TE Vwgh Erkenntnis 1972/3/16 2363/71

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Veröffentlicht am 16.03.1972
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Index

StVO

Norm

VStG §5 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Schmid, Dr. Schmelz und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsoberkommissär Dr. Paschinger, über die Beschwerde des LD in W, vertreten durch Dr. Karl Albrecht Majer, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 22. März 1971, Zl. MA 70/IX/D 131/70/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, sprach mit Straferkenntnis vom 5. September 1970 aus, der Beschwerdeführer habe am 11. Februar 1970 um 12.05 Uhr in Wien 7, Neubaugasse vor dem Hause Nr. 52 den Personenkraftwagen Wnn abgestellt, obwohl an dieser Stelle ein durch Verbotstafeln gekennzeichnetes Halteverbot bestehe, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 (StVO), begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. werde gegen ihn eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe von drei Tagen) verhängt. In der Begründung wurde dargelegt, es sei die Übertretung auf Grund der eigenen dienstlichen Wahrnehmung des Meldungslegers erwiesen. Obwohl dem Beschwerdeführer für seine gegenteilige Behauptung Gelegenheit gegeben worden sei, innerhalb einer Frist von einer Woche durch Beibringung entsprechender Unterlagen bzw. Namhaftmachung von Zeugen seine Behauptung zu beweisen habe dieser diese Frist ungenutzt verstreichen lassen. Abgesehen davon habe er in seinem Einspruch angegeben, er könne sich nach zwei Monaten nicht mehr erinnern, wo er mit dem Fahrzeug am Tage der Beanstandung gewesen sei. Andererseits aber habe er wieder behauptet, daß Gründe ihn zur beanstandeten Handlung gezwungen hätten. Auf Grund des aufgezeichneten Widerspruches seien daher die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig. In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß am Tage der Beanstandung in der Neubaugasse ein Schneegestöber geherrscht habe, bei welchem Wetter sich ein Polizist beobachtungsmäßig in Wien nicht sehen lasse, sodass es sich um eine unrichtige Kennzeichennummeraufschreibung handeln müsse. Seinen dringenden Gang zur Konditorei "A" hätte er der "Erkenntnisbehörde" nachweisen können, doch fürchte sich seine Zeugin RS bei der Erkenntnisbehörde als Zeugin aufzutreten, weil sie dort schon unangenehme Erfahrungen gemacht habe. Einen Antrag auf Vernehmung dieser Zeugin unter Angabe ihrer Anschrift stellte der Beschwerdeführer nicht. Die belangte Behörde holte daraufhin abermals eine Stellungnahme des Meldungslegers ein und brachte das abschließende Erhebungsergebnis dem Beschwerdeführer im Parteiengehör zur Kenntnis. Er stellte auch im Parteiengehör nicht den Antrag, RS als Zeugin zu vernehmen. Vielmehr verwies er auf den Umstand, daß er die Örtlichkeiten in der Konditorei "A" kenne und wisse, daß insbesondere in Gast- und Kaffeehäusern es nicht gern gesehen werde, wenn Leute von der Straße kommen, um bloß die Toilette aufzusuchen. Mit Bescheid vom 22. März 1971 bestätigte die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis in der Schuldfrage, setzte jedoch die Strafe auf S 150,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) herab. Sie stützte ihre Entscheidung in der Schuldfrage auf die Gründe des erstinstanzlichen Erkenntnisses und führte dazu noch im wesentlichen aus, daß sie keine Veranlassung habe, den Angaben des Meldungslegers und seiner Anzeige sowie seinen Berichten insbesondere über den Umstand, daß im Hause Neubaugasse 52 und weiter Ecke Neubaugasse-Siebensterngasse ein Gasthaus und ein Kaffeehaus bestünde, nicht zu glauben. Für die dringliche Verrichtung der Notdurft seien diese Lokale näher gelegen gewesen als die Konditorei "A". Daraus ergebe sich aber, daß der Beschwerdeführer aus einem anderen Grund als zum Verrichten seiner Notdurft die weiter entfernte Konditorei "A" aufgesucht habe. Die angelastete Verwaltungsübertretung sei durch die Ausführungen in der Anzeige bewiesen. Die Milderung der Strafe sei im Hinblick darauf erfolgt, daß der Berufungswerber wegen einer gleichartigen Übertretung nur einmal mit einer Verwarnung bestraft worden sei und ferner, weil seine wirtschaftliche Lage ungünstig und sein Leumund nicht nachteilig sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Beschwerdeführer mit der vorliegenden, wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt die Mangelhaftigkeit des Verfahrens im wesentlichen darin, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, die vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeugin RS über den Vorfall einzuvernehmen. Diese Zeugin hätte bestätigen können, daß der Beschwerdeführer gezwungen gewesen sei, das Fahrzeug kurzfristig in einer Halteverbotszone abzustellen, um einem dringenden menschlichen Bedürfnis nachzugehen. Dieser Umstand bilde zweifellos einen Schuldausschließungsgrund.

