TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/19 LVwG-AV-828/001-2019

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

NAG 2005 §11
NAG 2005 §46 Abs1 Z2 litb
ASVG §293

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Allraun als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, geb. ***, StA: Volksrepublik China, vertreten durch Herrn B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von NÖ vom 01.07.2019, Zl. ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

2.   Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 53b des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, (AVG) iVm § 76 Abs. 1 AVG und § 17 VwGVG die mit 173,50 Euro bestimmten Barauslagen für die Beiziehung des nichtamtlichen Dolmetschers zur mündlichen Verhandlung vom 14.10.2019 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF, (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 idgF, (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 14.09.2018 auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels

„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Übermittlungs-Email der Österreichischen Botschaft in Peking vom 15.09.2018 unter anderem zum gegenständlichen Antrag festgehalten worden sei, dass die Beschwerdeführerin 2011 mit einem rumänischen Visum nach Rumänien eingereist und nach ca. 6 Monaten nach Österreich weitergereist sei. Sie habe bei Freunden gelebt und dafür gekocht und geputzt. Sie habe nie gearbeitet.

Weihnachten 2017 habe sie ihren jetzigen Ehemann kennen gelernt.

In einem weiteren Schreiben der Österreichischen Botschaft in Peking vom 11.10. 2018 sei zusätzlich angeführt, dass die Beschwerdeführerin ihren zukünftigen Ehemann in einem Chinarestaurant in *** kennengelernt habe und sie seien im Jänner 2018 zusammengezogen. Die Eheschließung habe am 30. Juli 2018 in China stattgefunden. Die Beschwerdeführerin wolle jetzt zu ihrem Ehemann ziehen.

Laut Stempel im Reisepass habe die Beschwerdeführerin Österreich am 20. Juli 2018 verlassen und sei am 30. Juli 2018 in China eingereist.

Den der Behörde vorliegenden Unterlagen sei zu entnehmen, dass der

Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit dem mit einem Aufenthaltstitel

„Rot-Weiß-Rot – Karte-plus“ im Bundesgebiet aufhältigen Ehegatten C, geb. ***, StA.: China, beabsichtigt werde.

Mit Email vom 26.06.2019 habe die LPD NÖ, PK ***, mitgeteilt, dass gegen die Beschwerdeführerin wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Schengenraum vom 14.10.2010 bis 18.07.2018 (Anm.: fast 8 Jahre!) ein Strafverfahren gem. §§ 31

Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm. § 120 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz durchgeführt worden sei. Die Strafverfügung habe jedoch wegen unzureichender Zustelladresse in China nicht zugestellt werden können.

Die Beschwerdeführerin verfüge derzeit über kein Recht zur Niederlassung oder zum Aufenthalt für das Bundesgebiet. Sie sei vom 14.10.2010 bis 18.07.2018 unrechtmäßig im Schengenraum aufhältig gewesen. In diesem Zeitraum haben sie ihren jetzigen Ehemann, C, geb. ***, StA.: VR China, in einem Chinarestaurant in *** kennengelernt. Die Eheschließung habe am 30. Juli 2018 in China stattgefunden.

Die Beschwerdeführerin sei weder in Österreich noch in der VR China gerichtlich vorbestraft.

Gegen sie bestehe kein aufrechtes Einreiseverbot, Aufenthaltsverbot oder eine

Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz. Gegen die Beschwerdeführerin sei keine Rückkehrentscheidung erlassen worden.

Für den Aufenthalt der Beschwerdeführerin stehe ein ausreichender Unterhalt gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG und ein alle Risken abdeckender Krankenversicherungsschutz gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG zur Verfügung.

Die Beschwerdeführerin habe ein Sprachdiplom A2 des ÖIF vom 20.12.2017 vorgelegt, dessen Echtheit mit Email des ÖIF vom 12.06.2019 bestätigt worden sei.

