TE Vwgh Beschluss 1954/3/17 1829/52

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Veröffentlicht am 17.03.1954
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Index

Verfahren vor dem VwGH

Norm

BAO §23
VwGG §34 Abs1
VwGG §63 Abs1

Beachte

Vorgeschichte:1153/50;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Johann Schneider, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde des AM in S, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. Juni 1952, Zl. VIII-709/10-1952, betreffend Gebühr von einem Gesellschaftsvertrag, zurückzuweisen.

Begründung

I. Am 3. Dezember 1947 hatten der Beschwerdeführer und HK, der Alleineigentümer der Liegenschaft E.Z. 2899, Grundbuch S, ein Uebereinkommen geschlossen, in dem sie diese Liegenschaft und die dem HK - vermeintlich - zustehende Konzession zum Betriebe des Gast- und Schankgewerbers auf diesem Grundstück mit 60.000 S bewerteten, sich der Beschwerdeführer verpflichtete, zunächst 60.000 S zu den Kosten des Wiederaufbaues eines durch Bomben zerstörten Gebäudes auf dieser Liegenschaft beizutragen, während der Rest der Baukosten in der voraussichtlichen Höhe von 120.000 S von beiden Vertragsteilen zur Hälfte getragen werden sollte, und sich HK verpflichtete, sobald das Haus wieder aufgebaut sein werde, den Beschwerdeführer als Eigentümer zur Hälfte auf der Grundbuchseinlage der Liegenschaft einverleiben zu lassen. Nach Wiederaufnahme des Gasthausbetriebes werde HK auf Grund seiner Konzession den Betrieb leiten, der Beschwerdeführer seine Kräfte und Fähigkeiten gleichfalls dem Betrieb widmen. Der Reingewinn aus dem Gasthausbetriebe sollte beiden Vertragsteilen je zur Hälfte zufallen. Von diesem Vertrag schrieb das Finanzamt gemäss § 33 Tarifpost 16 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 184/1946, GG) aus einer Bemessungsgrundlage von 180.000 S eine 2 %ige Gebühr vor. Gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer Anfechtung ein. Nachdem das Finanzamt einen abweislichen Einspruchsbescheid erlassen hatte, stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung durch die Finanzlandesdirektion. Die Finanzlandesdirektion wies mit Bescheid vom 14. April 1950 auch ihrerseits die Anfechtung als unbegründet zurück. Diese Entscheidung der Finanzlandesdirektion hob jedoch der Verwaltungsgerichtshof auf eine bei ihm vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde mit seinem Erkenntnisse vom 19. Juni 1951, Zl. 1153, 1711 und 1712/50 (Slg. Nr. 25/F) wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die nähere Darstellung des Sachverhaltes in diesem Erkenntnis hingewiesen. Der Gerichtshof führte in der Begründung des Erkenntnis weiter aus: "Dem Beschwerdeführer ist darin Recht zu geben, dass nach der Rechtsübung die Verleihung einer Gewerbeberechtigung an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes für unzulässig erachtet wird und dass eine Person, die sich mit einem befugten Gewerbeinhaber zu einer solchen Gesellschaft bürgerlichen Rechtes vereinigt, gemäss § 132 lit. b GewO der Strafe unterliegt. Diese Rechtsansicht ist auch vom Verwaltungsgerichtshof und ebenso vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertreten worden ... Allein mit dieser Erkenntnis ist noch nicht ausgesprochen, dass eine Vereinbarung, die gegen die gewerbepolizeiliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 GewO verstösst, nichtig ist. Die Bestimmung des § 879 ABGB kann nicht dahin ausgelegt werden und wird auch in der Rechtsübung nicht dahin ausgelegt, dass ein Vertrag der bloss gegen ein Verbot gewerbepolizeilicher Natur verstösst, ungültig sei. Selbst wenn aber der Vertrag aus diesem Grunde nichtig sein sollte, wäre damit für den Beschwerdeführer noch nichts gewonnen. Gemäss § 17 der 1. Verordnung zur Einführung steuerrechtlicher Vorschriften im Lande Oesterreich vom 14. April 1938, DRGBl. I S. 389, sind in Oesterreich seit 1. Juni 1938 die §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934, DRGBl. I S. 925, ganz allgemein anzuwenden. § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes