TE Vwgh Erkenntnis 1975/3/21 1812/74

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Veröffentlicht am 21.03.1975
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Index

StVO

Norm

StVO 1960 §4 Abs1
StVO 1960 §4 Abs5
StVO 1960 §99 Abs6 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmid, Dr. Schmelz, Dr. Reichel und Großmann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Korsche, über die Beschwerde des Dr. HS, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 1. August 1973, Zl. IX-3514/3-1973, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Salzburg sprach mit Straferkenntnis vom 10. Juli 1972 aus, der Beschwerdeführer habe am 17. September 1971 um 8.25 Uhr in Salzburg, Kreuzung Bürglsteinstraße/Aignerstraße, als Lenker eines Personenkraftwagens a) die deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie überfahren, b) den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, c) beim Überholen keinen in bezug auf die Verkehrssicherheit und die Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom Fahrzeug, das überholt worden sei, eingehalten, d) obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall im ursächlichen Zusammenhang gestanden sei, sein Fahrzeug nicht sofort angehalten, und e) als Beteiligter an einem Verkehrsunfall nicht die nächste Gendarmerie- oder Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl ein Nachweis der Identität bei den am Unfall beteiligten Personen unterblieben sei. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen, und zwar zu a) nach § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 (StVO), zu b) nach § 11 Abs. 1 leg. cit., zu c) nach § 15 Abs. 4 leg. cit., zu d) nach § 4 Abs. 1 a leg. cit. und zu e) nach § 4 Abs. 5 leg. cit. begangen und es werde gegen ihn zu a), b) und c) gemäß § 99 Abs. 3 lit. a je eine Geldstrafe von S 200,-- (Ersatzarreststrafe je 1 Tag), zu