Das Vorliegen einer ortsüblichen Unterkunft, eines ausreichenden Lebensunterhaltes, einer alle Risken umfassenden Krankenversicherung sowie der Nachweis von Deutschkenntnissen sei jedoch aus der Sicht der Behörde nicht weiter

relevant, da ein maßgeblicher Versagungsgrund bestehe:

Laut Mitteilung der LPD NÖ, PK ***, sei die Beschwerdeführerin vom 14.10.2010 bis 18.07.2018 unrechtmäßig im Schengenraum aufhältig gewesen, das sei ein Zeitraum von fast 8 Jahren.

Ein diesbezügliches Strafverfahren sei gemäß §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm. § 120 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz durchgeführt worden. Die Strafverfügung habe jedoch wegen einer unzureichender Zustelladresse in China nicht zugestellt werden können.

Auch bei der Vorsprache der Beschwerdeführerin bei der Österreichischen Botschaft in Peking habe diese angegeben, dass sie 2011 mit einem rumänischen Visum nach Rumänien eingereist und nach ca. 6 Monaten nach Österreich weitergereist sei. Sie habe in dieser Zeit bei Freunden gelebt und dafür gekocht und geputzt. Weihnachten 2017 habe sie ihren jetzigen Ehemann in einem Chinarestaurant in *** kennengelernt.

Die Behörde vertrete die Ansicht, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin öffentlichen Interessen widerstreite, da diese durch ihren langjährigen (fast 8 Jahre!) unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich/Schengenraum gezeigt habe, dass sie

aufenthaltsrechtliche Bestimmungen nicht einhalte und daher die öffentliche Ordnung gefährde.

Die belangte Behörde ist nach Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG zum Schluss gelangt, dass die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel nicht zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens geboten sei.

In den dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerden wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unrechtmäßiger Aufenthalt für sich allein nicht geeignet sei, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit anzunehmen (VwGH 9.9.2013, 2012/22/0164; VwGH 19.09.2012, 2011/22/0161).

Beantragt wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 14.10.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der Beweis erhoben wurde durch Einvernahme des Zeugen C und durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zur Zahl *** sowie in den gegenständlichen Akt des Landesverwaltungsgerichts, auf deren Verlesung verzichtet wurde.

Ein Vertreter der belangten Behörde hat an der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Vorliegen von Gründen gemäß § 19 Abs. 3 AVG nicht teilgenommen.

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:

Frau A, geboren ***, Staatsbürgerin der Volksrepublik China, hat am 14.09.2018 bei der Österreichischen Botschaft in Peking einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gestellt.

Geplant ist die Familienzusammenführung mit dem Ehemann der Beschwerdeführerin, Herrn C, geboren ***, whft. *** in ***.

Der Beschwerdeführerin wurde im Zeitpunkt der Antragstellung ein Quotenplatz zugeteilt.

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen bis 30.07.2028 gültigen Reisepass der Volksrepublik China.

Die Beschwerdeführerin hat am 18.02.2017 die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen am Prüfungszentrum des Österreichischen Integrationsfond, ***, ***, bestanden.

Über diese bestandene Prüfung hat die Beschwerdeführerin das Zeugnis zur Integrationsprüfung im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin ist seit 30.07.2018 mit Herrn C, geboren ***, StA: Volksrepublik China, wohnhaft *** in ***, verheiratet, der im Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ist.

Herr C hat ein bis 30.12.2025 befristetes, unentgeltliches und unwiderrufliches Wohnrecht an der genannten Adresse.

Diese Wohnung hat eine Wohnfläche von ca. 160m². Die Wohnung verfügt über vier Wohnräume und wird außer von Herrn C noch von zwei weiteren Personen bewohnt. Herrn C steht ein eigenes Zimmer von mehr als 20m² Fläche zur Verfügung, in dem er mit der Beschwerdeführerin wohnen kann. Die Sanitärräume und die Küche der Wohnung werden gemeinschaftlich genutzt.

Herr C bezieht ein monatliches Nettoeinkommen, unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen, von durchschnittlich € 1.657,--.