befasst sich nun mit der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften wegen Formmangels und wegen Mangels der Geschäftsfähigkeit oder der Rechtsfähigkeit und regelt anschliessend im 4. Absatz die "anfechtbaren" Rechtsgeschäfte. Als solche anfechtbare Rechtsgeschäfte müssen auch solche Rechtsgeschäfte angesehen werden, die das österreichische Recht als "nichtig" bezeichnet, bei denen aber die Nichtigkeit nicht auf einem Formmangel oder einem Mangle der Geschäftsfähigkeit oder der Rechtsfähigkeit beruht, also insbesondere die nach § 879 ABGB "nichtigen" Rechtsgeschäfte. Im § 5 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes wird für die "anfechtbaren" Rechtsgeschäfte bestimmt, dass die Anfechtbarkeit für die Besteuerung insoweit und solange ohne Bedeutung ist, als nicht die Anfechtung mit Erfolg durchgeführt wurde. Die belangte Behörde konnte mithin an der grundsätzlichen Gebührenpflicht des vorliegenden Vertrages solange festhalten, als der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hatte, dass er das Geschäft aus dem Grunde seiner Ungültigkeit mit Erfolg angefochten hat. Diese Anfechtung konnte auch aussergerichtlich vorgenommen werden, es war aber dann zu beweisen, dass sich der andere Vertragsteil dem Begehren gefügt habe. Einen solchen Beweis hat der Beschwerdeführer nicht einmal versucht. Dass das gegenständliche Uebereinkommen vom 3. Dezember 1947 einverständlich wieder rückgängig gemacht wurde, stellt noch keinen Beweis der geglückten Anfechtung dar. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers geht nämlich hervor, dass der Vertrag deshalb rückgängig gemacht wurde, weil der andere Vertragsteil keine Mittel besass und immer mehr in Schulden geriet. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, dass er von HK die Aufhebung des Vertrages aus dem Grunde verlangt habe, weil er von diesem in Irrtum geführt worden sei. Die amtswegige Ermittlungspflicht der Finanzbehörden nach §§ 204 Abs. 1 und 243 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) geht nicht so weit, dass sie, wenn der Abgabenpflichtige die Ungültigkeit eines Vertrages behauptet, verhalten wären, nicht bloss Tatbestände von Amts wegen zu untersuchen, aus denen der Abgabenpflichtige die behauptete Ungültigkeit ableitet, sondern darüber hinaus noch Nachforschungen anzustellen, ob das Rechtsgeschäft noch aus anderen vom Abgabenpflichtigen nicht herangezogenen Gründen ungültig sein könnte und ob in diesem Falle die Anfechtung wegen dieses "Nichtigkeitsgrundes" mit Erfolg durchgeführt worden ist. Erblickt man aber mit der herrschenden Lehre in dem Verstoss des vorliegenden Vertrages gegen die gewerbepolizeiliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 GewO keinen "Nichtigkeitsgrund", im Sinne des § 879 ABGB, dann lässt sich die grundsätzliche Gebührenpflicht des Rechtsgeschäftes schon mit Rücksicht auf § 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes nicht bestreiten, wonach die Besteuerung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass ein Verhalten, das den steuerpflichtigen Tatbestand erfüllt oder einen Teil desselben bildet, gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstösst. Nach dem Vorgesagten kann somit auch der Umstand, dass HK die Konzession, die er im Vertrag zu besitzen vorgegeben hatte, gar nicht besass, an der grundsätzlichen Gebührenpflicht des Uebereinkommens vom 3. September 1947 nichts ändern. Dieser Umstand hätte den Beschwerdeführer allenfalls zur Anfechtung des Vertrages wegen Irreführung berechtigt. Eine derartige Anfechtung ist aber nicht einmal behauptet worden." Der Gerichtshof fand jedoch, dass die belangte Behörde bei der Erstellung der Bemessungsgrundlage geirrt habe; als Bemessungsgrundlage könne nur ein Betrag von 60.000 S, vermindert um den gemeinen Wert der Liegenschaft, angenommen werden, und in dieser Höhe sei die Vorschreibung einer Gebühr gerechtfertigt. Im übrigen aber unterliege das Geschäft der Grunderwerbsteuer und sei in diesem Umfang gemäss § 15 Abs. 3 GG von der Gebührenpflicht ausgenommen.

