TE Bvwg Beschluss 2019/10/2 W162 2192844-2

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Veröffentlicht am 02.10.2019
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Entscheidungsdatum

02.10.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W162 2192844-2/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2019, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen.

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der im Spruch genannte Fremde (im Folgenden: Asylwerber), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 25.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag begründete er zusammengefasst damit, dass in Afghanistan Krieg herrsche und Hazara von den Taliban getötet werden würden. Der Großvater des Asylwerbers wäre von den Taliban damit bedroht worden, dass er und seine Familie umgebracht werden würde.

2. Mit Bescheid des BFA vom 16.03.2018 wurde dieser Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Asylwerber gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2018, W210 2192844-1/15E, als unbegründet abgewiesen.

4. Mit Bescheid des BFA vom 23.08.2018, Zahl XXXX , wurde ein auf 18 Monate befristetes Einreiseverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde am 27.09.2018 rechtskräftig.

5. Am 24.09.2018 wurde der Asylwerber an seiner Unterkunft in XXXX abgemeldet.

6. Ende Oktober/November 2018 stellte die Grundversorgung die Verpflegungsleistungen für den Asylwerber ein.

7. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs E 4008/2018-7 vom 26.11.2018 wurde die Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof abgelehnt. Mit Beschluss vom 13.12.2018 wurde die Entscheidung über nachträglichem Antrag dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Eine Revision wurde jedoch nicht mehr eingebracht.

8. Am 06.09.2019 brachte der Asylwerber erneut einen Antrag auf internationalen Schutz ein und wurde darüber durch die PI Wels, Fremdenpolizei, im Zuge der Erstbefragung einvernommen. Er gab dabei an, Österreich Ende Oktober 2018 in Richtung Schweiz und Italien verlassen zu haben. Anfang November 2018 sei er in der Türkei gewesen und über den Iran nach Afghanistan gereist. Dort habe er sich von Dezember 2018 bis März 2019 aufgehalten. Als Fluchtgrund führte er an, dass er einem Mädchen in Afghanistan geholfen hätte, die zwangsverheiratet hätte werden sollen. Sein Leben sei in Gefahr und er würde getötet werden, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde.

9. Am 09.09.2019 wurde der Asylwerber dazu vom BFA einvernommen. Er gab dabei an, dass er nach seinem Erstverfahren mit dem Ziel, nach Kanada zu reisen, ausgereist sei. Er sei jedoch in einem Container reisend in der Türkei angekommen, woraufhin er zu seiner Familie in den Iran gereist sei und er in der Folge nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Er habe daraufhin in der Provinz Kandahar im Dorf XXXX bei einem Freund seines Vaters, XXXX , gewohnt.

10. Am 16.09.2019 wurde der Asylwerber erneut vom BFA einvernommen, wobei er anführte, dass er nach seinem Erstverfahren eigentlich nach Kanada ausreisen hätte wollen. Er sei deshalb in einem Container mitgereist und es sei ihm gesagt worden, Brot und Wasser für vier Wochen mitzunehmen. Er habe 5-6 kleine Wasserflaschen mitgenommen. Bei der Fahrt über die Schweiz seien ein Iraner und ein Pakistaner mitgefahren. Im Endeffekt sei er in der Türkei angekommen und von dort aus in den Iran gereist, von wo er nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Er sei vier bis fünf Monate in Afghanistan gewesen.

Der Asylwerber führte aus, dass er bei seiner Ankunft in Herat von einem Freund seines Vaters abgeholt worden wäre, der ihn am nächsten Tag zu einem Freund gebracht hätte. Nach 2 Tagen habe er begonnen, auf diesem Hof zu arbeiten. Dem Hauseigentümer sei erzählt worden, dass es ein Neubeginn sei, dass er aus Kabul stamme und seine Eltern verstorben wären. Es sei nicht erzählt worden, dass er ein Hazara sei und im Ausland war. Er sei eine enge Freundschaft mit einem Mädchen eingegangen, die verlobt war und deren Familie sie zwangsweise verheiraten wollte. Er habe sie während der Arbeit kennengelernt und auch nach der Arbeit am Hof getroffen, sie habe mit ihrer Mutter dort gelebt. XXXX (Anm.: Schreibweise XXXX bzw. XXXX wechselt in den Niederschriften) sei der Vater des jungen Mannes, dem das Mädchen versprochen gewesen sei. Das Mädchen hätte seinen Vater verloren und XXXX hätte das Mädchen zur zweiten Ehefrau seines Sohnes machen wollen. In der Folge habe der Hauseigentümer XXXX ihn und das Mädchen geschlagen und erklärt, dass beide gesteinigt werden. Erst dann habe er erfahren, dass das Mädchen verlobt sei. Sie wären in einem Keller festgehalten worden, die Mutter des Mädchens hätte sie jedoch befreit und sie seien daraufhin zu dritt geflüchtet. Auf der Flucht in den Iran habe der Asylwerber das Mädchen und deren Mutter verloren. Er habe im Iran den Schlepper nicht bezahlen können, denn die Mutter des Mädchens hätte das Geld für die Flucht gehabt und sie seien nun getrennt worden, deshalb hätte der Bruder des Asylwerbers die Flucht für ihn bezahlt.

