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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen OGH und LAS hinsichtlich der Feststellung des Nichtbestehens von Holzablagerungsrechten bzw Unterlassung der Holzablagerung mangels Identität der Sache; Feststellung der Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Erlassung eines Räumungsauftrags hinsichtlich eines bestimmten Grundstücks und des Auftrags zur Wiederherstellung des vorigen Zustandes; kein Ausschluß der agrarbehördlichen Zuständigkeit nach dem Tir Wald- und WeideservitutenGSpruch
Der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung wird zurückgewiesen, soweit er sich auf
1. die Feststellung, daß T H sen. auf der Gp. 417/1, KG Gerlos weder ein Holzablagerungsrecht noch ein sonstiges Recht mehr zustehe, und 2. das Begehren, T H sen. schuldig zu erkennen, auf dem genannten Grundstück in Hinkunft derartige Holzablagerungen oder sonstige Störungen zu unterlassen, bezieht.
Zur Entscheidung über das Begehren des J K sen., T H sen. für schuldig zu erkennen bzw. ihm aufzutragen, das Grundstück Gp. 417/1, KG Gerlos von sämtlichen Fahrnissen zu räumen und den vorigen Zustand des Grundstückes wieder herzustellen, ist das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz zuständig.
Der Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 14. Dezember 1992,
ZIII b 1 - 223 S/191, und der Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 3. März 1994, Z LAS-20/46-80, werden aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 10.5.1978 wurden im Zuge eines Verfahrens zur Ablösung und Neuregulierung von auf dem Gebiet der Österreichischen Bundesforste zu Gunsten bestimmter Höfe in Gerlos lastender Servitutsrechte u.a. Weiderechte des Trattengutes, Liegenschaft in EZl. 13 II KG Gerlos, Eigentümer T H, gegen einen Teil der Gp. 417/1 abgelöst. Dieser Bescheid wurde infolge von Berufungen einzelner Parteien mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8.11.1978 behoben. Die Entscheidung wurde damit begründet, daß die Agrarbehörde I. Instanz ihre Entscheidung auf §49 Wald- und Weideservitutengesetz (im folgenden: WWSG) gestützt habe. Diese Vorschrift handle jedoch von der Ausübung von Nutzungsrechten. Durch die vor der Agrarbehörde I. Instanz getroffenen Vereinbarungen sei es aber zu einer Aufhebung von Nutzungsrechten gekommen, weshalb diese ihre Entscheidung zu Unrecht auf die zitierte Gesetzesbestimmung gestützt habe. Außerdem sei die Ablösung der verfahrensgegenständlichen Weiderechte nur in einem Servitutenablösungsplan im Sinne des §41 WWSG möglich.
1.2. In weiterer Folge wurde mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 14.11.1979 ein Servitutenablösungs- und Neuregulierungsplan gemäß §41 WWSG für die Weiderechte der berechtigten Güter des Ortsteiles Gerlos-Gmünd erlassen. Damit wurden die auf verschiedenen Parzellen der Österreichischen Bundesforste zu Gunsten der berechtigten Liegenschaften des Ortsteiles Gerlos-Gmünd bestehenden Weiderechte in Grund und Boden abgelöst bzw. neu reguliert. Auch die Weiderechte des Trattengutes, Liegenschaft in EZl. 13 II KG Gerlos, Eigentümer T H, im Umfange von 4 1/2 Kuhgräsern, 3 Galtrindern und 15 Schafen wurden abgelöst, und zwar u.a. gegen jenen "Teil der Gp. 417/1, der im Westen von einer geraden Linie senkrecht auf die Straßenachse begrenzt wird, welche an der Westgrenze der eigentümlichen Gartenparzelle zum Gerlosbach verläuft; im Osten verläuft die Grenze 10 m östlich des Straßensteines 374 in gerader Linie senkrecht zur Straßenachse zum Gerlosbach".
Mit demselben Bescheid wurden die Weiderechte des Kröllergutes, Liegenschaft in EZl. 24 I KG Gerlos, Eigentümer J K, im Umfange von 7 Kuhgräsern, 2 Pferden, 5 Galtrindern und 40 Schafen gegen die Grundparzellen Nr. 417/3, 416/1 sowie Teile der Grundparzellen 415/1 und 417/1, KG Gerlos abgelöst. Dabei wurde die Gp. 417/1 mit Ausnahme des an das Trattengut abgetretenen Teilstückes abgetreten.