d) nach § 99 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) und zu e) nach § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 10 Tage) verhängt. Zur Begründung führte die Behörde aus, daß die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen durch die Aussage der Zeugin BP und durch das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen seien. Der Beschwerdeführer habe sich zwar damit gerechtfertigt, daß er beim Überholen den in seiner Fahrtrichtung liegenden linken Fahrstreifen benützt und den Überholvorgang beendet habe, ohne daß dadurch ein anderer Straßenbenützer behindert oder gefährdet worden wäre. Ein beim Wechsel des Fahrstreifens hörbares dumpfes Geräusch habe er als vom Kofferraum herkommend definiert. Es habe sich somit für ihn keinerlei Verpflichtung ergeben, sein Fahrzeug anzuhalten und eventuell den Sachverhalt zu klären. Dem werde die Aussage der Zeugin BP entgegengehalten, nach der der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Kreuzung Aignerstraße/Bürglsteinstraße überholt und dabei die deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie überfahren habe. Während des Überholvorganges habe er mit seinem Fahrzeug die überholte Lenkerin nach rechts abgedrängt und deren Fahrzeug beschädigt, weil er einen zu geringen seitlichen Abstand eingehalten habe. Das dadurch entstandene Geräusch sei auch vom Beschwerdeführer selbst wahrgenommen worden, "wenn er es auch unglaublich anders definiert" habe. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, seine Identität der am Unfall beteiligten Lenkerin bekanntzugeben und auch nicht eine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub durchgeführt. Das zuständige Wachzimmer Nonntal sei erst zirka 1 1/2 Stunden später vom Verkehrsunfall seitens des Beschuldigten verständigt worden. Der Aussage der Zeugin BP sei erhöhte Glaubwürdigkeit zuzubilligen, weil es unwahrscheinlich erscheine, daß von ihr bei Nichtvorliegen des bezüglichen Sachverhaltes grundlos eine Anzeige erstattet worden sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er wegen seiner beruflichen Inanspruchnahme nicht eher die nächste Polizeidienststelle habe benachrichtigen können. Abgesehen davon genüge eine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle 1 1/2 Stunden nach dem Vorfall. Was den Vorfall selbst betreffe, so habe die Behörde zu Unrecht den Angaben in der Anzeige vollen Glauben beigemessen und dabei übersehen, daß ja die Anzeigeerstatterin ein Interesse daran gehabt habe, ein Verschulden des Beschwerdeführers zu beweisen, um den erlittenen Schaden ersetzt zu erhalten. Was das Überfahren der Sperrlinie betreffe, so könnten die Angaben einer Person, der keinerlei Amtscharakter zukomme, nicht als ausreichend erscheinen. Es sei fraglich, ob zum angegebenen Zeitpunkt überhaupt an der angegebenen Stelle irgendwelche Bodenmarkierungen bestanden hätten. Es wäre auch denkbar, daß die Anzeigeerstatterin am Personenkraftwagen bereits einen Schaden gehabt habe und außerordentlich interessiert gewesen sei, einen Verkehrsunfall zu konstruieren. Es sei auch unrichtig, daß es der Beschwerdeführer unterlassen habe, der Anzeigeerstatterin seine Identität nachzuweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung zu a), b), d) und e) keine Folge, bestätigte jedoch das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Tatortbezeichnung im Spruche des angefochtenen Straferkenntnisses nicht "in Salzburg, Kreuzung Bürglsteinstraße/Aignerstraße", sondern "in Salzburg, Bürglsteinstraße, unmittelbar nach der Kreuzung Aignerstraße" zu lauten habe. Hingegen gab die belangte Behörde der Berufung zu c) (Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs. 4 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO) Folge, hob das erstinstanzliche Verfahren in dieser Hinsicht auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a StVO ein. In der dem Bescheid beigegebenen Begründung führte die belangte Behörde aus, daß nach Auskunft des Magistrates Salzburg die Bodenmarkierungen am Tatort am 17. September 1971 erkennbar gewesen seien, und der Beschwerdeführer infolge der Breite des Fahrstreifens von knapp 3.30 m nur durch Überfahren der Sperrlinie die Anzeigeerstatterin habe überholen können. Es sei diesbezüglich die Angabe der Anzeigeerstatterin als Zeugin durchaus schlüssig gewesen und es müsse ihr auch als geprüfte Kraftwagenlenkerin die Wahrnehmung zugemutet werden, daß der Beschwerdeführer während des Überholens die Sperrlinie überfahren und somit den Tatbestand nach § 9 Abs. 1 StVO gesetzt habe. Es sei auch den Angaben der Anzeigerin dahin zu folgen gewesen, daß der Beschwerdeführer unmittelbar nach Beendigung des Überholvorganges so knapp vor dem Fahrzeug der Anzeigerin auf den rechten Fahrstreifen gefahren sei, daß hieraus ein Verkehrsunfall mit Sachschaden entstanden sei, zumal dies der Beschwerdeführer selbst nicht ausgeschlossen habe, weil er nach seiner Angabe, ein dumpfes Geräusch wahrgenommen habe. Damit habe er auch die Übertretung nach § 11 Abs. 1 StVO begangen. Die Durchführung eines Lokalaugenscheines sei entbehrlich gewesen, weil der Sachverhalt durch das abgeführte Ermittlungsverfahren ausreichend geklärt gewesen sei. Auf Grund der Angaben der zum Sachverhalt vernommenen Anzeigerin sei auch als erwiesen anzunehmen gewesen, daß der Beschwerdeführer auf Grund der vorgeschilderten Fahrweise mit einem Verkehrsunfall im ursächlichen Zusammenhang gestanden sei. Ein solcher Verkehrsunfall sei zunächst vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Erst sieben Monate später habe dieser seine eigenen Angaben zurückgenommen und plötzlich behauptet, daß er sich geirrt hätte und sein Fahrzeug nicht beschädigt gewesen sei. Diese nachträglichen Angaben vom April 1972 hätten die Berufungsbehörde nicht zu überzeugen vermocht und seien ihr auch unglaubwürdig erschienen. Der Beschwerdeführer sei vielmehr, obwohl er den Eintritt des Verkehrsunfalles hätte bemerken müssen und offensichtlich auch bemerkt habe, weitergefahren und habe es nicht der Mühe wert gefunden, sofort sein Fahrzeug anzuhalten und festzustellen, ob tatsächlich eine Streifung und somit eine Sachbeschädigung stattgefunden habe. Damit aber habe er gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO verstoßen. Der Beschwerdeführer habe auch entgegen der Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO seine Identität der Anzeigerin gegenüber nicht nachgewiesen, sondern sei weitergefahren. Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers werde durch die glaubwürdigen Angaben der Anzeigerin widerlegt, die bereits fünf Minuten nach dem Unfall eine Anzeige am Polizeiwachzimmer Nonntal erstattet habe. Damit hätte der Beschwerdeführer ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen gehabt. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, das auf dem Weg zu seiner Kanzlei befindliche Wachzimmer unmittelbar nach dem Unfall aufzusuchen, zumindest aber wäre es ihm zumutbar gewesen, von seiner Kanzlei aus das Wachzimmer sofort telephonisch zu verständigen. Die 1 1/2 Stunden später bei der Sicherheitsdienststelle abgegebene schriftliche Eingabe über den Verkehrsunfall sei nicht mehr als eine Verständigung ohne unnötigen Aufschub anzusehen gewesen, weshalb der Beschwerdeführer auch gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO verstoßen habe. Da kein sicherer Anhaltspunkt dafür vorliege, daß der Beschwerdeführer während des Überholens keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom Fahrzeug, das überholt worden sei, eingehalten habe, sei nach dem Grundsatz im "Zweifel zugunsten des Beschuldigten" zu entscheiden gewesen, und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zu