Der Asylwerber konnte keinerlei Orte am Fluchtweg von der Türkei nach Österreich nennen und gab an, keinerlei Dokumente oder Belege zu haben. Er sei zweimal von der Polizei festgenommen und geschlagen worden, konnte aber nicht angeben, wo dies gewesen wäre. Er konnte keinerlei Dokumente über seine behauptete Aus- und Wiedereinreise nach dem Erstverfahren vorlegen.

Als weitere Fluchtgründe führte der Asylwerber an, dass er im Iran geboren und aufgewachsen sei, er sei drei Monate vor seiner ersten Flucht nach Österreich in Afghanistan, Kandahar, gewesen. Damals sei er mit seiner Familie zusammen gewesen, im Haus des Freundes seines Vaters, der ihm jetzt auch wieder half und dessen Name XXXX laute. Er habe in den Nachrichten gehört, dass man in Afghanistan die schiitischen Hazara ermordet, er habe dies zuvor noch nicht selbst gesehen, aber dieses Mal schon, da die Leute ihm gegenüber darüber gesprochen hätten, dass man ins Paradies komme, wenn man Hazara töte. Dieses Mal in Afghanistan sei das Verhalten der Menschen ihm gegenüber anders gewesen, als wenn sie gewusst hätten, dass er ein Hazara sei, denn diesmal hätten sie gedacht, dass er aus Kabul gekommen sei.

Auf weitere Nachfrage im Zuge der Einvernahme gab der Asylwerber an, dass der Name des Vaters des Verlobten des Mädchens, der ihn in den Keller gesperrt habe, XXXX gewesen sei XXXX sei der Freund des Vaters gewesen, der ihm geholfen hätte, er sei nur eine Nacht bei ihm gewesen. Er habe das Mädchen XXXX vor allem deshalb kennengelernt, da er nicht Pashtu spricht. Sie hätten sich zuhause und am Feld getroffen und sie hätte ihm dann gesagt, dass sie zwangsweise verheiratet werden solle. Sie hätten sich "irgendwo unterwegs" getroffen. Es habe sich um eine Liebesbeziehung gehandelt. Die Reise sei von der Mutter seiner Freundin finanziert worden.

11. Am 25.09.2019 wurde der Asylwerber erneut vom BFA einvernommen, wobei er anführte, dass es keine Änderungen in seine Privat- oder Familien in Österreich seit seinem Erstverfahren gebe. Er sei 2 Wochen im Container unterwegs gewesen und habe mit sechs kleinen Wasserflaschen das Auslangen gefunden. Mit dem Unterkunftgeber in Kandahar habe er sich auf Farsi bzw. Dari unterhalten, der nicht alles verstehen haben können und deshalb hätten ihm das Mädchen bzw. deren Mutter geholfen. Die Leute in Kandahar hätten gedacht, dass er aus Kabul wäre, er habe jedoch zu der Bevölkerung keinen Kontakt gehabt. Das wichtigste sei gewesen, dass niemand merkte, dass er schiitischer Hazara sei. Auf Nachfrage zu seiner Beziehung zu XXXX gab der Asylwerber an, dass er eine sexuelle Beziehung mit ihr gehabt habe, sie hätten sich zuhause und nach der Arbeit außerhalb getroffen. Zuhause sei es nicht möglich gewesen, weil die Leute dort gewartet hätten, dass er einen Fehler mache, damit sie ihn umbringen könnten. Als weiteren Fluchtgrund gab er an, dass es täglich mehrere Anschläge in Kabul gebe und auch Herat und Mazar-e-Sharif nicht sicher seien.

