TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/20 97/16/0387

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Veröffentlicht am 20.08.1998
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Index

32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
34 Monopole;

Norm

GebG 1957 §33 TP17 Z7 litb;
GSpG 1989 §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der C GmbH in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien I, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. August 1997, Zl. GA 9-368/58/97, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1995, Zl. 95/16/0047, verwiesen. Damit wurde der belangten Behörde für das fortzusetzende Verfahren insbesondere hinsichtlich des zur Entscheidung stehenden Kartenspieles "Seven Card Stud Poker" (im folgenden Kurz: Poker) aufgetragen, sich mit den Ergebnissen des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Sachverständigengutachtens auseinanderzusetzen und diesem Gutachten gegebenenfalls auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.

Die belangte Behörde holte in diesem Sinn das Gutachten des ao. UnivProf. Dr. Wilfried Grossmann ein und brachte dieses Gutachten der Beschwerdeführerin zur Kenntnis.

Daraufhin übermittelte die Beschwerdeführerin dazu eine Stellungnahme und einen Nachtrag (addendum) "zu den beiden im Verfahren erstatteten Gutachten", wobei der angefochtene Bescheid diesbezüglich ausführt: "Dieser Nachtrag wurde von den Gutachtern beider Gutachten gemeinsam erstellt."

Aus dem in den Verwaltungsakten unter Ozl. 649 erliegenden Nachtrag ergibt sich, daß er von den (beiden holländischen) Gutachtern der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem von der belangten Behörde beigezogenen Gutachter erstattet wurde.

Auf dieser Grundlage traf die belangte Behörde u.a. die folgenden Feststellungen:

Nach dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten steht das Kartenspiel "Schnapsen" etwa in der Mitte zwischen reinen Glücksspielen und reinen Geschicklichkeitsspielen, Poker wiederum in der Mitte zwischen Schnapsen und Schach, Dame etc., also den reinen Geschicklichkeitsspielen.

Nach der von allen Gutachtern gemeinsam erstatteten abschließenden Aussage wurde "auf Grund der Komplexität von Kartenspielen wie Poker und Schnapsen eine explizite qualitative und quantitative Analyse bislang noch nicht zu Ende geführt".

In Würdigung der eingeholten Gutachten gelangte die Behörde mit folgender Argumentation zu dem Schluß, daß betreffend Poker die Zufallskomponente ausschlaggebend sei:

"Die Geschicklichkeitskomponente des Spiels ist allein auf das Setzen verlagert. Nur in den Einsatzrunden kann der Spieler mit seiner Geschicklichkeit das Spiel beeinflussen. Er hat hier die Möglichkeit durch Setzen, Lizitieren, seinen -möglichen- Gewinn der Höhe nach zu beeinflussen; er hat die Möglichkeit durch Bluffen seine Mitspieler dahin zu bringen, entweder gleichfalls ihren Einsatz zu erhöhen, sodaß er als möglicher Gewinner einen höheren Gewinn erhält; er hat auch die Möglichkeit durch Bluffen einen Mitspieler dazu zu bringen, vorzeitig das Spiel zu verlassen; und er hat schließlich selbst die Möglichkeit bei einem schlechten Blatt seinen Verlust dadurch einzugrenzen, daß er das Spiel verläßt. All diese Möglichkeiten sind jedoch nur geeignet, die Höhe des Gewinnes oder Verlustes zu beeinflussen, jedoch niemals den Spielausgang selbst. Selbst wenn ein versierter Spieler durch Bluffen (z.B. hohes Setzen bei schlechtem Blatt) einen anderen dazu bewegt, das Spiel zu verlassen, ist damit nicht sichergestellt, daß er das Spiel auch dann gewinnt. Denn die letzte Karte, die bis zum Showdown verdeckt bleibt, entscheidet das Spiel. Die Behauptung in der Berufung, daß bei Poker 'auf Grund der empirischen Werte derjenige letztendlich den Pot gewinnt, der die richtige winning strategy hat' entbehrt sohin jeder Richtigkeit."

Davon ausgehend stufte die belangte Behörde sowohl das Spiel Poker als auch die beiden anderen in Rede stehenden Spiele (nämlich "Concord

Aces" und "Lucky 9") als Glücksspiele ein und fällte im zweiten Rechtsgang folgenden Spruch:

"1) Die Berufungen gegen die Bescheide vom 26. Jänner 1994 und 21. Februar 1994 werden als unbegründet abgewiesen.

