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E1E;Norm
11992E177 EGV Art177 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der A-GmbH in W, vertreten durch die Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft, Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 25. November 1997, Zl. MD-VfR-A 49/97, betreffend Aussetzung des Berufungsverfahrens (in einer Getränkesteuerangelegenheit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der belangten Behörde ist auf Grund der von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 4, Referat 7, vom 5. August 1997, Zl. MA 4/7-1462/96, erhobenen Berufung ein Verfahren (betreffend Getränkesteuer für die Jahre 1995 und 1996) anhängig, wobei die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, die Getränkesteuer weise wesentliche Merkmale einer Umsatzsteuer auf, weshalb sie gegen Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie verstoße.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung gemäß § 216 WAO aus, wobei sie sich in der Begründung auf das beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 97/16/0328 protokollierte Bescheidbeschwerdeverfahren bezog.
Zuvor hatte die belangte Behörde mit Note vom 2. Dezember 1997 die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das zitierte, beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren aufgefordert, allfällige Einwendungen gegen die Aussetzung des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen geltend zu machen. Dieser Vorhalt wurde den steuerlichen Vertretern der Beschwerdeführerin am 5. September 1997 zugestellt; eine Äußerung unterblieb.
Gegen den Aussetzungsbescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, daß keine Verfahrensaussetzung erfolgt, hilfsweise im Recht darauf, daß das Verfahren, dessentwegen ausgesetzt wird, im Spruch des Bescheides genannt wird und schließlich hilfsweise in ihrem Recht darauf, daß die Aussetzung nur bis zur Beendigung des von der Beschwerde sogenannten "Leading Case" erfolgt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 216 Abs. 1 WAO bestimmt (gleichlautend mit § 281 Abs. 1 BAO) folgendes:
"(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hierfür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen."
Beim Verwaltungsgerichtshof ist betreffend die Frage einer allfälligen Kollision des österreichischen Getränkesteuerrechtes mit dem Gemeinschaftsrecht eine Vielzahl von Verfahren anhängig, darunter einerseits die Beschwerdefälle Zlen. 97/16/0221, 0021, bzw. andererseits der Beschwerdefall Zl. 97/16/0328.
Während in den erstgenannten Beschwerdefällen mit hg. Beschluß vom 18. Dezember 1997 der Europäische Gerichtshof zum Zwecke einer Vorabentscheidung angerufen wurde (wobei zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich des der Beschwerdeführerin ohnehin bekannten Wortlautes der Fragestellung auf den zitierten hg. Beschluß verwiesen wird) hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die zur Zl. 97/16/0328 protokollierte Beschwerde unter Bezugnahme auf seinen Beschluß vom 18. Dezember 1997 mit Beschluß vom selben Tag Zl. 97/16/0328-4 gemäß § 62 Abs. 1 VwGG iVm § 38 AVG ausgesetzt.
Mit Rücksicht auf diese Sachlage sind alle positiven Tatbestandserfordernisse des § 216 Abs. 1 WAO für eine Aussetzung erfüllt und steht im vorliegenden Fall nur die Frage zur Entscheidung, ob der vorgenommenen Aussetzung überwiegende Interessen der Beschwerdeführerin entgegenstanden oder nicht.
Überwiegend Parteiinteressen, die einer Aussetzung entgegenstehen, sind nur solche, die sich im Einzelfall aus einem besonders gelagerten Sachverhalt ergeben (vgl. dazu das bei Ritz, BAO-Kommentar, unter Rz 11 zu § 281 BAO referierte hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 87/13/0101).
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde unter Einräumung einer angemessenen Frist Gelegenheit geboten, entsprechende Interessen zu konkretisieren, wovon die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch machte. Dazu kommt, daß auch die Beschwerdeschrift selbst nichts dahin vorbringt, daß die Beschwerdeführerin durch die Aussetzung daran gehindert worden wäre, in einer gegen den Bescheid der belangten Behörde zu erhebenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde Argumente vorzutragen, die den Verwaltungsgerichtshof veranlassen könnten, im Rahmen einer zusätzlichen Anfrage dem Europäischen Gerichtshof ergänzende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Selbst dann also, wenn die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gar keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hätte, fehlte es im vorliegenden Fall an einem konkret erkennbaren überwiegenden Interesse der Beschwerdeführerin an der Fortsetzung des Berufungsverfahrens (vgl. dazu Ritz, a.a.O. 20 und die dort angeführte hg. Judikatur).