Ausgesprochen wurde auch, daß der weitere Bestand einer auf der Gp. 417/1 befindlichen Garage samt Zufahrt den Österreichischen Bundesforsten von J K auch weiterhin gewährleistet werde. Diesem stehe es jedoch frei, diese Garage auf eigene Kosten im Einvernehmen mit den Österreichischen Bundesforsten auf einen anderen, hiezu geeigneten Platz zu verlegen.
Die gegen den genannten Bescheid von T H und anderen Parteien erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 26.2.1981 zum Teil ab- und zum Teil zurückgewiesen.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
1.3. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 20.12.1984 wurden aufgrund des rechtskräftigen, mit dem vorgenannten Bescheid erlassenen Servitutenablösungs- und Neuregulierungsplanes des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 14.11.1979 samt mehrerer Lagepläne als integrierende Bestandtteile hiezu, des Bescheides des Landesagrarsenates vom 26.2.1981, mehrerer Teilungspläne und anderer Unterlagen im Grundbuch der Katastralgemeinde Gerlos verschiedene Grundbuchseintragungen angeordnet, darunter die Einverleibung und Löschung von Dienstbarkeiten, die Abtrennung und Vereinigung von Grundstücksteilen sowie die lastenfreie Ab- und Zuschreibung von Grundstücken.
Aufgrund dagegen erhobener Rekurse hob das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht mit Beschluß vom 29.11.1985 den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf und verweigerte die amtswegige Verbücherung der genannten Grundbuchsache. Dies wurde im wesentlichen mit dem Bestehen von gravierenden Abweichungen zwischen einem Teilungsplan und dem Bescheid mit integrierten Lageplänen begründet. Außerdem seien im Beschluß des Erstgerichtes alle Abtretungsflächen lastenfrei abgeschrieben worden, wodurch nicht nur die Löschung von Weidedienstbarkeiten, sondern auch von weiteren Servituten wie des Bezuges von Brenn- und Nutzholz, Kalkholz und Streu sowie Lehm, Kalksteinen und Schotter angeordnet worden sei. Die zur amtswegigen Verbücherung vorgelegten Urkunden haben aber nur die Ablöse von Weidedienstbarkeiten behandelt. Gemäß §2 Abs4 WWSG sei die Aufhebung von Nutzungsrechten aber nur durch ein Erkenntnis der zuständigen Behörde oder durch ein von ihr genehmigtes Rechtsgeschäft nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes möglich.
1.4. Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 23.1.1987 wurde festgestellt, daß bestimmte Teilungspläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, den im rechtskräftigen Bescheid, Servitutenablösungs- und Neuregulierungsplan, vom 14.11.1979 für die Weiderechte der berechtigten Güter des Ortsteiles Gerlos-Gmünd festgestellten Ablösungsgrundstücken entsprechen. In diesem Bescheid wurde gemäß §48 WWSG festgestellt,
"daß im gegenständlichen Verfahren nur die Eigentümer der berechtigten und verpflichteten Liegenschaften Parteien sind. Andere Beteiligte können gegen die Durchführung des Verfahrens keine Einwände erheben oder Rechtsmittel geltend machen. Auf ihre Interessen hat die Behörde von Amts wegen Bedacht genommen, da die weiteren auf den Ablösungsflächen lastenden Servituten, wie des Bezuges von Brenn- und Nutzholz, Kalkholz und Streu, sowie Lehm, Kalksteinen und Schotter, nicht berührt werden und zur Gänze aus dem verbleibenden Bundesforstwald abgedeckt werden. Die Ablösungsgrundstücke sind daher den bisher Berechtigten lastenfrei ins Eigentum zu übertragen."
Außerdem wurde - für den Zeitraum nach der Rechtskraft des Bescheides - eine Reihe von Eintragungen im Grundbuch der KG Gerlos von Amts wegen angeordnet, darunter auch gemäß dem Teilungsplan 5 vom 25.1.1984 aus dem Gst. 417/1 die lastenfreie Abschreibung des Trennstückes 1 und Zuschreibung desselben in EZ 13 II unter Vereinigung mit Gst. 417/2 sowie die lastenfreie Abschreibung der Gst. 417/1 und Gst. 417/6 und Zuschreibung derselben in EZ 24 I.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 11.5.1992 wurden aufgrund des - rechtskräftigen - vorgenannten Bescheides, des rechtskräftigen Servitutenablösungs- und Neuregulierungsplanes vom 14.11.1979 sowie anderer Unterlagen eine Reihe von Grundbuchseintragungen angeordnet. Unter diesen waren die Teilung des Gst. 417/1, die lastenfreie Abschreibung der Teilfläche 1 und deren Zuschreibung zur EZ 13 sowie die lastenfreie Abschreibung der Gst. 417/1 und 417/7 und Zuschreibung zur EZ 90024. Außerde u.a. hinsichtlich des belasteten Gst. 417/1 sowie die Einverleibung der Löschung mehrerer Dienstbarkeiten des Bezuges von Brenn-, Nutz- und Kalkholz und Streu sowie des Bezuges von Lehm, Kalksteinen und Schotter u.a. hinsichtlich des belasteten Gst. 417/1 angeordnet.