2) Die Berufungen gegen die Bescheide vom 19. Mai, 31. Mai und 29. Juni 1994 werden hinsichtlich der Festsetzung der Rechtsgebühr unbegründet abgewiesen, die Anforderung einer Gebührenerhöhung wird jeweils aufgehoben.

3) Über die Berufung gegen den Bescheid vom 20. September 1994 wird dahin entschieden, daß die Gewinstgebühr auf S 89.255.393,-- reduziert wird, d.h. die Gewinstgebühr für Pai-Gwo-Poker in Höhe von

S 60.000,-- und die Gebührenerhöhung von S 8.925.539,-- wird aufgehoben, im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

4) Über die Berufung gegen den Bescheid vom 25. Oktober 1994 wird dahin entschieden, daß die Gewinstgebühr auf S 145.285.144,-- reduziert wird, d.h. die Gewinstgebühr für Pai-Gow-Poker in der Höhe von S 26.625,-- und die Gebührenerhöhung von S 14.531.176,-- wird aufgehoben, im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Dazu legte die belangte Behörde unter Punkt III der Begründung ihres Bescheides die im Schätzungsweg ermittelte Bemessungsgrundlage im einzelnen dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich u.a. in ihrem Recht auf Gebührenfreiheit verletzt, wobei sie in erster Linie die Auffassung vertritt, die von ihr veranstalteten bzw. organisierten Spiele fielen nicht unter den Begriff "Glücksspiele" nach § 33 TP 17 Z. 7 lit. b GebG iVm § 1 Abs. 1 GSpG.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und verwies auf die an den Verfassungsgerichtshof (zur Zl. B 2443/97) vorgelegten Verwaltungsakten, in welche in kurzem Weg Einsicht genommen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Verfahrensgegenständlich sind Zeiträume vom 1.1.1994 bis 31.7.1994.

Zentrales Problem des vorliegenden Beschwerdefalles ist die Klärung der Frage, ob die in Rede stehenden Spiele, insbesondere das Spiel Poker überhaupt unter den Begriff der Glücksspiele iS der oben zitierten Vorschriften zu subsumieren sind. Erst im Falle der Bejahung dieser Frage wird sich die weitere Frage stellen, ob bezogen auf den Zeitraum 1.1.1994 bis 31.7.1994 der von der Beschwerdeführerin ebenfalls ins Treffen geführte Konflikt des § 33 TP 17 Z. 7 lit. b GebG mit der durch den EWR-Vertrag für Österreich ab 1.1.1994 geschaffenen Rechtslage besteht.

Hinsichtlich der Frage, ob es sich beim Spiel Poker überhaupt um ein Glücksspiel handelt, besteht auf Grund der Ergebnisse des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens noch immer keine verläßliche Entscheidungsgrundlage.

Auszugehen ist nämlich davon, daß auch der von der belangten Behörde beigezogener Gutachter (im gemeinsam mit den Gutachtern der Beschwerdeführerin erstellten "Nachtrag") zu dem Ergebnis gelangte, daß die -für eine definitive Beurteilung- erforderliche qualitative und quantitative Analyse bislang noch nicht zu Ende geführt wurde. Dies bedeutet aber, daß die Angelegenheit sachverhaltsmäßig noch nicht bis zur Spruchreife gediehen ist.

Dazu kommt, daß die von der belangten Behörde angestellte Schlußfolgerung bereits einer logischen Prüfung nicht standhalten kann. Insofern nämlich die belangte Behörde meint, das Bluffen eines Pokerspielers sei äußersten Falles geeignet, die Höhe seines Gewinnes (oder Verlustes) zu beeinflussen, nicht jedoch den Spielausgang selbst, übersieht die belangte Behörde, daß in jeder Spielerzusammensetzung (insbesondere aber dann, wenn nur zwei Personen am Spiel teilnehmen) immer auch der Fall denkbar ist, daß ein geschickt bluffender Spieler alle anderen (bzw. den anderen) Spieler dazu bewegt, das Spiel zu verlassen, womit für den Bluffer auf Grund seines Geschickes der Spielgewinn gesichert ist, auch wenn die letzte Karte nicht aufgedeckt wird.

Daraus folgt, daß im Beschwerdefall der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt noch einer Ergänzung bedarf, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war, ohne daß es eines Eingehens auf die übrigen Beschwerdeargumente bedurfte.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 20. August 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997160387.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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