TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/21 405-4/2880/1/8-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §16 Abs1 lita
StVO 1960 §16 Abs2 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Mag. Walter Oberascher über die Beschwerde des Rechtsanwalt Dr. AB AA, AL 148, AD AE, vertreten durch AG Rechtsanwälte GmbH, AF 13, AD AE, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 29.7.2019, Zahl xxx, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.12.2019

z u R e c h t e r k a n n t :

I.     Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II.    Gemäß § 52 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von jeweils € 40 – insgesamt sohin in Höhe von € 80 – zu leisten.

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 29.7.2019, Zahl xxx, wurden dem Beschuldigten zwei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO zur Last gelegt, der Spruch dieses Strafbescheides lautet wie folgt:

"Angaben zu den Taten:

Zeit der Begehung:            29.03.2018 gegen 10:50 Uhr

Ort der Begehung:              Taxenbach, B 311, zwischen Str.-KM 026,100 und Str.-KM 027,950

                                  Richtung Zell am See

Fahrzeug:                        Personenkraftwagen, yyy (A)

1.

Sie haben als Lenker eines Fahrzeuges überholt, obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden konnten. Nähere Angaben: Sie haben sich aufgrund von Gegenverkehr nach dem Überholvorgang extrem knapp vor dem überholten PKW eingereiht. Der Lenker des überholten PKW musste stark abbremsen um eine Kollision zu vermeiden. Tatort: Taxenbach, B 311, bei Str.-KM 026,100, Richtung Zell am See

2.

Sie haben auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ÜBERHOLEN VERBOTEN ausgenommen Traktor gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt. Das von Ihnen überholte Fahrzeug ist nicht unter die Ausnahme gefallen, weshalb das Überholen im Sinne des angeführten Vorschriftszeichens verboten war. Tatort: Taxenbach, B 311, bei Str.-KM 027,950, Richtung Zell am See

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1.

Übertretung gemäß § 16(1)a Straßenverkehrsordnung

2.

Übertretung gemäß § 16(2)a Straßenverkehrsordnung

Deshalb werden gegen Sie folgende Verwaltungsstrafen verhängt:

1.

Strafe gemäß:

§ 99(3)a Straßenverkehrsordnung

200,00

 

 

Ersatzfreiheitsstrafe:

92 Stunden

 

 

 

2.

Strafe gemäß:

§ 99(3)a Straßenverkehrsordnung

200,00

 

 

Ersatzfreiheitsstrafe:

92 Stunden

 

 

 

Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64(2) des Verwaltungsstrafgesetzes, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch je € 10,- (je ein Tag Arrest wird gleich € 100,- angerechnet)

40,00

 

 

Gesamtbetrag:

440,00"

Dagegen brachte der Beschuldigte durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit welcher das Straferkenntnis seinem gesamten Umfang nach angefochten und dessen Aufhebung sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt wurde. Als Beschwerdegrund wurde die inhaltliche Rechtswidrigkeit aufgrund Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften und aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend gemacht. Als Begründung führte der Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen aus, der Sachverhalt sei von der Behörde nicht konkret festgestellt worden, Tatort und Tatzeit seien nicht hinreichend genau umschrieben und die Behörde sei dem Antrag auf Einvernahme von AM AN nicht nachgekommen. § 16 Abs 1 lit a StVO beziehe sich auf ein für den Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden-Können anderer Straßenbenützer bei Beginn des Überholvorganges, im Straferkenntnis werde dem Beschuldigten jedoch vorgeworfen, er habe sich beim Abschluss des Überholvorganges vor einem PKW eingereiht und habe dieser stark abbremsen müssen, um eine Kollision zu vermeiden. Zum zweiten Tatvorwurf (Überholen im Überholverbot) führte er aus, es liege eine rechtswidrige Kundmachung der Vorordnung vor, weil bei Überholverboten oder Geschwindigkeitsbeschränkungen bei einer Länge ab 1 km schon von Anbeginn bzw auch bei Wiederholungszeichen mit einer Zusatztafel auf die Länge hingewiesen werden müsse.