Einem dagegen erhobenen Rekurs wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.6.1993 keine Folge gegeben.
Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Der formelle Abschluß des Verfahrens durch Bescheid in Form der Abschlußkundmachung gemäß §46 WWSG ist jedoch bislang noch nicht ausgesprochen worden.
2. Am 29.10.1986 langte beim Bezirksgericht Zell am Ziller eine Klage des J K sen. gegen T H sen. ein. Darin brachte der Kläger vor, daß ihm mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 10.5.1978 im Rahmen des Wald- und Weidetrennungsverfahrens ein Teil der Gp. 417/1 KG Gerlos ins Eigentum und zur alleinigen Nutzung übertragen worden sei. Der Beklagte lagere jedoch unberechtigterweise und völlig titellos Fahrnisse wie Holz und Baumaterialien auf der Gp. 417/1 sowie in der darauf befindlichen Holzgarage ab und benütze diese als Garage für Kraftfahrzeuge. Es wurde die Fällung des folgenden Urteiles begehrt:
"Die beklagte Partei ist schuldig, unverzüglich die Gp. 417/1 KG Gerlos von sämtlichen Fahrnissen zu räumen und diese geräumt dem Kläger zu übergeben;
die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters die Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen."
Die Klage wurde mit Beschluß des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 30.5.1987 wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß die Bundesforste nach wie vor grundbücherliche Eigentümer der Gp. 417/1 KG Gerlos seien. Die Parzelle sei noch nicht gemäß dem Bescheid vom 14.11.1979 zwischen den Liegenschaften der Streitteile grundbücherlich aufgeteilt. Die diesbezügliche Zuteilung an den Kläger sei laut Grundbuch noch immer mit einer Vielzahl von Servitutsrechten belastet. Der den Bescheid der Agrarbehörde I. Instanz betreffende Verbücherungsbeschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller sei vom Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht mit Beschluß vom 29.11.1985 ersatzlos aufgehoben worden. Bislang sei der Regulierungsplan von der Agrarbehörde mit den nach Maßgabe der genannten Rekursentscheidung erforderlichen Ergänzungen dem Bezirksgericht nicht zur Verbücherung vorgelegt worden. Da das Regulierungsverfahren folglich noch nicht abgeschlossen sei, sei es Sache der Agrarbehörde, darüber zu befinden, ob dem Trattengut noch Servitutsrechte an dem dem Kläger zugeteilten Teil der Gp. 417/1 KG Gerlos zustehen. Zwar handle es sich laut Klagebegehren um eine bürgerliche Rechtssache im Sinne des §1 JN. Daß die Angelegenheit dennoch in die ausschließliche Kompetenz der Agrarbehörde falle, zeige die klare Bestimmung des §38 Abs2 Tiroler WWSG. Die Agrarbehörde müsse Klarheit über das Abfindungsgrundstück und die mit diesem verbundenen Berechtigungen schaffen und daher auch Eingriffe in solche von ihr geschaffenen Berechtigungen sanktionieren.
2.2. Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs des Klägers gab das Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 10.11.1987 Folge, behob den angefochtenen Beschluß und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtsweges auf. Dies wurde damit begründet, daß es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspreche, daß mit einer Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des §523 ABGB stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben werde, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen habe, wenn sich der Beklagte auf ein Recht berufe, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen seien. Zudem habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 8.10.1985, Z2 Ob 619/85, ausgesprochen, daß §38 WWSG keine Zuständigkeit der Agrarbehörden für Eigentumsfreiheitsklagen begründe und somit der Zulässigkeit eines Begehrens auf Feststellung der Freiheit von einer Dienstbarkeit sowie einem diesbezüglichen Unterlassungsbegehren nicht entgegenstehe. Gleiches müsse nach Ansicht des erkennenden Rekursgerichtes auch für das vorliegende Entfernungsbegehren gelten.
2.3. Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Revisionsrekurs der beklagten Partei gab der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 23.6.1988 Folge. Er stellte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe folgenden Wortlautes wieder her: "Das Verfahren wird ab Klagszustellung als nichtig aufgehoben. Die Klage wird zurückgewiesen." Außerdem sprach er Kosten zu.
Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich der Kläger selbst als außerbücherlicher Eigentümer des Ablösungsgrundstückes bezeichnet und eine bereits erfolgte grundbücherliche Durchführung der Servitutenregelung und Ablösung auch nicht behauptet habe. Es sei daher davon auszugehen, daß das agrarbehördliche Verfahren zumindest mangels Richtigstellung des Grundbuches noch nicht durch Bescheid im Sinne des §46 WWSG (Abschlußkundmachung) abgeschlossen worden sei. Daraus folge, daß gemäß §38 Abs3 leg.cit. die Zuständigkeit der Agrarbehörde weiterhin für die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Regulierung und Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen, mit Ausnahme der in §38 Abs5 leg.cit. aufgezählten Fälle gegeben sei.
Der Ausnahmefall einer Streitigkeit über Eigentum und Besitz an einem berechtigten Gut oder verpflichteten Grundstück liege nicht vor, weil sich der Klagsanspruch auf ein dem Kläger erst im agrarbehördlichen Verfahren zur Ablösung seiner früheren Weiderechte lastenfrei ins Eigentum zugewiesenes Ablösungsgrundstück beziehe. Ein solches Ablösungsgrundstück stelle weder ein berechtigtes Gut noch ein verpflichtetes Grundstück im Sinne der vorgenannten Gesetzesstellen dar, sondern gehe im Verfahren durch Lastenfreistellung aus einem seinerzeit verpflichteten Grundstück hervor und werde im Verfahren zum Ablösungsgrundstück bestimmt. Der Rechtsstreit beziehe sich den Klagsangaben zufolge auch nicht, wie von §38 Abs5 WWSG vorausgesetzt werde, darauf, ob dem Kläger oder dem Beklagten das Eigentum oder der Besitz am Grundstück zukomme, sondern lediglich darauf, daß der Beklagte seiner angeblichen Pflicht zur Räumung des Ablösungsgrundstückes von Fahrnissen nicht nachkomme. Ein Ausnahmefall der lita der vorgenannten Gesetzesstelle liege somit nicht vor; ein solcher nach litb komme von vornherein nicht in Betracht.
Mangels bisherigen Abschlusses des agrarbehördlichen Verfahrens im Sinne des §46 WWSG und einer Ausnahme im Sinne des §38 Abs5 leg.cit. sei somit nach der Vorschrift des §38 Abs3 WWSG die Agrarbehörde berufen, über die Frage der Räumungspflicht des Beklagten zu entscheiden. Der Räumungsanspruch desjenigen, dem im agrarbehördlichen Verfahren ein Ablösungsgrundstück zugewiesen wurde, betreffe ein aus der Durchführung der Regulierung und Ablösung hervorgehendes rechtliches Verhältnis. Über ein solches könne während der Anhängigkeit des Verfahrens nur von der Agrarbehörde verhandelt und entschieden werden.
Die Bestimmung des §38 Abs3 WWSG stelle somit als Ausführungsgesetz im Zusammenhalt mit §34 Abs2 des Grundsatzgesetzes ein besonderes Gesetz im Sinne des §1 JN dar, durch welches die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen privatrechtlichen Anspruch wie den vorliegenden in klarer und unzweideutiger Weise vor eine andere Behörde, nämlich die Agrarbehörde, verwiesen werde. Für die vorliegende Rechtssache sei daher der Rechtsweg unzulässig.
2.4. Da der Antrag des J K sen. vom 15.1.1991 des Inhaltes, die Agrarbehörde wolle dem Antragsgegner (d.i. T H sen.) auftragen, das auf dem Grundstück 417/1 KG Gerlos unberechtigterweise gelagerte Rundholz unverzüglich zu entfernen und feststellen, daß dem Antragsgegner auf diesem Grundstück keinerlei Rechte zustehen, bis zum August 1992 nicht entschieden wurde, brachte er beim Amt der Tiroler Landesregierung einen modifizierten Antrag vom 21.8.1992 ein. Dieser lautete wie folgt:
"1. Die Agrarbehörde wolle feststellen, daß dem Antragsteller das Grundstück 417/1 GB Gerlos als Ablösungsgrundstück für die Weiderechte des Antragstellers auf Grundstücken in EZ 51 II GB Gerlos lastenfrei ins Eigentum übertragen wurde, sodaß dem Antragsgegner auf der Gp 417/1 weder ein Holzablagerungsrecht noch ein sonstiges Recht mehr zusteht.
2. Die Agrarbehörde wolle dem Antragsgegner auftragen, binnen 14 Tagen die auf dem Grundstück 417/1 gelagerten Materialien, insbesondere Holz zu entfernen und den vorigen Zustand des Grundstückes wiederherzustellen.
