Entscheidungsdatum
21.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G306 2209052-1/7E
Schriftliche Ausfertigung des am 25.06.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA.: Serbien, vertreten durch RA Dr. Astrid WAGNER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2019, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als das Aufenthaltsverbot auf 2 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Aufgrund des Ersuchens der Magistratsabteilung 35 (MA35) der Stadt XXXX - Verdacht der Aufenthaltsehe - führte die Landespolizeidirektion XXXX, Abteilung für Fremdenpolizei und Anhaltevollzug, Erheben an der Wohnadresse des Beschwerdeführers (BF) durch. Ein Bericht darüber, wurde an die MA35 erstattet. Gleichzeitig wurde der BF sowie seine damalige Gattin der Staatsanwaltschaft XXXX aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe, zur Anzeige gebracht. Aufgrund dessen, dass die Ehe in Serbien geschlossen wurde, stellte die Staatsanwaltschaft die weiteren Ermittlungen ein. Mit Schreiben der MA35 an die Landespolizeidirektion XXXX (Referat Fremdenpolizei), vom 01.03.2018, wurde diese gemäß § 37 Abs. 4 NAG über den Sachverhalt verständigt.
Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.08.2018 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, Stellung zu nehmen. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde eine Frist von 14 Tagen, ab Zustellung, eingeräumt. Mit Schreiben vom 28.08.2018 wurde dazu Stellung genommen und gleichzeitig die Vollmacht der ausgewiesenen Rechtsvertreterin zur Vorlage gebracht.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen; gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die nunmehrige Beschwerde mit dem Antrag den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Der Beschwerde wurde auch ein Neuropsychiatisches Gutachten beigelegt.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 08.11.2018 einlangte.
Am 25.06.2019 fand an der Außenstelle des BVwG Graz eine mündliche Verhandlung statt an der der BF persönlich sowie die RV an der Verhandlung teilnahm. Eine Vertretung der belangten Behörde war trotz Landung nicht anwesend. Am Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
Mit Eingabe vom 03.07.2019 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des bereits mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Der Beschwerdeführer (BF), ein serbischer Staatsangehöriger, hält sich seit dem 20.04.2015 durchgängig im österreichischen Bundesgebiet auf. Zuvor hielt sich der BF seit dem Jahr 2012 immer wieder - im erlaubten Zeitraum - im österreichischen Bundesgebiet auf.
Der BF ehelichte am XXXX.2015 in Serbien, eine namentlich bekannte österreichische Staatsbürgerin (Staatsbürgerschaft seit 21.04.2006). Diese Ehe wurde im Juni 2017 einvernehmlich geschieden. Der BF geht im Bundesgebiet seit dem 04.07.2017 einer Beschäftigung nach.
Der BF hatte von XXXX.2015 - XXXX.2016 sowie aufgrund der Verlängerungsanträge bis zum XXXX.2018 einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger". Am XXXX.2017 stellte der BF einen Zweckänderungsantrag, über welchen offensichtlich noch nicht entschieden wurde.
Der BF als auch seine damalige Gattin wurden am XXXX.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen und gaben beide die Aufenthaltsehe zu.
Im Bundesgebiet hat der BF keine Familienangehörige bzw. machte er darüber keine Angaben. In Serbien leben weiter hin die nächsten Verwandten sowie die leiblichen Kinder des BF.
Der BF ist im Bundesgebiet unbescholten.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und des Gerichtsakts des BVwG in Zusammenschau mit dem Beschwerdevorbringen.
Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen, familiären und finanziellen Verhältnissen, der Eheschließung sowie der erfolgten Scheidung, beruhen auf den entsprechenden Angaben in diversen Stellungnahmen sowie Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellung, dass sich die BF seit April 2015 kontinuierlich in Österreich aufhält, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung und beruht die Feststellung der Wohnsitzmeldungen aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die Erwerbstätigkeit ergibt sich aus einem aktuellen Sozialversicherungsauszug.
Die Feststellung, dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, beruht darauf, dass er im gesamten Verfahren nichts Gegenteiliges behauptete und einer Beschäftigung nachgeht. Auch das in der Beschwerde beigelegte Neuropsychiatrisches Gutachten zeigt nichts Anderes auf.
Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, dass der BF als auch seine Gattin bei der Einvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Druck gesetzt worden wären und er/sie nur deshalb die Aufenthaltsehe zugegeben hätte, wird kein Glaube geschenkt und als Schutzbehauptung gewertet. Auch das vorgelegte Neuropsychiatrisches Gutachten kann nichts gegenteiliges vorbringen, beinhaltet es nur den bisherigen Lebenslauf des BF und des damit einhergehenden Obrigkeitsdenken gegen über der Polizei, welches damit begründet wird, dass der BF in Ex-Jugoslawien aufgewachsen sei. Der BF gab auch an, dass er ein ängstlicher Mensch, eben ein einfacher Bauer sei. In der mündlichen Verhandlung konnte dieser Eindruck keinesfalls gewonnen werden.