c) angelasteten Verwaltungsübertretung aufzuheben und diesbezüglich das Strafverfahren einzustellen gewesen.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte ein, die vom Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 27. September 1974, Zl. B 308/73, mit der Feststellung als unbegründet abgewiesen wurde, daß der Beschwerdeführer in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt worden sei. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde antragsgemäß nach Art. 144 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Über Aufforderung, die Beschwerde zu ergänzen, brachte der Beschwerdeführer vor, im vorliegenden Fall lägen Widersprüche zwischen ihm und der als Zeugin vernommenen Lenkerin BP vor, wobei die Zeugin sicher wegen einer Vergütung des Schadens an ihrem Personenkraftwagen an der Bestrafung des Beschwerdeführers interessiert gewesen sei. Die belangte Behörde hätte daher ihren Angaben nicht volle Glaubwürdigkeit zumessen dürfen. Schließlich habe die Zeugin behauptet, den Unfall wahrgenommen zu haben, und hätte daher auch anhalten müssen. Somit sei auch ihr ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO anzulasten. Dieser Umstand wäre entsprechend zu berücksichtigen gewesen. Der Beschwerdeführer habe rechtzeitig Anzeige erstattet, sodaß die Bestimmung des § 99 Abs. 6 StVO heranzuziehen gewesen wäre und daher eine Strafbarkeit nach den §§ 9 und 11 StVO nicht gegeben gewesen sei. Eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO liege deshalb nicht vor, weil die Verständigung der Polizei ohne unnötigen Aufschub erfolgt sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits in einem anderen Fall ausgesprochen, daß eine Verständigung 24 Stunden nach dem Unfall noch ausreiche, um dieser Gesetzesstelle Genüge zu tun. Der Beschwerdeführer habe knapp nach einer Stunde den Vorfall schriftlich zur Anzeige gebracht. Eine Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen bei der Polizeidienststelle sei auf keinen Fall gegeben gewesen. Aus der Beschädigung des Fahrzeuges der Anzeigeerstatterin und dem gesamten Zusammenhang ergebe sich, daß der Beschwerdeführer sich durchaus nicht habe bewußt werden müssen, daß sich ein Verkehrsunfall ereignet habe. Er sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, anzuhalten.

