Entscheidungsdatum
19.08.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W178 2176796-2/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) gegen den Bescheid der BFA, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 07.09.2018, Zl. 1096106301-180632545, zu Recht erkannt:
A)
1. Der Beschwerde zu Spruchpunkt I wird gemäß § 68 AVG iVm § 3 AsylG Folge gegeben und Herrn XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass Herrn XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2. Die Spruchpunkte II bis IV werden behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (Bf), ein afghanischer Staatsbürger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein und stellte am 23.11.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen, im Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 AsylG 2005 abgewiesen, und im Spruchpunkt III. wurde kein Aufenthaltstitel nach §§ 57 und 55 AsylG gewährt, ebenso wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist, die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Das Fluchtvorbringen wurde als nicht asylrelevant gewertet, das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bejaht.
3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.05.2018 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde in allen Punkten keine Folge gegeben. Es wurde keine mündliche Verhandlung durchgeführt, Revision wurde nicht zugelassen.
Zur Frage des Fluchtgrundes der Religion wurde in der Begründung in Bestätigung der Feststellungen und Beweiswürdigung des BFA angeführt, dass die Zuwendung zum Atheismus offenbar erst während des Aufenthaltes in Österreich entstanden sei, um einen weiteren Grund zu konstruieren, der einer allfälligen Rückführung entgegenstehen würde, konkrete Befürchtungen aufgrund des Sinneswandels hätte er jedoch nicht geäußert. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie dritte Personen herausfinden sollten, was er tief im Inneren über den Islam denke. Somit komme der abstrakten Angst vor einer Verfolgung aufgrund der religiösen Einstellung - sofern diese tatsächlich bestehe - keine Asylrelevanz zu. Dem BFA sei auch zuzustimmen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren eine Steigerung erfahren hat: Während er bei der Erstbefragung keinerlei Angaben über religiöse Zweifel am Islam gemacht hätte, sondern nur Angst vor Abschiebung nach Afghanistan geschildert hätte, hätte er am 06.10.2017 wiederum angegeben, keine Religion zu haben.
4. Gegen dieses Erkenntnis wurde keine außerordentliche Revision erhoben.
5. Am 05.07.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er besuche seit 7 Monaten eine katholische Kirche und wolle zum Christentum konvertieren. Er habe sich ein Jesus-Tattoo machen lassen. Damit habe er keine Chance, im Iran oder in Afghanistan zu leben.
6. Bei der Einvernahme am 29.08.2018 vor dem BFA hat der Beschwerdeführer zwei Dokumente betreffend seine religiöse Entwicklung (Bestätigungen von Dr. XXXX ) und einen Ambulanzbericht vorgelegt. Auf Vorhalt, dass er sich trotz seines vorläufigen Aufenthaltsstatus als Asylwerber in Österreich ein Tattoo habe stechen lassen, gibt er an, dass er das wegen des Glaubens gemacht habe; er habe im Islam so viel gesehen, dass er ihn satt habe.
7. Der Folgeantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 10.09.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache hinsichtlich des Status des Asylberechtigten zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und nach § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), mit Spruchpunkt VI wurde ausgesprochen, dass gegen den Beschwerdeführer nach § 53 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen wird, in Spruchpunkt VII wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Zur Begründung wurde angeführt, dass das Vorbringen des Bf im Folgeantrag sich nicht vom Vorbringen im 1.Verfahren unterscheide. Dieses habe das BVwG im Erk vom 23.05.2018 schon als nicht asylbegründend eingeschätzt. Es komme eine weitere Steigerung des Vorbringens hinzu. Er habe sich trotz seines unsicheren Status als Asylwerber schon vor 10 Monaten ein Tattoo stechen lassen. Dass er schon seit ca. 5-6 Monaten eine Kirchengemeinde besuche habe er nicht einmal seiner Rechtsvertretung mitgeteilt. Es sei ihm mangels eines glaubhaften Kerns des neuen Vorbringens nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass es zu einer entscheidungsrelevanten Sachverhaltsänderung gekommen sei.
8. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde erhoben. Darin wird vorgebracht, dass der Bf sich zum Christentum hingewandt habe und auch ein entsprechendes Tattoo mit christlichem Symbol habe. Er besuche den Taufunterricht und sonstige religiöse Bildungsveranstaltungen. Er habe sich seit dem Erkenntnis vom 23.05.2018 verstärkt dem Christentum zugewandt. Es wurde beantragt, dem Bf internationalen Schutz zu gewähren und der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
9. Mit Beschluss des BVwG vom 26.09.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
10. Am 07.03.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt. Neben dem Bf wurde Herr XXXX als Zeuge vernommen.
11. Mit Eingabe vom 13.05.2019 wurde das Taufzeugnis der Pfarre St.Blasius in Salzburg vom 20.04.2019 vorgelegt.
12. Das Dokument wurde dem BFA zur Stellungnahme überlassen. Es hat mit 26.06.2019 angeführt, dass die Zuwendung zum christlichen Glauben durch den Bf schon während bzw. vor dem ersten Asylverfahrens erfolgt sei. Der Bf habe sich bereits im Herkunftsstaat ein Kreuz-Tattoo stechen lassen. Der Bf habe sich noch während des laufenden ersten Asylverfahrens ein weiteres Tattoo mit christlichem Motiv stechen lassen und sei sich der Konsequenzen im Falle einer Abweisung seines Asylantrages bewusst gewesen. Der Bf habe sich bereits zumindest 4 Monate vor Rechtskraft des ersten Asylverfahrens vom Islam abgewandt und dem christlichen Glauben zugewandt. All diese Punkte blieben trotz zahlreicher Möglichkeiten im ersten Asylverfahren dennoch vollkommen unerwähnt und wurden vom BF erst anlässlich des zweiten, ggst. Asylverfahrens vorgebracht. Mit dem nun vorgelegten Taufschein erfahre das im ersten Verfahren verschwiegene und im ggst. Asylverfahren erstmals erwähnte Vorbringen nun lediglich eine weitere Steigerung, die wohl einzig dem Ziel eines weiteren Verbleibs im Bundesgebiet diene.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zur Frage der Entscheidung nach § 68 AVG (res iudicata):
1.1 Feststellungen dazu:
Über den ersten Antrag auf internationalen Schutz war mit rechtskräftigem Erk des BVwG vom 23.05.2018 keine Folge gegeben worden.
Der Bf hat sich im Wesentlichen nach der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz mit ernsthafter innerer Überzeugung und mit nach außen hin in Erscheinung tretenden Verhaltensänderungen dem christlichen Glauben (katholische Kirche/ Personalprälatur Opus Dei) zugewandt. Er wurde - nach der Erstentscheidung des BVwG- von dieser Glaubensgemeinschaft aufgenommen und er wurde einer religiösen Erziehung unterzogen. Diese gipfelte in der Spende des Sakraments der Taufe zu Ostern 2019, vgl. Taufzeugnis.
Er hatte sich bereits vor der Entscheidung des BVwG vom 23.05.2018 für diese Kirche interessiert. Dieses Vorbringen wurde als nicht glaubhaft qualifiziert und daher der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.
Der Bf hat ab Februar 2018 an einem wöchentlichen Religionsunterricht teilgenommen und hat die Hl. Messe besucht. Diese Fakten sind im Sachverhalt der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG nicht angeführt.
Ab August 2018 hat er sich einer mehrere Monate dauernden laufenden Taufvorbereitung (vgl. Nachweise der Anwesenheit des Bf in Anwesenheitslisten, vgl. Beilagen zum Antrag) in der Pfarre St.Blasius und auch religiöser Glaubensfortbildung im Verein Juvavum unterzogen; er war in das Pfarrgemeindeleben in St.Blasius einbezogen. Das Bildungszentrum Juvavum ist eine Einrichtung der Personalprälatur der katholischen Kirche "Opus Dei", die eine intensive Hinwendung zur Glaubensgemeinschaft erwarten, vgl. https://opusdei.org/de.
1.2 Beweiswürdigung
1.2.1 Das BVwG hat zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0213; 24.5.2018, Ra 2018/19/0234; jeweils mwN). Dies ist im Ergebnis zu verneinen:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde, dem Akt des BFA und den ergänzenden Unterlagen, insbesondere die Beilagen 1-6 zur Niederschrift vom 07.03.2019 (NS) sowie dem Taufzeugnis vom 20.04.2019.
Dabei entspricht es im Hinblick auf Folgeanträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen hat, dem Asylrelevanz zukommt (vgl. z.B. Erk-VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0066, mwN).
Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen "glaubhaften Kern" aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. z.B. VwGH 18.12.2018, Ra 2018/18/0516).
