Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI R*****, vertreten durch Dr. Georg Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei B***** KG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Denkmayr, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wegen 511.619,38 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. August 2019, GZ 1 R 4/19m-42, womit das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 28. März 2019, GZ 2 Cg 27/17a-36, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger und sein Bruder J***** gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 13. Juli 2004 die beklagte Kommanditgesellschaft zum Zweck der Errichtung und des Betriebs einer Biogasanlage. Der Kläger ist Kommanditist mit einer Haftsumme von 10.000 EUR, sein Bruder ist unbeschränkt haftender Gesellschafter.
Mit der am 19. Juni 2017 eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung seines Gewinnanteils von 91.683,49 EUR laut der Bilanz der Beklagten für das Jahr 2015. Er brachte vor, hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse sei vereinbart gewesen, dass der Gewinnanteil des Klägers 25 % und jener seines Bruders 75 % betrage. Laut der Bilanz für 2015 befinde sich auf dem Kapitalkonto des Klägers unter Berücksichtigung seiner Hafteinlage von 10.000 EUR ein Betrag von insgesamt 101.683,49 EUR, sohin ein Gewinnanteil von 91.683,49 EUR.
Mit Schriftsatz vom 30. 5. 2018 dehnte der Kläger sein Klagebegehren um zunächst weitere 19.668,0 EUR und sodann mit Schriftsatz vom 13. 7. 2018 um weitere 400.267 EUR sA auf insgesamt 511.619,38 EUR sA aus. Sein Bruder habe in den Jahren 2007 bis 2016 die Bilanzen der Beklagten unrichtig erstellt. Er habe Einkünfte nicht erfasst, Aufwendungen seiner Landwirtschaft der Beklagten zugeordnet sowie Leistungen der Beklagten an seine Landwirtschaft nicht korrekt abgerechnet. Der Kläger habe die Bilanzen von 2007 bis 2015 erst im Herbst 2016 und die Bilanz 2016 im Mai 2018 erhalten. Keine dieser Bilanzen sei vom Kläger jemals anerkannt oder deren Richtigkeit festgestellt worden. Der Bruder habe insgesamt 1.601.068 EUR falsch verbucht bzw zu Unrecht der Beklagten zugeordnet. Ausgehend von diesem Fehlbetrag habe der Kläger unter Berücksichtigung seines Kapitalanteils von einem Viertel einen weiteren Gewinnanspruch von 400.267 EUR.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger habe zuletzt unrichtige Jahresabschlüsse behauptet und seinen Gewinnauszahlungsanspruch auf den selbst berechneten Gewinnanteil gestützt. Werde das Ergebnis des Jahresabschlusses für die Ermittlung des Gewinnanteils vom Kommanditisten für unrichtig erachtet, sei die Geltendmachung des Gewinnanteils ohne vorherige Klage auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses nicht zulässig.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf. Die Geltendmachung des Gewinnanteils des Klägers ohne vorheriger Klage auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses sei nicht unzulässig. Der Kommanditist könne zwar auch auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses klagen, er könne aber auch sofort auf Zahlung seines Gewinnanteils klagen und die Richtigkeit des Jahresabschlusses als Vorfrage prüfen lassen. Mit einer Klage auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses sei ihm nicht geholfen, weil für die Erlangung seines Gewinnanteils ein weiteres Verfahren notwendig wäre, sodass er mit seinem Leistungsbegehren, das die Aufstellung einer richtigen Gewinn- und Verlustrechnung impliziere, mehr erreichen könne.
Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, da der oberstgerichtlichen Judikatur nicht verlässlich zu entnehmen sei, ob der Kommanditist vor der Geltendmachung seines Gewinnanteils auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses klagen müsse oder auch sofort auf Auszahlung seines Gewinnanteils klagen könne.
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Gemäß § 406 ZPO ist die Verurteilung zu einer Leistung nur zulässig, wenn die Fälligkeit zur Zeit der Urteilsschöpfung bereits eingetreten ist. Voraussetzung der Stattgabe einer Leistungsklage ist daher in der Regel die Fälligkeit der Leistung. Umgekehrt ist bei Bejahung der Fälligkeit ein Feststellungsinteresse in der Regel zu verneinen (RS0039090 [T1] = 6 Ob 537/88). Nach ständiger Rechtsprechung verdrängt die Möglichkeit einer Leistungsklage bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (RS0038849). Entscheidend ist daher, ob der Gewinnauszahlungsanspruch erst durch die Feststellung des Jahresabschlusses entsteht und fällig wird. Ist das der Fall, ist die Möglichkeit einer Leistungsklage von der Feststellung des Jahresabschlusses abhängig.