Der Beschwerdeführer beantragte "die erneute Einvernahme" von AM AN und AO AN, beide wohnhaft in AP, die Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Vorfallschilderung der Zeugen technisch ausgeschlossen sei, die Durchführung eines Ortsaugenscheins und die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

In dieser Beschwerdesache führte das Landesverwaltungsgericht Salzburg am 17.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Gerichtsakt verlesen und der Vertreter des Beschuldigten gehört wurde.

In dieser Verhandlung verwies der Beschuldigtenvertreter auf das bisherige Vorbringen und führte zum ersten Tatvorwurf aus, der Beschuldigte habe den Überholvorgang im Rahmen des erlaubten Möglichen durchgeführt und habe das Überholen im Bereich der zweispurigen Strecke stattgefunden, der Tatvorwurf der Behörde beziehe sich jedoch auf einen späteren Zeitpunkt. Der zweite Überholvorgang (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses) sei dem Beschuldigten nicht mehr in Erinnerung.

Nach Vorhalt und Erörterung der vom Gericht angefertigten Ausdrucke aus dem Salzburger Straßeninformationssystem "SAMSON" gab der Beschuldigtenvertreter an, dass der erste Überholvorgang noch vor dieser Rechtskurve im Bereich des zweispurigen Streckenabschnittes stattgefunden habe, vor dem Tunnel kein Überholverbot verordnet sei und die Verkehrszeichen nicht der Realität entsprächen. Laut dem Foto zu Bezugspunkt StrKm 27,8 + 75 m sei dieses Überholverbot offensichtlich zum Zeitpunkt der Übertretung nicht in Geltung gestanden. Es werde die Durchführung eines Ortsaugenscheines zum Beweis für die nicht ordnungsgemäße Errichtung der Verkehrszeichen sowie die zeugenschaftliche Einvernahme der in der Beschwerde angeführten Zeugen beantragt. Der Zeuge AN habe im Rechtshilfeweg davon gesprochen, dass der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug neben ihm gefahren sei und der Zeuge rechts neben dem Fahrzeug des Beschuldigten gefahren sei, daraus ergebe sich die Unrichtigkeit des ersten Tatvorwurfes.

In seiner Schlussäußerung verwies der Vertreter des Beschuldigten auf die schriftliche Beschwerde und die darin enthaltenen Anträge und führte noch Folgendes aus:

"Die Bestrafung verletzt die verfassungsrechtlichen Grundrechte des Beschuldigten. Der Beschwerdeführer hatte keine Möglichkeit der Befragung des Anzeigenlegers. Es liegen keinerlei Beweismittel für den Tatort in Bezug auf Spruchpunkt 1. vor. Dieser Tatort wurde weder in der Anzeige noch in der Befragung im Rechtshilfewege angeführt und liegt der tatsächliche Überholvorgang vor Straßenkilometer 26,0 und 59,8. Es liegt daher ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Ich konkretisiere, der Überholvorgang liegt im Bereich der Strecke zwischen Straßenkilometer 25,8 und 26,0; jedenfalls im erlaubten Bereich. Die Behauptung der Behörde, der zweite Tatvorwurf sei ordnungsgemäß durch Verkehrstafeln ausgeschildert gewesen, entbehrt jeglicher Grundlage. Auf dem Foto ist die nicht gesetzesgemäße Ausschilderung zu sehen. Es wird daher erhalten."

Nachdem im Anschluss an die Verhandlung das Erkenntnis mündlich verkündet wurde, beantragte der Beschuldigtenvertreter die ungekürzte schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs 4 VwGVG.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat hiezu in einer gemäß § 2 VwGVG durch einen
Einzelrichter zu treffenden Entscheidung Folgendes festgestellt und erwogen:

Der Beschwerdeführer lenkte am 29.3.2018 gegen 10:50 Uhr den Personenkraftwagen (TT X5 M) mit dem Kennzeichen yyy (A) in Taxenbach auf der B 311 auf der Strecke von StrKm 25,8 bis StrKm 28,0 in Richtung Zell am See.

