TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/21 W224 2177813-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W224 2177813-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , StA. IRAN, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 1101107408-160028155, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I 53/2019, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irans, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.01.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes noch am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer an schiitischer Moslem zu sein. Er sei ledig, habe 12 Jahre lang die Grundschule besucht und sei zuletzt Student im Iran gewesen. Den Iran verlassen habe er vor etwa einem Monat legal von seinem Heimatort aus mit dem Flugzeug. Die Weiterreise sei schlepperunterstützt erfolgt. Er habe einen Reisepass besessen, dieser sei aber gemeinsam mit seinem Rucksack ins Meer gefallen. Sein Vater, seine Mutter und seine Schwester würden noch im Iran leben. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er als Student zwei junge Männer kennengelernt habe, die ihn zu sich nach Hause eingeladen hätten. Dort hätten christliche Sitzungen stattgefunden. Die Nachbarschaft habe mitbekommen, dass es sich dabei um eine Hauskirche gehandelt habe. Der Beschwerdeführer sei daraufhin geflüchtet. Bei einer Rückkehr fürchte er den Tod.

2. Am 25.07.2017 erhob der Beschwerdeführer - unterstützt durch seinen damaligen Rechtsvertreter - eine Säumnisbeschwerde aufgrund einer Verletzung der Entscheidungspflicht.

3. Am 21.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er iranischer Staatsangehöriger sei und der lurischen Volksgruppe angehöre. Im Iran habe er sich zum schiitischen Islam bekannt, in Österreich bekenne er sich zum Christentum. Er habe im Iran Hauskirchen besucht, stamme aber aus einer muslimischen Familie, deswegen würden alle seine Dokumente auf "den Islam" lauten. Vorgelegt wurde eine Geburtsurkunde, ein Taufschein, diverse Schreiben der Kirchengemeinde, diverse Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse sowie Bescheinigungsmittel in Bezug auf eine Mitwirkung an Theaterstücken.

Nach seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er mit 19 Jahren in ein junges Mädchen verliebt gewesen sei, welches er heiraten habe wollen. Er habe aber seinen Militärdienst ableisten und nachfolgend arbeiten gehen müssen, weil der Vater des Mädchens dies so gewollt habe. Da der Beschwerdeführer nach seinem Militärdienst keine Arbeit finden habe können, sei das Mädchen mit ihrem Cousin verheiratet worden. Der Beschwerdeführer habe daher ein Studium begonnen, wo er eine namentlich bezeichnete Person kennengelernt habe. Sie hätten sich oft unterhalten, einmal habe die Person ihm ein Gebot vorgelesen, welches der Beschwerdeführer interessant gefunden habe. Der Beschwerdeführer habe der Person erzählt, wieso er so traurig war und habe nach Gebeten gefragt. Die Person habe ihm mitgeteilt, Christ zu sein und der Beschwerdeführer habe mehr erfahren wollen, woraufhin er in eine Hauskirche eingeführt worden sei. In dieser Hauskirche habe eine gute Atmosphäre geherrscht, er sei begrüßt worden und man habe miteinander gebetet. Der Beschwerdeführer sei gefragt worden, ob sein Herz Jesus gehöre, was er bejaht habe. Er habe eine Bibel geschenkt bekommen und habe in dieser gelesen. Als er sich nach einem Krankenbesuch bei seinem Vater auf dem Weg zur Hauskirche befunden habe, habe ihn sein Freund angerufen und ihn gewarnt, dass sich gerade die Polizei in der Hauskirche befinde, weswegen sich der Beschwerdeführer zu seinem Cousin begeben und diesem alles erzählt habe. Er sei nachfolgend mit seinem Cousin in ein anderes Dorf gefahren und ein telefonisch konsultierter Anwalt habe dem Beschwerdeführer zur Ausreise geraten. Im Iran habe der Beschwerdeführer seinen islamischen Glauben nicht praktiziert, er sei am Islam nicht interessiert gewesen. Der Beschwerdeführer bekenne sich zum evangelischen Glauben. Im weiteren Verlauf der Einvernahme wurde er näher zu seinem Glauben bzw. seinem Wissen über das Christentum befragt. Befragt zu seinem Leben in der Glaubensgemeinschaft gab der Beschwerdeführer an, dass in dieser gemeinsam gebetet werde und sich die Mitglieder helfen würden. Der Höhepunkt eines Gottesdienstes sei das Bibellesen. Besonders am christlichen Glauben gefalle ihm, dass die Christen so freundlich, respektvoll und hilfsbereit seien. Er sei glücklich, dass er mit ihnen lebe. Der Beschwerdeführer wisse, dass Christen im Iran nicht leben könnten, da ein Muslime, der seine Religion wechselt getötet würde. Zu seinen Kirchenbesuchen in Österreich näher befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er seit März 2016 dienstags und sonntags mit anderen Gläubigen die Kirche besuche. Seine Eltern wüssten über seine Konversion Bescheid und es gäbe hier keine Probleme. Sonst wisse im Iran niemand über seinen Glaubenswechsel Bescheid. Bei einer Rückkehr wolle der Beschwerdeführer seinen Glauben nicht im Geheimen ausüben.

