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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/19/0157Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Anträge 1.) des 1983 geborenen DP und 2.) der 1961 geborenen CT, beide in Wien, beide vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. G in Wien, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof und in den Beschwerdesachen der Genannten gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 13. März 1997, Zlen. 1.) 307.750/4-III/11/97 und
2.) 307.750/2-III/11/97, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
1.) Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2.) Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1997, Zlen. VH 97/19/0105 bis 0107, wurde den Beschwerdeführern sowie einem weiteren Antragsteller die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung von Beschwerden gegen drei in diesem Beschluß näher bezeichnete Bescheide des Bundesministers für Inneres bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7. Juli 1997 wurde die Beschwerdevertreterin zur Verfahrenshelferin bestellt. Die Zustellung des Beschlusses über die Bestellung der Verfahrenshilfe und des Bescheides des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien an die Beschwerdevertreterin erfolgte am 17. Juli 1997.
Mit den vorliegenden, beim Verwaltungsgerichtshof am 29. Juni 1998 eingelangten Eingaben begehren die Beschwerdeführer, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die jeweiligen sie betreffenden Bescheide des Bundesministers für Inneres zu bewilligen.
Die Beschwerdeführer begründen ihre Anträge im wesentlichen gleichlautend wie folgt:
Mit Bescheid vom 7. Juli 1997 sei die Beschwerdevertreterin zur Verfahrenshelferin bestellt worden. Die seit über sechs Jahren in deren Kanzlei tätige und überaus verläßliche Kanzleikraft habe daraufhin wie üblich einen Akt angelegt und ihn der Beschwerdevertreterin zur Bearbeitung mit den übrigen Akten vorgelegt. Dabei habe die Kanzleikraft übersehen, daß die Beschwerdevertreterin tatsächlich für drei Beschwerdeführer zur Verfahrenshelferin bestellt worden sei. Dies sei dadurch zu erklären, daß "offensichtlich" nur ein Bescheid (gemeint wohl: des Bundesministers für Inneres), betreffend den dritten Antragsteller, dem die Verfahrenshilfe bewilligt worden sei, im Akt befindlich gewesen sei, die beiden übrigen Bescheide jedoch nicht. Auch sei im zitierten Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien lediglich von der antragstellenden Partei und nicht von mehreren antragstellenden Parteien die Rede. Durch die Intervention eines anderen Rechtsanwaltes habe die Beschwerdevertreterin erstmals davon erfahren, daß sie offensichtlich auch für die beiden Beschwerdeführer zur Verfahrenshelferin bestellt worden sei. Eine Anfrage bei der Rechtsanwaltskammer Wien habe dies bestätigt. Da die Beschwerdevertreterin jedoch nicht im Besitz der die Beschwerdeführer betreffenden Bescheide gewesen sei, habe sie diese ersucht, ihr die entsprechenden Bescheide in die Kanzlei zu bringen. Dies sei am 18. Juni 1998 geschehen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Dabei ist ein Verschulden des Vertreters einer Partei dem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I E 72 zu § 71 AVG zitierte Judikatur).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist grundsätzlich immer der Anwalt selbst verantwortlich, denn er selbst wird die Frist festsetzen, ihre Vormerkung anordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht überwachen müssen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich bei der Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann gegen den Beschwerdeführer auswirkt, wenn auf dessen Seite persönlich kein Verschulden gegeben ist (vgl. die bei Walter-Thienel a. a.O. E 191 wiedergegebene Judikatur). Die Grundsätze über die gebotene Sorgfaltspflicht des Rechtsanwaltes gelten nicht nur für einen von der Partei bevollmächtigten, sondern auch für einen für die Partei zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt (vgl. die bei Walter-Thienel a.a.O. E 185 wiedergegebene Judikatur).
Trifft aber nach dem Vorgesagten den Rechtsanwalt selbst die Pflicht, für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist Sorge zu tragen, so ist hievon auch die Verpflichtung des Verfahrenshelfers umfaßt, sich sofort Kenntnis über die von ihm vorzunehmenden Verfahrenshandlungen zu verschaffen (vgl. den hg. Beschluß vom 11. September 1996, Zlen. 96/20/0443, 95/20/0527). Dies hätte vorliegendenfalls die Lektüre des der Beschwerdevertreterin zugestellten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1997 sowie des Bestellungsbescheides des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7. Juli 1997 durch diese persönlich erfordert.
Im Wiedereinsetzungsantrag wird jedoch weder dargelegt, ob die Beschwerdevertreterin den Beschluß vom 25. Juni 1997 überhaupt gelesen hat, verneinendenfalls aus welchen Gründen diese Lektüre unterblieb, bejahendenfalls aus welchen Gründen die Fristversäumnis trotz dieser Lektüre eintrat.
Damit haben die Beschwerdeführer aber nicht dargetan, daß die Fristversäumnis nicht auf eine den minderen Grad des Versehens übersteigende Fehlleistung ihrer Verfahrenshilfevertreterin zurückzuführen gewesen wäre.
Deshalb erweisen sich die Wiedereinsetzungsanträge als unberechtigt.
Da eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit nicht stattfindet, waren die gleichzeitig mit den diesbezüglichen Anträgen eingebrachten Beschwerden wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Wien, am 21. August 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998190154.X00Im RIS seit
03.04.2001