12. Im Anschluss an die Einvernahme vom 25.09.2019 wurde mit dem - verfahrensgegenständlichen - mündlich verkündetem Bescheid der nach § 12 AsylG 2005 bestehende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Dieser verfahrensgegenständliche Bescheid wurde in der Niederschrift beurkundet. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Asylwerber nach seinem ersten Asylverfahren nach Afghanistan zurückgekehrt ist. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Erstverfahrens nicht geändert. Sein Vorbringen weise hinsichtlich seiner Rückreise nach Afghanistan, seines Aufenthalts als auch hinsichtlich seiner neuerlichen Flucht keinen glaubhaften Kern auf, sodass eine Zurückweisung des Folgeantrags gem. § 68 AVG zu erwarten sei. Es habe nicht festgestellt werden könne, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Asylwerber eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Es bestehe ein rechtskräftiges Einreiseverbot. Es wurde festgestellt, dass die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert ist. (Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019). Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei der Rückkehr in sein Herkunftsland keine Verletzung der Integrität drohe. Im Erkenntnis W210 2192844-1/15E sei bereits festgestellt worden, dass ihm in Afghanistan in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung stehen. Auch wenn sich die Lage in der Hauptstadt Kabul verschlechtert habe, könne die Behörde nicht erkennen, dass es hinsichtlich der Städte Mazar-e-Sharif und Herat zu einer entscheidungswesentlichen Änderung gekommen sei. Auch die allgemeine Lage wie seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand hätten sich seit der letzten Entscheidung der belangten Behörde nicht entscheidungswesentlich geändert.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass im Gegenstand ein Folgeantrag vorliegen würde. Das Vorverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen worden. Die gegen den Asylwerber ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. das Einreiseverbot sei aufrecht, zumal er zwischenzeitlich das Bundesgebiet noch nicht verlassen habe, und 18 Monate noch nicht vergangen wären. Der Asylwerber verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht und sei sein Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe, bzw. das Vorbringen jeglicher Glaubwürdigkeit entbehre. Nur Tatsachen, die erst nach Abschluss des Verfahrens entstanden sind (nova causa superveniens) seien von der Rechtskraft der früheren Entscheidung nicht erfasst. Die vom Asylwerber behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrags müsse die Behörde sich mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens auseinandersetzen. Im gegenständlichen Fall sei die angebliche Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft und fehle dem Vorbringen daher der glaubhafte Kern, weshalb der Antrag des Asylwerbers voraussichtlich zurückzuweisen sei.

Bezüglich des Vorbringens zur Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft sowie den Ausführungen, dass der Asylwerber in Afghanistan über kein soziales Netz verfüge, sei dieser Sachverhalt bereits im Erstverfahren berücksichtigt worden und von der Rechtskraft des Vorverfahrens umfasst.

Die Erlangung der faktischen Notwendigkeit für eine Abschiebung, z. B. die Ausstellung eines Heimreisezertifikates, sei bereits gegeben bzw. stehe unmittelbar bevor.

10. In der Folge erstattete der rechtsfreundliche Vertreter des Asylwerbers zum verfahrensgegenständlichen Bescheid eine Stellungnahme und führte dazu im Wesentlichen aus, dass keine Identität der Sache vorliege und somit die Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht gegeben sei. Zudem habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan weiter verschlechtert.

11. In der Folge legte das BFA den Verwaltungsakt mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schreiben vom 25.09.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo er am 30.09.2019 einlangte und worüber das BFA gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom selben Tag informiert wurde.

12. Der Asylwerber ist seit 26.09.2019 im Anhaltezentrum XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Asylwerbers

Der Asylwerber ist ein volljähriger männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Farsi, er spricht auch Dari, Englisch und Deutsch.

Der Asylwerber wurde am XXXX im Iran geboren und verbrachte dort den Großteil seines Lebens gemeinsam mit seiner afghanischen Familie. Die Eltern des Asylwerbers stammen aus der afghanischen Provinz Daikundi und verließen Afghanistan vor der Geburt des Asylwerbers. Die Großeltern väterlicherseits haben Afghanistan vor 33 bis 35 Jahre verlassen.

Der Asylwerber verfügt über eine Schulbildung mit Matura sowie über Berufserfahrung als Verpacker und Kellner und aus der Arbeit in einem Internetshop. Er verdiente im Iran sein eigenes Geld, lebte bei seinen Eltern und wurde vom Vater finanziell unterstützt.

In Österreich lebt eine volljährige Schwester des Asylwerbers zusammen mit ihrem Ehemann. Es besteht weder ein gemeinsamer Hausstand noch ein finanzielles- oder sonstige Abhängigkeitsverhältnis des Asylwerbers zu seiner Schwester. Darüber hinaus hat der Asylwerber keine sozialen Kontakte oder private Bindungen in Österreich.

Der Asylwerber steht in Kontakt mit seiner Familie im Iran.

1.2. Zum Verfahrensgang

1.2.1. Zum Vorverfahren

Das vom Asylwerber am 25.11.2015 initiierte Asylverfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2018 rechtskräftig negativ abgeschlossen:

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Es wurde kein Aufenthaltstitel erteilt. Gegen den Asylwerber wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Festgestellt wurde, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Schließlich wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Zudem wurde ein auf 18 Monate befristetes Einreiseverbot erlassen.

Im Erstverfahren brachte der Asylwerber als Fluchtgrund auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass in Afghanistan Krieg herrsche und Hazara von den Taliban getötet werden würden. Der Großvater des Asylwerbers wäre von den Taliban damit bedroht worden, dass er und seine Familie umgebracht werden würde.