Herr C hat monatlich ca. € 193,- an Leasingraten, ca. € 129,- Versicherungsprämie und im Fall der Mitversicherung der Beschwerdeführerin einen Beitragszuschlag von ca. € 70,-- monatlich zu bezahlen.

Die Beschwerdeführerin hat monatlich € 64,-- Unterhalt für ihr in China lebendes minderjähriges Kind zu bezahlen. Die Obsorge für dieses Kind wurde dem Vater gerichtlich zugesprochen.

Die Beschwerdeführerin war in der Zeit von 18.02.2010 bis 20.07.2018 unrechtmäßig in Österreich aufhältig.

Beweiswürdigung:

Soweit im Folgenden nicht darauf eingegangen wird, ist der festgestellte Sachverhalt unbestritten und ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorliegenden Akteninhalt.

Dass die Beschwerdeführerin in der genannten Zeitdauer unrechtmäßig in Österreich aufhältig war, ist den im Akt des erkennenden Gerichtes einliegenden IZR-Auszügen zu entnehmen, der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung, wonach die Beschwerdeführerin 7 – 8 Jahre in Österreich aufhältig gewesen sei und aus dem Schreiben der Österreichischen Botschaft in Peking vom 11. Oktober 2018 im Akt der belangten Behörde.

Die zur Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes lauten wie folgt:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt,

Gemäß Z 9 ist Familienangehöriger, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie).

Gemäß Z. 10 ist Zusammenführender ein Drittstaatsangehöriger, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder von dem ein Recht im Sinne dieses Bundesgesetzes abgeleitet wird.

§ 11

(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

         1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

         2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

         3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

         4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

         5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

         6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

         1.       der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

         2.       der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

         3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

         4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

         5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

         6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

         7.       in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

         1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

         2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

         3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

         4.       der Grad der Integration;

         5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

         6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

         7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

         8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

         9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

         1.       sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

         2.       der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.

§ 21a Abs. 1

Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat.

Das Landesverwaltungsgericht NÖ hat erwogen:

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich dazu zunächst, dass für die Beschwerdeführerin ein Quotenplatz vorhanden ist, der Ehemann als Zusammenführender gemäß § 2 Abs. 1 Z 10 NAG einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ innehat und die Beschwerdeführerin als Ehegattin Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist.

Aus dem Akteninhalt sowie aus dem durchgeführten Verfahren ergibt sich kein Hinweis darauf, dass ein Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 NAG vorliegt und wurde dies auch von der belangten Behörde nicht behauptet.

Ebenso wurden der Nachweis der Deutschkenntnisse im Sinne des

§ 21a Abs. 1 NAG von der Beschwerdeführerin erbracht.

Der Nachweis eines alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes in Österreich ist aufgrund der Angehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin nach

§ 123 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 ASVG gegeben.

Die Frage, ob der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ist wie folgt zu entscheiden:

Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, ist bei der Beurteilung, ob ausreichende Unterhaltsmittel für den zuziehenden Drittstaatsangehörigen vorliegen, das Einkommen des zusammenführenden Familienangehörigen heranzuziehen.

Zur Errechnung der Unterhaltsmittel, die mindestens zur Verfügung stehen müssen, ist laut NAG der Richtsatz gemäß § 293 ASVG heranzuziehen.

Für das Jahr 2019 beträgt der Richtsatz laut § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar € 1.398,97.

Als regelmäßige Belastungen sind diesem Richtsatz folgende Beträge gemäß

§ 11 Abs. 5 NAG zuzuschlagen:

?    Leasingraten € 193,-

?    Versicherungsprämie € 129,-

?    Unterhalt € 64,-

?    Beitragszuschlag € 70,--

Insgesamt beträgt das zu erreichende Nettoeinkommen, unter Abzug des Wertes der freien Station gemäß § 292 Abs. 3 ASVG in der Höhe von € 294,65, € 1.560,-.

Nach der Judikatur des VwGH (Entscheidung vom 20.10.2011, Zl. 2009/18/0122) hat die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, durch Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. E 21. Juni 2011, 2009/22/0060).

