TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/13 W251 2159221-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2019
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Entscheidungsdatum

13.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2159221-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017, Zl. 1090585909 - 151524680, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 10.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 11.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass sein Bruder und er für eine ausländische Organisation gearbeitet haben. Aus diesem Grund sei sein Bruder von den Taliban verschleppt worden. Es sei ein Angriff auf den Beschwerdeführer verübt worden, bei dem er verletzt worden sei. Er sei bedroht und verfolgt worden. Da er Angst um sein Leben gehabt habe, sei er geflohen.

3. Am 12.07.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass sein Bruder als Elektriker für eine ausländische Firma gearbeitet habe. Vier Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers, sei der Bruder des Beschwerdeführers von den Taliban mitgenommen worden. Die Taliban haben, als der Beschwerdeführer mit seinem Motorrad auf dem Weg nachhause gewesen sei, versucht diesen anzuhalten. Dabei sei es zu einem Unfall gekommen. Als Soldaten gekommen seien, seien die Taliban geflüchtet. Aus Angst entführt zu werden, habe der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er und sein Bruder für eine ausländische Firma gearbeitet haben. Dies sei im Heimatdorf des Beschwerdeführers bekannt gewesen. Personen, die für Amerikaner oder Franzosen arbeiten würden, seien in Afghanistan durch die Taliban bedroht.

6. Am 17.12.2018 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein. In dieser gab er im Wesentlichen an, dass sein Bruder für eine ausländische Firma als Elektriker gearbeitet habe. Diese Firma sei von der US-Army beauftragt worden. Nachdem sein Bruder ermordet worden sei, habe er weiterhin leichte Wartungsarbeiten für die Firma übernommen. Es sei bei ihm im September 2017 in Österreich eine Schwerhörigkeit diagnostiziert worden. Zudem leide er an einer Reflux-Ösophagitis, sodass er regelmäßig zu medizinischen Kontrollen gehe. Er sei sehr um eine gute Integration bemüht. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert habe. Aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien sowie den EASO-Richtlinien ergebe sich, dass in den Provinzen Laghman und Nangarhar willkürliche Gewalt herrsche. Aus dem Bericht von Landinfo, der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagnen vom 23.08.2017 ergebe sich, dass die Taliban landesweit vernetzt seien, es sei dem Beschwerdeführer daher nicht möglich in Afghanistan unterzutauchen und sich vor den Taliban versteckt zu halten. Es sei dem Beschwerdeführer auch nicht möglich sich in einer Großstadt in Afghanistan anzusiedeln und dort Arbeit, Unterkunft und Versorgung zu finden, da er dort nicht über familiäre Unterstützung verfüge. Aus diesen Gründen bestehe beim Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan. Der Beschwerdeführer legte Ausdrucke aus dem Internet über die Firma in Afghanistan sowie medizinische Unterlagen und Integrationsunterlagen vor.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.01.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

8. Mit Stellungnahme vom 17.01.2019 ist der Beschwerdeführer den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er ohne sein Hörgerät extrem schwerhörig bzw. auf einem Ohr taub sei. Auch bei seiner Reflux-Erkrankung benötige er regelmäßige ärztliche Kontrollen. Es handle sich daher beim Beschwerdeführer nicht um einen gesunden Mann, sodass er nicht auf eine innerstaatliche Schutzalternative verwiesen werden könne. Auch die Dürre habe zu Nahrungsmittelengpässen geführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache (AS 9; Verhandlungsprotokoll vom 07.01.2019, OZ 9, S. 6f).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Laghman, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen 2 Brüdern aufgewachsen (OZ 9, S. 6, S. 8; AS 39). Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht, er hat jedoch als Bäcker gearbeitet und diesen Beruf erlernt (OZ 9, S. 7; AS 10).

Der Beschwerdeführer ist ledig, er hat keine Kinder (OZ 9, S. 7).