II. Der Beschwerdeführer hatte bereits, bevor die Gebühr vom Vertrag vom Finanzamt bemessen worden war, mit Rücksicht auf die Rückgängigmachung des Uebereinkommens vom 3. Dezember 1947, auf seine eigene Vermögenslosigkeit und auf die Vermögenslosigkeit des HK beim Finanzamt einen Antrag auf Erlass der Gebühr gemäss § 131 AO gestellt, welchem Antrage das Finanzamt mit der Begründung nicht willfahrte, dass die im Gesetz für die Gewährung von Billigkeitsmassnahmen erforderlichen Bedingungen (Zahlungsfähigkeit) im vorliegenden Fall nicht zutreffen. Die Finanzlandesdirektion wies - vom Beschwerdeführer angerufen - mit ihrem vorgenannten Bescheid vom 14. April 1950 (siehe I) das Finanzamt an, dem Beschwerdeführer in ihrem Namen zu eröffnen, dass seinem Erlassenansuchen mangels einer gesetzlichen Handhabe nicht Folge gegeben werden können, weil Gebühren als Abgaben vom Rechtsverkehr unabhängig von den besonderen Umständen des Falles und den persönlichen Verhältnissen der Gebührenschuldner zu entrichten seien, für Billigkeitserwägungen daher im Gebührenrecht grundsätzlich nicht im Raum sei; das Finanzamt entsprach diesem Auftrag der Finanzlandesdirektion mit Bescheid vom 20. Juni 1950. Auch diesen Bescheid des Finanzamtes hob der Verwaltungsgerichtshof auf eine bei ihm eingebrachte Beschwerde mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 19. Juni 1951 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

III. Die Finanzlandesdirektion hat nunmehr unter Berufung auf § 53 Abs. 1 des Abgabenrechtsmittelgesetzes, (BGBl. Nr. 60/1949, AbgRG) das Finanzamt angewiesen, seinen Gebührenbescheid dahin abzuändern, dass die Gebühr nur von einer Bemessungsgrundlage von 55.000 S (d. s. 60.000 S abzüglich des aus einem späteren Kaufvertrag sich ergebenden gemeinen Wertes der Liegenschaft von 5.000 S) festgesetzt wird. Dabei sei "dem Pflichtigen zu bemerken, dass das eingebrachte Erlassansuchen im Hinblick auf die erfolgte Gebührenherabsetzung als gegenstandslos zu betrachten ist". Das Finanzamt befolgte diese Weisung mit Bescheid vom 21. November 1951. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer neuerdings "Berufung, bzw. Beschwerde". Er bestritt, dass überhaupt eine Gebühr vorzuschreiben sei und bekämpfte im wesentlichen die Rechtsausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Er führte aus, der Vertrag sei mit Erfolg angefochten worden, denn HK habe auf Verlangen des Beschwerdeführers in die Aufhebung des Gesellschaftsvertrages eingewilligt. Was der Beschwerdeführer im Vergleichswege erlangt habe, brauche er nicht im Prozesswege durchzusetzen. Für das Gesetz sei es gleichgültig, auf welche Weise die Anfechtung durchgeführt wurde. Sie müsse nur Erfolg gehabt haben. Wenn die Behörde anderer Ansicht sei, hätte sie ihm Gelegenheit gegeben müssen, die Gründe der Anfechtung auseinanderzusetzen und zu beweisen. Da sie dies nicht getan habe, sei das Verfahren mangelhaft. Als Berufungsgrund wurde auch angeführt, dass über den Erlassantrag nicht entschieden worden sei. Nachdem das Finanzamt einen abweislichen Einspruchsbescheid erlassen und der Beschwerdeführer darauf die Entscheidung der Finanzlandesdirektion begehrt hatte, wies diese Behörde die Berufung mit Bescheid vom 3. Juni 1952 als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, die Festsetzung der Gebühr stehe im Einklang mit der Rechtsanschauung, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1951 vertreten habe. Die Berufung bringe aber keinerlei über den schon dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegenen und von diesem bereits ausführlich gewürdigten Tatbestand hinausgehende Tatsachen vor. Zugleich wurde das Finanzamt angewiesen, über das Nachsichtsgesuch zu entscheiden.