Im Bereich von Bezugspunkt StrKm 25,8 bis StrKm 25,9 werden die zwei Fahrstreifen dieser Fahrtrichtung auf einen Fahrstreifen zusammengeführt. Darauf folgend befindet sich von StrKm 26,0 bis StrKm 26,2 eine Rechtskurve, in diesem Bereich ist in der Fahrbahnmitte eine doppelte Sperrlinie angebracht. In dieser Rechtskurve überholte der Beschuldigte den von AO AN gelenkten Personenkraftwagen der Marke NN. Während des Überholvorganges lenkte der Beschuldigte aufgrund von Gegenverkehr derart knapp vor dem überholten Fahrzeug nach rechts, dass der Fahrer des überholten Fahrzeuges eine Vollbremsung einleiten musste, um eine Kollision zu verhindern. In der Folge fuhr der Beschuldigte vor dem NN und überholte nach dem Trattenbachtunnel bei StrKm 27,95 einen weiteren Personenkraftwagen (Marke SS). Für den Streckenabschnitt von Bezugspunkt StrKm 27,8 + 75 m bis Bezugspunkt StrKm 28,8 + 83 m wurde mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 1.4.2016, Zahl 30606-635 /1/30-2016, ein Überholverbot ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen verordnet und am 6.4.2016 durch Vorschriftszeichen "Überholen verboten" mit der Zusatztafel gemäß § 54 Abs 5 lit i StVO kundgemacht.

Dieser Sachverhalt war als erwiesen anzusehen und der Entscheidung zu Grund zu legen. Die Feststellungen stützen sich zum einen auf die im Akt der belangten Behörde enthaltenen und insoferne unbedenklichen Unterlagen (Anzeige der Polizeiinspektion Taxenbach vom 5.4.2018, Lenkerauskunft vom 27.4.2018, Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 1.4.2016, Zahl 30606-635/1/ 30 -2016, Aktenvermerke der Straßenmeisterei Pinzgau vom 6.4. und 7.4.2016 über die Aufstellung der Verkehrszeichen, Protokoll der Polizeiinspektion AQ vom 7.1.2019 über die Vernehmung des Zeugen AN im Rechtshilfewege) und zum anderen auf die vom Landesverwaltungsgericht Salzburg durch Einschau in das Straßeninformationssystem "SAMSON" des Landes Salzburg erhobenen Daten. Im Straßenvideo dieses EDV-Programms der Abteilung 6 – Infrastruktur und Verkehr des Amtes der Salzburger Landesregierung (Befahrung/Aufnahmedatum: 3.7.2017) wurden die exakten Positionen der Verkehrszeichen erhoben und die Entfernungen zwischen den Aufstellungsorten gemessen.

Vom Beschuldigten wurde nicht bestritten, das gegenständliche Kraftfahrzeug zum angeführten Zeitpunkt auf diesem Streckenabschnitt der B 311 gelenkt zu haben.

Im Verfahren rechtfertigte er sich in Bezug auf den ersten Überholvorgang dahingehend, er habe diesen bereits im Bereich der zweispurigen Strecke im Rahmen des erlaubten Möglichen durchgeführt. Diese Behauptung des Beschuldigten war als unglaubwürdige Schutzbehauptung zu werten, zumal sich aus den in der Anzeige der Polizeiinspektion Taxenbach festgehaltenen Angaben des die Anzeige erstattenden Lenkers des überholten NN, der von Gastein kommend auf der B 311 in Richtung Taxenbach gefahren ist, zweifelsfrei ergibt, dass das Überholmanöver des Beschuldigten "unmittelbar nachdem die B 311 von zwei Fahrstreifen auf einen Fahrstreifen zusammenführt in der dort befindlichen Rechtskurve" und somit "bei StrKm 26,1" stattgefunden hat. Während des Überholvorganges habe der BMX X5 "aufgrund von Gegenverkehr unmittelbar vor seinem PKW nach rechts gelenkt. Dadurch habe er eine Vollbremsung tätigen müssen, um eine Kollision zu vermeiden. Es sei extrem knapp (ca 15 cm) zwischen den beiden Fahrzeugen gewesen." Laut Anzeige der Polizei hat die Ehefrau, die sich auf dem Beifahrersitz befunden habe, die Angaben des Anzeigers bestätigt. Bei der Einvernahme im Amts- und Rechtshilfeweg schilderte der Zeuge AN weitere Details über die erforderliche Notbremsung. Demnach habe er so stark bremsen müssen, dass das Anti-Blockier-System des Fahrzeuges eingriff; nur dadurch konnte er einen Unfall verhindern, ohne Bremsen hätte sich der anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr ohne Zusammenstoß einordnen können. Zum Zeitpunkt der Bremsung sei der hintere Teil des überholenden Fahrzeuges (ca ab der hinteren Tür) auf seiner Höhe als Fahrzeugführer gewesen. Bei der Befragung durch den Beamten der Polizeiinspektion in Deutschland war auch die Gattin des Zeugen anwesend und wurde das Protokoll vom Zeugen als auch dessen Gattin unterschrieben.