Ein bloß abstraktes, allein in der gemeinschaftsrechtlichen Dimension des Falles begründetes Interesse steht einer Anwendung des § 216 Abs. 1 WAO ebensowenig entgegen wie das Argument der Beschwerde, die Aussetzung mindere die Chancen der Beschwerdeführerin, in den Genuß der allfälligen Auswirkungen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren zu kommen. Letzteres deshalb, weil in Ermangelung einer konkreten Darstellung von Argumenten, die im Falle einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu einer Ergänzung des Vorabentscheidungsverfahrens geführt hätten, davon auszugehen ist, daß der Verwaltungsgerichtshof den Fall der Beschwerdeführerin selbst ebenfalls bis zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes in den Beschwerdefällen Zlen. 97/16/0221, 0021, ausgesetzt hätte, womit dieser Fall gar nicht "Anlaßfall" eines Vorabentscheidungsverfahrens geworden wäre.
Was die Rüge betrifft, das hg. Beschwerdeverfahren Zl. 97/16/0328, dessentwegen die belangte Behörde ihr Berufungsverfahren aussetzte, hätte im Spruch des angefochtenen Bescheides konkret angeführt werden müssen, ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, daß dies nach der hg. Judikatur nicht erforderlich ist. Es genügt vielmehr, das Anlaßverfahren im Bescheid so deutlich anzuführen, daß es von der betroffenen Partei unmittelbar und ohne Zuhilfenahme der Berufungsbehörde individualisiert werden kann (vgl. dazu die bei Ritz, a.a.O. Rz. 19 zu § 281 BAO referierte hg. Judikatur). Das kann auch in der Bescheidbegründung des Aussetzungsbescheides geschehen und hat die belangte Behörde dieser Begründungspflicht entsprochen. Wird wegen eines anhängigen Verwaltungsgerichtshofverfahrens ausgesetzt, so ist die Angabe der Geschäftszahl des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend (Ritz, a.a.O. unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1989, Zl. 88/16/0193).
Insoweit schließlich die Beschwerdeführerin vermeint, dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung "nur" wegen des hg. Verfahrens Zl. 97/16/0328 ausgesetzt hat und nicht wegen des von der Beschwerde so bezeichneten "Leading Case" Zlen. 97/16/0221, 0021, ist auf folgendes zu verweisen:
Abgesehen davon, daß dem Begriff "Leading Case" jeder normative Inhalt fehlt und sich aus § 216 Abs. 1 WAO kein subjektives Recht darauf ergibt, daß dann, wenn mehrere Anlaßverfahren vorliegen, nur wegen eines bestimmt qualifizierten Anlaßverfahrens ausgesetzt werden darf, fehlte den hg. Beschwerdefällen Zlen. 97/16/0221, 0021, zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides jenes besondere Element, welches sie in den Augen der Beschwerdeführerin zum "Leading Case" macht, weil der hg. Beschluß zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides gefaßt wurde.
Dazu kommt, daß das hg. Verfahren Zl. 97/16/0328 selbst bis zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes ausgesetzt wurde und sofort nach Vorliegen der Vorabentscheidung aus verfahrensökonomischen Gründen selbstverständlich zusammen mit den Beschwerdefällen Zlen. 97/16/0221, 0021, auf Basis der Rechtsmeinung des Europäischen Gerichtshofes einer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof zugeführt werden wird, sodaß auch unter dem Aspekt eines Verzögerungsnachteiles ein besonderes Interesse der Beschwerdeführerin, das einer Aussetzung entgegenstünde, nicht erblickt werden kann.
Eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin dadurch, daß die belangte Behörde gerade nur wegen des hg. Verfahrens Zl. 97/16/0328 die Aussetzung verfügte und nicht wegen eines der anderen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen einschlägigen Verfahrens, liegt daher nicht vor.
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. August 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998160025.X00Im RIS seit
20.11.2000