TE Vwgh Beschluss 2020/1/21 Ra 2018/14/0440

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §26 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Schindler sowie den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. November 2018, W158 2188558- 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am 5. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe als Fünfjähriger Afghanistan verlassen und sei im Iran aufgewachsen. Der Bruder der ersten Frau seines Vaters sei damals von den Taliban umgebracht worden. Er fürchte auch eine Verfolgung durch den Cousin des Vaters seiner Lebensgefährtin, weil er eine unerlaubte Beziehung mit ihr führe.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9. Februar 2018 wurde der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberichtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt sowie gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

3 Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem aus, dem Revisionswerber drohe keine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr laufe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine existenzbedrohende Situation zu geraten. Er leide an einer generalisierten Epilepsie, die medikamentös behandelt werde. Bisher habe der Revisionswerber zwei Anfälle im Schlaf gehabt. Von neurologischer Seite bestehe die Notwendigkeit einer weiteren Medikation. Der Revisionswerber nehme die verordneten Medikamente nur unregelmäßig. Ansonsten sei er gesund und arbeitsfähig. 5 Mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 1140/2019-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs.1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision sowie nach Ablauf der Revisionsfrist ein Ergänzung der Revision eingebracht.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt zunächst zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen zur "Zina" und daraus folgend einer für den Revisionswerber und seine Lebensgefährtin drohenden Verfolgungsgefahr auseinandergesetzt. Es hätte sich auch damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die "Zina" etwa durch eine nachträgliche Eheschließung legitimiert werden könnte und ob vor diesem Hintergrund noch aktuelle Verfolgungsgefahr bestünde.

9 Dieses Vorbringen führt schon deswegen nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung - entgegen den Ausführungen in der Revision - sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers bezüglich der Verfolgung aufgrund der außerehelichen Beziehung auseinandergesetzt und ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat. Die (im Übrigen: nicht als unschlüssig anzusehenden) Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Beweiswürdigung werden in der nach § 28 Abs. 3 VwGG zur Darlegung der Revisionszulässigkeit gesondert erstatteten und gemäß § 34 Abs. 1a VwGG für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Begründung nicht bekämpft. Sohin hängt das Schicksal der Revision, die in Bezug auf das behauptete Verfolgungsszenario nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, von der angeführten Frage nicht ab. 10 Insoweit sich die Revision in bloß allgemeiner Form gegen die Sachverhaltsermittlung hinsichtlich der westlichen Orientierung und den Angaben zum Abfall vom Glauben wendet, macht sie Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0397, mwN). Dieser Anforderung entspricht die Revision nicht.

11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, das

Bundesverwaltungsgericht habe in Verkennung der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zu Ermittlungspflichten in Zusammenhang mit Krankheiten keine nachvollziehbaren Feststellungen zur Behandlungsbedürftigkeit des Revisionswerbers getroffen sowie die Schwere und Intensität seiner Erkrankung nicht ermittelt. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob ein Mann mit Epilepsie, der binnen kurzer Zeit mehrere Anfälle erlitten habe und bei dem Behandlungsbedarf bestehe, als "able-bodied" gelten könne oder als vulnerabel anzusehen sei.

12 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0139, unter Verweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili/Belgien, 41738/10). 13 Die Revision entfernt sich mit dem sich darauf beziehenden Vorbringen, das eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darlegen soll, jedoch vom festgestellten Sachverhalt. 14 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung eines Beweisverfahrens mit der Epilepsie des Revisionswerbers auseinandergesetzt und hat es insoweit gewürdigt, als er nicht an einer derart gravierenden, lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Diese Ausführungen werden in der Revision nicht konkret bekämpft und der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass er unter einer Krankheit leidet, die eine Schwere und Intensität aufweist, welche dazu führen könnte, dass bei einer Abschiebung die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten würde (vgl. dazu VwGH 29.10.2019, Ra 2019/14/0390, mwN).

15 Das Vorbringen - unter Vorlage eines fachärztlichen Befundes -, die Intensität der Erkrankung habe zugenommen, ist im Hinblick auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot nicht zu berücksichtigen. 16 Ausgehend von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Erkrankung des Revisionswerbers werden in der Revision auch keine Gründe ins Treffen geführt, weshalb das Bundesverwaltungsgericht gehalten gewesen wäre, von Amts wegen die Beischaffung eines medizinisches Gutachtens zu veranlassen. Somit ist nicht zu sehen, dass der behauptete Verfahrensfehler vorläge.

17 Die Revision zeigt im Übrigen auch nicht auf, dass fallbezogen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung der Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (UNHCR-Richtlinien), wonach der junge und - ungeachtet seiner Erkrankung - arbeitsfähige Revisionswerber, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfügt, etwa in Mazare Sharif, eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vorfinde, im vorliegenden Fall unvertretbar erfolgt wäre (vgl. zu Mazar-e Sharif VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, mwN). 18 Was den weiteren Schriftsatz des Revisionswerbers betrifft, worin zur Begründung der Zulässigkeit die Nichtberücksichtigung der Country-Guidance des EASO ins Treffen geführt wird, ist auszuführen, dass die mit einer nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Ergänzung der Revision erfolgte Nachholung von (weiteren) Gründen, aus denen die Revision für zulässig erachtet wird, verspätet und schon aus diesem Grunde nicht zu beachten ist (VwGH 9.1.2020, Ra 2018/01/0343; 5.9.2018, Ra 2018/03/0091, mwN). Soweit sich der Revisionswerber darin in seinem Recht auf Zuerkennung des Status eines subsidiären Schutzberechtigten durch die Nichtbeachtung der Country-Guidance des EASO durch das Bundesverwaltungsgericht verletzt erachtet, macht er zudem abermals einen Verfahrensmangel geltend, dem mangels Relevanzdarstellung keine rechtliche Bedeutung zukommt. 19 Soweit die Revision schließlich die Rückkehrentscheidung beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0306, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Interessenabwägung sowohl den gemeinsamen Haushalt als auch die Dauer der Beziehung des Revisionswerbers zu seiner Lebensgefährtin berücksichtigt und das bestehende Familienleben als nicht ausreichend ausgeprägt befunden. Im Ergebnis sah das Bundesverwaltungsgericht einen Eingriff in das Familienleben des Revisionswerbers iSd. Art. 8 Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig an. Dass die Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar vorgenommen worden wäre, gelingt der Revision mit dem Vorbringen, es fehlten Feststellungen, ob die Lebensgemeinschaft schon vor der Einreise bestanden habe, nicht aufzuzeigen.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG - zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018140440.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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