4. Das BFA wies mit Bescheid vom 20.10.2017, Zl. 1101107408 - 160028155/BMI-BFA_KNT_RD, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und es wurde gegen diesen eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, dass eine Verfolgung aufgrund des Besuches einer Heimkirche im Iran nicht feststellbar sei und auch eine Konversion beim Beschwerdeführer nicht anzunehmen sei.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass es entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung ankomme, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln sei. Die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers manifestiere sich einerseits in der erfolgten Taufe und andererseits in den regelmäßigen Besuchen der Kirche. Es sei eine Taufurkunde vorgelegt worden und auch mehrere Unterstützungsschreiben von Mitgliedern der Kirche. Es wäre der Behörde ohne unnötigen Aufwand möglich gewesen den zuständigen Pfarrer über das Glaubensleben und die Religionsausübung des Beschwerdeführers zu befragen. Die Behörde hätte durch diese Befragung feststellen können, dass der Beschwerdeführer aktiv im Pfarrleben und der christlichen Gemeinde integriert sei, regelmäßig aus innerer Überzeugung an der heiligen Messe und religiösen Riten teilnehme und seinen Glauben ernst nehme und diesen intensiv lebe. In der Folge hätte die Behörde einen für den Beschwerdeführer günstigen Bescheid erlassen müssen.

6. Mit Schreiben vom 22.11.2017 wurde die gegenständliche Beschwerde - ohne von der Möglichkeit eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

7. Am 20.11.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden die Fluchtgründe des Beschwerdeführers, die maßgebliche Lage im Iran, das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und seine Integrationsschritte erörtert. Dabei wurde auch ein näher genannter Pfarrer einer evangelischen Pfarrgemeinde zeugenschaftlich einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und gehört zur Volksgruppe der Luren. Er führt den im Spruch angeführten Namen und ist zum dort angegebenen Datum geboren. Seine Muttersprache ist Farsi. Der Beschwerdeführer wurde als schiitischer Moslem geboren, ist ledig und hat keine Kinder. Im Iran hat er 12 Jahre lang die Grundschule besucht und war nachfolgend Student. Der Beschwerdeführer verfügt im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, seine Mutter, sein Vater und seine Schwester leben im Iran.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stammt aus einer schiitisch-muslimischen Familie, ist jedoch nunmehr zum Christentum konvertiert. Der erste Kontakt mit dem Christentum ist bereits im Iran erfolgt, er besuchte dort eine Hauskirche. Er ist nach dem evangelisch A.B. Ritus getauft, nimmt aktiv am Kirchenleben teil und besucht regelmäßig Gottesdienste. Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in den Iran seinen christlichen Glauben nicht verleugnen.

Bei einer Rückkehr in den Iran läuft der Beschwerdeführer Gefahr, dass ihm aufgrund seiner Konversion dort Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Regierung oder durch andere Personen aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht.