Mit diesem Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer im wesentlichen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof kann aber nicht finden, daß der belangten Behörde in dieser Richtung ein Fehler unterlaufen ist. Die belangte Behörde hat gemäß der auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob sie eine Tatsache als erwiesen annimmt oder nicht, wobei sie den Angaben des einen Zeugen mehr Glauben schenken kann als den Angaben des Beschuldigten und anderer Zeugen. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Sachverhalt im Sinne der §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG 1950 durch Vernehmung des Beschwerdeführers sowie des Meldungslegers als Zeugen hinreichend geklärt, und die für das Verfahren wesentliche Feststellung, der Beschwerdeführer habe zur Tatzeit am Tatort trotz des bestehenden Halteverbotes seinen Personenkraftwagen abgestellt, auf die Angaben des Anzeigers gestützt. Dieser hat eindeutig und klar deponiert, zur Tatzeit am Tatort den Personenkraftwagen im Halteverbot gesehen zu haben, und daß sich in der Nähe des abgestellten Personenkraftwagens ein Gasthaus und ein Kaffeehaus befinde, und die Konditorei "A" weiter entfernt liege. Es ist richtig, daß die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers den Glauben versagt hat. Sie hat aber hinreichend begründet, warum sie zu dieser Beweiswürdigung gekommen ist. Sie verwies auf den Widerspruch der Angaben im Einspruch des Beschwerdeführers, wo dieser ausführte, daß niemand sagen könne, wo er vor zwei Monaten gewesen sei und auch er es nicht mehr wisse, andererseits aber glaube er sich daran erinnern zu können, daß er zur Tatzeit aus dringenden menschlichen Gründern den Wagen in der Neubaugasse kurz parken habe müssen. Mit Recht sah die belangte Behörde auch die weitere Verantwortung des Beschwerdeführers, daß er deshalb die weiter entfernte Toilette der Konditorei "A" und nicht das in der Nähe der Anhaltung des Personenkraftwagens befindliche Gast- oder Kaffeehaus aufgesucht habe, weil es in Gast- und Kaffeehäusern nicht gerne gesehen werde, wenn Leute von der Straße kommen und bloß die Toilette aufsuchen, als nicht glaubwürdig an. Denn gerade im Fall einer dringenden Notdurftverrichtung - und allein eine solche wäre ein Schuldausschließungsgrund nach § 5 StVO 1950 - hätte der Beschwerdeführer schon mit Rücksicht auf die Dringlichkeit die nächste sich bietende Gelegenheit nützen müssen und das war nicht die Konditorei "A". Wenn daher die belangte Behörde bei diesem Sachverhalt den Angaben des Meldungslegers mehr Glauben geschenkt hat, als der Verantwortung des Beschwerdeführers, so hat sie damit nur im Rahmen der ihr gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 zustehenden freien Beweiswürdigung und daher nicht rechtswidrig gehandelt. Durfte sie aber die Angaben des Meldungslegers ihrer Entscheidung zugrunde legen, so war der Sachverhalt entscheidungsreif geklärt und für die belangte Behörde kein Grund mehr gegeben, des Verfahren weiter zu führen und die wohl vom Beschwerdeführer genannte, aber nicht beantragte Zeugin RS als Zeugin zu vernehmen. Es liegt eben im Wesen der freien Beweiswürdigung, daß weitere Beweise auch wenn sie beantragt wurden, was im vorliegenden Fall überdies nicht zutrifft, dann nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgeblichen Sachverhaltselemente machen konnte. Dies war im vorliegenden Fall gegeben.

Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, am 16. März 1972

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1972:1971002363.X00

Im RIS seit

20.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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