Das Finanzamt hat in der Folge mit Bescheide vom 6. August 1950 den Erlassantrag abgewiesen; aus den Akten geht nicht hervor, dass gegen diesen Bescheid eine Beschwerde ergriffen worden ist.

Die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte neue Beschwerde richtet sich gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 3. Juni 1952. In der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Berufungsverfahren und rügt er als Rechtswidrigkeit auch, dass über seinen Erlassantrag nicht entschieden worden ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion nur über die Berufung des Beschwerdeführers in die Sache der Gebührenpflicht entschieden. Eine Entscheidung über das Begehren auf Erlass der Gebühr hat sie nicht getroffen. Darüber hat erst nachträglich das Finanzamt mit Bescheid vom 6. August 1952 abgesprochen. Da das Begehren auf Erlass der Gebühr nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides war, brauchte sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem betreffenden Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinanderzusetzen. In der Sache der Gebührenpflicht hat der Gerichtshof erwogen:

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einen bei ihm angefochtenen Bescheid aufgehoben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäss § 50 Abs. 1 VwGG verpflichtet, im betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtzustand herzustellen. Das ist im vorliegenden Fall mit dem Bescheid des Finanzamtes vom 21. November 1951 geschehen. Der Beschwerdeführer hätte diesen Bescheid im Rechtsmittelverfahren nur soweit bekämpfen können, als in ihm der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entsprochen worden wäre. So hätte er etwa gegen die vom Finanzamt vorgenommene Ermittlung des reinen Wertes der Liegenschaft ankämpfen oder anführen können, dass er entgegen seinen Behauptungen im früheren Verfahren den Gesellschaftsvertrag aus dem Grunde der Nichtigkeit oder der Irreführung durch den Vertragspartner rechtswirksam angefochten habe. Er hat aber derartige Behauptungen nicht aufgestellt, sondern bloss die vom Verwaltungsgerichtshof angesprochene Rechtsauffassung unter anderem auch in der Richtung bekämpft, dass in dem von ihm behaupteten Vorbringen über die einverständliche Aufhebung des Gesellschaftsvertrages auch die Anfechtung dieses Vertrages wegen "Nichtigkeit" enthalten gewesen sei. Dass diese rechtliche Unterstellung aber unrichtig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in den Gründen seines Erkenntnisses vom 19. Juni 1951 dargelegt. Da somit der Beschwerdeführer, ohne dass eine Aenderung seines tatsächlichen Vorbringens eingetreten war, mit der vorliegenden Beschwerde eine neue Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in derselben Sache begehrt hat, musste seine Beschwerde wegen entschiedener Sache gemäss § 34 Abs. 1 und 3 des VwGG als unzulässig zurückgewiesen werden.

Wien, am 17. März 1954

Schlagworte

Einwendung der entschiedenen SacheMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1954:1952001829.X00

Im RIS seit

20.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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