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Vater des Beschwerdeführers und seine beiden Brüder leben noch im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat drei Onkel mütterlicherseits, vier Tanten väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer hat drei Cousins und zwei Cousinen in Afghanistan (OZ 9, S. 8, S. 10; AS 39). Die drei Onkel mütterlicherseits und die Tante mütterlicherseits leben im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers. Zwei Tanten väterlicherseits leben in Kabul, zwei Tanten väterlicherseits leben im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers. Der Vater des Beschwerdeführers sowie die Verwandten des Beschwerdeführers besitzt Felder und Grundstücke. Der Vater des Beschwerdeführers besitzt ein Eigentumshaus. Auch die Onkel besitzen eigene Häuser in Afghanistan (OZ 9, S. 10f; AS 39). Der Familie des Beschwerdeführers geht es gut (AS 39).

Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat zumindest grundlegende Ortskenntnisse betreffend Kabul, er war bereits in Kabul und hat seine Tanten dort besucht (OZ 9, S. 8; AS 39).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Oktober 2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat am Integrationscafe teilgenommen und dort auch 2016 ehrenamtlich mitgearbeitet. Der Beschwerdeführer hat 2016 an einem Alphabetisierungskurs im Ausmaß von 160 Unterrichtseinheiten teilgenommen (siehe beim BFA vorgelegte Unterlagen; Beilage ./C; Beilage ./D, Beilage ./E). Derzeit besucht der Beschwerdeführer einen Alphabetisierungskurs sowie einen Deutschkurs auf dem Niveau A1. Der Beschwerdeführer hat noch keine Deutschprüfung abgelegt. Er verfügt nur über geringe Deutschkenntnisse (OZ 9, S. 11f).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach (OZ 9, S. 12). Seit September 2016 ist der Beschwerdeführer für die Gemeinde tätig und verrichtet Hausmeisterarbeiten und Gartenarbeiten (Beilage ./A). Auch bei seiner Unterkunftgeberin bietet der Beschwerdeführer seine Hilfe an und übernimmt die Gartenarbeit (Beilage ./B). Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen. Der Beschwerdeführer ist handwerklich sehr geschickt und selbständig (Beilage ./A).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Im September 2017 wurde in Österreich diagnostiziert, dass der Beschwerdeführer schwerhörig ist, er leidet am rechten Ohr an einer Schallempfindungsstörung (Hyperakusis - Überempfindlichkeit gegenüber Schall - siehe medizinische Unterlagen OZ 8, Vorlage zur Anpassung von Hörgeräten, XXXX vom 16.10.2017). Der Beschwerdeführer trägt jetzt ein Hörgerät. Der Beschwerdeführer nimmt Medikamente gegen Bauchschmerzen, er leidet an einem Barrett-Ösophargus (OZ 8; OZ 9, S. 4, S. 13-14).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht, entführt oder von diesen bedroht. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers wurde weder getötet noch von den Taliban entführt. Die Taliban suchen weder den Beschwerdeführer noch dessen Familie. Der Vorfall, wonach der Beschwerdeführer von den Taliban auf der Straße aufgehalten worden sei, hat sich nicht ereignet.

Weder der Beschwerdeführer noch sein älterer Bruder haben für eine ausländische Firma gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat weder als Elektriker noch als Elektrikergehilfe gearbeitet.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.

1.2.2. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Paschtunen konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer kann in seinen Heimatdistrikt XXXX zurückkehren. Dieser Distrikt ist relativ sicher. Der Beschwerdeführer kann dort weiterhin bei seiner Familie leben. Dieser Distrikt kann von Kabul aus auch relativ sicher erreicht werden.

Darüber hinaus kann sich der Beschwerdeführer auch in der Stadt Mazar-e Sharif oder in der Stadt Kabul niederlassen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Mazar-e Sharif und Kabul sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Kabul kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif oder Kabul einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorübergehend finanziell unterstützt werden. Er kann bei seinen Tanten in Kabul wohnen und von diesen bei der Arbeitssuche unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018 - LIB 23.11.2018, S.42).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 23.11.2018, S. 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 23.11.2018, S. 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 23.11.2018, S. 53).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 23.11.2018, S. 46).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 23.11.2018, S. 40). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 23.11.2018, S.46 ff).

Provinz Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 23.11.2018, S. 67f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 23.11.2018, S. 68f).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 23.11.2018, S. 69).

