TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/20 97/16/0185

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Veröffentlicht am 20.08.1998
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Index

27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §213;
GEG §9 Abs2;
GGG 1984;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des NZ in W, vertreten durch Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in Wien XII, Wilhelmstraße 54, gegen die Bescheide des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Jänner 1997, Zl. Jv 50065-33a/97, vom 3. Februar 1997, Zl. Jv 50094-33a/97, und vom 10. Februar 1997, Zl. Jv 50109-33a/97, jeweils betreffend Nachlaß von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit einem Zahlungsauftrag des Bezirksgerichtes Hietzing vom 14. Jänner 1997 wurden dem Beschwerdeführer in einer Pflegschaftssache Gerichtsgebühren in Höhe von S 6.412,-- vorgeschrieben.

In einer als "Einspruch" bezeichneten Eingabe verwies der Beschwerdeführer auf den Umstand, daß sein (monatliches) Verdienst lediglich S 6.140,-- betrage; seine Unterhaltsleistungen für zwei Kinder betrügen monatlich S 4.000,--. Der Rückstand an Unterhaltsleistungen mache S 56.000,-- aus.

Die belangte Behörde behandelte die Eingabe als Nachlaßgesuch und wies das Gesuch mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 1997 ab. In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, in Anbetracht des Einkommens von monatlich netto S 6.139,95 und dem Vermögenswert eines Personenkraftwagens der Marke Ford Transit Baujahr 1991 könne die Einbringung des Gebührenbetrages von S 6.412,-- nicht als besonderer Härtefall qualifiziert werden. Daran änderten auch die Unterhaltsverpflichtungen und die behaupteten Schulden nichts.

Mit einem Zahlungsauftrag des Bezirksgerichtes Mödling vom 25. Juli 1996 wurde dem Beschwerdeführer in einer Einbringungssache Gerichtsgebühren in Höhe von S 630,-- vorgeschrieben. Nach der vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien ergangenen Bewilligung der Fahrnisexekution vom 21. Jänner 1997 betrug die vollstreckbare Forderung in diesem Verfahren (einschließlich von Gerichtskosten in Höhe von S 210,--) S 840,--.

Auch hinsichtlich dieser Schuldigkeit brachte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine Einkommensverhältnisse und seine Sorgepflichten einen "Einspruch" ein, den die belangte Behörde als Nachlaßgesuch behandelte und mit dem zweitangefochtenen Bescheid von 3. Februar 1997 abwies. Die Begründung glich im wesentlichen der des erstangefochtenen Bescheides.

Mit einem Zahlungsauftrag des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. Jänner 1997 wurden dem Beschwerdeführer Gerichtsgebühren im Betrag von S 430,-- vorgeschrieben. Mit dem drittangefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Februar 1997 wurde dem Antrag, diesen Gebührenbetrag von S 430,-- nachzulassen, keine Folge gegeben; die Begründung dieses Bescheides glich ebenfalls der des erstangefochtenen Bescheides.

In der gegen diese Bescheide gemeinsam erhobenen Beschwerde erachtete sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß die belangte Behörde nicht alle einzubringenden Beträge gemeinsam zur Beurteilung der besonderen Härte herangezogen und daß die belangte Behörde den Begriff "besondere Härte" gesetzwidrig und zum Nachteil des Beschwerdeführers interpretiert habe.

Die belangte Behörde verfaßte eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat entschieden:

Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Auffassung, die belangte Behörde hätte die in Rede stehenden Anträge um Gebührennachlaß zusammenfassen und darüber gemeinsam entscheiden müssen. Damit ist der Beschwerdeführer aber nicht im Recht: Die angeführten Gebührenschuldigkeiten haben ihre Ursache in jeweils verschiedenen gerichtlichen Verfahren. Anders als etwa die Bundesabgabenordnung hinsichtlich der Erhebung der dort geregelten Abgaben kennen die Bestimmungen über die Gerichtsgebühren und -kosten keine Kumulierung der Verrechnung verschiedenartiger Schuldigkeiten. Der Beschwerdeführer hat eine solche Kumulierung der beschwerdegegenständlichen Gebührenschuldigkeiten nicht beantragt. Die belangte Behörde war damit nicht verpflichtet, über die ihr vorliegenden (nur schwer verständlichen) Anträge in einem gemeinsamen Bescheid zu entscheiden.

Im übrigen hat die belangte Behörde aber in den Beschwerdefällen übersehen, daß eine besondere Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG darin gelegen ist, wenn durch die Eintreibung der gesetzlich festgesetzten Gerichtsgebühren der notwendige Unterhalt gefährdet wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1996, Zl. 93/17/0265, und vom 26. Juni 1997, Zl. 97/16/0192). Insbesondere wird dabei auf die Gefährdung des notwendigen Unterhaltes des Gebührenschuldners selbst, aber auch derjenigen Personen, für deren Unterhalt er aufzukommen verpflichtet ist, abzustellen sein. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer nach der in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellung des Sachverhaltes jedenfalls nach Abzug der von ihm zu leistenden Unterhaltsbeträge nur ein solcher Einkommensbetrag verbleibt, der die Bestreitung des notwendigen Unterhaltes nicht gewährleisten kann. Dem Umstand, daß der Beschwerdeführer über ein viele Jahre altes Kraftfahrzeug verfügt, kommt bei dieser Sachlage entgegen der Meinung der belangten Behörde keine entscheidende Bedeutung zu. Überdies hat sich die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, daß der Beschwerdeführer - offensichtlich auf Grund dieser Einkommensverhältnisse - beträchtliche Unterhaltsverbindlichkeiten gegenüber den unterhaltsberechtigten Kindern aufweist.

Da die oben dargestellte inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide gegenüber dem zuletzt aufgezeigten Begründungsmangel prävaliert, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997160185.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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