3. Die Agrarbehörde wolle den Antragsgegner schuldig erkennen, in Hinkunft derartige Holzablagerungen oder sonstige Störungen zu unterlassen."
Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 14.12.1992 wurde dem Antrag vom 15.9.1991 (richtig: 15.1.1991) und vom 21.8.1992 keine Folge gegeben. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß gemäß §38 Abs5 lita WWSG Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten Gütern oder verpflichteten Grundstücken von der Zuständigkeit der Agrarbehörde ausgeschlossen seien. Eine Rechtsbeziehung aus der Servitutenregulierungsurkunde bestehe zwischen Antragsteller und Antragsgegner nicht mehr, da die Ablösung der Servitutsrechte bereits rechtskräftig sei. Über die Aufhebung von Servitutsrechten sei im Ablösungsbescheid rechtskräftig abgesprochen worden. Die begehrte Feststellung erscheine als unzulässig, da eine Antragslegitimation dafür weder auf das Eigentumsrecht, noch auf eine Servitutsrechtsbeziehung gestützt werden könne. Die dem Antrag zugrundeliegende actio negatoria sei ein Ausfluß des Eigentumsrechtes und daher auch von den Gerichten zu vollziehen. Zudem sei das Grundstück Nr. 417/1 Weide und nicht Wald. Aus diesem Grunde könne es sich nicht um in die Zuständigkeit der Agrarbehörde fallende Rechte iS des §1 Abs1 litc WWSG handeln.
Die dagegen erhobene Berufung des Antragstellers (des J K sen.) wurde mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 3.3.1994 als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, daß der Antrag, über welchen abgesprochen wurde, wegen Unzuständigkeit der Agrarbehörde zurückgewiesen wird.
In der Begründung dieses Bescheides wird unter Bezugnahme auf die einzelnen Elemente des bei der Agrarbehörde I. Instanz gestellten Antrages im wesentlichen ausgeführt:
"Bei diesen vom Berufungswerber geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich nach Ansicht des Landesagrarsenates um typisch privatrechtliche Ansprüche, zu deren Entscheidungen gemäß §1 JN grundsätzlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Eine Zuständigkeit einer anderen Behörde wäre nur dann gegeben, wenn eine gesetzliche Vorschrift bestünde, die die Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Fragen einer anderen Behörde zuwiese. Der Berufungswerber glaubt nunmehr, im §38 Abs2 WWSG eine solche Verweisungsnorm zu ersehen. Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Gemäß §38 Abs2 WWSG erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung bis zum Abschluß eines Servitutenregulierungs- oder Ablösungsverfahrens, abgesehen von den im Abs5 aufgezählten Fällen, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung einer Regulierung oder Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit jener Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich diese Angelegenheiten sonst gehören. Für Entscheidungen und Verfügungen forstrechtlicher Natur ist die Forstbehörde zu hören. Im gegenständlichen Fall ist die Ablösung der Weiderechte bereits rechtskräftig durchgeführt. Der Berufungswerber ist bereits auch grundbücherlicher Eigentümer der Ablösungsfläche Gp 417/1. Es ist daher für die Durchführung des gegenständlichen Servitutenverfahrens nicht mehr notwendig, daß die Agrarbehörde darüber entscheidet, ob dem T H ... auf Gp 417/1 ein Holzablagerungsrecht zusteht bzw. ihm aufzutragen, die auf Gp 417/1 gelagerten Materialien, insbesondere Holz zu entfernen, und den vorigen Zustand des Grundstückes wieder herzustellen. Dieses Begehren hat mit dem bereits durchgeführten Servitutenverfahren nichts zu tun. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Frage, die zur 'Durchführung einer Regulierung oder Ablösung' in das Verfahren einbezogen werden muß. Erstens ist das Verfahren bereits durchgeführt und muß die Entscheidung der vorgenannten Fragen (Bestand eines Holzablagerungsrechtes und Auftrag zur Entfernung von Material) nicht in das formell noch behängende Servitutenverfahren einbezogen werden. Auf Grund dieser Überlegungen kommt der Landesagrarsenat im Einvernehmen mit der Agrarbehörde I. Instanz zur Ansicht, daß den Agrarbehörden im gegenständlichen Fall keine Zuständigkeit zukommt, weshalb der Berufung ein Erfolg versagt werden mußte.
Da jedoch die Agrarbehörde I. Instanz, wie aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zu ersehen ist, ihre Zuständigkeit zur Behandlung der gegenständlichen Fragen verneint hat, wäre das entsprechende Begehren infolge Unzuständigkeit der Agrarbehörde als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der erstinstanzliche Bescheid war daher aus Anlaß der Berufung diesbezüglich abzuändern."