1.2. Die Lage im Iran betreffend wird auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 14.06.2019 wie folgt festgestellt:

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer- Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation:

Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten unbedenklichen Identitätsdokumenten und aus den Angaben des Beschwerdeführers, die Feststellung zur Unbescholtenheit aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Die Feststellungen zum religiösen Hintergrund des Beschwerdeführers, zu seinem ersten Kontakt mit dem Christentum, zu seinen Besuchen in der Gottesdienste der evangelischen Gemeinde bzw. seiner Teilnahme am kirchlichen Leben stützen sich einerseits auf die vorgelegten Unterlagen (Unterstützungsschreiben von Kirchenmitgliedern, Taufschein) sowie andererseits auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und in der Verhandlung sowie auf die Aussage des in der Verhandlung einvernommenen Zeugen (Pfarrer der kirchlichen Gemeinde, welcher der Beschwerdeführer zugehörig ist).

Die Feststellung zur erfolgten Taufe des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem im Verfahren vorgelegten Taufschein sowie aus den Angaben des als Zeuge zur Verhandlung geladenen Zeugen. Dem Taufschein ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 24.04.2016 nach dem evangelischen A.B. Ritus getauft wurde.

Der Beschwerdeführer gibt glaubwürdig an, dass der christliche Glaube ein derart wichtiger Teil seines Lebens geworden sei, so dass er diesen Glauben auch bei einer hypothetischen Rückkehr in den Iran ausüben würde. Weiters führte er auch aus, dass er "mit anderen Menschen und Freunden, die Jesus Christus nicht so gut kennen, über ihn sprechen" würde. "Missionieren" sei eine "wichtige Aufgabe für einen Christen" und er versuche "die anderen mit dem Inhalt der Bibel zu missionieren". Er sei "kein gebürtiger Christ", er sei "am Anfang" und "lerne noch". Er glaube mit "Herz und Seele an Jesus Christus".

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung durch den Beschwerdeführer getätigten Aussagen, dass er in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung sowie auch für Dritte wahrnehmbar (nicht zuletzt ersichtlich aus dem Facebook-Profil des Beschwerdeführers, in welches das erkennende Gericht im Rahmen der Verhandlung Einschau genommen hat, auf welchem sich untere anderem religiöse Zitate sowie Bilder mit Kreuzen und auch von Jesus am Kreuz befinden) vom Islam zum Christentum konvertiert ist.

Vorgebracht wurde durch den Beschwerdeführer weiters, dass "sein Heimatland an den Islam glaube" und diejenigen, die konvertieren und an Christus glauben, werden "als Ungläubige bezeichnet und umgebracht".

Der zur Verhandlung geladene Zeuge (der Pfarrer der evangelischen Pfarrgemeinde, der der Beschwerdeführer angehört), gab an, dass der Beschwerdeführer regelmäßig an Gottesdiensten teilgenommen hat und dass er sich "wenn es Feste gab" immer auf diesen verlassen habe können. Weiters gab der Pfarrer an, dass er "aus seiner Sicht gut unterscheiden" könne, ob jemand "aus Glaubensgründen in die Kirche geht" oder weil "man sich Vorteile erwarte". Der Beschwerdeführer habe "in den Gesprächen bzw. den Kursen gut zugehört und alle Sachen angenommen". Er habe den Eindruck, dass der Beschwerdeführer "seinen persönlichen Glauben an Gott wahrhaftig angenommen" habe, dass "er sich als Christ bekenne" und dieses Christsein auch "pflege". Der Beschwerdeführer sei getauft und habe auch nach seiner Taufe noch an Glaubenskursen teilgenommen, die der Zeuge abgehalten habe. Der Beschwerdeführer lebe in Österreich seinen christlichen Glauben aus. Beim Beschwerdeführer sei das "Interesse am Glauben geweckt" worden, wo es "um Liebe" gehe, "Liebe geben und Liebe annehmen, wo man als Mensch geschätzt werde und das wolle er in sein Leben miteinbauen".

Der Beschwerdeführer konnte letztendlich spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, dass er aus Überzeugung zum christlichen Glauben übergetreten ist.