Im gegenständlichen Fall ist aufgrund der Ermittlungsergebnisse des BVwG, insbesondere durch die Aussagen des Bf, aufgrund der Aussagen des Zeugen XXXX und der Dokumente die wesentliche Aussage, dass der Bf Christ geworden ist, glaubhaft:
Dem Zeugen XXXX , der den Bf seit einem längeren Zeitraum begleitet hat, ist eine hohe Glaubwürdigkeit zuzubilligen; das beruht auch darauf, dass der Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2019 gegenüber dem Gericht plausibel erklärte, dass ihm die Gefahr, dass ein Asylwerber sich der Kirche zuwende, um einen Nachfluchtgrund zu erfüllen, sehr wohl bewusst sei, dass daher geprüft werde und er beim Bf diese Möglichkeit nach seinem Ermessen ausschließe. Er hat dies auch gegenüber den kirchlichen Instanzen bezeugt und den Bf für die Taufe als reif erachtet.
Dass der Bf ins Geistliche Zentrum St.Blasius aufgenommen wurde (vgl. Bestätigung vom 06.08.2018, Beilage 4 zur Niederschrift vom 07.03.2019- kurz NS) und zur Teilnahme an Veranstaltungen des Bildungszentrums Juvavum zugelassen (vgl. Beilage 1 zur NS), ist davon auszugehen, dass seine Hinwendung zum Glauben geprüft wurde; die mit einem wesentlichen Kern, der glaubhaft ist, schon zum Zeitpunkt der Einbringung des Folgeantrages bestand.
Zusammengefasst und mit Bezugnahme auf die Begründung des Ersterkenntnisses des BVwG (vgl. vorne unter I.3) ist darauf zu verweisen, dass der Bf - als neue Tatsache - seine Konversion mittlerweile nach außen hin bezeugt und die Ernsthaftigkeit durch die entsprechenden Instanzen der Kirche bestätigt. Das Vorbringen im Folgeantrag weist einen glaubhaften Kern auf.
Zur Stellungnahme des BFA ist anzuführen, dass eine Tätowierung für sich keinen eindeutigen Rückschluss auf eine innere Hinwendung zu einem Glauben bedeutet, dessen Symbol sie darstellt. In diesem Sinne gesteht das BVwG den Tattoos des Bf wenig Beweiskraft zu.
Wann das bzw. die Tattoos angebracht wurden, kann dahingestellt bleiben.
2.1.2 Es ist nunmehr zu prüfen, ob es um eine relevante Sachverhaltsänderung - gegenüber dem rechtskräftigen Erkenntnis im ersten Verfahren vor dem BVwG handelt:
Wenn die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vorbringt, es seien im Folgeantrag keine neuen Gründen geltend gemacht worden, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens entstanden wären, ist dem entgegen zu halten, dass im Folgeverfahren neue Gründe vorgebracht wurden, die im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nur angedeutet wurden.
Auch die Verfolgungsbehauptung ist ein neues Vorbringen; es handelt sich nicht um den Ausbau des bereits im ersten Verfahren vorgebrachten, sondern um eine qualitativ neue Dimension: während im ersten Verfahren nur Zweifel am islamischen Glauben angedeutet wurden, hat sich nach der rechtskräftigen Entscheidung eine neue Seite der Persönlichkeit des Bf gebildet, d.h. die eines praktizierenden Christen.
Bei der Prüfung, ob sich ein dem rechtskräftig entschiedenen Bescheid zugrunde gelegter Sachverhalt maßgeblich geändert hat, ist vom Vorbescheid auszugehen, ohne dabei dessen sachliche Richtigkeit (nochmals) zu ergründen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 25 mwN). Es ist grundsätzlich von dem in der rechtkräftigen Entscheidung des BVwG festgestellten Sachverhalt auszugehen.
Nach diesem hat der Bf (nur) angegeben, keine Religion zu haben; dies wurde auch im Erk insofern gewertet als keine Verfolgungsgründe wegen seiner Religion festgestellt wurden. In der Beweiswürdigung wird das Vorbringen, dass er keine Religion habe und nicht an den Islam glaube als nicht asylrelevante Bedrohung gesehen, zumal nicht nachvollziehbar sei, wie Dritte herausfinden sollten, wie er über den Islam denke.