2. Im vorliegenden Fall ist nach § 907 Abs 9 UGB § 123 in der Fassung des HaRÄG auf nach dem 31. Dezember 2006 errichtete Personengesellschaften anzuwenden. Sofern unter den Gesellschaftern nichts anderes vereinbart wurde, gilt dies auch für die §§ 109, 119, 120, 121 Abs 1 und 2, 122 Abs 1, 124 Abs 1, 137 Abs 4, 141 Abs 1 erster Satz, 154 Abs 2, 155 Abs 1 und 4 sowie 167 bis 169. Auf vor diesem Zeitpunkt errichtete Gesellschaften sind die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden (vgl dazu Krejci in Krejci, Reformkommentar UGB/HGB 306 ff; Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB³ § 120 Rz 20; Artmann in Artmann, UGB³ § 121 Rz 5 und Rz 24 ff und § 122 Rz 28 ff). Für die im vorliegenden, lediglich den Grund des Anspruchs betreffenden Rekursverfahren zu beurteilenden Rechtsfragen besteht jedoch zwischen alter und neuer Rechtslage kein Unterschied. Im fortgesetzten Verfahren wird hingegen bei Ermittlung der Höhe des Anspruchs des Klägers die Rechtslage idF vor dem HaRÄG nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen zu berücksichtigen sein.
3.1. Gemäß § 161 Abs 2 UGB gilt § 120 UGB über die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts eines Jahres auch für die KG. Wie bei der OG bildet das im Jahresabschluss oder in der sonstigen Abrechnung der Gesellschaft ausgewiesene Ergebnis des Geschäftsjahres die Berechnungsgrundlage für die Anteile der Gesellschafter am Gewinn und Verlust. § 167 UGB regelt die Zuteilung von Gewinn und Verlust an Komplementäre und Kommanditisten (vgl zur aktuellen Rechtslage S.-F. Kraus in U. Torggler, UGB³ § 167 Rz 2). Der Ausschüttungsanspruch entsteht mit wirksamer Feststellung des Jahresabschlusses (Artmann aaO § 122 Rz 12 mwN). Soweit nach dem Gesellschaftsvertrag ein eigener Gewinnverwendungsbeschluss erforderlich ist, muss auch dieser vorliegen (vgl Priester in MüKo HGB4 § 122 Rz 7).
3.2. Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist Aufgabe der geschäftsführenden Gesellschafter (RS0061373; H. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 167 Rz 3). Von der Aufstellung des Jahresabschlusses ist allerdings dessen endgültige Feststellung zu unterscheiden (RS0061373).
3.3. Der Oberste Gerichtshof hatte sich, soweit ersichtlich, mit der Einordnung der Feststellung des Jahresabschlusses und den damit verbundenen Wirkungen in neuerer Zeit nicht zu befassen.
3.4. Nach der älteren Rechtsprechung erfolgte die Feststellung nur durch die persönlich haftenden Gesellschafter (1 Ob 141/72 = EvBl 1973/92; 1 Ob 654/76). Diese Rechtsprechung wurde jedoch – soweit ersichtlich – seither nicht fortgeschrieben. In der – ebenso wie die beiden vorzitierten Entscheidungen – unter dem Rechtssatz RS0061373 indizierten Entscheidung 6 Ob 4/84 = SZ 57/92 findet sich nur der Hinweis auf die in der Entscheidung 1 Ob 141/72 enthaltene Aussage, dass die Aufstellung der Bilanz einer Kommanditgesellschaft Sache des geschäftsführenden Gesellschafters sei und dass die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter einen klagbaren Anspruch auf Aufstellung der Bilanz haben. Diese Erwägungen müssten nach der Entscheidung 6 Ob 4/84 im Umfang seines Kontrollrechts auch für den Kommanditisten gelten.
