TE Vwgh Beschluss 2019/12/17 Ra 2018/06/0042

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Index

L82005 Bauordnung Salzburg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8 lita
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak, Hofrat Mag. Haunold und Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl sowie als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision der H L in G, vertreten durch Mag. Andre Hitzenbichler und Dr. Bernhard Zettl, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Auerspergstraße 42, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 10. Jänner 2018, Zl. 405-3/6/1/34-2018, betreffend nachträgliche Bewilligung für Änderungen in der Bauführung und Ausnahmegenehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeindevertretung der Gemeinde Scheffau am Tennengebirge, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Gemeinde Scheffau am Tennengebirge Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ X, GB S., mit dem Grundstück Nr. Y/24, das an das in fremdem Eigentum stehende Grundstück Nr. Y/23 der Liegenschaft EZ Z, GB S., angrenzt.

2 Mit Spruchpunkt I. des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde S. vom 23. Februar 1999 wurde der Revisionswerberin für die Errichtung eines Wohnhauses mit Garage und Hauskanalanschluss auf Grundstück Nr. Y/24 gemäß § 25 Abs. 8 Salzburger Bebauungsgrund lagengesetz (BGG) die Genehmigung (ausnahmsweise Zulassung) zur Unterschreitung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes zur Bauplatzgrenze, und zwar zur nordwestlichen Bauplatzgrenze um 2,48 m nach Maßgabe der damaligen Einreichplanung erteilt. 3 Mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Revisionswerberin die baubehördliche Bewilligung für die erwähnte Errichtung eines Wohnhauses mit Garage und Hauskanalanschluss auf Grundstück Nr. Y/24 unter Auflagen erteilt.

4 Die Zustimmung des Rechtsvorgängers des nunmehrigen Eigentümers des Grundstückes Nr. Y/23 zur Abstandsunterschreitung war am 25. September 1998, die zweite - formularmäßige - Zustimmungserklärung des damaligen Nachbarn am 29. Oktober 1998 unterfertigt worden. Den Einreichunterlagen war ein Abstand der Garagenfront zur Bauplatzgrenze des benachbarten Grundstücks von 1,52 m zu entnehmen.

5 Mit Kollaudierungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. vom 9. Februar 2005 wurde der mit Bescheid vom 23. Februar 1999 bewilligte Wohnhausneubau als im Wesentlichen mit der Bewilligung übereinstimmend festgestellt.

6 Mit Eingabe vom 25. September 2014 beantragte die Revisionswerberin bei der Baubehörde die nachträgliche Genehmigung geringfügiger Abweichungen vom Einreichplan und der Unterschreitung der Mindestabstände gemäß § 25 Abs. 8 BGG. Der Grenzabstand der Garage sei (bedingt durch einen Messfehler der Baufirma) mit 1,34 m um 18 cm geringer als genehmigt. Aus näher genannten Gründen würde der Abriss des Gebäudes eine "unbillige Härte" im Sinne der genannten Bestimmung darstellen. Die Revisionswerberin wies auch darauf hin, dass der Voreigentümer des Nachbargrundstücks "im Zuge der Genehmigung des Bauvorhabens" einer Abstandsunterschreitung bis auf 1 m zur Grenze zugestimmt habe.

7 Dieser Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für die vorgelegten Austauschpläne samt Ansuchen um Ausnahme gemäß § 25 Abs. 8 BGG hinsichtlich der Situierung der Garage wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. vom 8. Juli 2015 abgewiesen.