Während somit im rechtskräftigen Erkenntnis von nach innen bestehenden Zweifel am Islam ausgegangen wurde, war zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits in der Zwischenzeit eine sich stark nach außen zeigende Glaubenshinwendung des Bf zum katholischen Glauben festzustellen.
1.3 Rechtliche Würdigung
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
"Sache" des Spruchpunktes I dieses Erkenntnisses ist - in Bezug auf den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte.
Entgegen der Auffassung des BFA hat sich gegenüber dem Sachverhalt, auf dem die Erstentscheidung beruht, somit eine qualitative Änderung der Zuwendung des Bf zum christlichen Glauben ergeben, die entscheidungswesentlich ist. Abgesehen von den Tattoos, denen als äußerliches Zeichen keine entscheidende Bedeutung, zukommt, hat sich somit eine wesentliche Änderung ergeben.
Dass der Bf zeitlich vor der Erlassung mit der Pfarre St.Blasius Kontakt aufnahm, ändert nichts daran, dass die Neuerung nach dem rechtskräftigen Erkenntnis eingetreten ist, zumal der lose Kontakt und das Interesse an dem christlichen Glauben nicht mit einer innerlich wie äußerlich vollzogenen Konversion zu einer Glaubensgemeinschaft, die überprüft wurde (vgl. Regeln für die Erwachsenentaufe, unter II 2.2) und die in der Regel intensiv gelebt wird, (vgl. homepage Opus Dei) gleichzuhalten ist.
Im gegenständlichen Fall lag der für die Beurteilung des Status des Asylberechtigten wesentliche Sachverhalt vor der rechtskräftigen negativen Entscheidung des BVwG in der ausgeprägten Form nicht vor bzw. war nicht in das Erkenntnis aufgenommen worden.
Der glaubwürdige Kern des Vorbringens ist daher geeignet, eine neue Entscheidungspflicht in der Sache zu begründen.
Der Folgeantrag ist zulässig, weil sich eine wesentliche Änderung in der Sachlage ergeben hat, sodass die Rechtskraft des Erk vom 23.05.2018 einer neuerlichen Entscheidung nicht im Wege steht. Der geänderte Sachverhalt ist geeignet, eine neuerliche Entscheidungspflicht zu begründen.
2. Zur Entscheidung über den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz:
2.1. Feststellungen:
2.1.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer, der unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet eingereist ist, heißt XXXX ; er ist afghanischer Staatsbürger. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, Muttersprache Farsi. Er wurde im Iran geboren und lebte bis zu seiner Ausreise dort. Seine Familie lebt im Iran, er hat zu seinen Eltern keinen Kontakt, schon zur Schwester. Er hat 9 Jahre Schulbildung und hat als Hilfsarbeiter gearbeitet.
Er ist in Österreich zum Christentum (katholische Kirche) konvertiert. Er wurde am 20.04.2019 in der Pfarre St. Blasius getauft und gefirmt. Taufspender war Herr Dr. XXXX , Pfarrer von St.Blasius und als Taufpate stellte sich Herr Paul Martin XXXX zur Verfügung (ON 15 im Akt des BVwG). Zumindestens seit Februar 2018 hatte er Kontakt zur Pfarre, nahm am Gottesdienst teil (vgl. Beilage 2 zur NS). Am 06.08.2018 wurde er offiziell in Katechumenat aufgenommen (Beilage zur NS 4). Im Juli und August 2018 nahm er an der Sommerakademie des Bildungszentrums Juvavum" zur Vertiefung des Glaubens" teil. Das Bildungszentrum steht unter der Verantwortung der Personalprälatur der katholischen Kirche Opus Dei (vgl. oben und Aussage Zeuge in der NS).
Er hat weiters am Lehrgang "Nachholen des Pflichtschulabschlusses" des Vereines VIELE teilgenommen (1150 Stunden), vgl. Beilagen 3 und
6. Seit Oktober 2018 nimmt er regelmäßig am katholischen Glaubensunterricht "HOME" der Pfarre St.Blasius teil, vgl. Beilage
5.
Die Familie ist über seine Konversion informiert; die Eltern lehnen es ab, die Schwester nicht.
Die afghanische Community in Salzburg bzw. Österreich ist über seine Konversion informiert. Es ist davon auszugehen, dass diese Tatsache auch in Afghanistan bekannt werden würde, wenn sich der Bf mit der Hazara -Gemeinschaft zur Unterstützung in Verbindung setzen würde.
Der Bf hat am Hals ein Tattoo, laut Aussagen des Bf steht dort "only god kann judge me".