1.2.2. Zum gegenständlichen Verfahren

Der Asylwerber stellte am 06.09.2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Im Folgeverfahren führte er aus, dass er nach Rechtskraft seines Erstverfahrens nach Afghanistan zurückgekehrt sei, dort vier bis fünf Monate gelebt habe und ein Mädchen kennengelernt habe, das zwangsverheiratet werden hätte sollen, und deshalb fliehen musste. Er konnte keinerlei Dokumente über seine behauptete Aus- und Einreise nach dem Erstverfahren vorlegen. Zudem führte er aus, dass er zur Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft gehöre und in Afghanistan über kein soziales Netz verfüge.

Im Folgeverfahren bezieht sich der Asylwerber somit zum einen auf Gründe, die er bereits im Erstverfahren vorgebracht hat (Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft, Fehlen eines sozialen Netzes) und zum anderen auf behauptete Gründe einer Sachverhaltsänderung (Kennenlernen eines Mädchens, das zwangsverheiratet werden sollte), die jedoch keinen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt.

1.3. Zur Rückkehrmöglichkeit des Asylwerbers

Der Asylwerber ist gesund, gelegentlich nimmt er Schlaftabletten und hat Alpträume, er leidet jedoch an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Der Asylwerber ist im erwerbsfähigen Alter.

Eine entscheidungswesentliche Änderung im Herkunftsstaat bzw. Kabul, Herat und Mazar-e Sharif ist seit rechtskräftiger Beendigung des Erstverfahrens weder im Hinblick auf die Lage in Afghanistan noch im Hinblick auf die Person bzw. Situation des Asylwerbers eingetreten. (Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019).

Eine Rückkehr des Asylwerbers nach Afghanistan, insbesondere in die urbanen Gebiete, ist (weiterhin) möglich und zumutbar.

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Abschiebung des Asylwerbers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

1.4. Zum Leben des Asylwerbers in Österreich

Der Asylwerber ist strafgerichtlich unbescholten. Er ist nicht erwerbstätig und legte Deutschprüfungen auf dem Niveau A1, A2 und B1 ab.

In Österreich lebt eine volljährige Schwester des Asylwerbers zusammen mit ihrem Ehemann. Es besteht weder ein gemeinsamer Hausstand noch ein finanzielles- oder sonstige Abhängigkeitsverhältnis des Asylwerberzu seiner Schwester. Darüber hinaus hat der Asylwerber keine sozialen Kontakte oder private Bindungen in Österreich.

Besondere Integrationsleistungen wurden vom Asylwerber seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht erbracht.

Der Asylwerber ist seit 26.09.2019 mit Hauptwohnsitz gemeldet im Anhaltezentrum XXXX .

1.5. Der Folgeantrag vom 06.09.2019 wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Asylwerbers, Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunft, Gesundheitszustand, zum bisherigen Verfahrensgang einschließlich des wiedergegebenen Vorbringens im Erstverfahren und im Folgeverfahren sowie zur aktuellen Situation in Afghanistan ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus dem Erstverfahren sowie den Befragungen vor dem BFA am 09.09.2019, 16.09.2019 und 25.09.2019.

Die Feststellungen zu seiner Gesundheit ergeben sich insbesondere aus seinen eigenen Angaben in der Einvernahme vom 06.09.2019 vor dem BFA, wonach der Asylwerber keinerlei medizinische Unterlagen vorlegte und angab, dass er zwar gelegentlich Schlaftabletten nehme, sich jedoch nicht in dauerhafter ärztlicher Behandlung befinde. Demnach gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Feststellung, dass der Asylwerber gesund ist und keine schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen.

Die Feststellung über den Aufenthalt des Asylwerbers stützt sich auf Erhebungen des Bundesverwaltungsgerichtes anhand von aktuellen Auszügen aus dem ZMR und dem GVS.

Die Sicherheits- und Versorgungslage im Herkunftsstaat sowie die konkrete Rückkehrsituation des Asylwerbers wurden im rechtskräftig entschiedenen Erstverfahren eingehend geprüft. Im Hinblick auf die Gefährdungssituation ergeben sich die Feststellungen aus den im Akt enthaltenen Länderfeststellungen betreffend Afghanistan und im speziellen die Hauptstadt Kabul bzw. die Städte Herat und Mazar-e Sharif, dies entspricht auch den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018. Diesen ist im gegenständlichen Verfahren weder der Asylwerber noch dessen Rechtsvertreter, in dessen Anwesenheit der gegenständliche mündliche Bescheid verkündet wurde, substantiiert entgegengetreten. Da die Behörde auf ausgewogene und ausführliche Länderberichte zurückgegriffen hat, aus denen die von der Behörde getroffenen Feststellungen deutlich abgeleitet werden können, ist die Behörde auch der diesbezüglichen Ermittlungspflicht ausreichend nachgekommen. Eine für den Asylwerber relevante Änderung der Situation in seiner Heimat liegt vor dem Hintergrund der Berichtslage nicht vor.

Ebenso wenig sind maßgebliche Änderungen in der Person des Asylwerbers (z.B. Gesundheitszustand) eingetreten.