3. Gestützt auf den geschilderten Sachverhalt stellte J K sen. mit Schriftsatz vom 5.1.1995 beim Verfassungsgerichtshof den vorliegenden, auf Art138 Abs1 lita B-VG und §46 Abs1 VerfGG gestützten Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes. Im Antrag wird insbesondere vorgebracht, daß das Räumungsbegehren im Zivilverfahren und das im Agrarverfahren zu Punkt 2. gestellte Begehren, dem Antragsgegner aufzutragen, die auf dem Grundstück 417/1 GB Gerlos gelagerten Materialien, insbesondere Holz zu entfernen, identisch seien. Nach §349 EO sei die Räumung u. a. die Entfernung von beweglichen Sachen. Wie sich aus der Klagserzählung zum Räumungsbegehren des Antragstellers im Zivilverfahren außerdem zweifelsfrei ergebe, liege der Streitgegenstand darin, daß der Antragsgegner auf der Gp. 417/1 Fahrnisse, wie Holz, Baumaterialien etc. lagere und sich trotz Aufforderung weigere, diese zu entfernen und in Hinkunft derartige Ablagerungen zu unterlassen.
An der Sachidentität ändere es auch nichts, wenn der Antragsteller im Agrarverfahren das Räumungsbegehren um den Feststellungsantrag, daß dem Antragsgegner auf der Gp. 417/1 weder ein Holzablagerungsrecht noch ein sonstiges Recht zustehe sowie um den Antrag, dem Antragsgegner in Hinkunft derartige Holzablagerungen oder sonstige Störungen zu untersagen, erweitert habe. Diese weiteren Begehren seien inhaltlich direkt mit dem ursprünglichen Räumungsbegehren verknüpft und betreffen denselben Streitgegenstand.
Das Verfahren zur Neuregulierung und Servitutenablösung sei noch nicht mit Abschlußkundmachung gemäß §46 WWSG beendet. Der Antragsteller habe sich bei der Agrarbehörde I. Instanz darum bemüht, daß eine Abschlußkundmachung ergehe, damit die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben sei und er seine Sache dort wiederum vortragen könne. Das Verfahren sei auch tatsächlich abgeschlossen worden, wogegen allerdings Berufungen, u.a. von der mitbeteiligten Partei erhoben worden seien. Da deshalb das Servitutenablösungs- und Neuregulierungsverfahren wiederum in absehbarer Zeit nicht abgeschlossen sein werde, sehe er sich daher gezwungen, den Verfassungsgerichtshof anzurufen.
4. Sowohl der Oberste Gerichtshof als auch der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung haben die Akten vorgelegt. Der Oberste Gerichtshof hat eine Äußerung nicht erstattet. Der Landesagrarsenat hat auf die Abgabe einer Äußerung ausdrücklich verzichtet.
Der mitbeteiligte T H hat eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung des Antrages auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes begehrt. Dies wird damit begründet, daß es an der Identität der Anträge, über welche die Gerichts- und Verwaltungsbehörden entschieden haben, mangle. Im gerichtlichen Verfahren habe der Antragsteller eine Räumungsklage eingebracht, die Freiheit seines Eigentumes behauptet und die mitbeteiligte Partei der Titellosigkeit bezichtigt.
Im agrarbehördlichen Verfahren habe er hingegen mit Schriftsatz vom 21.8.1992 einen Feststellungsantrag des Inhaltes eingebracht, die Agrarbehörde wolle feststellen, daß der Antragsteller die Parzelle 417/1 Gerlos lastenfrei in sein Eigentum übertragen erhalten habe und daß der mitbeteiligten Partei kein Holzablagerungsrecht noch ein sonstiges Recht mehr zustehe. Dieses Feststellungsbegehren habe mit der Räumungsklage nichts zu tun. In der Folge sei ein Entfernungsantrag für Holz und sonstige Materialien gestellt worden. Auch sollte der Mitbeteiligte schuldig erkannt werden, Holzablagerungen oder sonstige Störungen zu unterlassen. Damit habe der Antragsteller bei der Agrarbehörde einen Besitzstörungsantrag vermischt mit einer Feststellungsklage über sein angebliches Eigentum eingebracht. Dieser Antrag könne mit dem Räumungsbegehren wegen angeblich titelloser Benützung nicht verglichen werden.
Außerdem seien von den Behörden verschiedene Entscheidungen getroffen worden. Von den Gerichtsbehörden sei die Klage zurückgewiesen worden. Im Agrarverfahren habe aber die Agrarbehörde I. Instanz den Antrag abgewiesen.