Mit diesem Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer zunächst die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die den von ihr angenommenen Sachverhalt im wesentlichen auf die als Zeugin vernommene Anzeigeerstatterin BP und auf die eingeholte Stellungnahme des Magistrates Salzburg vom 21. Februar 1973 stützte. Der Verwaltungsgerichtshof konnte nicht finden, daß der belangten Behörde in dieser Richtung ein Fehler unterlaufen wäre. Die belangte Behörde setzte sich eingehend mit den Angaben der als Zeugin vernommenen Anzeigeerstatterin sowie mit der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinander. Die Angaben der Zeugin waren genügend präzisiert und nicht unschlüssig. Darnach hat der Beschwerdeführer am Tattag zur Tatzeit die deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie überfahren, den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, und seine Identität der am Verkehrsunfall beteiligten Zeugin nicht nachgewiesen. Der Beschwerdeführer versuchte zwar die Erkennbarkeit der Bodenmarkierungen zur Tatzeit am Tatort zu bestreiten, doch werden die diesbezüglichen Angaben der Anzeigerin durch die Stellungnahme des Magistrates Salzburg vom 21. Dezember 1973, wonach zur Tatzeit am Tatort eine Sperrlinie von der Haltelinie im Kreuzungsbereich der Kreuzung Aignerstraße/Bürglsteinstraße/ Geissbergstraße angebracht gewesen sei, bestätigt. Damit wird die Behauptung des Beschwerdeführers, daß diese Sperrlinie im Jahre 1972 verkürzt und nicht zur Mildenburggasse gereicht habe, widerlegt. Die belangte Behörde setzte sich auch damit auseinander, warum sie den zeugenschaftlichen Angaben der Anzeigerin volle Glaubwürdigkeit schenkte. Sie wies daraufhin, daß die Zeugin bei Strafsanktion unter Wahrheitspflicht stünde und schlüssig ausgesagt habe. Überdies sei sie als geprüfte Kraftwagenlenkerin durchaus in der Lage gewesen, richtige Wahrnehmungen über das Verhalten des Beschwerdeführers zur Tatzeit am Tatort zu machen. Sofern der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde darzulegen versucht, daß die Zeugin an der Bestrafung des Beschwerdeführers Interesse gehabt habe, um den Schaden an ihrem Personenkraftwagen, der nicht unbedingt von dem behaupteten Verkehrsunfall herrühren müsse, ersetzt zu erhalten, so ergab das Ermittlungsverfahren dafür mit Ausnahme der Behauptung des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte. Die belangte Behörde befaßte sich auch mit der Behauptung des Beschwerdeführers, daß er die Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO schon deshalb nicht begangen habe, weil er den Unfall gar nicht wahrgenommen hätte, und hielt ihm seine eigenen Angaben in der schriftlichen Eingabe vom 17. September 1971 entgegen, in welchen es wörtlich heißt: "Ich hörte dann wohl kurz ein dumpfes, jedoch undeutliches Geräusch und sah in den Rückspiegel, weil ich mutmaßte, daß die Fahrerin möglicherweise meinen Wagen gestreift habe." Die belangte Behörde wies besonders daraufhin, daß der Beschwerdeführer erst sieben Monate später seine diesbezüglichen Angaben zurückgenommen und plötzlich behauptet habe, er hätte sich geirrt, sein Fahrzeug sei nicht beschädigt gewesen. Wenn bei dieser Sachlage die belangte Behörde den in sich geschlossenen präzisen und schlüssigen Angaben der Anzeigelegerin folgte und der Verantwortung des Beschwerdeführers mit Rücksicht auf deren Widersprüchlichkeit den Glauben versagte, so machte sie damit von dem ihr zustehenden Recht der freien Beweiswürdigung Gebrauch und handelte nicht rechtswidrig. Durfte sie aber den Angaben der Zeugin folgen, war der Sachverhalt bereits im erstinstanzlichen Verfahren entscheidungsreif geklärt und die belangte Behörde nicht mehr gehalten, das Ermittlungsverfahren durch einen Lokalaugenschein zu ergänzen.