Laghman:

Die Provinz Laghman liegt inmitten des Hindukush-Gebirges. Sie besteht aus den Distrikten: Alishing/Alishang, Alingar, Dawlat Shah/Dawlatshah, Qargayi/Qarghayi und Mehtar Lam/Bad Pash. Laghman grenzt im Westen direkt an die Provinz Kabul. Mehtar Lam/Mehtarlam ist die Provinzhauptstadt. In der Provinz leben mehrheitlich Paschtunen, gefolgt von Tadschiken, Nuristani, Paschai. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt ca. 460.352 Einwohner.

Zahlreiche Projekte werden in der Provinz Laghman implementiert, sowie der Bau eines Flughafens, der die vier östlichen Provinzen verbinden soll, Dämme, ein Solarenergieplan, Parks, Straßen, ein Wasserversorgungssystem, der Campus der Universität Laghman sowie die Errichtung eines Kricket-Stadiums usw. Auch wurde Ende 2013 eine 14 km lange Straße gebaut, welche die Provinzhauptstadt Mehtarlam mit dem Distrikt Qarghayi verbindet.

Laghman zählte seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen; Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen nahmen jedoch in den letzten Jahren zu. Im Juli 2017 waren die Distrikte Alingar, Alishing und Dawlatshah von Sicherheitsproblemen betroffen, während sich die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt und ihren Vororten verbesserte.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 147 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Laghman 354 zivile Opfer (84 getötete Zivilisten und 270 Verletzte) registriert. Im Juli 2017 wurde in den drei Distrikten Alingar, Alishing und Dawlatshah die Aktivität von Aufständischen registriert (LIB 08.01.2019, S. 160ff).

Ein Abschnitt der Kabul-Jalalabad Autobahn geht durch die Provinz Laghman, nämlich durch den Distrikt Qarghayi. In der Provinz Kabul geht die Autobahn durch die Distrikte Kabul, Bagrami, Khaki Jabbar und Surobi, bis die Autobahn anschließend durch den Distrikt Qarghayi führt. Die Distrikte Kabul, Bagrami, Khaki Jabbar und Surobi sowie Qarghayi sind relativ friedliche Distrikte, in denen keine oder nur eine sehr geringe Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet wurden (LIB 23.11.2018, S. 69 und S. 162- siehe Abbildung).

Der Distrikt Qarghayi kann daher erreicht werden, ohne umkämpftes Gebiet oder Gebiet mit einer großen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen passieren zu müssen. Der Beschwerdeführer ist bereits mehrfach nach Kabul gereist.

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 23.11.2018, S. 85).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 23.11.2018, S. 86).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 23.11.2018, S. 86).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 23.11.2018, S. 85f).

Dürre:

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Beilage ./VII - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018 - S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Beilage ./VI - Bericht ACCORD, Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 - S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (Beilage ./VII, S. 11).

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Beilage ./V,I S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Beilage ./VI, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Beilage ./VI, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Beilage ./V,I S. 17ff).

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Beilage ./VI, S. 15f).

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (Beilage ./VII, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Beilage ./VI, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Beilage ./VI, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (Beilage ./VII, S. 10; Beilage ./VIII, S. 2).

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Beilage ./VII, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Beilage ./VI, S. 3; Beilage ./VII, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Beilage ./VII, S. 2).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist derzeit weder von einer unzureichenden Wasserversorgung noch von einer unzureichenden Nahrungsmittelversorgung betroffen.

Rekrutierung durch die Taliban:

Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./III, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./III, S. 19).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 23.11.2018, S. 359f).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad (LIB 19.10.2018, S. 334 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden (LIB 23.11.2018, S. 342f).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 23.11.2018, S. 336).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 23.11.2018, S. 336f).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 23.11.2018, S. 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 23.11.2018, S. 350f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 23.11.2018, S. 351f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 23.11.2018, S. 352f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 23.11.2018, S. 353f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 23.11.2018, S. 354).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 23.11.2018, S. 354).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 23.11.2018, S. 297).