Der Beschwerdeführer ist während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit sowie Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben konvertiert. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben in seinem Herkunftsstaat Iran verleugnen würde. Der Beschwerdeführer verfügt - gemessen an ihrer Aufenthaltsdauer - über ein beachtliches Wissen über die Bibel, christliche Traditionen, die Gottesdienstordnung und christliche Organisationen. Er ist in dem Sinne "innerlich konvertiert", als er den christlichen Glauben aufrichtig angenommen hat und im Rahmen einer evangelischen Pfarrgemeinde gemeinsam lebt.

Aufgrund seiner erfolgten inneren Konversion, während der er regelmäßig an Gottesdiensten, Glaubenskursen und dem Gemeindeleben teilnahm, ist es durchaus glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat bei zuzubilligender weiterer Auslebung seines Glaubens Verfolgungsgefahr droht. Im Fall einer Rückkehr in den Iran könnte er als nicht geborener Christ keinerlei der jetzigen Glaubensbetätigung entsprechende Ausübung des christlichen Glaubens vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten, Prozessionen oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom Christentum zu überzeugen, würde sich der Beschwerdeführer einer beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen. Er würde daher bei Rückkehr in sein Heimatland Gefahr laufen, auf Grund seiner Religionszugehörigkeit asylrelevant verfolgt zu werden.

Der Beschwerdeführer ist als Person mit christlicher Überzeugung im Fall einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite als auch von staatlicher Seite ausgesetzt.

Die Feststellungen zur Situation von Christen bzw. Konvertiten im Iran beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zwar existieren hinsichtlich des Irans eine Vielzahl tagesaktueller Medienberichte die auch regelmäßig in die nachfolgenden Situationsberichte Eingang finden, doch ergibt sich daraus aktuell keine wesentliche Änderung im Hinblick auf die verfahrensgegenständlich festgestellte Situation und es wurde Derartiges auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Stattgabe

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum entscheidend, ob der vom Islam zum Christentum Übergetretene bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; 19.12.2001, 2000/20/0369; 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.06.2005, 2003/20/0544; 14.11.2007, 2004/20/0485; 11.11.2009, 2008/23/0721). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675; 14.11.2007, 2004/20/0485, sowie VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

2. Es ist dem Beschwerdeführer gelungen eine drohende Verfolgung glaubhaft zu machen:

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass er als Konvertit Verfolgung durch iranische Behörden, aber auch durch andere Personen (Geistliche, Familienangehörige etc.) fürchten muss, wenn seine Konversion zum Christentum bekannt wird. Damit ist aber jedenfalls zu rechnen, da nicht ersichtlich ist, dass sich der Beschwerdeführer im Iran nicht dem christlichen Glauben entsprechend zu verhalten beabsichtigt zumal er sogar im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht angab, missionarisch tätig werden zu wollen. Gemäß den Länderfeststellungen haben Konvertiten im Iran mit sozialer Ausgrenzung und Gewalt (insbesondere) durch Familien- und Gemeinschaftsangehörige sowie mit Verfolgung zu rechnen. Diese Verfolgung, die der Beschwerdeführer zu befürchten hat, wurzelt in einem der in der GFK genannten Gründe, nämlich in seiner Religion. Sie ist auch nicht etwa auf einen bestimmten Landesteil beschränkt, da ihm die Entdeckung als Christ und eine damit verbundene Verfolgung im gesamten iranischen Staatsgebiet droht. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kommt daher für den Beschwerdeführer nicht in Frage.

Nach den Feststellungen zum Iran kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ausreichender staatlicher Schutz zuteilwürde, weil die Verfolgung auch von staatlichen Stellen ausgehen kann und die Behörden daher jedenfalls nicht als schutzwillig anzusehen sind.

Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb des Irans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Der Beschwerde ist daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen; dies ist gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 mit der Feststellung, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, zu verbinden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, in der jeweiligen Fassung.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, befristete
Aufenthaltsberechtigung, gesamtes Staatsgebiet, Konversion,
Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W224.2177813.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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