinträchtigungen habe vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer - fristgerecht - das Rechtsmittel der Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer unter Ängsten, Panikzuständen und Platzangst leide. Er vertrage keinen Massenandrang von Menschen und bekomme Panikattacken, Schweißausbrüche und beklemmende Atmung. Er leide darüber hinaus unter chronischem Asthma bronchiale.
Die Beschwerde sowie der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 15.11.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen und festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht erfüllt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer brachte am 23.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" bei der belangten Behörde ein.
Zwischen der rechtskräftigen Entscheidung über die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass und dem neuerlichen Antrag ist noch kein Jahr vergangen.
Der Beschwerdeführer vermochte eine offenkundige Änderung seines Leidenszustandes seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 04.12.2018 nicht glaubhaft zu machen.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er den neuerlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass innerhalb der in § 41 Abs. 2 BBG normierten Jahresfrist eingebracht hat.
Dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die medizinische Stellungnahme des ärztlichen Dienstes zugrunde gelegt, wonach der neu beigebrachte Befundbericht aus medizinischer Sicht nicht geeignet sei, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft zu machen.
Sowohl die angeführten Diagnosen als auch das Therapieregime sind in den eingeholten Sachverständigengutachten vom 18.09.2018 und vom 20.11.2018 entsprechend berücksichtigt worden. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch. Der Beschwerdeführer brachte auch keine Anhaltspunkte vor, welche die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen substantiiert in Zweifel ziehen würden.
Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin nicht geeignet, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Stellungnahme des ärztlichen Dienstes zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen. Die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der Beschwerdeführer ist der durch die belangte Behörde eingeholten Stellungnahme auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die von ihm im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild berücksichtigt.
Das Beschwerdevorbringen war sohin nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen, zu entkräften.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs.3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lautet:
"§ 41 Abs. 2:
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird."
"Offenkundig" sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind (vgl. VwGH 16.09.2008, 2008/11/0083).
Im Fall des Beschwerdeführers wurde sein Antrag auf Vornahme der gegenständlichen Zusatzeintragung mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2018 mangels Vorliegens der Voraussetzungen abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellte am 23.08.2019 erneut einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung ist kein Jahr vergangen, womit die erste Voraussetzung des § 41 Abs. 2 BBG erfüllt ist.
Wie bereits ausgeführt, hat der Beschwerdeführer mit den vorgelegten Befundberichten eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht glaubhaft gemacht, womit auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 41 Abs. 2 BBG erfüllt ist.
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid daher zu Recht den Antrag des Beschwerdeführers vom 23.08.2019 ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 41 Abs. 2 BBG zurückgewiesen.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG unterbleiben, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen war.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Frist, offenkundige Änderung, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W216.2225434.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.02.2020