Das Vorliegen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens wurde im Folgeverfahren nicht konkret behauptet. Sämtliche Kriterien wurden bereits im Verfahren, welches mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2018 abgeschlossen wurde, gewürdigt. Weitere (darüber hinaus) beachtenswerte Integrationsmerkmale ergeben sich aus der Aktenlage nicht.

Der vom Asylwerber im Folgeverfahren neuerlich vorgebrachte Sachverhalt betreffend eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft erwies sich bereits im Erstverfahren als nicht glaubhaft. Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass im ersten Verfahren weder dem Asylwerber aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit individuell drohende Verfolgungshandlungen noch eine unabhängig von individuellen Aspekten über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung" angenommen wurde. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Asylwerber ebenfalls nicht zuerkannt. Eine maßgebliche Änderung der Situation der (schiitischen) Hazara ist nicht eingetreten. Nach Auseinandersetzung mit dem aktuellen Länderberichtsmaterial ist eine Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der (schiitischen) Hazara im Ergebnis weiterhin zu verneinen.

Das neue Vorbringen des Asylwerbers ist nicht glaubhaft. Zu der vom Asylwerber vorgebrachten Bedrohung, wonach er nach Rechtskraft seines Erstverfahrens nach Afghanistan zurückgekehrt sei, dort vier bis fünf Monate gelebt habe und ein Mädchen kennengelernt habe, das zwangsverheiratet werden hätte sollen, und deshalb fliehen musste, ist festzuhalten, dass das im gegenständlichen Verfahren vom Asylwerber erstatteten Fluchtvorbringen betreffend die Geschehnisse nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens vage, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar erstattet und auch nicht geeignet belegt wurde, und diesem insgesamt kein glaubhafter Kern innewohnt. Somit ist ein neues, rechtlich selbständiges Verfahren nicht zu rechtfertigen. Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Schon aus der in der Folge dargelegten Grobprüfung liegt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand, zumal kein glaubhafter Kern des Vorbringens feststellbar ist und sich der maßgebliche Sachverhalt deshalb nicht entscheidungswesentlich geändert hat.

Soweit der Asylwerber vorbrachte, nach Rechtskraft des Erstverfahrens nach Afghanistan zurückgekehrt zu sein, so wurden seine diesbezüglichen Angaben vage und unplausibel erstattet, sowie nicht belegt. So behauptete der Asylwerber, zunächst über die Schweiz und Italien in die Türkei und vom Iran nach Afghanistan, und nach vier bis fünf Monaten Aufenthalt in Afghanistan über den Iran wieder zurück nach Österreich gereist zu sein. Auf seiner ersten Rückreise sei er vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden. Auf der neuerlichen Flucht nach Österreich sei er zweimal von der Polizei festgenommen und geschlagen worden, er wisse aber nicht wo (vgl. S. 9 der EV vom 16.09.2019). Er habe zudem dem Schlepper zusätzlich EUR 1800 bezahlt, damit er in Griechenland nicht erkennungsdienstlich behandelt würde (vgl. 9 der EV vom 16.09.2019). Der Asylwerber konnte jedoch keinerlei Belege über seinen langwierigen Fluchtweg vorlegen. Er konnte keinen einzigen Beleg dafür vorlegen, dass er Österreich jemals verlassen hat, er hatte nicht einmal einen Kassabeleg. Auf Nachfragen der belangten Behörde, ob er irgendwelche Belege für die weiten Reisebewegungen vorlegen könnte, antwortete der Asylwerber stets ausweichend ("LA: Haben Sie irgendwelche Belege für Ihre Reise nach Afghanistan? VP: Sie sollen es sich so vorstellen, ich spreche Farsi, nicht den afghanischen Dialekt, das kleinste Übel war, das man meinte, dass man aus dem Iran ist. Das größere, dass man in Europa war. Aus diesem Grund habe ich mich nie getraut, das Haus zu verlassen oder etwas zu machen. (...) LA: Gibt es einen Beleg für diese Reise? VP: Nein, ich konnte nicht einmal zur Arzt gehen und hatte auch kein Handy.). Beweiswürdigend ist auszuführen, dass sich weder die Angabe des Asylwerbers, er hätte keinerlei Belege für seine Reise nach Afghanistan und wieder zurück, noch die Erklärung, er könne praktisch keinerlei Orte des Fluchtwegs - sowohl bezüglich seiner Reise über die Schweiz und Italien in die Türkei, wo er nicht ausführen konnte, wo er ankam und von wo er die Reise in den Iran fortsetzte, als auch bezüglich seiner Reise zurück nach Österreich - nennen, als glaubhaft darstellen.

