Entscheidungsdatum
10.07.2019Norm
AVG §6 Abs1Spruch
I409 2174688-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über den Antrag des GXXXX SXXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Tunesien, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, auf "Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG" betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12. September 2017, Zl. 1140217005-170054426, den Beschluss gefasst:
A)
Der Antrag wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Sachverhalt
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 2017 erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerde war eine Vertretungsvollmacht für den "Verein Menschenrechte Österreich" vom 3. Oktober 2017 angeschlossen.
Am 17. April 2018 wurde der Antragsteller an seinem Hauptwohnsitz abgemeldet.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Juli 2018 wurde der Antragsteller im Wege seines damaligen Rechtsvertreters zur mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2018 per Elektronischem Rechtsverkehr (ERV) geladen.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 legte sein damaliger Rechtsvertreter die Vertretungsvollmacht nieder.
Der Antragsteller blieb der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2018 unentschuldigt fern und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde in seiner Abwesenheit mündlich verkündet.
Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 24. Juli 2018 wurde dem Antragsteller durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz zugestellt.
Die gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2018 verkündeten Erkenntnisses wurde dem Antragsteller durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz zugestellt.
Mit Schreiben vom 2. Mai 2019 brachte der Antragsteller einen "Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG" bei der belangten Behörde ein.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 ergänzte der Antragsteller seinen "Wiederaufnahmeantrag vom 2. Mai 2019".
Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt vor und teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass "bei der ho. Behörde" ein "Antrag auf Wiedereinsetzung" eingebracht worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Zurückweisung des Antrages auf "Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG"
1.1. § 32 Abs. 1 und 2 sowie § 33 Abs. 1, 3, 4 und 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. Nr. 24/2017, lauten wie folgt:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) ...
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) ...
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) ...
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) ...".
1.2. Der Antragsteller begründet seinen Antrag auf "Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG" folgendermaßen:
"Wie schon oben ausgeführt, findet sich in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2018 die Bemerkung, dass der Richter die Feststellung trifft, dass die Partei des Verfahrens (sohin ich als Einschreiter und Beschwerdeführer) sowie die sonstigen Anwesenden zur Verhandlung rechtzeitig geladen worden seien und befände sich dazu im Akt ein einliegender Nachweis.
Im Rubrum der Niederschrift der mündlichen Verhandlung werde ich als beschwerde-führende Partei aufgeführt mit Staatsangehörigkeit Tunesien und gleichzeitig festgehalten, dass ich unentschuldigt nicht erschienen wäre.
Eine Ladung für die Verhandlung am 24.07.2018 habe ich nie erhalten.
Nach meiner Flucht aus Tunesien nach Österreich war ich in der Flüchtlingsunterkunft an der Adresse I-Straße 3 in XXXX T. untergebracht. Nach Schließung der Unterkunft im Mai 2018 hatte ich keine Zustelladresse mehr, ich war gezwungenermaßen unsteten Aufenthaltes, eine neuerliche Unterbringung in eine Flüchtlingsunterkunft war nicht gegeben.
Seit Mai 2018 konnte mir daher keine Post zugestellt werden.
Der Bescheid vom 12.09.2017 wurde mir ordnungsgemäß zugestellt, deshalb konnte ich durch meinen Betreuer gegen diesen Bescheid auch Beschwerde erheben.
Mangels Zustellung einer Ladung für die Verhandlung am 24.07.2018 konnte ich an dieser nicht teilnehmen und war daher auch nicht ‚unentschuldigt nicht erschienen'.
Schlichtweg konnte mir die Ladung nicht zugestellt werden, eine ordnungsgemäße Ladung ist daher nicht erfolgt, sodass die Anmerkung im Protokoll bzw. der Niederschrift zur Verhandlung, dass die Partei des Verfahrens (sohin ich als Beschwerdeführer) rechtzeitig geladen worden wäre und sich dazu einliegende Nachweise ergeben würden, nicht den Tatsachen entsprechen kann. Jedenfalls hat keine Zustellung der Ladung stattgefunden, eine solche kann auch nicht ausgewiesen sein.
Das Erkenntnis anlässlich der Verhandlung vom 24.07.2018, welches am 10.08.2018 durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn ausgefertigt wurde, wurde mir daher ebenfalls nicht zugestellt, sodass ich davon keine Kenntnis erlangt habe.
Erst im Zuge der nunmehrigen Recherchen durch meinen derzeitigen Rechtsvertreter bin ich zur Kenntnis gelangt, dass eine ordnungsgemäße Ladung meiner Person nicht erfolgt ist und bin ich daher in meinen Rechten anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2018 insoweit geschädigt, als ich meine Verteidigungsargumente nicht vorbringen konnte.
Kenntnis über die mangelnde Ladung zur Verhandlung am 24.07.2018 habe ich anlässlich eines Besuches meines Rechtsvertreters in der Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt in XXXX vor 10 Tagen erlangt.
Beweis: meine Einvernahme,
Akt: I409 2174688-1/11Z des Bundesverwaltungsgerichtes, Außenstelle
XXXX.
Ich stelle daher den Antrag, dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und Abs. 2 AVG betreffend des Beschwerdeverfahrens gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2017, Zahl 1140217005-170054426, stattzugeben bzw. diesen zu bewilligen."
1.3. Zunächst ist zum vorliegenden Antrag auf "Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG" zu bemerken, dass der anwaltlich vertretene Antragsteller zwar vordergründig einen Antrag auf Wiederaufnahme stellte, jedoch mit seinem Antrag offensichtlich auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2018 abzielt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinne des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist. Wenn sich der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens als unklar erweist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 in Verbindung mit § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2019, Ra 2018/02/0082).
Im vorliegenden Fall konnte eine solche, an den Antragsteller gerichtete Aufforderung zur Präzisierung seines Begehrens unterbleiben. Es kann nämlich dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller mit seinem Antrag vom 2. Mai 2019 einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 32 VwGVG oder einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG stellen wollte:
Schließlich werden in dem besagten Antrag keine Gründe dargetan, die eine Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens oder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würden. Der Antragsteller behauptet lediglich - unzutreffend - nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen worden zu sein, sodass er auch nicht, wie in der Niederschrift vermerkt, "unentschuldigt nicht erschienen" sei.
Schon aufgrund dieses Umstandes kann dem vorliegenden Antrag nicht stattgegeben werden.
Dazu kommt, dass der Antrag vom 2. Mai 2019 - sei er jetzt als Wiederaufnahmeantrag oder als Wiedereinsetzungsantrag zu qualifizieren - nach Maßgabe des § 32 Abs. 2 VwGVG bzw. des § 33 Abs. 3 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen gewesen wäre.
Der Antragsteller brachte den Antrag vom 2. Mai 2019 jedoch bei der belangten Behörde ein, die diesen Antrag erst mit Schreiben vom 28. Juni 2019 und somit außerhalb der Zwei-Wochen-Frist an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete. Gemäß § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG erfolgte diese Weiterleitung allerdings auf Gefahr des Einschreiters.
2. Aus dem Gesagten war der Antrag auf "Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG" vom 2. Mai 2019 als verspätet zurückzuweisen.
Angesichts der Tatsache, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint bzw. sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylverfahren, Fristablauf, Fristüberschreitung, Fristversäumung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I409.2174688.2.00Zuletzt aktualisiert am
19.02.2020