3.5. Nach der Lehre handelt es sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, durch das der Inhalt des aufgestellten Jahresabschlusses verbindliche Wirkung zwischen den Gesellschaftern entfalten soll. Die heute herrschende Ansicht behandelt die Feststellung des Jahresabschlusses als Grundlagengeschäft (oder als Organisationsgeschäft mit größerer Nähe zu Grundlagengeschäften), das der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, somit auch der Kommanditisten (S.-F. Kraus in U. Torggler, UGB³ § 167 Rz 5), bedarf, wobei der Gesellschaftsvertrag für die Feststellung auch abweichende Mehrheiten vorsehen kann (S.-F. Kraus in U. Torggler, UGB³ § 120 Rz 6; H. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 167 Rz 4; Grbenic/Baumüller in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 120 Rz 14 ff; Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB³ § 120 Rz 12 f; Artmann in Artmann, UGB³ § 167 Rz 7; Schauer in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 120 Rz 11 ff jeweils mwN; Schörghofer in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht² Rz 2/807).
3.6. Der deutsche BGH schloss sich dieser Rechtsansicht an, merkte in diesem Zusammenhang jedoch an, dass es sich bei der Feststellung der Jahresbilanz nur insofern um ein Grundlagengeschäft handle, als damit negativ abgrenzend zum Ausdruck gebracht wird, dass diese Maßnahme nicht in die Zuständigkeit der geschäftsführenden Organe falle. Die Feststellung der Jahresbilanz betreffe jedoch auch nicht die Grundlage der Gesellschaft, sondern eine den Gesellschaftern obliegende Angelegenheit der laufenden Verwaltung (BGH II ZR 263/94).
3.7. Die frühere herrschende Auffassung, wonach der Jahresabschluss der (rechnungslegungspflichtigen) KG nur von allen persönlich haftenden Gesellschaftern zu unterzeichnen sei und damit als „festgestellt“ gilt, wird von der heute herrschenden Meinung unter Verweis auf den Grundlagencharakter des Feststellungsbeschlusses abgelehnt (vgl H. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 167 Rz 4 mwN, der allerdings weiterhin der gegenteiligen älteren Auffassung folgt).
3.8. Die Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses besteht nach der Lehre darin, dass hinsichtlich aller Fragen, für die der Jahresabschluss oder einzelne Positionen daraus von Bedeutung sind, eine für alle Gesellschafter verbindliche Determinante geschaffen wird (Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB³ § 120 Rz 16 mwN; Grbenic/Baumüller in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 120 Rz 14). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
3.9. Der Anspruch auf Gewinnauszahlung entsteht daher grundsätzlich erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses (Grbenic/Baumüller in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 120 Rz 14; Schauer in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 122 Rz 7; S.-F. Kraus in U. Torggler, UGB³ § 122 Rz 2; Artmann in Artmann, UGB³ § 122 Rz 12 jeweils mwN; Priester in MüKo HGB § 122 HGB Rz 7).
4.1. Der Kommanditist, der den Jahresabschluss nicht anerkannte, muss diesen nicht gegen sich gelten lassen, wenn er nicht den Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern entspricht. In diesem Fall kann der Kommanditist auf Feststellung der Unwirksamkeit des Jahresabschlusses oder auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses klagen (RS0119384 = 8 Ob 70/04h; vgl auch RS0039044).
4.2. Nach der Entscheidung 8 Ob 70/04h ist die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Jahresabschlusses gegen die Gesellschaft zu richten. In der Literatur wird teilweise auch vertreten, die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Jahresabschlusses oder auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses könne stattdessen auch (nur) gegen die geschäftsführenden Gesellschafter erhoben werden (H. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 167 Rz 4). Diese Auffassung ist jedoch vor dem Hintergrund der heute überholten herrschenden Auffassung zu sehen, wonach an der Feststellung des Jahresabschlusses die Kommanditisten nicht mitwirken.
4.3. Der Rechtssatz RS0061373 betrifft demgegenüber die Klage der übrigen Gesellschafter gegen den durch Gesellschafterbeschluss mit der Aufstellung des Jahresabschlusses betrauten (geschäftsführenden) Gesellschafter auf Erfüllung seiner diesbezüglichen Verpflichtung. Für die Passivlegitimation bei einem Begehren auf Feststellung des Jahresabschlusses kann daraus nichts abgeleitet werden.