 

Zum zweiten Überholvorgang gab der Beschuldigte an, ein solcher sei ihm nicht mehr in Erinnerung. Der unmittelbar nach dem Vorfall Anzeige erstattende Lenker des NN gab gegenüber dem Beamten der Polizeiinspektion Taxenbach dezidiert an, der Lenker des TT habe nach dem Tunnel im deutlich beschilderten Überholverbot (ausgenommen Traktoren) einen PKW, einen goldfarbigen SS, überholt.

Darüber hinaus monierte der Beschwerdeführer die Feststellungen der Behörde zur Tatzeit und zu den Tatorten als zu ungenau und sei im Übrigen die Kundmachung des Überholverbotes rechtswidrig.

Rechtlich ist dazu Folgendes auszuführen:

Gemäß § 16 Abs 1 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO, BGBl Nr 159/1960 idF BGBl Nr 518/1994, darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist. Nach der Bestimmung des § 16 Abs 2 lit a leg cit darf der Lenker eines Fahrzeuges außer in den im Abs 1 angeführten Fällen mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sind; nicht überholen (außer es wäre rechts zu überholen).

Die Zulässigkeit des Überholens ist am Beginn und nicht am Ende des Überholens zu beurteilen (vgl zB VwGH vom 20.11.1967, 1232/66). Das Überholen ist schon dann zu unterlassen, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers gegeben ist (OGH vom 5.2.1970, 11 Os 133/69 ZVR 1970/243). Ein Überholen bei Gegenverkehr an einer unübersichtlichen Stelle, wobei die Fahrbahnmitte überfahren wird, ist mit einer Gefährdung entgegenkommender Straßenbenützer verbunden, und damit ist auch der Tatbestand des § 16 Abs 1 lit a StVO erfüllt (vgl zB VwGH vom 25.3.1976, 556/75; 7.6.2000, 97/03/0120). Der Inhalt der Bestimmung der lit a bezieht sich entgegen dem Beschwerdevorbringen tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, sondern auf ein dem Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden- oder Behindernkönnen bzw einen Platzmangel (VwGH vom 30.5.2001, 90/11/0221).

Im verfahrensgegenständlichen Fall kann in Bezug auf den ersten Überholvorgang keine Rede davon sein, dass dem Beschuldigten in den Phasen des Verkehrsablaufes im Hinblick auf eine bestimmte, von ihm wahrnehmbare Straßen- und Verkehrssituation die Möglichkeit einer Behinderung oder Gefährdung anderer Straßenbenützer oder ein Platzmangel für ein gefahrloses Überholen noch gar nicht bewusst werden konnte und er etwa erst in der Schlussphase des Überholvorganges durch einen nicht rechtzeitig erkennbaren Gegenverkehr zu einem knappen Einordnen auf seiner Fahrbahnseite gezwungen worden wäre und somit den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach Abs 1 lit a nicht erfüllt hätte (vgl VwGH vom 16.4.1980, 19/80). Vielmehr ist die Gefährlichkeit des Fahrmanövers und die Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer jedenfalls bereits am Beginn des Überholens offensichtlich, zumal es sich bei der Überholstrecke um eine Rechtskurve handelte und vom Beschuldigten die in der Fahrbahnmitte angebrachte doppelte Sperrlinie überfahren werden musste. Der Tatvorwurf gemäß Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses ist daher objektiv jedenfalls erfüllt und ist zumindest von einem grob fahrlässigen Verhalten des Beschuldigten auszugehen.

Aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens hat der Beschuldigte ohne Zweifel darüber hinaus nach dem Trattenbachtunnel ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet ist, überholt und damit den Tatbestand des § 16 Abs 2 lit a StVO erfüllt. An Verschulden war dem (ortskundigen) Beschuldigten zumindest grobe Fahrlässigkeit anzulasten.

