Entscheidungsdatum
12.11.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G312 2225068-1/2Z
G312 2225067-1/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Manuela WILD über die Beschwerde der kosovarischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, und der kosovarischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2019, Zl. XXXXund Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:
A) Den Beschwerden gegen Spruchpunkt VII. der angefochtenen
Bescheide wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden vom 31.10.2019 gegen die oben genannten Bescheide vor, mit dem gegen die Beschwerdeführerinnen (BF1 und BF2) die Anträge auf internationalen Schutz vom 23.09.2019 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen wurden (Spruchpunkt I), gemäß § 8 As. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG die Anträge auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat KOSOVO abgewiesen wurden (Spruchpunkt II), eine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird (Spruchpunkt III), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF1 und die BF2 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen wird (Spruchpunkt IV), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung in den Kosovo gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt VII.).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass mit der ab 01.07.2009 in Kraft tretenden Herkunftsstaaten-Verordnung die Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Monetenegro und Serbien gemäß § 39 Abs. 5 Z 2 AsylG als sichere Herkunftsstaaten iS des § 38 Abs. 1 Z 1 AsylG gelten. Die BF 1 und die BF 2 aus dem sicheren Herkunftsstaat Kosovo stammen, weswegen Ziffer 1 zur Anwendung kommt. Bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat seien für die BF 1 und BF 2 keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben, sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es sei in ihren Fällen davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei und da den Anträgen auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden seien und auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, sei es der BF1 und der BF2 zumutbar, den Ausgang ihrer Asylverfahren im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.
Die BF1 und die BF2 erhoben dagegen eine Beschwerde, mit der sie die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, sowie die Aufhebung der gegen die BF1 und BF2 ausgesprochenen Rückkehrentscheidungen beantragen, in eventu eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewähren sowie den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Bs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.
Die BF1 habe während ihrer Erstbefragung am 23.09.2019 angegeben, kosovarische Staatsangehörige zu sein, der Volksgruppe der Albaner sowie der islamischen Religionsgemeinschaft anzugehören. Ihren Heimatstaat habe sie verlassen müssen, da sie von ihren Eltern keine Unterstützung mehr bekomme, da sie verheiratet ist und schwanger war. Der Vater der BF1 habe ihr aufgetragen, zu ihrem Ehemann nach Österreich zu gehen und habe über einen Schlepper die Ausreise organisiert. Sie sei somit verstoßen worden und habe die belangten Behörde es unterlassen, sich ausreichend mit der für die BF bestehende Gefahr auseinander zu setzen. Sie könne bei einer Rückkehr mit keiner Unterstützung rechnen, sich auch nicht etablieren und würde mit großer Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Lage geraten. Die BF1 werde von Ihren Schwiegereltern versorgt, ist von diesen finanziell abhängig und möchte keinesfalls Sozialleistungen vom österreichischen Staat empfangen. Der Ehemann der BF1 ist seit 06.08.2014 im Besitz des Aufenthaltstitels Daueraufenthalt-EU, er ist für die BF2 zur Obsorge berechtigt und ist selbst in Österreich geboren, er hält sich legal in Österreich auf. Da er sich derzeit in Untersuchungshaft befindet, gelte für ihn die Unschuldsvermutung. Deshalb verletzte die ausgesprochene Rückkehrentscheidung das Recht der BF auf Achtung des Privat- und Familienlebens und greife die Fällung einer Rückkehrentscheidung massiv und unverhältnismäßig auf die geschützten Rechtsgüter insbesondere gemäß Art. 8 EMRK der BF ein. Durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung drohe eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK sowie insbesondere des Art. 8 EMRK.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, langten die am 06.06.2019 ein und wurden der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.
Feststellungen:
Die aktuell 20-jährige BF1 hat einen am 07.12.2017 ausgestellten und bis 06.12.2022 gültigen kosovarischen Personalausweis. Sie ist verheiratet und für ein minderjähriges Kind (die in Österreich geborene BF2) sorgepflichtig. Ihr Ehemann XXXX, geb. XXXX in Österreich, kosovarischer Staatsangehöriger, verfügt über einen Aufenthaltstitel für Österreich "Daueraufenthalt-EU".
Die BF1 gab bei der Erstbefragung an, da sie schwanger war wollte sie zu ihrem Ehemann und bei ihm sein. Ihre Schwiegereltern hatten schon versucht, für sie ein Visum zu beantragen, da sie selbst jedoch einen Kredit offen hatten, hatten sie keines bekommen. Es ist sehr schwer im Kosovo ein Visum zu bekommen. Auch weil ihr Ehemann Probleme mit der Polizei hat, ist es ihr erschwert worden. Sie und ihre Schwiegereltern wissen nur, dass ihr Ehemann in Untersuchungshaft ist, mehr Informationen haben sie nicht. Sie kann nicht zu ihrer Familie zurück, weil sie es nicht akzeptieren würden, sie wollten nicht, dass sie schwanger bei ihnen bleibt. Sie will zu ihrem Mann nach Österreich, kann bei den Schwiegereltern bleiben, die sie unterstützen, sie möchte die Möglichkeit zu einem Arzt zu gehen, wegen der kleinen Tochter. Die Schwiegermutter arbeitet in einem Hotel und die Besitzerin wäre bereit, ihr Unterkunft zu geben. Sie möchte auf keinen Fall vom Staat abhängig sein, nur einfach hierbleiben.
Der Ehemann der BF1 befindet sich sein 30.07.2019 in Untersuchungshaft. Er weist drei rechtskräftige Verurteilungen in Österreich auf. Am 23.10.2019 wurde gegen den Ehemann der BF1 Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gem. §§ 28a Abs. 1 und Abs. 2 SMG erhoben worden.
Es liegen zwar keine außergewöhnlichen Umstände vor, denen zufolge anzunehmen gewesen wäre, dass eine Rückkehr oder Rückführung der beschwerdeführenden Parteien in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK vorliegen, jedoch kann eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 8 EMRK derzeit nach Grobprüfung nicht ausgeschlossen werden.
Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister. Es bestehen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche.
Die Identität der BF1 geht aus ihrem Personalausweis in Übereinstimmung mit dem übrigen Akteninhalt hervor. Die Identität der BF2 geht aus der Geburtsurkunde in Übereinstimmung mit dem übrigen Akteninhalt hervor. Laut dem Zentralen Melderegister weisen die BF1 und die BF2 im Bundesgebiet die Wohnsitzmeldungen bei XXXX auf.
Die getroffenen Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt, da in der Beschwerde kein dem im angefochtenen Bescheid zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet wurde.
Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich auch gegen Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.
Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Die belangte Behörde hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG gestützt und im Wesentlichen damit begründet, dass die BF1 und die BF2 aus dem Kosovo stammen, welcher als sicherer Herkunftsstaat iS des § 38 Abs. 1 Z 1 AsylG gilt. Zudem seien sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Menschenrechtsverletzung ausgesetzt und bedürfen nicht den Schutz Österreichs.
Jedoch ist im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung aufgrund der Beziehungen zu ihren in Österreich lebenden Ehemann der BF1 und Vater der BF2, der über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU verfügt, mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden.
Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids ist aus diesen Gründen ersatzlos aufzuheben.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der hier maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
3.4. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen vor dem Hintergrund der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G312.2225068.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.02.2020