4.4. Richtigerweise ist zu unterscheiden. Die Klage auf Aufstellung des Jahresabschlusses ist gegen die geschäftsführenden Gesellschafter (wenn einer von ihnen dies vertraglich übernommen hat, gegen diesen: 6 Ob 4/84) zu erheben (Priester in MüKo HGB4 § 120 Rz 53; Schäfer in Staub, Großkommentar HGB5 § 120 Rz 21). Die Gesellschaft ist daran nicht beteiligt (BGH BB 1980, 121). Die Klage auf Zustimmung zur Feststellung des Jahresabschlusses ist demgegenüber gegen den die Zustimmung zu Unrecht verweigernden Gesellschafter zu richten (Priester in MüKo HGB4 § 120 Rz 65 mwN; Schäfer in Staub, Großkommentar HGB5 § 120 Rz 21).
4.5. Soll hingegen eine bereits erfolgte Feststellung des Jahresabschlusses bekämpft werden, erfolgt die Geltendmachung der Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses nach allgemeinen Regeln mittels Klage gegen die übrigen Gesellschafter; wiederum ist die Gesellschaft selbst an diesem Verfahren nicht beteiligt (Priester aaO Rz 70; Schäfer in Staub, Großkommentar HGB5 § 119 Rz 90 f und § 120 Rz 21). Außerdem kann nach allgemeinen Grundsätzen ein rechtliches Interesse (§ 228 ZPO) an der Feststellung einzelner Positionen des Jahresabschlusses bestehen (Schäfer in Staub, Großkommentar HGB5 § 120 Rz 22; vgl auch Priester aaO Rz 65). In diesem Fall ist wiederum die Klage gegen die übrigen Gesellschafter zu richten.
4.6. Die Klage auf Auszahlung des Gewinn(-anteil-)s ist demgegenüber grundsätzlich gegen die Gesellschaft zu richten (6 Ob 214/09b; Artmann in Artmann, UGB³ § 122 Rz 9; Schauer in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 122 Rz 7 mwN; zum deutschen Recht Priester in MüKo HGB4 § 122 Rz 10 ff). Inwieweit in diesem Fall ausnahmsweise auch Ansprüche direkt gegen den geschäftsführenden Gesellschafter geltend gemacht werden können (vgl 6 Ob 214/09b mwN zum Meinungsstand; zum deutschen Recht Priester in MüKo HGB4 § 122 Rz 11 mwN), ist im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen.
5.1. Für den Regelfall ist der Auffassung des Erstgerichts beizupflichten. Sofern noch kein Jahresabschluss erstellt ist, hat ein Gesellschafter, der einen Gewinnausschüttungsanspruch geltend macht, zunächst dessen Aufstellung zu betreiben. Liegt bereits ein Jahresabschluss vor, der aber noch nicht festgestellt ist, ist zunächst die Feststellung des Jahresabschlusses, erforderlichenfalls durch Klage auf Zustimmung der übrigen Gesellschafter, zu begehren. Wurde demgegenüber, weil der Gesellschaftsvertrag insoweit einen Mehrheitsbeschluss vorsieht, der Jahresabschluss mit bloßer Stimmenmehrheit festgestellt, so ist dieser Beschluss nach allgemeinen Regeln anzufechten. Die vorgeschaltete Feststellung des richtigen Jahresabschlusses ist im Allgemeinen kein bloßer
– unnötiger – Zwischenschritt, weil andernfalls bei mehreren Gesellschaftern jeder den seiner Ansicht nach richtigen Gewinnanspruch einklagen könnte. In jedem Verfahren wäre der Jahresabschluss nur als Vorfrage ohne Bindungswirkung für die übrigen Gesellschafter festzustellen. Im Ergebnis könnten die Gerichte, wenn die Gesellschaft mehrere Gesellschafter hat, so zur Feststellung unterschiedlicher Jahresabschlüsse und unterschiedlicher Gewinne gelangen. Dies wird vermieden, wenn zunächst ein richtiger Jahresabschluss als Grundlage für die Gewinnverteilung festgestellt wird.