Die belangte Behörde wiederum hat das Vorbringen des BF sowie die in Vorlage gebrachten Beweismittel ihrerseits beweisgewürdigt und ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Ein vom BF behauptete Fehlentscheidung seitens der belangten Behörde - was die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anbelangt - kann nicht erkannt werden.
Eine allfällige Änderung der Sachlage oder einen von der belangten Behörde nicht erhobenen Sachverhalt brachte der BF selbst in der gegenständlichen mündlichen Verhandlung nicht vor und ließ darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Die entsprechenden Bestimmungen des FPG hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes lauten wie folgt:
"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise."
"§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn
1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Beschwerde des BF zwar nicht begründet und daher abzuweisen, jedoch einer Reduktion der Dauer zugänglich war.
Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)
Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).
Der Umstand, dass sich der Fremde auf eine Ehe zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels berufen hat, obwohl ein gemeinsames Familienleben nicht geführt wird, stellt infolge des miteinander - auf Grund der gebotenen Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben - in inhaltlichem Zusammenhang stehenden Gefährdungsmaßstabes des § 86 Abs 1 FrPolG 2005 und des § 55 Abs 1 NAG 2005 grundsätzlich auch eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung iSd § 55 Abs 1 NAG 2005 dar, sodass das Bestehen eines Niederlassungsrechtes nach § 54 NAG 2005 im Falle einer Scheinehe jedenfalls von vornherein nicht gegeben ist.
Das Eingehen und Bestehen einer Aufenthaltsehe zwischen dem BF und seiner Gattin begründet demnach die Annahme, dass durch sein Verhalten eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, sodass dem BF das Aufenthaltsrecht iSd § 54 NAG nicht zukommt und er ausgewiesen werden kann.
§ 9 BFA normiert, dass, wenn durch eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Der BF machte keinerlei Angaben, dass er im Bundesgebiet über verwandtschaftliche bzw. familiäre Verhältnisse verfügt. Der Lebensmittelpunkt des BF war zumindest bis zum Jahr 2015 sein Heimatland Serbien. Seine nächsten Verwandten leben dort. Auch die leiblichen Kinder des BF halten sich in Serbien auf. Durch das Aufenthaltsverbot ist daher kein Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF erkennbar.
Nichtsdestotrotz ist auch im Fall des BF eine Einzelfallbetrachtung iSd § 67 Abs. 1 und 2 FPG anzustellen, in deren Zuge auch, unter Beachtung der in Abs. 3 genannten Tatbestände, ein Blick auf das verletzte Rechtsgut zu werfen ist, die die Verhängung eines fünfjährigen Aufenthaltsverbots rechtfertigen.
Hält man sich vor Augen, dass der BF gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit - durch Eingehen der Scheinehe - verstoßen hat und er auch jedenfalls eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, muss erkannt werden, dass der BF im Bundesgebiet bisher in keiner Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Der BF ist im Bundesgebiet unbescholten, ging einer geregelten Erwerbstätigkeit nach und nahm keine staatliche Unterstützung in Anspruch.
Auch wenn der BF versuchte sein bzw. das Eingestehen der Aufenthaltsehe durch seine Gattin, dadurch zu revidieren, in dem er vermeinte, sie seien von der Polizei unter Druck gesetzt bzw. sogar zum Geständnis gezwungen worden, ist zu erkennen, dass der BF in der mündlichen Verhandlung einsah, dass diese Schutzbehauptungen keinen Sinn haben. Dies wurde auch dadurch bestätigt, dass der BF, als auch seine RV das mündlich verkündete Erkenntnis akzeptierten, da ihrerseits kein Antrag zur schriftlichen Ausfertigung beim ho Gericht einlangte.
Die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von 5 Jahren erweist sich sohin als nicht geboten. Dem erkennenden Gericht erscheint ein Zeitraum von 2 Jahre als ausreichend und wird man danach (bei einem Wohlverhalten) nicht mehr von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, welche vom BF ausgehe, sprechen können.
Der mit "Ausreisepflicht und Durchsetzungsaufschub" betitelte § 70 FPG lautet wie folgt:
"§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn
1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet."
Vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass diese einen Durchsetzungsaufschub von 1 Monat gewährt hat.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsehe, Aufenthaltsverbot, Herabsetzung, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2209052.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020