Sofern der Beschwerdeführer aber vermeint, er habe gegen § 4 Abs. 5 StVO deshalb nicht verstoßen, weil er die nächste Sicherheitsdienststelle vom gegenständlichen Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub verständigt habe, so ist er auch damit nicht im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa Erkenntnis vom 12. November 1970, Zl. 1771/69) zum Ausdruck gebracht hat, hat die Auslegung der Gesetzesstelle "ohne unnötigen Aufschub" nach strengen Gesichtspunkten zu erfolgen. Der Beschwerdeführer vermeint nun in der Beschwerde diese Voraussetzung erfüllt zu haben, weil er den Unfall zirka eine Stunde nachher mit der schriftlichen Eingabe vom 17. September 1971 bei der Polizeidienststelle gemeldet habe. Nun "ohne unnötigen Aufschub" bedeutet, "sofort", d.h. bei gegebener Möglichkeit die Anzeige vom Unfall erstatten zu müssen. Die belangte Behörde beschäftigt sich eingehend mit der Frage, ob der Beschwerdeführer "ohne unnötigen Aufschub" die Meldung erstattet habe. Sie führte dazu aus, daß der Beschwerdeführer auf dem Weg zu seiner Kanzlei am Wachzimmer Nonntal vorbeigekommen sei. Dieses Wachzimmer befinde sich nach den Angaben des Beschwerdeführers nur 200 m von seiner Kanzlei entfernt. Der Beschwerdeführer hätte auch die Möglichkeit gehabt, fernmündlich die Polizei zu verständigen. Seine Behauptung, eine Verbindung sei wegen Störung der Telephonleitung nicht möglich gewesen, werde durch die Bundespolizeidirektion Salzburg widerlegt, wonach die Telephonleitung nicht gestört gewesen sei. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte wegen einer Verhandlung bei Gericht um 9.00 Uhr die Anzeige nicht sofort erstatten können, werde dadurch widerlegt, daß sich der Verkehrsunfall um 8.25 Uhr ereignet habe und der Beschwerdeführer noch in seine Kanzlei gegangen sei. Dabei hätte er sicher die Gelegenheit gehabt, das Wachzimmer Nonntal, das in der Nähe seiner Kanzlei gelegen ist, aufzusuchen. Überdies ergibt sich aus der Anzeige, daß eine schriftliche Eingabe über die Meldung des gegenständlichen Verkehrsunfalles von einem Bediensteten der Kanzlei Dr. S nicht um 9.00 Uhr, sondern nach 10.00 Uhr abgegeben wurde. Wenn daher die belangte Behörde bei dieser Sachlage die schriftliche Eingabe über den Unfall ohne hinreichenden Grund 1 1/2 Stunden nachher nicht mehr als "ohne unnötigen Aufschub" angesehen hat, so kann ihr deshalb nicht entgegengetreten werden.

Es kann aber auch der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers, daß eine strafbare Übertretung nach § 9 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 StVO deshalb nicht vorliege, weil die Rechtswohltat des § 99 Abs. 6 lit. a StVO anzuwenden gewesen wäre, nicht gefolgt werden. Die Rechtswohltat nach dieser Bestimmung kommt nämlich nur demjenigen zugute, der die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden (§ 4 Abs. 5 StVO) eingehalten hat. Gerade das aber war nach den oben dargelegten Ausführungen nicht der Fall, weshalb der Beschwerdeführer auch der Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO schuldig erkannt worden ist. Sofern sich der Beschwerdeführer gegen die Bestrafung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO wendet, weil er den Unfall nicht wahrgenommen habe, so wird diesbezüglich auf die obigen Ausführungen zur Frage der Beweiswürdigung verwiesen, wonach die belangte Behörde mit Recht als erwiesen annehmen durfte, der Beschwerdeführer habe den gegenständlichen Verkehrsunfall wahrgenommen. Aber auch der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsansicht, daß eine solche Übertretung schon deshalb nicht vorliege, weil der § 4 Abs. 5 eine Ausnahme des § 4 Abs. 1 darstelle, kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 4 Abs. 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in Zusammenhang steht, die dort angegebenen Verpflichtungen einzuhalten. Daraus ist nicht zu ersehen, daß hinsichtlich dieser Bestimmung ein Unterschied zwischen Verkehrsunfällen mit Personenschaden und solchen mit nur Sachschaden gemacht würde. Vielmehr ist diese Bestimmung unabhängig von den übrigen Absätzen des § 4 für sich zu betrachten und es haben daher nicht nur Personen, deren Verhalten im ursächlichen Zusammenhang mit einem Personenschadensunfall steht, die Vorschrift des § 4 Abs. 1 lit. a StVO zu beachten, sondern es trifft diese Verpflichtung auch jene Personen, die mit einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden im ursächlichen Zusammenhang stehen.

Die Beschwerde erwies sich sohin zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 21. März 1975

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1974001812.X00

Im RIS seit

19.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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