2.1.2 Zur Lage in Afghanistan
2.1.2.1 Auszug aus den UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018 (S. 66ff)
Die Verfassung sieht vor, dass Anhänger anderer Religionen als dem Islam "innerhalb der durch die Gesetze vorgegebenen Grenzen frei sind in der Ausübung und Erfüllung ihrer religiösen Rechte". Allerdings wird in der Verfassung auch festgestellt, dass der Islam die offizielle Religion des Staates ist und "kein Gesetz gegen die Lehren und Bestimmungen der heiligen Religion des Islam in Afghanistan verstoßen darf". Darüber hinaus sollen die Gerichte gemäß der Verfassung in Situationen, in denen weder die Verfassung noch andere Gesetze Vorgaben enthalten, der Hanafi-Rechtsprechung folgen, einer sunnitisch-islamischen Rechtslehre, die unter zwei Dritteln der muslimischen Welt verbreitet ist.368 Afghanische Juristen und Regierungsvertreter wurden dafür kritisiert, dass sie dem islamischen Recht Vorrang vor Afghanistans Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen in Situationen einräumen, in denen ein Widerspruch der Menschenrechtsabkommen in Situationen einräumen, in denen ein Widerspruch der verschiedenen Rechtsvorschriften vorliegt, insbesondere in Bezug auf die Rechte von afghanischen Staatsbürgern, die keine sunnitischen Muslime sind, und in Bezug auf die Rechte der Frauen.
Konversion vom Islam
Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund- und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten.
Bekehrungsversuche, um Personen zum Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion zu bewegen, sind Berichten zufolge laut der Hanafi Rechtslehre ebenfalls rechtswidrig und es stehen darauf dieselben Strafen wie für Apostasie. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können, so wird berichtet, selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. In der Regel haben Beschuldigte laut Berichten indes keinen Zugang zu einem Verteidiger oder zu anderen Verfahrensgarantien.
[...]
Andere Handlungen, die gegen die Scharia verstoßen
Neben den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von 2017, die die Beleidigung oder Verzerrung der religiösen Überzeugungen des Islams unter Strafe stellen, stützen sich afghanische Gerichte auch in Bezug auf Blasphemie auf islamisches Recht. Gemäß der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte stellt Blasphemie ein Kapitalverbrechen dar. Geistig zurechnungsfähige Männer über 18 Jahren und Frauen über
16 Jahren, die der Blasphemie bezichtigt werden, kann daher die Todesstrafe drohen. Wie auch bei Apostasie haben die Beschuldigten drei Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen, wobei es laut Berichten unter Scharia-Recht kein eindeutiges Verfahren für den Widerruf gibt.
Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).
2.1.2.2 Auszug aus dem Länderinformationsblatt: vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt mit letzte Kurzinformation eingefügt am 4.6.2019, Seite 160 ff (kurz LIB, S 317ff.)
Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei NichtMuslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die
Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht:
Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
2.1.2.3 Hazara (LIB, s. 329ff.)
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsäch dem schiitischen Islam an(mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016). Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban- Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017). So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in.
Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara -nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016). Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Ausführliche Informationen zu den Hazara, können ebenso dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
2. 2 Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG, insbesondere aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung samt Beilagen 1-6, vgl. oben.
Das BVwG erachtet das Vorbringen des BF zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat, das sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem BFA, aus den Ausführungen in der Beschwerde, den vorgelegten Beweismitteln, insbesondere den Angaben des Bf in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG ergibt, für glaubhaft; die Feststellungen zur Abkehr des Bf vom Islam und die Hinwendung zum Christentum ergeben sich aus ihren überzeugenden und glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Zusammenschau mit der Zeugenaussage., vgl. dazu die Beweiswürdigung unter I. 1.2.
Zusätzlich sei auf die Modalitäten eines Eintritts in die katholischen Kirche unter
https://www.katholisch.at/aktuelles/124945/weiterhin-hohe-zahl-an-katholischen-erwachsenentaufen hingewiesen:
"Die Taufvorbereitung für erwachsene Katechumenen dauert in der katholischen Kirche mindestens ein ganzes Jahr und ist sehr umfangreich: Zentrale Inhalte sind dabei die Bibel, die Sakramente und das Glaubensbekenntnis. Üblich ist auch, soweit möglich, die aktive Teilhabe am Pfarrleben. Nach rund einjähriger Vorbereitungszeit steht dann oft am Beginn der Fastenzeit die Taufzulassung durch den Ortsbischof. In der Karwoche wird schließlich in den Domkirchen das Chrisam- und Katechumenenöl geweiht und in die Pfarren gebracht, wo dann in der Osternacht die Taufe selbst stattfindet. Erwachsene erhalten dabei in der Regel alle drei Initiationssakramente - Taufe, Firmung und Erstkommunion - in einer Feier."
