TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/13 G310 2224861-1

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G310 2224861-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch Dr. Alexander PHILIPP, Rechtsanwalt, gegen Spruchpunkt V. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt V. des angefochtenen

Bescheids wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Anlässlich einer am XXXX09.2019 in XXXX erfolgten Personskontrolle wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer (BF) zuletzt am 08.01.2019 in den Schengen-Raum eingereist war.

Am 30.09.2019 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes einvernommen und legte einen Firmenbuchauszug sowie eine Saldenliste per XXXX05.2019 bezüglich der XXXXKG vor

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde damit begründet, dass gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich sei. Er halte sich illegal in Österreich auf, verfüge über keine Barmittel und gehe einer illegalen Erwerbstätigkeit nach. Sein Verbleib in Österreich stelle eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots wurde vom BFA ausgeführt, dass der BF über keine ausreichenden Geldbeträge verfüge bzw. würden diese aus illegalen Quellen stammen. Der BF habe angegeben, Inhaber einer Firma zu sein und an sich selbst EUR 1.800,00 zu überweisen. Offiziell sei die Firma jedoch auf eine andere Person angemeldet. Er erfülle den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG und stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte V. und VI. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, die angefochtenen Spruchpunkte zu beheben und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei. Der BF habe anlässlich seiner Einvernahme zu Protokoll gegeben, Kommanditist der XXXXKG zu sein. Als Gewinnbeteiligung erhalte er monatlich EUR 1.800,00. Darüber hinaus verfüge er über ein Girokonto in Österreich, zu welchem er mittels Bankomatkarte jederzeit Zugriff habe. Die Ausführungen in der Niederschrift, wonach er lediglich über EUR 100,00 verfüge, habe sich auf das mitgeführte Bargeld bezogen. Vorgelegt wurden unter anderem ein Kontoauszug, ein Firmenbuchauszug und der Gesellschaftsvertrag.

Am XXXX10.2019 reiste der BF freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 30.10.2019 einlangten.

Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger, lebt in einer Lebensgemeinschaft und hat drei Kinder. Er ist Doppelstaatsbürger und besitzt sowohl die bosnische als auch die serbische Staatsbürgerschaft. Er lebt mit seiner Familie in Serbien, ein Sohn studiert in Bosnien. Seine Frau geht in Serbien einer Arbeit nach und unterstützt auch der BF seine Familie finanziell. In Österreich leben keine Angehörigen des BF. Seine Muttersprache ist Serbisch. Deutschkenntnisse können nicht festgestellt werden.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Er verfügt über keine österreichische Aufenthaltsgenehmigung, hat auch noch nie einen diesbezüglichen Antrag gestellt. Seit XXXX07.2017 weist er eine Hauptwohnsitzmeldung in Wien auf. Eine Abmeldung ist seit seiner Ausreise am XXXX10.2019 noch nicht erfolgt. An dieser Adresse war er bereits von 23.09.2014 bis 16.02.2015, 04.05.2015 bis 06.08.2015 und von 26.08.2015 bis 14.12.2015 mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der BF ist Kommanditist der XXXX KG, eingetragen ins Firmenbuch am XXXX01.2018, gegründet mit Gesellschaftsvertrag vom XXXX01.2018. Die KG wies laut Saldenliste per 06.05.2019 für März einen Gewinn von EUR 7.547,44 auf. Der Kontoübersicht des BF ist zu entnehmen, dass er für den Zeitraum von 04.06.2019 bis 08.10.2019 regelmäßig Überweisungen von der KG erhielt, nie ein Minus aufwies und zuletzt über ein Guthaben von EUR 900,26 verfügte. Eine Pflichtversicherung nach dem GSVG liegt vor

Zuvor ging er von 27.11.2013 bis 02.12.2013, von 01.07.2016 bis 05.08.2016 und von 27.09.2016 und 31.10.2016 einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Identität des BF wird durch seinen dem BVwG in Kopie vorliegenden Reisepass belegt, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht. Die Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft naheliegend und war eine Verständigung mit der vom BFA beigezogenen Dolmetscherin für diese Sprache problemlos möglich war. Aufgrund der Angaben des BF in der Einvernahme konnte das in Serbien bestehende Familienleben festgestellt werden. Daraus sowie auch aus den vom BF vorgelegten Unterlagen ergibt sich seine finanzielle Situation und, dass er seit Jänner 2018 Kommanditist der XXXX KG ist.

Die Feststellungen hinsichtlich der gerichtlichen Unbescholtenheit, des Fehlens eines Aufenthaltstitels und der bisherigen einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Straf- bzw. Fremdenregister und dem Sozialversicherungsdatenauszug .

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erhoben wurde und diese somit bereits rechtskräftig ist, kommt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht in Betracht.

Zu Spruchteil B):

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an einen Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH Ra 2016/21/0289).

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).

Das BFA kam zu dem Schluss, dass der BF aufgrund seiner Mittellosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, die eine Erlassung eines Einreiseverbotes erforderlich mache, ohne eine auf sein konkretes Verhalten abstellende Gefährdungsprognose anzustellen. So blieb unberücksichtigt, dass es durch den Aufenthalt des BF weder zu einer finanziellen Belastung für eine Gebietskörperschaft noch zu einer unrechtmäßigen Mittelbeschaffung durch den BF gekommen ist.

Das BFA stützte das Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, unterließ es jedoch die vom BF getätigten Angaben zusammen mit den vorgelegten Unterlagen entsprechend zu überprüfen. Von dem BF geht trotz der Überschreitung der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer und der Missachtung melderechtlicher Vorschriften keine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus. Angesichts seiner Unbescholtenheit und des Umstands, dass er über ausreichende Unterhaltsmittel verfügte, sich kooperativ verhielt und freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehrte, liegt noch eine relativ geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung vor. Da sich die mit Mittellosigkeit allgemein verbundenen Gefahren der Beschaffung von Unterhaltsmitteln aus illegalen Quellen und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft bis zur Ausreise des BF nicht verwirklicht haben, kann von der Erlassung eines Einreiseverbots abgesehen werden.

Obwohl dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften eine erhebliche Bedeutung zukommt, hat der BF durch sein Fehlverhalten die öffentliche Ordnung im Ergebnis nicht so gravierend beeinträchtigt, dass ein Einreiseverbot verhängt werden muss. Daher ist Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG. Davon ist keine weitere Klärung dieser Angelegenheit zu erwarten, zumal auch bei einem positiven Eindruck von ihm bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Reduktion oder gar ein Entfall des Einreiseverbots möglich wäre.

Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessenabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der Entscheidung,
Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2224861.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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