Eventualiter werde darauf hingewiesen, daß nach Ansicht der mitbeteiligten Partei im Servitutenablöseverfahren auch zu klären wäre, welche Rechte auf dem Ablösungsgrundstück lasten. Es könne auch ein belastetes Grundstück übertragen werden. Das Regulierungsverfahren sei bis heute nicht erledigt. Die Agrarbehörde könne die entsprechenden Belastungen aufgrund eindeutiger Antragstellung in einem Rechtsakt klären. Solange jedoch ein derartiger Antrag nicht gestellt werde, seien weder die Agrarbehörde noch das Gericht zuständig.
5. Die einschlägigen Vorschriften des WWSG, LGBl. für Tirol Nr. 21/1952, lauten wie folgt:
"Allgemeine Bestimmungen.
§1.
(1) Dieses Gesetz bezeichnet als Nutzungsrechte:
a)
alle wie immer benannten Rechte, in oder aus einem fremden Wald Holz oder sonstige Forstprodukte zu beziehen;
b)
Weiderechte auf fremdem Grund und Boden;
c)
alle anderen Felddienstbarkeiten auf Wald oder der Waldkultur gewidmetem Boden mit Ausnahme der Wegerechte.
(2) Solche Nutzungsrechte können nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geregelt, abgelöst und gesichert werden.
(3) Auf bestimmte Zeit abgeschlossene Verträge, Forstprodukte zu beziehen oder zu liefern, werden durch dieses Gesetz nicht berührt."
"Zuständigkeit der Agrarbehörden.
§38.
(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes und die Anordnungen, welche auf Grund des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, des Landesgesetzes vom 19. Juni 1909, LGBl. Nr. 37 aus 1911, und dieses Gesetzes in Regulierungsplänen oder Satzungen, in Erkenntnissen und genehmigten Vergleichen getroffen wurden, sind mit Ausschluß des Rechtsweges von den Agrarbehörden durchzuführen.
(2) Die Agrarbehörden entscheiden, ob und inwieweit eine Ablösung oder Regulierung stattfindet. Sie entscheiden auch außerhalb eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens mit Ausschluß des Rechtsweges über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten, über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und welche verpflichtet sind, sowie über Streitigkeiten hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten, insbesondere auch über Einwendungen gegen einen Nutzungsplan für belastete Grundstücke nach §33, und über Beschwerden wegen Nichteinhaltung derselben.
(3) Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich von der Einleitung bis zum Abschluß des Verfahrens, abgesehen von den in Absatz 5 aufgezählten Fällen, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung einer Regulierung oder Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit jener Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis diese Angelegenheiten sonst gehören. Vor Entscheidungen und Verfügungen forstrechtlicher Natur ist die Forstbehörde zu hören.
(4) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind von den Agrarbehörden die Normen, welche sonst für diese Angelegenheiten gelten, z.B. die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, des Wasser- und Forstrechtes, anzuwenden.
(5) Von der Zuständigkeit der Agrarbehörden sind ausgeschlossen:
a)
Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten Gütern oder verpflichteten Grundstücken;
b)
die Angelegenheiten der Eisenbahnen, der Bundesstraßen, der Luftfahrt und des Bergbaues.
(6) Die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über Klagen, die auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes gerichtet sind, bleibt unberührt."
"Abschlußkundmachung.
§46.
Nach Richtigstellung des Grundbuches ist mit Bescheid auszusprechen, daß das Verfahren abgeschlossen wird. Der Eintritt der Rechtskraft des Bescheides ist kundzumachen. Hievon sind dieselben Behörden wie bei der Einleitung des Verfahrens zu verständigen."
6. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
6.1. Zur Zulässigkeit:
Ein verneinender (negativer) Kompetenzkonflikt iSd Art138 Abs1 lita B-VG und des §46 VerfGG liegt dann vor, wenn in einer und derselben Sache sowohl die Gerichts- als auch die Verwaltungsbehörde eine Entscheidung in der Sache aus dem Grunde der Unzuständigkeit ablehnen (vgl. VfSlg. 2429/1952, 2856/1955, 3089/1956), aber eine zu Unrecht. Der Begriff der Identität der Sache, die damit gefordert wird, darf nicht all zu strenge ausgelegt werden, weil sich gewisse Verschiedenheiten in der Geltendmachung des Anspruches schon daraus ergeben müssen, daß die Verteilung der Zuständigkeit von materiell-rechtlichen Momenten abhängig ist, die bei der gerichtlichen Geltendmachung anders geartet sind als bei der Geltendmachung vor den Verwaltungsbehörden nach den für diese geltenden Verwaltungsvorschriften (VfSlg. 2429/1952).
