TE Vwgh Erkenntnis 1998/8/25 97/11/0212

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Veröffentlicht am 25.08.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des W in Rauschereck, vertreten durch Dr. Walter Brandt, Rechtsanwalt in Schärding, Silberzeile 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Juni 1997, Zl. VerkR-392.721/1-1997/Kar, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verfahren nach dem Kraftfahrgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 1. Februar 1997, dem Beschwerdeführer zugestellt am 4. April 1997, wurde ihm die Lenkerberechtigung entzogen und das Lenken von Motorfahrrädern verboten. Mit (vom nunmehrigen Beschwerdevertreter verfaßten) Schriftsatz vom 14. Mai 1997 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob unter einem Vorstellung gegen den Mandatsbescheid. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 ist gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Beschwerdeführer begründete sein Wiedereinsetzungsbegehren damit, er habe den nunmehrigen Beschwerdevertreter am 27. März 1997 mit seiner Vertretung beauftragt. Im Vertrauen darauf, daß dieser von sich aus eine Vorstellung einbringen werde, habe er den Vertreter nicht darüber informiert, daß ihm am 4. April 1997 ein Mandatsbescheid zugestellt worden sei. Sein Vertreter habe am 7. April 1997 der Erstbehörde eine Vollmacht vorgelegt und unter einem um eine Aktenabschrift ersucht. Diese sei am 9. April 1997 in der Kanzlei des Vertreters eingelangt. Dessen mit der Post befaßte Sekretärin, die in Bezug auf Bescheide die Fristen kontrolliere und diese im Kalender eintrage, habe offensichtlich den Akt nicht durchgesehen und dementsprechend auch keine Rechtsmittelfrist eingetragen. Sie habe den Akt auch nicht zu den üblichen Poststücken gegeben, sondern ohne irgendeine Verständigung auf den Tisch des Vertreters gelegt. Dieser habe daher erst am 14. Mai 1997 nach Durchsicht des Aktes bemerken können, daß keine Rechtsmittelfrist eingetragen worden sei. Letzteres sei auf das Verschulden der Sekretärin des Vertreters zurückzuführen; dabei handle es sich um ein bisher noch nie vorgekommenes Versehen der Sekretärin.

Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes, weil nicht glaubhaft dargetan worden sei, daß hinsichtlich der Fristversäumung kein Verschulden oder zumindest nur ein minderer Grad des Versehens vorliege. Der Vertreter des Beschwerdeführers hätte sich sofort nach Begründung des Vollmachtsverhältnisses, spätestens anläßlich des Ersuchens um Aktenübersendung am 7. April 1997 über den aktuellen Verfahrensstand informieren müssen. Dadurch, daß er dies unterlassen habe, habe er seine anwaltliche Sorgfaltspflicht verletzt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Fristversäumung sei allein auf ein Verschulden der Kanzleiangestellten seines Vertreters zurückzuführen. Diese sei mangels eines Zustellnachweises im Akt irriger Weise der Meinung gewesen, hinsichtlich des Mandatsbescheides keine Rechtsmittelfrist eintragen zu müssen, und sie habe den Akt auch nicht zu den üblichen Poststücken, sondern ohne irgendeine Verständigung auf den Tisch des Rechtsanwaltes gelegt. Dadurch sei die Überwachung im Rahmen des in der Kanzlei praktizierten wirksamen Kontrollsystems nicht möglich gewesen. Dieses Kontrollsystem bestehe darin, daß sämtliche Akten, in denen Fristen zu wahren seien, eine Woche vorher mit einem Aktenvermerk über das Fristende auf den Tisch des Anwaltes gelegt würden; dieser kontrolliere sodann Fristenlauf und Fristende.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Ansicht der belangten Behörde als rechtswidrig darzutun, es sei nicht glaubhaft gemacht worden, daß die Fristversäumung bloß auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen sei, und es habe der Beschwerdevertreter durch sein Verhalten die anwaltliche Sorgfaltspflicht verletzt. Es ist mangels konkreter Darlegung der Anweisungen, die die Sekretärin in Fällen der gegenständlichen Art zu befolgen hatte, nicht ersichtlich, worin das behauptete Verschulden der Sekretärin des Beschwerdevertreters überhaupt gelegen sein soll. Davon abgesehen ist für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt selbst verantwortlich (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 5, S. 677 unter E 43, 44 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Bei Durchsicht des bereits am 9. April 1997, also 9 Tage vor Fristende, eingelangten und sodann auf seinen Tisch gelegten Aktes hätte dem Beschwerdevertreter auffallen müssen, daß darin ein Entziehungsbescheid erliegt und daß in bezug auf diesen ein Fristvormerk fehlt. Dies hätte ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit zu näheren Erkundigungen (beim Beschwerdeführer oder bei der Erstbehörde) veranlassen müssen, ob dieser Bescheid dem Beschwerdeführer bereits zugestellt worden ist. Dies insbesondere deshalb, weil es mit Rücksicht auf die Kürze der Frist zwischen dem auf dem Bescheid aufscheinenden Datum (1. April 1997) und der Übermittlung der Aktenkopie an seine Kanzlei nahelag anzunehmen, daß der Rückschein bei der Erstbehörde noch nicht eingelangt war. Das Verhalten des Beschwerdevertreters kann nicht mehr bloß als ein minderer Grad des Versehens qualifiziert werden. Es ist vielmehr als ein die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes, dem Beschwerdeführer zuzurechnendes Verschulden seines Vertreters an der Fristversäumung zu werten.

Dazu kommt (was die belangte Behörde nicht aufgegriffen hat), daß beim geschilderten Sachverhalt den Beschwerdeführer selbst ein gleichteiliges Verschulden an der Versäumung der Vorstellungsfrist trifft, weil er es unterlassen hat, seinen Rechtsvertreter über die Zustellung des Mandatsbescheides am 4. April 1997 zu informieren. Die Zustellung dieses Bescheides an ihn persönlich hätte ihn jedenfalls dazu veranlassen müssen, sich zu erkundigen, ob der Bescheid auch dem Anwalt zugegangen ist, zumal er angesichts der relativ kurzen Zeit zwischen seiner Vorsprache bei diesem (am 27. März 1997) und der Zustellung des Mandatsbescheides (am 4. April 1997) damit rechnen mußte, daß der belangten Behörde noch keine Vollmacht vorlag. Daß er dessen ungeachtet jegliche Kontaktaufnahme mit der Kanzlei seines Vertreters unterlassen hat, war letztlich mitentscheidend für die Fristversäumung. Das Verhalten des Beschwerdeführers zeigt eine auffallende Sorglosigkeit bei der Wahrung der Rechtsmittelfrist; von einem bloß minderen Grad des Versehens kann dabei nicht mehr die Rede sein. Damit liegt auch auf Seiten des Beschwerdeführers ein die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Verschulden an der Fristversäumung vor.

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht, wie in der Beschwerde behauptet, mit Verfahrensmängeln behaftet. Die belangte Behörde hatte lediglich den als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachten Sachverhalt rechtlich zu beurteilen. Dies ist geschehen. Weitere Erhebungen waren dazu nicht erforderlich.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. August 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110212.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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