5.2. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Gesellschaft nur aus einem (einzigen) Komplementär und einem (einzigen) Kommanditisten besteht. Dabei ist der Komplementär als Vertreter der Gesellschaft ohnedies am Verfahren beteiligt; durch seine Eigenschaft als Vertreter der Gesellschaft kann er seinen Tatsachen- und Rechtsstandpunkt unbeschränkt im Verfahren geltend machen.
5.3. Außerdem besteht in einer Konstellation wie der hier vorliegenden nicht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aufgrund von Klagen verschiedener Gesellschafter. Daher schadet nicht, wenn die (Un-)Richtigkeit des Jahresabschlusses nur als Vorfrage und damit ohne Bindungswirkung gegenüber anderen Gesellschaftern festgestellt wird. In dieser Sondersituation kann der Kläger daher sofort die Gesellschaft auf Leistung klagen. In diesem Fall ist als Vorfrage der sich aus einem zutreffenden Jahresabschluss ergebende Gewinn zu ermitteln. (Nur) Für diese Sonderkonstellation kann die sonst zur Herbeiführung der Fälligkeit erforderliche vorherige Feststellung des Jahresabschlusses entfallen.
5.4. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass es im vorliegenden Fall entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht in Betracht kommt, ihm sofort einen Betrag in Höhe von 111.352,39 EUR zuzusprechen, der seinem Gewinnanteil nach den „bestehenden Jahresabschlüssen“ entspreche.
5.5. Zwar wird vertreten, dass die Feststellung des Jahresabschlusses eine Angelegenheit ist, die in der Regel von einer allgemeinen Mehrheitsklausel des Gesellschaftsvertrags erfasst wird (H. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 167 Rz 4 mwN; Schäfer in Staub, Großkommentar HGB5 § 120 Rz 18 mwN; Priester in MüKo HGB4 § 120 Rz 64; BGH II ZR 245/05). Im vorliegenden Fall behaupten jedoch beide Parteien, dass der vorliegende Jahresabschluss unrichtig ist. Zudem war der Kläger bisher an der Feststellung des Jahresabschlusses nicht beteiligt. Damit fehlt es aber am Vorliegen eines wirksamen Jahresabschlusses, auf dessen Grundlage dem Klagebegehren (wenn auch nur zum Teil) stattgegeben werden könnte.
6.1. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich mit der in der Berufung erhobenen Behauptung der Verletzung des Überraschungsverbots durch das Erstgericht auseinandergesetzt und einen Verfahrensmangel verneint. Angebliche Mängel des Verfahrens I. Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO neuerlich vor dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden (RS0042963).
6.2. Die behauptete mangelhafte Begründung des Berufungsurteils in rechtlicher Hinsicht, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Berufungsvorbringen des Klägers auseinandergesetzt, wonach sich ein Anspruch auf Gewinnauszahlung bereits direkt aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe und daher keiner Feststellung des Jahresabschlusses bedürfe, stellt keinen Verfahrensmangel dar, sondern könnte lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht begründen. Eine solche liegt jedoch – wie ausgeführt – nicht vor.
7. Lediglich der Vollständigkeit halber ist für das weitere Verfahren darauf zu verweisen, dass die Argumentation der Beklagten, die Mittel seien schlicht nicht mehr vorhanden, nicht stichhaltig ist. Vielmehr würde
– sofern das diesbezügliche Vorbringen des Klägers sich als zutreffend erweist – ein richtiger Jahresabschluss – wie die Rekursbeantwortung zutreffend hervorhebt – tatsächlich erzielte Erlöse aus Leistungen in der Gewinn- und Verlustrechnung ausweisen und als Gegenbuchung eine Forderung gegen den Komplementär, bei dem das Geld nach dem Vorbringen des Klägers eingegangen ist, vorsehen. Ebenso würde ein richtiger Jahresabschluss im Fall, dass von der beklagten Partei Privataufwendungen des Komplementärs getragen wurden, diese als Privatanteil bzw Eigenverbrauch abbilden, indem entsprechende Erträge aus Privatanteil in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden und als Gegenbuchung wiederum eine Forderung gegen den Komplementär vorsehen.
8. Zusammenfassend erweist sich der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Ergebnis als zutreffend, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
9. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E127382European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00219.19B.0123.000Im RIS seit
19.02.2020Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021