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Wege- und StraßenrechtNorm
B-VG Art118 Abs3 Z4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Werner, und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Dr. Striebl, Dr. Skorjanec und Dr. Rath als Richter, im Beisein der Schriftführer, des Landesgerichtsrates Dr. Pichler und Wetzelsberger, über die Beschwerde des F und der MK in W, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Pöllau, Oststeiermark, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 11. Februar 1966, Zl. 8 Ko 16/2-1965, betreffend Einbeziehung in eine Weggenossenschaft und Festsetzung eines Beitragsanteiles, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.075,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 24. März 1965 hatte die Gemeinde W die Beschwerdeführer in die Weggenossenschaft "S-Weg" einbezogen und den durch sie zu tragenden Anteil an den Kosten der Herstellung und Erhaltung dieses Weges mit 16,7 % bestimmt. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 1. Februar 1966 wurde über die dagegen durch die Beschwerdeführer eingebrachte Berufung dahin abgesprochen, daß dem Rechtsmittel unter Bezug auf § 45 Abs. 6 des steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154 (LStVG 1964), nicht Folge gegeben, der durch die Beschwerdeführer zu leistende Kostenbeitrag jedoch in Abänderung des Bescheides der Vorinstanz mit 17,31 % neu festgesetzt wurde.
Über die gegen diesen Bescheid unter den Gesichtspunkten der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie auch der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Vor Eingehen in das Beschwerdevorbringen hat sich der Verwaltungsgerichtshof die Frage vorgelegt, ob die belangte Behörde mit Rücksicht auf die durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, Bundesverfassungsgesetz vom 12. Juli 1962, BGBl. Nr. 205, geschaffene rechtliche Situation im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, also am 11. Februar 1966, noch zuständig war, über die ihr vorliegende Berufung sachlich abzusprechen. Mit hg. Beschluß vom 31. März 1967 wurden auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Anwendung des § 41 VwGG 1965 aufgefordert, sich zu dieser Frage zu äußern. Die Beschwerdeführer haben in Befolgung dieser Aufforderung ihre Meinung im Schriftsatz vom 19. Mai 1967 dargelegt; sie sind der im erwähnten Beschluß vorläufig als denkbar bezeichneten Auffassung beigetreten, daß der Begriff der "Verkehrsflächen der Gemeinden" nur gemeindeeigene Verkehrsflächen umfasse. Die belangte Behörde hingegen hat innerhalb der ihr hiefür eingeräumten sechswöchigen Frist eine Äußerung nicht abgegeben. Aus dem Spruch ihres Bescheides ergibt sich indes, daß sie ihre funktionelle Zuständigkeit zur Fällung einer Sachentscheidung aus der Bestimmung des § 45 Abs. 6 LStVG 1964 abgeleitet hat. Diese Bestimmung gehört jedoch aus den nachstehenden Erwägungen der Rechtsordnung seit dem 31. Dezember 1965 nicht mehr an:
Gemäß Artikel 118 Abs. 3 Z. 4 B-VG in der Fassung der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205, sind der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben u. a. in den Angelegenheiten der Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde gewährleistet. Abs. 2 desselben Artikels besagt, daß der eigene Wirkungsbereich alle Angelegenheiten umfaßt, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlicher Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die schon nach der bisherigen, bis zum 31. Dezember 1965 gegebenen Rechtslage zufolge § 45 Abs. 2 LStVG 1964 in erster Instanz dem Gemeinderat zugewiesene Aufgabe, über Art und Ausmaß der Beitragsleistung zu den Kosten eines öffentlichen Interessentenweges auf Antrag oder von Amts wegen zu entscheiden, gehört zu den in den Angelegenheiten der Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde zu besorgenden behördlichen Aufgaben. Denn unter den "Verkehrsflächen der Gemeinde" sind, und zwar insbesondere im Lichte der Regelung des Art. 118 Abs. 2 B-VG, nicht nur die Gemeindestraßen im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 4 LStVG 1964, sondern auch alle jene Kommunikationen zu verstehen, die in ihrer Verkehrsbedeutung auf das Gemeindegebiet