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 23.11.2018, S. 287).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Sunniten in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

Korruption:

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den 177. Platz. Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für amtliche Korruption vor, jedoch setzt die Regierung diese Vorschriften nicht effektiv um. Berichten zufolge gehen Beamte oft ungestraft korrupten Praktiken nach. Bestechung bleibt im öffentlichen Sektor weiterhin verbreitet und Schmiergeldzahlungen können direkt oder indirekt von Beamten gefordert oder auch von den Bürgern und Bürgerinnen selbst angeboten werden. Afghanen zahlen in den folgenden Bereichen Bestechungsgelder: Rechtswesen, Arbeitsmarkt, an administrativen Behörden auf Provinz- und Distriktebene, Sicherheitsbehörden (ANA und ANP) sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen (LIB 23.11.2018, S. 267f).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VII (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018, Beilage ./II; Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, Beilage ./III;

Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV;

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer mitarbeiter vom 28.07.2016, Beilage ./V;

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat- Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre, vom 13.09.2018, Beilage ./VI; Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018, Beilage ./VII; Übersetzung auf Deutsch der EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 hinsichtlich Punkt III. [Subsidiärer Schutz] und Punkt V. [innerstaatliche Schutzalternative], Beilage ./VII) und Beilage ./A bis ./G (Unterstützungsschreiben vom 04.01.2019, Beilage ./A; Unterstützungsschreiben vom 16.12.2018, Beilage ./B; Teilnahmebestätigung Kulturverein vom 04.12.2018, Beilage ./C; Teilnahmebestätigung Deutschkurs, Alpha 2, vom 04.12.2018, Beilage ./D; Bestätigung Besuch "Integrationscafe" vom 03.01.2019, Beilage ./E, Ausweis des Beschwerdeführers Beilage ./F; Ausweis des Bruders des Beschwerdeführers Beilage ./G) sowie in die mit Stellungnahme vom 17.12.2018 (OZ 8) vorgelegten Urkunden (Internetauszüge betreffend ein Unternehmen; Arztbrief vom 30.10.2017; Arztbrief vom 13.10.2017; Arztbrief vom 07.09.2017;

Hörgeräte Anpassbericht vom 05.02.2018; Hörmessung vom 31.10.2017;

Anordnung Hörgerät vom 16.10.2017; Gastroskopiebefund vom 12.07.2017; Laborbericht vom 14.07.2017; Auszüge aus Wikipedia zum Barret-Ösophagus; Bestätigung Vereinsmitgliedschaft; Bestätigung Teilnahme an Informationsmodulen vom 19.03.2018 bzw. vom 06.03.2018 und vom 28.02.2018; Teilnahmebestätigung Charta-Workshop vom 31.05.2017).

Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt (OZ 9, S. 23).

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine fehlende Schulbildung, seine Berufserfahrung als Bäcker) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass er mit seinem jüngeren Bruder über das Internet regelmäßig Kontakt habe (AS 39). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er seit 15 Monaten keinen Kontakt mehr nach Afghanistan habe, da das Telefon seiner Familie defekt sei, die Telefonnummer würde nicht mehr funktionieren (OZ 9, S. 8-9). Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr habe, nur weil das Telefon nicht mehr funktionieren würde, da der Beschwerdeführer bisher vor allem über das Internet Kontakt hatte. Auch mit seinem Cousin konnte der Beschwerdeführer bereits über das Internet (Facebook) Kontakt aufnehmen und sich Unterlagen nach Österreich schicken lassen (OZ 9, S. 20). Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihren Familien in Afghanistan verlieren. Die Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihren nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa geht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, dass sie keine lebenden Verwandten mehr haben bzw. keinen Kontakt mehr zu diesen haben. Der Faktor der geografischen Nähe verliert durch technologische Entwicklungen an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile universell geworden, digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, haben sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können (Beilage ./II, S. 354).

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Afghanistan in regelmäßigem Kontakt steht und, dass er zu dieser auch zurückkehren kann.

Da die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft sind (siehe Punkt II.2.2.), ist es für das Gericht auch nicht plausibel, dass der Bruder des Beschwerdeführers von den Taliban entführt worden oder verschollen sei. Das Gericht geht davon aus, dass der ältere Bruder des Beschwerdeführers noch in Afghanistan im Heimatdorf lebt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zumindest über grundlegende Ortskenntnisse in Kabul verfügt, ergibt sich aus seiner Aussage, dass er zwar noch nicht in Kabul gelebt habe, aber schon auf Verwandtenbesuch in Kabul gewesen sei.

Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er hat dort mehrere Jahre als Bäcker gearbeitet.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung und in der Stellungnahme vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen nicht verstanden hat (OZ 9, S. 11).

Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht. Zu seinen Freunden gab er an, dass er mit Afghanen, Somaliern und Arabern befreundet sei. Er habe zwar auch Kontakt zu Österreichern, er konnte jedoch zu diesen nur sehr vage Angaben in der Verhandlung machen, sodass das Gericht nicht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in Österreich enge soziale Kontakte hat knüpfen können (OZ 9, S. 13).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer gab eingangs der Verhandlung an, dass er gesund sei, auch beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer an gesund zu sein (AS 37). Konkret in der Verhandlung zu seiner Gesundheit befragt, gab er an, dass er Medikamente wegen der Bauchschmerzen nehme. Schwierigkeiten wegen seinem Gehör erwähnte der Beschwerdeführer nicht. Die Feststellungen zu seinen Hörprobleme ergeben sich daher aus den beigelegten medizinischen Unterlagen. Diesen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer überwiegend mit dem rechten Ohr Hörschwierigkeiten hat. Der Vorlage zur Anpassung von Hörgeräten vom 16.10.2017 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am rechten Ohr an einer Schallempfindungsstörung leidet (es wurde zwar im Schreiben vom 07.09.2017 eine beidseitige Verordnung eines Hörgeräts empfohlen, der Vorlage zur Anpassung eines Hörgeräts vom 16.10.2017 ist jedoch ausschließlich eine Schallempfindungsstörung rechts und ein Versorgungsvorschlag für das rechte Ohr zu entnehmen - OZ 8). Der Beschwerdeführer ist jedoch nicht taub. Trotz der Hörprobleme - die erst aufgefallen sind, da der Beschwerdeführer in Österreich bei den Deutschkursen nur geringe Leistungssteigerungen hatte - hat der Beschwerdeführer in Österreich gemeinnützige Arbeiten (auch bevor er ein Hörgerät erhalten hat) verrichten können. Auch die Einvernahme vor dem Bundesamt am 12.07.2016 konnte durchgeführt werden, ohne, dass der Beschwerdeführer ein Hörgerät hatte. Die Verschreibung des Hörgeräts ist vom 16.10.2017 erfolgt. So hat der Beschwerdeführer bereits 2016 ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet. Er hat auch bei seiner Unterkunftsgeberin bereits ab 2016 Gartenarbeiten verrichtet (beim BFA vorgelegte Unterlagen, AS 63 Konvolut). Eine Laboruntersuchung im Jahr 2017 hat ergeben, dass der Beschwerdeführer an einer Gastritis bzw. einem Barrett Ösophargus leidet. Bei einer solchen Erkrankung steigt das Krebsrisiko um 0,12% - 1,5% pro Patientenjahr (OZ 8), der Beschwerdeführer leidet derzeit jedoch nicht an einer Krebserkrankung. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine schwerwiegende oder lebendbedrohliche Erkrankung.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er in Österreich einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgeht und er sich in Österreich an sich zurechtfindet. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen. Er wird von Personen in der Gemeinde als handwerklich sehr geschickt, fleißig und selbständig beschrieben (Beilage ./A).

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er gemeinnützige Arbeit in Österreich verrichtet hat (auch als er noch kein Hörgerät getragen hat) und im Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen. Der Beschwerdeführer wird von der Gemeinde und seiner Unterkunftgeberin als handwerklich sehr geschickt, fleißig und selbständig beschrieben (Konvolut Unterlagen AS 63; Beilage ./A)

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban, weil er und sein Bruder für eine ausländische Firma gearbeitet haben, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können sowie, dass der Beschwerdeführer über ein geringes Bildungsniveau verfügt. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

