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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
EMRK Art6 Abs1 / VerfahrensgarantienLeitsatz
Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren durch Absehen von einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Öffnungszeitengesetz für den Verkauf von – einer Ausnahmebestimmung unterliegenden – WarenRechtssatz
§44 VwGVG ist im Lichte des Art6 EMRK (Verletzung der Verfahrensgarantien bei Fällung eines Schuldspruchs ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sofern keine Gründe für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung vorliegen) auszulegen, der den Prüfungsmaßstab für den VfGH bildet. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen. Dem entspricht es, wenn der EGMR bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann.
Die Beschwerdeführerin beantragte gleichzeitig mit der Erhebung der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem LVwG, um insbesondere zu klären, ob bzw inwiefern zum angegebenen Zeitpunkt in der überprüften Filiale Waren verkauft wurden, die nicht unter die Ausnahmebestimmung des §111 Abs4 Z4 GewO 1994 fallen. Wie dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, blieb diese entscheidungserhebliche Frage zum Sachverhalt ungeklärt. Das LVwG sah von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die vergleichsweise geringe Höhe der von der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde verhängten Geldstrafe ist dabei ohne Belang.
Entscheidungstexte
Schlagworte
fair trial, Parteiengehör, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Verhandlung mündlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E2786.2019Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020