beschränkt sind, also auch die öffentlichen Interessentenwege im Sinne der Z. 5 des letztzitierten Paragraphen. Dies folgt überdies aus der in Z. 4 zweiter Satz dieses Paragraphen gegebenen Definition, die besagt, daß alle öffentlichen Verkehrsanlagen, die nicht zu einer anderen (höherrangigen) Gattung der Straßen zählen, als Gemeindestraßen gelten. Mit Rücksicht auf diese Erwägungen kann der Gerichtshof den im Beschluß vom 31. März 1967 dargestellten, aus § 35 Abs. 1 Z. 5 der ehemals geltenden Steiermärkischen Gemeindeordnung abgeleiteten Überlegungen, die sich, wie erwähnt, die Beschwerdeführer zu eigen gemacht haben, kein entscheidendes Gewicht beimessen; dies umsoweniger, als der durch die Gemeinderechtsnovelle 1962 neu geschaffene Begriff des eigenen Wirkungsbereiches mit jenem des selbständigen Wirkungsbereiches, wie er bis dahin bestanden hatte, keineswegs ident ist. Der Gerichtshof ist vielmehr der Auffassung, daß die mit dem Bescheid der Gemeinde W vom 24. März 1965 geregelte Materie dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde angehört, und gesehen unter dem Blickwinkel der ab 31. Dezember 1965 bestehenden rechtlichen Situation, zufolge Artikel 118 Abs. 4 B-VG in der ihm durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962 gegebene Fassung in eigener Verantwortung und - abgesehen von dem Rechtsmittel der Vorstellung, auf das noch zurückzukommen sein wird - unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen war. Auf der Ebene der hier maßgeblichen Bundesverfassungsgesetze ist ferner zu berücksichtigen, daß gemäß § 5 Abs. 2 der Bundes-Verfassungsgesetzesnovelle 1962 Landesgrenzen über die Organisation der Gemeindeverwaltung, die der im zitierten Bundesverfassungsgesetz getroffenen Regelung widersprechen, am 31. Dezember 1965 außer Kraft getreten sind.
Dieser neuen verfassungsrechtlichen Situation hat der steiermärkische Landesgesetzgeber auf dem hier bedeutsamen Gebiet der Wegepolizei durch Erlassung des Gesetzes vom 14. Dezember 1965, LGBl. Nr. 169, mit welchem u.a. die Gemeindeordnung 1959 neuerlich abgeändert und ergänzt wurde, Rechnung getragen. Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 4 der solcherart novellierten Gemeindeordnung sind der Gemeinde die behördlichen Aufgaben u.a. in den Angelegenheiten der Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet. Abs. 4 desselben Paragraphen in der Fassung der Novelle besagt, daß die Gemeinde die Angelegenheiten
des eigenen Wirkungsbereiches ... frei von Weisungen und -
vorbehaltlich der im § 73 geregelten Vorstellung - unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde besorgt. Der Bestimmung des § 45 Abs. 6 LStVG 1964, die bis zum 31. Dezember 1965 die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde als Berufungsbehörde begründet hatte, ist sohin inhaltlich derogiert worden, weshalb der Bezirkshauptmannschaft Hartberg ab dem genannten Zeitpunkt, also auch am Tage der Erlassung des angefochtenen Bescheides, diese Zuständigkeit nicht mehr eingeräumt war. Zufolge der im Artikel III Z. 3 des Gesetzes LGBl. Nr. 169/1965 getroffenen Übergangsregelung war die der belangten Behörde vorliegende Berufung als Vorstellung im Sinne des § 73 der geltenden Steiermärkischen Gemeindeordnung zu behandeln. Hiezu war zufolge § 76 Abs. 1 erster Satz des angeführten Gesetzes die Landesregierung berufen.
Daß die belangte Behörde die seit dem 31. Dezember 1965 bestehende neue rechtliche Situation verkannt und über die ihr vorliegende Berufung der Beschwerdeführer eine Sachentscheidung getroffen hat, belastet ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zu dessen Aufhebung führen mußte, ohne daß es einer Erörterung des Beschwerdevorbringens bedurft hätte.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 und 48 VwGG 1965 sowie auf Artikel I Abschnitt A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer war abzuweisen, weil die in der zitierten Verordnung festgelegten Pauschbeträge die gesonderte Zuerkennung eines Aufwandersatzes für entrichtete Umsatzsteuer ausschließen.
Wien, am 14. Juni 1967
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1967:1966000416.X00Im RIS seit
18.02.2020Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020