8 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, die mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde S. vom 15. Dezember 2015 abgewiesen wurde.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) vom 10. Jänner 2018 wurde die von der Revisionswerberin gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

10 In seinen Erwägungen hielt das LVwG im Wesentlichen fest, dass die in § 25 Abs. 8 BGG genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung kumulativ vorliegen müssten. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin, dass die Funktionsfähigkeit der Garage durch den Rückbau wesentlich beeinträchtigt werde, sei den Einreichunterlagen zu entnehmen gewesen, dass die Doppelgarage eine lichte Breite von 6,00 m aufweise und bei Rückbau um 18 cm die Funktion der Garage keinesfalls beeinträchtigt werde. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei bestätigt worden, dass eine Abweichung um 18 cm keine geringfügige Abweichung darstelle und die Ausnutzung der Baufläche durch die Herstellung des konsensgemäßen Zustandes jedenfalls nicht ausgeschlossen werde. Die gemäß § 25 Abs. 8 lit. a BGG zu beurteilende unbillige Härte könne im gegenständlichen Fall nicht ersehen werden, zumal sich der Garagenbau durch den Rückbau von 18 cm in seiner Funktion nicht verändere bzw. unbrauchbar werde. Die Liegenschaft der Revisionswerberin werde durch die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes auch in der Bebaubarkeit nicht eingeschränkt, zumal die Baufläche bereits entsprechend bebaut sei und genutzt werde. 11 Da es am Erfordernis der unbilligen Härte mangle, habe die Behörde schon deshalb die Erteilung der weiteren Ausnahmebewilligung zu versagen gehabt, ohne dass es auf das Vorliegen der übrigen in § 25 Abs. 8 lit. b bis d BGG genannten Voraussetzungen ankäme. Die Revisionswerberin habe als Argument für die unbillige Härte die sie treffenden Kosten des Rückbaues vorgebracht. Der wirtschaftliche Nachteil der Revisionswerberin wäre im Rahmen der unter lit. c zu beurteilenden wirtschaftlichen Zumutbarkeit zu prüfen gewesen.

12 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei die Zustimmung zur weiteren Abstandsunterschreitung des Mindestabstandes zur Bauplatzgrenze vom Nachbarn nicht erteilt worden. Dass die Zustimmung des Rechtsvorgängers des Nachbarn "vom 25. Oktober 1998" für die am 15. September 2014 beantragte weitere Abstandsunterschreitung bindend sei, "kann iSd des § 7 BauPolG nicht bestätigt werden". Im nunmehr zwei Jahre andauernden gegenständlichen Verfahren vor dem LVwG sei keine zivilrechtliche Einigung der Nachbarn zustande gekommen.

13 Die beantragte Vernehmung von Zeugen sei für die gegenständliche Entscheidung nicht weiter entscheidungswesentlich gewesen.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne der Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrages zu erkennen, in eventu "die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung zurückzuverweisen". 15 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

16 Die Revisionswerberin äußerte sich dazu in einer weiteren Eingabe.

17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 20 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, unbillige Härte nach § 25 Abs. 8 lit. a BGG liege vor, wenn die baulichen Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Abstände für den Bauwerber wirtschaftlich unzumutbar seien. Das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Das LVwG habe die Frage der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, die daraus resultiere, dass für die Herstellung des gesetzlichen Abstandes gemäß Bauwilligungsbescheid eine komplette Neuerrichtung der Garage erforderlich wäre bzw. die Funktion der Garage nicht aufrecht erhalten werde könnte, weil die Außen- bzw. Stützmauer und das Dach entfernt werden müssten, was sich schon aus den vorliegenden Bauplänen ergebe, nicht erörtert.