Mit seinem Vorbringen hinsichtlich der Umschreibung der Tatzeit und der Tatorte kann der Beschuldigte nichts für seinen Standpunkt gewinnen, zumal diese im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend bestimmt sind. Die Tatzeit ist im Zusammenhalt mit den angeführten Tatorten jedenfalls konkret umschrieben, zumal die Strecke von 1,849 km zwischen den beiden Tatorten bei einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h in weniger als 1,4 Minuten zurückgelegt wird und eine mögliche Ungenauigkeit von einer Minute keine Beeinträchtigung des Beschuldigten in seinen Verteidigungsrechten darstellt (vgl dazu zB VwGH vom 7.6.2000, 2000/03/0027, 0028). Hinsichtlich des Tatortes muss nach der Rechtsprechung ein ausreichend enger Bezug zwischen der dem Beschuldigten angelasteten Tat und einem bestimmten Ort hergestellt werden, sodass der Tatort unverwechselbar feststeht. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Überholvorgang eine längere Wegstrecke in Anspruch nimmt, weshalb bei einem Überholvorgang ebenso wie bei einer Geschwindigkeitsübertretung als Tatort niemals ein bestimmter Punkt, sondern stets nur eine bestimmte (Fahr)Strecke in Betracht kommt (VwGH vom 20.2.1992, 91/03/0152; 24.9.1997, 97/03/0090; 3.9.2001, 2001/03/0150; 28.2.2003, 2002/02/0165). Nach der Rechtsprechung ist die Angabe "bei Strkm" in der Tatortumschreibung nicht auf einen Punkt, sondern auf eine in diesem Straßenkilometerbereich gelegene Strecke zu beziehen. Eine derartige Tatortumschreibung entspricht dem Gebot des § 44a Z 1 VStG und damit auch den an eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG zu stellenden Anforderungen, weil der Beschuldigte dadurch weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wird (vgl zB VwGH vom 26.1.2000, 98/03/0089; 28.2.2003, 2002/02/0165). Die gegenständlichen Tatortbezeichnungen sind daher ausreichend.

Zum Beschwerdevorbringen der rechtswidrigen Kundmachung des Überholverbotes ist auszuführen, dass die Verkehrszeichen "Überholen verboten" samt der Zusatztafel gemäß § 54 Abs 5 lit i StVO exakt an dem in der Verordnung angegebenen Standort bei Bezugspunkt StrKm 27,8 + 75 m aufgestellt sind und die Strecke zwischen dem Beginn des verfahrensgegenständlich übertretenen Überholverbotes und dem Ende dieses Verbotes bei Bezugspunkt StrKm 28,8 + 83 m rund 726 Meter beträgt. Diese Feststellungen wurden aufgrund der im Akt der belangten Behörde befindlichen Verordnung des gegenständlichen Überholverbotes und der Einschau sowie Messung im Straßeninformationssystem SAMSON getroffen. Es liegt somit kein Überholverbot von einer Länge von mehr als einem Kilometer vor. Auch kann der Beschuldigte mit seinem Vorbringen, dass am Tattag laut den dem Straßeninformationssystem entnommenen Fotos eine andere Verkehrsregelung ersichtlich sei (ein Verkehrszeichen ist abgedeckt), nichts für seine Position gewinnen, weil die Aufnahmen nicht vom Tattag, sondern vom 3.7.2017 stammen und der die Anzeige erstattende Lenker gegenüber der Polizei dezidiert angegeben hat, dass das Überholverbot (ausgenommen Traktoren) deutlich beschildert gewesen ist.

Der Beschwerde gegen die Schuldsprüche war somit keine Folge zu geben.