Diese umfangreiche Vorbereitung hat der Bf nach den mit diesen Ausführungen übereinstimmenden Aussagen des Zeugen XXXX durchlaufen.
Auch weiß die Familie der Beschwerdeführer über die Konversion ebenso Bescheid wie die afghanischen Kreise der Asylwerber und anderer Landsleute des Bf in Salzburg. Sowohl die Familie (außer der Schwester) als auch die Landsleute lehnen die Konversion vehement ab. Es ist daher davon auszugehen, dass seine Konversion- auch ohne sein Zutun- bei einer Rückkehr in die Hazara-community in einer Stadt in Afghanistan bekannt werden würde.
Dass der Glaubensabfall nur zum Schein erfolgt wäre, ist vor dem Hintergrund der Erhebungsergebnisse hinreichend auszuschließen. Entgegen der Auffassung des BFA sieht das BVwG in diesem Rechtsgang die Konversion nicht einzig wegen des Asylgrundes vollzogen an.
Das den getroffenen Feststellungen zugrundeliegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt.
Die ins Verfahren eingeführten und dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten länderkundliche Informationen (LIB, EASO-Bericht, UNHCR-Richtlinien, etc.), durchliefen einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat, sodass das Gericht seine Feststellungen und Erwägungen auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, den Bericht Leitfaden von EASO und die aktuellen UNHCR-Richtlinien stützt.
Schließlich wird auf die oben unter II.1.2 dargelegte Beweiswürdigung verwiesen.
4. Zur Zuerkennung jeweils des Status des Asylberechtigten an den Bf
4.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
4.2 Begründete Furcht liegt vor, wenn diese objektiv nachvollziehbar ist und sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation ebenfalls aus Konventionsgründen fürchten würde. Relevant ist eine Verfolgungsgefahr auch nur dann, wenn diese aktuell ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
4. 3 Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu seiner Konversion einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).
Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind. Ein in der Praxis häufiges Beispiel für sogenannte subjektive Nachfluchtgründe ist die im Zufluchtsstaat erfolgende Konversion zum Christentum insbesondere bei Asylwerbern aus islamischen Staaten. Auch wenn in einem solchen Fall der Nachweis einer (religiösen) Überzeugung, die bereits im Heimatstaat bestanden hat, nicht erbracht werden kann, drohen dem Antragsteller bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat gegebenenfalls Sanktionen, die von ihrer Intensität und ihrem Grund her an sich asylrelevant sind. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt in diesen Fällen nicht darauf ab, ob die entsprechende Überzeugung bereits im Heimatland bestanden hat. Vielmehr ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. dazu VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, mwN).
Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675; sowie VfSlg 19.837/2013, VfGH 13.03.2019, E3767/2018, vom 26.02.2018, E 3296/2017 sowie zuletzt vom 26.06.2019, E 1592/2019).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Begriff der Religion im Sinne der GFK ausgesprochen (VwGH 21.09.2000, Zl. 98/20/0557): "Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Menschenrechtspakte verkünden das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit; dieses Recht schreibt die Freiheit des Menschen, seine Religion zu wechseln, und die Freiheit, ihr öffentlich oder privat Ausdruck zu verleihen, mit ein. Ebenso das Recht, sie zu lehren und auszuüben, ihre Riten zu praktizieren und nach ihr zu leben (vgl. Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, S. 20). Nach Kälin (Grundriss, 93) betrifft religiöse Verfolgung Maßnahmen, welche eine Organisation gegen ihre Gegner bei Konflikten über die richtige Anschauung in Fragen des Verhältnisses des Menschen zu (einem) Gott ergreift. Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 4. März 1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" in Art 1 der FlKonv sei der Begriff der "Religion" in einem weiten Sinn aufzufassen und umfasse theistische, nichttheistische oder atheistische Glaubensüberzeugungen. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen könne danach auch dann vorliegen, wenn maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich keiner bestimmten Religion anschließe oder sich weigere, sich den mit einer Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen.
"Eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung liegt vor, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (vgl EuGH 5.9.2012, Y und Z, C-71/11 und C-99/11). Nichts Anderes kann gelten, wenn die "religiösen Betätigungen" darin liegen, den im Herkunftsstaat vorgeschriebenen Glauben nicht leben zu wollen, sondern sich - eben gerade durch das Unterlassen (erwarteter) religiöser Betätigungen - zu seiner Konfessionslosigkeit zu bekennen."
4.4 Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat beabsichtigt, seine Abwendung vom islamischen Dogmen und Hinwendung zum Christentum offen zu zeigen. Er ist dem christlichen Glauben verpflichtet und es ist vom Bf glaubhaft vermittelt worden, dass er die religiöse Praxis auch so in Afghanistan ausüben würde. Wie die Quellen belegen, ist ein solches Verhalten jedoch keinesfalls möglich, ohne dass sich der Beschwerdeführer Verfolgung aussetzen. Die vom Beschwerdeführer dargelegte Abkehr erweist sich vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als asylrelevant. Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist. Hinzu kommt, dass all dies bereits im Bekannten - und Verwandtschaftskreis bekannt wurde und auf Ablehnung stieß, sodass es maßgeblich wahrscheinlich ist, dass dem Bf bei einer Rückkehr Apostasie jedenfalls vorgeworfen werden würde.
Die religiöse Haltung des Bf im völligen Gegensatz zu den in Afghanistan vorherrschenden religiösen Zwängen und ist für Dritte erkennbar, da er diese durch seine Lebensführung, die jeweils ein wesentlicher Bestandteil der Identität geworden ist, nach außen getragen wird. Der Beschwerdeführer auch nicht zugemutet werden, diese immer für sich zu behalten und seine innere Einstellung dauerhaft zu verleugnen.
Daher ist von einer aktuellen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegenden Gefahr persönlich und konkret für ihn auszugehen. Laut den aktuellen Länderberichten ist der Islam in Afghanistan die Staatsreligion und nur Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben, wobei der politische Islam in Afghanistan die Oberhand behält. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Der islamische Klerus sowie viele Bürgerinnen und Bürger sehen die Abkehr vom Islam als Verstoß gegen die Grundsätze des Islam an. Konversion - als ein Akt des Abfalls vom Glauben und als ein Verbrechen gegen den Islam - ist mit Todesstrafe bedroht, wenn der Konvertit nicht widerruft.
Die Gefahr einer Verfolgung des Bf ist daher im vorliegenden Fall auf mehrfache Weise gegeben wie sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zeigt: Einerseits durch den afghanischen Staat und andererseits auch durch die einfache Bevölkerung, die von traditionell islamischen Vorstellungen geprägt ist; wobei insgesamt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen davon ausgegangen werden kann, dass der afghanische Staat nicht willens und in der Lage ist, die Beschwerdeführer entsprechend zu schützen.
Es ist nicht davon auszugehen, dass der afghanische Staat - sofern er nicht selbst wegen des Verstoßes gegen die Scharia bzw. wegen Apostasie verfolgt - in der Lage wäre, Personen, die von Seiten nichtstaatlicher Akteure bedroht werden, ausreichend Schutz zu gewähren. Der afghanische Staat ist nur sehr beschränkt in der Lage, die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung zu garantieren, die Zentralregierung verfügt nicht über das Machtmonopol, um die Bürger ausreichend zu schützen. Fallbezogen ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer angesichts des ihn treffenden Verfolgungsrisikos keinen ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einen in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich jenen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft. Im Fall des Bf liegt jeweils das oben dargestellte Verfolgungsrisiko unzweifelhaft in seiner Abkehr vom Islam begründet.
4.5 Innerstaatliche Fluchtalternative
Aufgrund des in ganz Afghanistans gültigen islamischen Rechts (Scharia) und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Intoleranz gegenüber Apostaten bzw. Konvertiten gegenüber, ist davon auszugehen, dass sich die oben dargelegte Situation für den
Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan gleichermaßen darstellt, weshalb keine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG 2005 für den Bf besteht.
Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner wohlbegründeten Furcht vor einer Verfolgung in Afghanistan, Asyl gewährt wird, erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit etwaigen weiteren asylrelevanten Aspekten in ihrem Vorbringen.
Da jeweils auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem Bf mäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Entscheidungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2176796.2.00