Bereits beim Bundesamt wurde der Beschwerdeführer eingangs darauf hingewiesen, dass er seine Asylgründe detailliert schildern soll (AS 37). Der Beschwerdeführer wurde auch angehalten seine Fluchtgründe ausführlich dazulegen (As 45). Zu seinen Fluchtgründen machte der Beschwerdeführer jedoch nur sehr allgemein gehaltene und detaillose Angaben: "Afghanistan habe ich aus Angst vor den Taliban verlassen. Ca. vier Monate vor meiner Ausreise haben sie meinen Bruder mitgenommen. Eines Tages, als ich mit einem Motorrad von XXXX nach Hause unterwegs war, haben sie versucht mich anzuhalten. Dabei hatte ich einen Unfall und verletzte mich. Die Narben sind heute noch sichtbar. Aus Angst davor mitgenommen zu werden verließ ich Afghanistan." (AS 45)

Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt in seiner freien Erzählung weder Details zum Unfall angab, noch einen Drohbrief oder die Arbeit für eine ausländische Firma erwähnte. Die Angaben des Beschwerdeführers machen nicht den Eindruck, dass es sich um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln würde.

Auch die Angaben des Beschwerdeführers in der freien Erzählung in der mündlichen Verhandlung waren vage und detaillos, obwohl der Beschwerdeführer sowohl eingangs der Verhandlung als auch vor der Erzählung der Fluchtgründe explizit darauf hingewiesen wurde umfassende und detailreiche Angaben zu machen: "Ich habe deswegen Afghanistan verlassen, weil wir als Elektriker gearbeitet haben. Mein Bruder hat von den Taliban Drohbriefe erhalten, ich habe für meinen Bruder gearbeitet. Einmal in der Nacht, wurde mein Bruder angerufen. Die Taliban haben meinen Bruder angerufen, mein Bruder hat das nicht zu mir gesagt, er hat so schnell mit denen gesprochen. Ich bin zu ihm gegangen und habe ihn gefragt, was los ist, was passiert ist, er sagte zu mir, dass die Taliban ihn angerufen haben. Mein Bruder sagte, dass die Taliban wollen, dass er für sie arbeitet, mein Bruder hat das abgelehnt. Die Taliban sagten zu meinem Bruder, wenn er dort nicht aufhört, werden sie ihn umbringen.

Mein Bruder hat zu denen gesagt: "Man stirbt einmal" und sagte zu denen: "Wenn Sie mich erwischen, können Sie mich töten", das war's. Ich kann nicht zurückkehren, weil ich dort in Gefahr bin. Ich habe den Tod selber gesehen. Mein Leben ist dort schwer." (OZ 9, S. 15)

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Beschwerdeführer weder einen an ihn gerichteten Drohbrief noch den Vorfall, bei dem er von den Taliban angehalten worden sei, erwähnt hat. Eine nächtliche Verkehrskontrolle der Taliban, bei der auf einen geschossen wird, müsste jedoch ein besonders einprägsames Ereignis sein, dass jedenfalls - auch für einen Analphabeten - in Erinnerung bleiben müsste. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer dieses nicht in der freien Erzählung in der Verhandlung angegeben hat.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.

2.2.2. Zudem sind in den Angaben des Beschwerdeführers erhebliche Widersprüche und Unplausibilitäten enthalten, die sein Fluchtvorbringen gänzlich unglaubhaft scheinen lassen.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass der Bruder vier Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers von den Taliban mitgenommen worden sei (AS 45). Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sein Bruder zwei Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers verschwunden sei (OZ 9, S. 15). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben zum behaupteten zeitlichen Ablauf macht.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er von vier Taliban in der Nacht mit dem Motorrad aufgehalten worden sei. Zwei Taliban hätten - jeweils rechts und links von der Straße - versucht ihn zu stoppen. Er sei weitergefahren, es seien dann rechts und links wieder zwei Personen gewesen, die ein Seil über die Straße gespannt hätten. Insgesamt seien es vier Personen gewesen (OZ 9, S. 16). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er nur drei Personen der Taliban gesehen habe (AS 48). Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht schlüssig und nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass zwei Taliban versucht haben ihn beim Vorbeifahren mit der Hand zu erwischen. Er sei schnell weitergefahren, einige Meter danach habe er die Kontrolle über das Motorrad ve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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