21 Aufgrund eines Versehens der Baufirma sei der im Einreichplan vorgesehene Nachbarschaftsabstand von 1,52 m "allenfalls um 18 cm nicht eingehalten" worden, wobei sich diese Unterschreitung des Abstandes immer noch innerhalb des "vom Nachbarn genehmigten Nachbarschaftsabstandes von 1 Meter" bewege. Die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche der Revisionswerberin sei aufgrund der Zustimmung des Rechtsvorgängers des Eigentümers des benachbarten Grundstücks sohin bis zu einem Abstand von 1 m gegeben gewesen. Durch den Rückbau, der technisch nur durch einen Abriss des Garagengebäudes erfolgen könnte, wäre damit die Ausnutzbarkeit der Grundfläche der Revisionswerberin wesentlich beeinträchtigt und die seit mehr als 17 Jahren bestehende Garage in ihrer Funktion bei einem "Rückbau" auf den Nachbarabstand von 1,52 m nicht zu erhalten, sondern es müsste die bestehende Garage zur Gänze abgetragen werden. Mit diesen Argumenten habe sich das LVwG bei der Auslegung des § 25 Abs. 8 lit. a BGG nicht befasst. Das LVwG habe auch gegen die Rechtskraft des Kollaudierungsbescheides vom 9. Februar 2005 verstoßen, in dem festgestellt worden sei, dass der von der Revisionswerberin durchgeführte Wohnhausneubau (samt Garage) als im Wesentlichen mit der Bewilligung übereinstimmend erfolgt sei. Ohne ausreichende Begründung habe sich das LVwG darauf zurückgezogen, dass eine unbillige Härte nicht vorliege, wobei die hiezu von der Revisionswerberin eingebrachten Beweisanträge abgewiesen worden seien.

22 Mit den weiteren rechtlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 lit. b bis c BGG habe sich das LVwG nicht mehr befasst, obwohl es festgestellt habe, dass durch die Abweichungen bezüglich Traufen- und Firsthöhen sowie der Situierung der Garage gegenüber dem bewilligten Einreichplan keine Beeinträchtigung der Nachbarliegenschaft bewirkt werde. Bei Aufnahme der beantragten Beweise hätten jedenfalls sämtliche Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG als kumulativ vorliegend festgestellt werden müssen. 23 Mit diesen Ausführungen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

24 Die Revisionswerberin wendet sich nicht gegen die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Prämisse, § 25 Abs. 8 lit. a BGG sei im vorliegenden Fall anwendbar. Vielmehr ging sie selbst davon aus, dass sämtliche Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG als kumulativ vorliegend festzustellen gewesen wären. 25 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Ausnahmebewilligung nach § 25 Abs. 8 BGG gleich der Baubewilligung auch zwecks nachträglicher rechtlicher Sanierung konsenswidrig bzw. konsenslos errichteter Bauten erteilt werden; sie ist daher in solchen Fällen nicht von vornherein unzulässig. Ob in derartigen Fällen eine "unbillige Härte" im Sinn des § 25 Abs. 8 lit. a BGG anzunehmen ist, ist aus einer Gesamtschau unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. VwGH 15.12.1994, 94/06/0033, und VwGH 27.3.2007, 2003/06/0077, mwN.)

26 Ob eine "unbillige Härte" im Sinn des § 25 Abs. 8 lit. a BGG anzunehmen ist oder nicht, betrifft demnach grundsätzlich nur den Einzelfall; die Zulässigkeit der Revision könnte sich daher nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 16.8.2019, Ra 2019/05/0107, mwN). Derartiges ergibt sich aus der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht und ist angesichts der Begründung des Verwaltungsgerichtes auch nicht ersichtlich, zumal die Revision auch nicht darlegt, aus welchen Gründen die Garage nach Reduktion ihrer Breite um 18 cm auf 5,82 m in ihrer Funktion nicht mehr aufrechterhalten werden könnte.

27 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei § 25 Abs. 8 BGG um eine Ermessensbestimmung, wobei die in lit. a bis d genannten Voraussetzungen für die Ermessensübung kumulativ vorliegen müssen (vgl. etwa VwGH 24.8.2011, 2009/06/0161, und VwGH 28.6.2016, 2013/06/0025 und 0026). Da in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, wie oben dargestellt, in Bezug auf die lit. a des § 25 Abs. 8 BGG keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, hängt das Schicksal der Revision nicht (mehr) von der Entscheidung der zu den lit. b und c des § 25 Abs. 8 BGG aufgeworfenen Fragen ab.

28 Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 17. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018060042.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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