TE Vwgh Beschluss 2020/1/30 Ra 2019/14/0595

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Veröffentlicht am 30.01.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Rechtssache des Antrages des X Y in Z, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/9, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2019, W210 2188328-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, sowie Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2019 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom 12. August 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. Februar 2018, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz vom 15. Oktober 2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt worden war, als unbegründet ab. Ferner wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Es wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt und ausgesprochen, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 2 Mit Beschluss vom 3. Oktober 2019, E 3576/2019-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3 Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 erhob der Revisionswerber gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Revision. Diese wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 7. Dezember 2019 um 17:43:20 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Nach den Angaben des Revisionswerbers zur Rechtzeitigkeit der Revision wurde der Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes seinem Rechtsvertreter am 23. Oktober 2019 im Web-ERV bereitgestellt und somit gemäß § 89d Abs. 2 GOG rechtswirksam am 24. Oktober 2019 zugestellt.

4 Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision. 5 Den Wiedereinsetzungsantrag begründete er damit, dass seine damalige Vertreterin die Revision am 2. Dezember 2019 vorbereitet und den erforderlichen ERV-Antrag angelegt habe. Nach finaler Durchsicht sei die Vertreterin am 3. Dezember 2019 davon ausgegangen, die Revision eingebracht zu haben, daher habe sie die Frist als erledigt ausgetragen. Am Morgen des 4. Dezember 2019 habe die Vertreterin, die über keine eigenen Mitarbeiter verfüge und daher Sekretariatsleistungen einer anderen Kanzlei - zusätzlich zur Führung eines eigenen Fristenkalenders - in Anspruch nehme, eine elektronische Fristenerinnerung bekommen. Die Vertreterin habe vermeint, die Eingabe bereits versandt zu haben, sie habe die Frist daher auch bei der anderen Kanzlei austragen lassen. Am 7. Dezember 2019 habe die Vertreterin erneut eine Eingabe im Web-ERV versenden wollen. Dabei habe sie bemerkt, dass der ERV-Antrag in ihrem System noch immer den Status "bereitgestellt" gehabt habe. Daraufhin habe sie die Revision umgehend eingebracht. Trotz Nachforschungen habe bis dato nicht eruiert werden können, was bei diesem Vorfall genau geschehen sei. Jedenfalls sei das Versehen der Vertreterin des Revisionswerbers nur minderen Grades.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag sowie über die Rechtzeitigkeit der vorliegenden außerordentlichen Revision erwogen:

7 Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

8 Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß

Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, so beginnt gemäß § 26 Abs. 4 VwGG die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG.

9 Im vorliegenden Fall hat die sechswöchige Revisionsfrist mit der (unbestrittenen) Zustellung des Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes am 24. Oktober 2019 zu laufen begonnen und hat somit am 5. Dezember 2019 geendet.

10 Die vorliegende Revision wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 7. Dezember 2019 um 17:43:20 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Die erst nach Fristablauf eingebrachte Revision erweist sich daher als verspätet. 11 Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

12 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

13 Das Verschulden des Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 13.11.2017, Ra 2017/01/0041, mwN).

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben (insbesondere) im elektronischen Weg zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben im Web-ERV übertragen (vgl. VwGH 27.12.2018, Ra 2018/21/0256; 30.8.2018, Ra 2018/21/0054; mwN). Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar (vgl. erneut VwGH 13.11.2017, Ra 2017/01/0041, mwN).

15 Vor diesem Hintergrund begründet im vorliegenden Fall das Unterbleiben einer solchen Kontrolle ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden.

16 Die damalige Vertreterin des Revisionswerbers hat ihrem Vorbringen nach darauf vertraut, die Revision am 3. Dezember 2019 eingebracht zu haben. Auch im Rahmen der kanzleiinternen Fristerinnerung am vorletzten Tag der Frist sei sie davon ausgegangen, die Revision eingebracht zu haben und sie habe die Frist als erledigt ausgetragen. Selbst wenn sich die Ursache der am 3. Dezember 2019 nicht durchgeführten Übermittlung nicht mehr eruieren lässt, ist es der Parteienvertreterin anzulasten, bei der Übermittlung von fristgebundenen Eingaben im Web-ERV nicht jene Sorgfalt im Umgang mit gerichtlichen Fristen an den Tag gelegt zu haben, die von einem berufsmäßigen Parteienvertreter zu erwarten ist. Dazu hätte gehört, die tatsächliche Einbringung der Revision im Web-ERV zu kontrollieren bzw. sich auch im Rahmen der kanzleiinternen Fristerinnerung zu vergewissern, ob die Einbringung ordnungsgemäß erfolgt war, dies vor allem im Hinblick auf § 21 Abs. 7 BVwGG, wonach die Übermittlungsstelle bei eingebrachten Schriftstücken im elektronischen Rechtsverkehr dem Einbringer die Übernahme der Daten des Schriftsatzes zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH rückmeldet. Zur Frage, ob auf eine solche Rückmeldung geachtet und damit die Übermittlung der Eingabe kontrolliert wurde, wurde auch kein Vorbringen erstattet.

17 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die vorliegende am 7. Dezember 2019 mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Revision wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140595.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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