Der Asylwerber gab an, dass er eigentlich mittels Schlepper nach Kanada hätten reisen wollen und ihm dieser gesagt hätte, dass er Proviant für vier Wochen mitnehmen sollte. Er sei dann jedoch stattdessen in der Türkei angekommen, die Reise hätte 2 Wochen gedauert. Nach eigenen Angaben hätte er "5-6 kleine Wasserflaschen pro Person" (vgl. S. 7 der EV vom 16.09.2019) mitgehabt, danach gab er an, von sechs kleinen Wasserflaschen zwei Wochen lang gelebt zu haben. Es ist keineswegs glaubhaft, dass sich jemand für eine geplante 4-wöchige Reise in einem Container lediglich mit derartig wenig Proviant versorgt hätte und auch nicht glaubhaft, dass der Asylwerber während einer 2-wöchigen Reise nur sechs kleine Wasserflaschen zum Überleben gehabt hätte.

Die Tatsachen, dass der Asylwerber keinerlei Belege über seine langen Reisebewegungen und seinen Aufenthalt in Afghanistan vorlegen konnte und zudem keine genaueren Angaben machen konnte, zeigen auf, dass der Asylwerber nicht nach Afghanistan zurückgekehrt ist.

Auch die Angaben des Asylwerbers zu seinem Aufenthalt in Afghanistan waren keineswegs glaubhaft. So gab er an, dass er von einem Freund seines Vaters zu einem weiteren Freund vermittelt worden wäre, bei welchem er dann bis zu seiner Ausreise gelebt und gearbeitet hätte. Man hätte diesem erzählt, dass der Asylwerber aus Kabul stamme und seine Eltern verstorben wären Im Zuge der Einvernahme gab der Asylwerber mehrmals an, dass dieser Freund, bei dem er untergebracht war und welcher ihn schließlich in einem Keller festgehalten hätte, XXXX geheißen hätte (vgl. S. 4 der EV vom 16.09.2019). Nach der Rückübersetzung bestätigte der Asylwerber seine Angaben. In der weiteren Befragung dazu gab er völlig im Widerspruch dazu dann an, dass dieser Mann XXXX heißen würde (vgl. S. 10 der EV vom 16.09.2019). XXXX wäre ein Freund seines Vaters. Diese Angaben stehen aber insgesamt in klarem Widerspruch zu seinen eigenen früheren Angaben. In der Befragung vom 09.09.2019 gab der Asylwerber außerdem an, dass er "in der Provinz Kandahar im Dorf XXXX [...] 4-5 Monate bei einem Freund meines Vaters - XXXX " gewohnt hätte (vgl. EV vom 09.09.2019, S. 7). Auf einen entsprechenden Vorhalt bestritt er diese Angabe und wiederholte, dass er nur eine Nacht bei XXXX gewesen wären, dann wäre er bei XXXX gewesen (vgl. S. 10f der EV vom 16.09.2019). Es ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass keinesfalls nachvollziehbar ist, wie es zu dieser Verwechslung gekommen sein kann, wenn es sich um tatsächlich Erlebtes handelt.

Es ist zudem nicht glaubwürdig, dass der Asylwerber keinerlei Angaben zur Umgebung des Dorfes, in dem er angeblich gewohnt hätte, machen konnte. Es ist auch nicht plausibel, dass er den Namen des Dorfes nicht kenne, da es ein paschtunischer Name gewesen sei.

Weiters behauptet der Asylwerber widersprüchlich, einerseits aufgrund seiner Situation nicht oft hinausgegangen zu sein (vgl. S. 10 der EV vom 16.09.2019), andererseits gab er an, dass er jeden Tag gearbeitet und am Feld gewesen wäre, dann hätte er das Mädchen "irgendwo unterwegs" (vgl. S 11 der EV vom 16.09.2019) getroffen, gleichzeitig sagte er, dass "dieses Mal in Afghanistan" das Verhalten der Menschen ihm gegenüber anders gewesen sei, als wenn sie gewusst hätten, dass er ein Hazara sei, denn diesmal hätten sie gedacht, dass er aus Kabul gekommen sei. Auch diese Angaben sind völlig widersprüchlich und keineswegs glaubhaft, zumal der Asylwerber offensichtlich Hazara ist und nicht Pashtu spricht. Auch die Aussage, wonach er das Mädchen doch nicht zuhause getroffen hätte, da "die Leute dort gewartet" hätten, dass er einen Fehler mache, damit sie ihn umbringen könnten (vgl. S. 3 der EV vom 25.09.2019), erscheint nicht plausibel und als gesteigertes Vorbringen. Es ergibt sich nicht aus dem bisherigen Vorbringen, warum ihn "die Leute dort" umbringen hätten wollen und wer "die Leute" sind.