Herr C bezieht ein monatliches Nettoeinkommen, unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen, von durchschnittlich € 1.657,--.

Aufgrund der anzustellenden Prognose ist nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.

Zur Frage, ob der Aufenthalt der Beschwerdeführerin öffentlichen Interessen widerstreitet, ist auszuführen wie folgt:

Gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Soweit im Rahmen der § 11 Abs. 4 Z 1 und Z 2 NAG 2005 (idF des FrÄG 2017) auf in der Vergangenheit gesetzte Handlungen eines Fremden Bezug genommen wird (§ 11 Abs. 4 Z 2 NAG 2005: "... oder versucht hat ..."), bedarf es einer darauf gestützten Prognose zukünftigen Verhaltens; zurückliegendes Fehlverhalten kann nur insofern beachtlich sein, als es den Schluss auf weiter zu befürchtende gefährliche Verhaltensweisen zulässt. (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0027)

In der angefochtenen Entscheidung hat die belangte Behörde eine entsprechende Zukunftsprognose nicht angestellt.

Der unrechtmäßige Aufenthalt allein vermag die auf § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG 2005 (nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet; der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG 2005 dem öffentlichen Interesse, wenn er die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde) gestützte Versagung des vom Fremden begehrten Aufenthaltstitels schon deswegen nicht zu tragen, weil mit § 41a Abs. 10 NAG 2005 die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitel gerade auch jenen Personen eingeräumt werden soll, die sich (im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. aber im Übrigen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach auch hinsichtlich anderer Aufenthaltstitel ein unrechtmäßiger Aufenthalt für sich allein nicht zum Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG 2005 führt, etwa das E vom 19. September 2012, 2011/22/0161, mwN). (VwGH 09.09.2013, 2012/22/0164)

Zwar hat die Beschwerdeführerin sich über einen sehr langen Zeitraum unrechtmäßig in Österreich aufgehalten, doch stellt dies nach der eben zitierten Judikatur allein keinen Grund dar, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit daraus abzuleiten.

Darüber hinaus ist die Beschwerdeführerin freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist, um in China den Zusammenführenden zu heiraten. Weiters hat sie sich an die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen gehalten und den gegenständlichen Antrag vom Ausland aus gestellt und die Entscheidung darüber auch im Ausland abgewartet.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes lässt der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin somit keinen Schluss auf weiter zu befürchtende gefährliche Verhaltensweisen zu, weshalb der Versagungsgrund nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm

Abs. 4 NAG nicht erfüllt ist.

Insgesamt sind alle Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels erfüllt, weshalb der Beschwerde spruchgemäß Folge zu geben war.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 04.10.2019 die Beiziehung eines Dolmetschers zur Einvernahme des Herrn C als Zeugen in der mündlichen am 14.10.2019 Verhandlung beantragt.

Gegen die vom Dolmetscher in der Verhandlung bezifferten Gebühren in der Höhe von € 173,45 hat der Vertreter der Beschwerdeführerin keine Einwände erhoben.

Mit hg. Beschluss vom 18.10.2019 wurde die Gebühr antragsgemäß in Höhe von

173,50 bestimmt, wobei gemäß § 53b, letzter Satz iVm § 53a Abs. 2 AVG auf volle10 Cent aufzurunden war.

 

Dieser Betrag ist in weiterer Folge zur Auszahlung gelangt.

Der Beschwerdeführerin als Antragstellerin ist sohin der Ersatz dieser dem

erkennenden Gericht erwachsenen Barauslagen in Höhe von 173,50 Euro gemäß

§ 76 Abs. 1 AVG vorzuschreiben (vgl. auch etwa VwGH 8.4.1992, 91/12/0259;

11.10.1994, 93/05/0027).

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Fremden- und Aufenthaltsrecht; Rot-Weiß-Rot-Karte-plus; unrechtmäßiger Aufenthalt; Unterhalt; öffentliches Interesse;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.828.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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