Den Beweisanträgen auf nochmalige förmliche Einvernahme der bereits im Rechtshilfeweg einvernommenen, in Deutschland wohnhaften Zeugen sowie Durchführung eines Ortsaugenscheines zum Beweis für die nicht ordnungsgemäße Errichtung der Verkehrszeichen und Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens "zum Beweis dafür, dass die Vorfallschilderung der Zeugen technisch ausgeschlossen" sei, war nicht nachzukommen. Wenn der Beschuldigtenvertreter vermeint, der Zeuge AN habe bei der Einvernahme im Rechtshilfeweg davon gesprochen, dass der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug neben ihm und der Zeuge rechts neben dem Fahrzeug des Beschuldigten gefahren sei, so kann daraus weder ein Widerspruch zu den Erstangaben auf der Polizeiinspektion Taxenbach noch die behauptete Unrichtigkeit des ersten Tatvorwurfes erkannt werden. Die korrekte Aufstellung der Verkehrszeichen ergab sich aus den Aktenvermerken der Straßenmeisterei, dem Ergebnis der Einschau ins Straßeninformationssystem sowie aus den Angaben in der Anzeige und war ein Ortsaugenschein mehr als 1,5 Jahre nach dem Tatzeitpunkt für die getroffenen Feststellungen nicht erforderlich.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Gemäß § 19 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Für Übertretung wie die gegenständlichen sieht die Strafnorm des § 99 Abs 3 lit a StVO Geldstrafen bis € 726 und Ersatzfreiheitsstrafen bis zu zwei Wochen vor. Die von der belangten Behörde festgesetzten Geldstrafen liegen daher bei jeweils rund 27,5 Prozent der gesetzlichen Höchststrafe (die Ersatzfreiheitsstrafen liegen im selben Bereich).

Bei den verfahrensgegenständlichen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung wurde dem Schutzzweck der Norm, die den Lenker eines Fahrzeuges verpflichtet, nicht zu überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist bzw wenn für eine Strecke ein Überholverbot besteht, gravierend zuwidergehandelt. Die Übertretungen stellen schwerwiegende Verstöße gegen die Vorschriften der StVO dar, deren Unrechtsgehalt ist als gravierend einzustufen.

Durch das Überholen bei Gegenverkehr und in Bereichen, in denen ein Überholverbot besteht, wird die Verkehrssicherheit massiv beeinträchtigt. Ein solches Verhalten stellt immer wieder die Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle dar, es gefährdet die allgemeine Verkehrssicherheit und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen. Die konsequente Ahndung solcher Delikte ist ein gewichtiges Anliegen des Gesetzgebers und hat die Behörde bei Fällen der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen mit aller Strenge entgegenzutreten (vgl VwGH vom 6.2.1974, 1012/73; 20.4.1988, 87/02/0154; 15.2.1991, 90/18/0227).

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit liegt nicht vor, gegen den Beschuldigten scheinen mehrere Übertretungen der Straßenverkehrsordnung auf, insgesamt liegen neun rechtskräftige Vormerkungen vor. Andere strafmildernde Umstände oder Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. An Verschulden ist dem Beschuldigten zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil ihm als geprüftem Kfz-Lenker die Unzulässigkeit dieser Überholvorgänge hätte auffallen müssen. Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG sind jedenfalls nicht gegeben.

Zu seinen Einkommens - und Vermögensverhältnissen machte der Beschuldigte trotz Aufforderung keine Angaben, Sorgepflichten bestehen für die Gattin und vier Kinder. Es war somit von geordneten und durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen eines Rechtsanwalts auszugehen.

Unter Berücksichtigung der angeführten Kriterien können die von der belangten Behörde festgesetzten Geldstrafen, die im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegen, keinesfalls als überhöht angesehen werden und entsprechen diese jedenfalls den Strafbemessungskriterien des § 19 VStG. Die Strafhöhe war zweifellos aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, um dem Beschuldigten das Unrecht der Taten vor Augen zu führen und ihn in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Darüber hinaus sind die Geldstrafen auch aus generalpräventiven Gründen erforderlich, um zukünftig derartige Übertretungen der Straßenverkehrsordnung wirksam zurückzudrängen.

Unter Zugrundelegung obiger Ausführungen erweist sich die Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet und waren die von der Behörde festgesetzten Strafen zu bestätigen. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG war als Beitrag des Bestraften zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils ein Betrag in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafen auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht hatte - bezogen auf den Einzelfall - zu beurteilen, ob der angefochtene Bescheid materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig war. Mit seiner Entscheidung weicht das Gericht weder von der dargestellten bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die zu den maßgebenden Bestimmungen vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Übrigen nicht als uneinheitlich zu beurteilen und liegen auch keine sonstigen Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verkehrsrecht, Straßenverkehrsordnung, Überholverbot, Überholen, Kundmachung der Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2020:405.4.2880.1.8.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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