Auch die Schilderung der Beziehung zu dem Mädchen XXXX war keinesfalls glaubhaft. So hatte er in seiner Erstbefragung noch angegeben, dass er einem Mädchen in Afghanistan "geholfen" hätte, das zwangsverheiratet werden sollte. Im Laufe der Einvernahmen steigerte sich sein Vorbringen dahingehend, dass er mit dem Mädchen sogar eine sexuelle Beziehung gehabt hätte. Über die Treffen konnte der Asylwerber nur sehr oberflächliche Angaben machen (vgl. S. 1 1 der EV vom 16.09.2019; S. 3 der EV vom 25.09.2019) und erscheinen diese nicht glaubhaft, einerseits aufgrund der kurzen Dauer des Aufenthalts des Asylwerbers in Afghanistan, andererseits aufgrund der dargestellten Wohnsituation im selben Hof mit dem Mädchen, deren Mutter und dem Unterkunftgeber XXXX .

Der Asylwerber gibt auch unterschiedliche Angaben dahingehend an, wann und von wem er erfahren hätte, dass das Mädchen zwangsverheiratet werden sollte bzw. verlobt wäre. So gab er in der Einvernahme vom 16.09.2019 an, erst bei dem Vorfall, als der Unterkunftgeber ihn geschlagen und festgehalten hätte, davon erfahren zu haben, dass das Mädchen verlobt sei. Später gab er an, dass ihm das Mädchen gesagt hätte, dass sie zwangsweise verheiratet werden solle, als sie sich besser kennenlernten.

Widersprüchlich ist auch die Finanzierung der angeblichen neuen Flucht des Asylwerbers von Afghanistan über den Iran nach Österreich. So gab er zunächst an, dass er auf der Flucht von der Mutter des Mädchens und vom Mädchen getrennt worden wäre. Die Mutter hätte das Geld für die Flucht gehabt, aber aufgrund der Trennung von ihr hätte er kein Geld für die Flucht gehabt und deshalb hätte der Bruder des Asylwerbers die Flucht bezahlen müssen, es wären €11.500 gewesen, sein Bruder hätte dafür sein Auto verkauft und sein Vater hätte Geld von Freunden ausgeliehen. Es sei bezahlt worden, als er in Österreich angekommen sei (vgl. EV vom 16.09.2019, S.10). Im Widerspruch dazu gab er einige Minuten später an, dass die Mutter seiner Freundin die Reise finanziert hätte (vgl. EV vom 16.09.2019, S.13). In diesem Zusammenhang ist generell unglaubwürdig, dass der Asylwerber keinerlei Angaben über den Verbleib des Mädchens und deren Mutter machte und diesbezüglich nicht einmal vorbrachte, dass er nach der Trennung versucht hätte, die beiden zu finden. Es erscheint plausibel, wenn man gemeinsam mit seiner Freundin und deren Mutter eine Flucht antritt und getrennt wird, dass man versucht, die anderen Personen zu finden, anstatt alleine weiter nach Europa zu reisen.

In Zusammenschau der sehr widersprüchlichen, vagen und nicht plausiblen Angaben konnte nicht festgestellt werden, dass der Asylwerber nach Afghanistan ausgereist ist und die behaupteten Vorfälle sich tatsächlich ereignet haben.

Insbesondere ist auch auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Asylwerbers aufgrund des Umstandes zu verweisen, dass er sich nunmehr schon im Zuge eines zweiten Asylantrags im Bundesgebiet befindet, aber immer noch keinerlei Dokumente vorgelegt hat. Beweiswürdigend ist weiters davon auszugehen, dass der Asylwerber, wäre er nach dem Erstverfahren tatsächlich in sein Herkunftsland zurückgereist, mittlerweile bei einem zweiten Asylantrag Dokumente über seine Identität, Aufenthalt und Reisebewegung sehr wohl vorgelegt hätte.

Dem im gegenständlichen Verfahren erstatteten Fluchtvorbringen betreffend die Geschehnisse nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens - das vage, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar erstattet und auch nicht geeignet belegt wurde - wohnt somit kein glaubhafter Kern inne und sind auch keine Hinweise dafür hervorgekommen, dass der Asylwerber Österreich tatsächlich verlassen hätte. Demnach wird der Folgeantrag voraussichtlich ohne näheres Eingehen auf das neue Vorbringen zurückzuweisen sein, weil diesem ein glaubhafter Kern fehlt und es sich um keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage handelt, womit auch positive Feststellungen dazu nicht in Frage kommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 12a AsylG 2005, des § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und des § 22 BFA-VG lauten wie folgt:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a AsylG 2005

...

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

..."

"Entscheidungen

§ 22 AsylG 2005

...

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22 BFA-VG (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.4. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben:

Der Asylwerber stellte am 06.09.2019 einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005. Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Gegenständlich besteht nach rechtskräftiger Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2018 eine aufrechte Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot. Es liegt somit eine aufrechte Rückkehrentscheidung vor und es war - wie beweiswürdigend ausgeführt wurde - eine Rückkehr des Asylwerbers nach Afghanistan nach dessen Erstverfahren nicht feststellbar.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") verweist der VwGH in seiner Entscheidung vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, auf die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) und führt aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat.

Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern.

Der Antrag des Asylwerbers vom 06.09.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen.

Aus dem Vorbringen des Asylwerbers zum Folgeantrag ergibt sich kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Wie sich aus den Feststellungen und aus der Beweiswürdigung ergibt, brachte der Asylwerber einerseits einen bereits dem Erstverfahren zugrunde gelegten Sachverhalt und andererseits einen Sachverhalt vor, dem jedoch kein glaubhafter Kern innewohnt. Im Folgeverfahren bezieht sich der Asylwerber somit zum einen auf Gründe, die er bereits im Erstverfahren vorgebracht hat (Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft, Fehlen eines sozialen Netzes) und zum anderen auf behauptete Gründe einer Sachverhaltsänderung (Kennenlernen eines Mädchens, das zwangsverheiratet werden sollte), die jedoch keinen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich insgesamt kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Es ist daher nach einer Grobprüfung davon auszugehen, dass der gegenständliche Folgeantrag des Asylwerbers gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Es ist daher davon auszugehen, dass sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Auch die Situation in Afghanistan hat sich seit dem Vorbescheid insbesondere in Bezug auf das Fluchtvorbringen nicht geändert. Bereits im vorangegangenen Verfahren wurde verneint, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Die Lage in Afghanistan hat sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (30.07.2018) nicht maßgeblich geändert.

Auch mit Blick auf die Person des Asylwerbers ist nichts hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden, was gegen die Abschiebung des Asylwerbers in seinen Heimatstaat im Sinne der zitierten Bestimmungen spricht. Es sind keine erheblichen in der Person des Asylwerbers liegenden neuen Sachverhaltselemente zutage getreten (z.B. eine schwere Erkrankung), die eine neuerliche Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließen. Seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.07.2018 wurden des Weiteren keine besonderen Integrationsleistungen des Asylwerbers nachgewiesen, sodass (weiterhin) kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich festgestellt wurde.

Der VwGH hat zu Ra 2016/01/0096, vom 13.9.2016, ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Demzufolge müsste die Gefährdung des Asylwerbers im Sinne des Art. 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden. Dies umso mehr, als im obzitierten Beschluss der VwGH auch auf die Rechtsprechung des EGMR verwiesen hat, die davon ausgeht, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u.a., Nr. 46 856/07). Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Wie der VwGH zu Ra 2016/19/0036 vom 25.5.2016, ausführt, kann die Außerlandesschaffung eines Fremden auch dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden höchstgerichtlichen Judikatur ist eine solche Situation jedoch nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden bzw. zu Tage getreten, dass der Asylwerber einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ausgesetzt wäre. Auch seitens des Asylwerbers wurde kein konkretes Vorbringen hierzu getätigt.

Entsprechend den obigen Ausführungen, stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurde dem Asylwerber Parteiengehör eingeräumt, er wurde am 09.09.2019, 16.09.2019 und 25.09.2019 einvernommen, und es wurden ihm die maßgeblichen aktuellen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht.

Da die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 25.09.2019 als rechtmäßig.

3.5. Im vorliegenden Fall wurde die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes durch die gesetzliche Fiktion einer Beschwerdeerhebung gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 begründet. Zudem wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Asylwerbers eine Stellungnahme erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in seinem Anfechtungsantrag an den Verfassungsgerichtshof (Pkt. I.7.) diesbezüglich die Auffassung, aus der gesetzlichen Anordnung (§ 22 Abs. 10 AsylG 2005) sei ableitbar, dass eine Beschwerdeerhebung durch den vom Bescheid Betroffenen unzulässig sei. Angesichts der Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018, G 186/2018-25 ua., wonach es dem betroffenen Fremden nicht verwehrt sei, eine Stellungnahme abzugeben bzw. durch eine Beschwerdeergänzung auf Umstände des Falles hinzuweisen, die ihm entscheidungsrelevant erscheinen, geht das Bundesverwaltungsgerichtshof allerdings davon aus, dass eine (zusätzliche) "Beschwerde" durch den Betroffenen zur Begründung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur umfassenden Überprüfung des mündlich verkündeten Bescheides zwar nicht erforderlich ist, aber auch nicht zwingend ihre Zurückweisung zur Folge haben muss.

Vielmehr kann eine solche "Beschwerde" allenfalls als ergänzendes Vorbringen angesehen werden, zumal das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid ohnehin gemäß § 22 Abs. 10 letzter Satz AsylG 2005 auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen und (sämtliche) Rechtswidrigkeiten aufzugreifen hat.

Einer formalen Erledigung der Stellungnahme (im Sinne einer Zurückweisung) bedarf es angesichts der obigen Ausführungen nicht.

3.6. Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018, G 186/2018-25 ua., als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Im Übrigen ergeht die vorliegende Entscheidung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12a Abs. 2 AsylG 2005.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W162.2192844.2.01

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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