TE Vwgh Beschluss 2020/1/27 Ra 2020/08/0012

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

ASVG §10 Abs1a
ASVG §4 Abs4
ASVG §410 Abs1 Z8
GSVG 1978 §194a
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Ö Verbands in I, vertreten durch Mag.rer.soc.oec. Mag. Dr. Roman Schobesberger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2019, Zl. I413 2215248-1/9E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse)), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung eines Bescheides der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 22. November 2018 fest, dass K.L. (gegenüber der das Erkenntnis nach der Aktenlage nicht erlassen wurde) auf Grund ihrer Tätigkeit für die revisionswerbende Partei (einen Verband) in näher bezeichneten Zeiträumen zwischen dem 5. Oktober 2017 und dem 12. Jänner 2018 als freie Dienstnehmerin der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach dem ASVG sowie der Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem AlVG unterlegen sei. 5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - fest, dass K.L. seit Oktober 2017 selbständige Physiotherapeutin sei und als solche die Sportler der revisionswerbenden Partei betreue. Bis September 2017 sei sie bei der revisionswerbenden Partei als Therapeutin angestellt gewesen und habe dieselben Tätigkeiten ausgeübt. Dieses Beschäftigungsverhältnis habe durch Kündigung seitens der Dienstnehmerin geendet, weil sie mit der Entlohnung nicht mehr einverstanden gewesen sei.

6 Sie sei nunmehr im "Medical Pool" des Instituts für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung (IMSB). Als Angehörige dieses Pools sei sie der revisionswerbenden Partei auf Anfrage für die Betreuung bei Wettkämpfen zur Verfügung gestellt worden. Für ihre Einsätze habe sie dem IMSB eine Pauschale von EUR 250,-- pro Tag verrechnet; 50 % dieses Betrages seien vom IMSB der revisionswerbenden Partei in Rechnung gestellt worden. Diese Konstruktion sei aus Subventionsgründen gewählt worden. 7 K.L. sei auf Grund eines Dauerschuldverhältnisses und daher nicht auf Grund eines Werkvertrages, sondern auf Grund eines Dienstvertrages tätig geworden. Sie sei an keinen Arbeitsort und auch an keine Arbeitszeiten gebunden gewesen; die Arbeitsorte hätten sich aus den Trainings- und Wettkampfstätten ergeben, die Arbeitszeiten hätten sich nach dem Bedarf der Athleten gerichtet. Im Verfahren sei auch nicht hervorgekommen, dass K.L. an bestimmte Weisungen gebunden gewesen sei. Es habe sich daher um ein freies Dienstverhältnis gehandelt.

8 Ihre Pflichtversicherung sei nach § 4 Abs. 4 ASVG zu beurteilen. Beim demnach - neben der Entgeltlichkeit und der im Wesentlichen persönlichen Leistungserbringung - maßgeblichen Kriterium der wesentlichen eigentlichen Betriebsmittel sei eine Gesamtbetrachtung anzustellen, bei der zu beurteilen sei, ob sie für die erbrachte Wirtschaftsleistung des Erwerbstätigen wesentlich gewesen seien und ob er sich damit eine eigene betriebliche Struktur geschaffen habe. K.L. habe Betriebsmittel der revisionswerbenden Partei (Liege und Notfallkoffer) verwendet und bei Bedarf auf Betriebsmittel des IMSB zurückgreifen können. Sie selbst habe keine eigenen Betriebsmittel genutzt. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dass ihre Kenntnisse und manuellen Fähigkeiten wesentliche Betriebsmittel darstellten, entspreche nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. K.L. habe ihre Leistungen entgeltlich und ausschließlich persönlich erbracht. § 4 Abs. 4 ASVG sei daher erfüllt. Es liege auch keine Ausnahme im Sinn des § 4 Abs. 4 lit. a bis c ASVG vor. 9 Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG sei in wirtschaftlicher Betrachtungsweise die revisionswerbende Partei; die Position des IMSB als Honorar auszahlende Stelle sei nicht ausschlaggebend. Diese Konstruktion sei nur deshalb gewählt worden, weil die revisionswerbende Partei mit der Hälfte der Kosten der Physiotherapie subventioniert worden sei. 10 Die rückwirkende Einbeziehung in das ASVG sei "spätestens mit der durch das Sozialversicherungszuordnungsgesetz (BGBl. I Nr. 125/2017) eingeführten Vorabkontrolle zulässig"; der "vermeintliche Rückwirkungsschutz" verliere seinen Anwendungsbereich.

11 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

12 Die Revision erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage bestehe, "ob der Versicherungsbeginn als freier Dienstnehmer abweichend von § 10 Abs. 1a ASVG nicht mit Bescheiderlassung, sondern rückwirkend festgelegt werden kann". Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof schon ausgesprochen, dass die Heranziehung des § 410 Abs. 1 Z 8 ASVG - und damit auch die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 1a ASVG - voraussetzt, dass zunächst eine Vorfragenbeurteilung nach § 194a GSVG erfolgt ist, aufgrund deren eine Versicherungspflicht auf Grund des § 4 Abs. 4 ASVG verneint und eine solche nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG bejaht wurde (vgl. VwGH 25.4.2007, 2005/08/0082). Dies war hier nicht der Fall. 13 Die Revision bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters vor, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als das Bundesverwaltungsgericht in seinem "Bescheid" zwar festgestellt habe, dass K.L. als selbständige Physiotherapeutin tätig gewesen sei, ihre Tätigkeit dann aber dennoch als freies Dienstverhältnis qualifiziert habe. 14 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Bezeichnung als "selbständige Physiotherapeutin" in den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts offenbar in Abgrenzung zum vorangegangenen Angestelltenverhältnis erfolgt ist und die Zuordnung zu einer Pflichtversicherung nach dem GSVG (als "neue Selbständige" nach dessen § 2 Abs. 1 Z 4) oder aber nach § 4 Abs. 4 ASVG damit noch offen gelassen wurde. Diese Zuordnung wurde erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vorgenommen, wobei sich das Bundesverwaltungsgericht an den Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof dazu entwickelten Grundsätze gehalten hat. 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080012.L00

Im RIS seit

23.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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