Mit der am 29.10.1986 bei Gericht eingelangten Klage hat der nunmehrige Antragsteller begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, unverzüglich die Gp. 417/1 KG Gerlos von sämtlichen Fahrnissen zu räumen und sie geräumt dem Kläger zu übergeben. In seinem modifizierten Antrag vom 21.8.1992 begehrte er unter Punkt 2., die "Agrarbehörde wolle dem Antragsgegner auftragen, binnen 14 Tagen die auf dem Grundstück 417/1 gelagerten Materialien, insbesondere Holz zu entfernen und den vorigen Zustand des Grundstückes wiederherzustellen".
Es ist offenkundig, daß beide Anträge auf die Beseitigung der auf dem Grundstück 417/1 KG Gerlos befindlichen Gegenstände gerichtet sind. Der Antrag ist daher insofern zulässig.
Soweit mit dem Antrag vom 21.8.1992 aber von der Agrarbehörde die Feststellung begehrt wurde, daß dem Antragsteller das Grundstück 417/1 lastenfrei ins Eigentum übertragen worden sei, sodaß dem Antragsgegner auf diesem weder ein Holzablagerungsrecht noch ein sonstiges Recht mehr zustehe, und soweit begehrt wurde, den Antragsgegner für schuldig zu erkennen, in Hinkunft derartige Holzablagerungen oder sonstige Störungen zu unterlassen, ist eine Identität der Sache nicht gegeben. Eine Feststellung der Rechtsverhältnisse an dem in Rede stehenden Grundstück und ein gegen zukünftige Handlungen gerichtetes Unterlassungsbegehren wurden im gerichtlichen Verfahren eindeutigerweise nicht geltend gemacht. Hinsichtlich dieser Fragen ist der Antrag unzulässig und zurückzuweisen.
6.2. In der Sache:
Gemäß §38 Abs3 WWSG erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde, abgesehen von den in Abs5 leg.cit. aufgezählten Fällen, von der Einleitung bis zum Abschluß des Verfahrens unter Ausschluß der Zuständigkeit der Behörden, in deren Wirkungskreis diese Angelegenheiten sonst gehören, "auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung einer Regulierung oder Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen". Ausgenommen von der Zuständigkeit der Agrarbehörde sind gemäß dem zitierten Abs5 Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den berechtigten Gütern oder verpflichteten Grundstücken sowie die Angelegenheiten der Eisenbahnen, der Bundesstraßen, der Luftfahrt und des Bergbaues. Außerdem bleibt gemäß §38 Abs6 WWSG die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über Klagen, die auf den Schutz und die Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes gerichtet sind, unberührt.
Im vorliegenden Fall wurde im Rahmen eines Verfahrens zur Ablösung und Neuregulierung bestimmter Servitutsrechte ein Teil der Grundparzelle 417/1 KG Gerlos, auf die sich sowohl das bei Gericht als auch bei der Agrarbehörde I. Instanz anhängig gemachte Räumungsbegehren bezieht, dem T H sen. als Ablösegrundstück für bestimmte Weiderechte zugesprochen, während der Rest dieser Grundparzelle dem J K sen. als Ablösegrundstück abgetreten wurde. Dies geschah mit - im Jahre 1981 in Rechtskraft erwachsenem - Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 14.11.1979. Die Teilung der Gp. 417/1, die lastenfreie Abschreibung der Teilfläche 1 sowie die Löschung mehrerer Dienstbarkeiten u.a. auch hinsichtlich der belasteten Gp. 417/1 im Grundbuch der KG Gerlos wurde jedoch erst mit - im Jahre 1993 in Rechtskraft erwachsenem - Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 11.5.1992 angeordnet. Das Regulierungs- und Ablösungsverfahren ist bislang noch nicht durch eine Abschlußkundmachung gemäß §46 WWSG abgeschlossen worden.
Der Landesagrarsenat hat die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Entscheidung über das Räumungsbegehren mit der Begründung verneint, daß dieses mit dem Servitutenregulierungsverfahren nichts zu tun habe und daß die Ablösung der Weiderechte bereits rechtskräftig durchgeführt sei, wenn auch das Verfahren noch nicht formell abgeschlossen sei. Darüber hinaus sei der Antragsteller auch bereits grundbücherlicher Eigentümer der Ablösungsfläche Gp. 417/1.
Der Landesagrarsenat ist mit seiner Auffassung nicht im Recht. Bei einem Begehren auf Räumung einer im Rahmen eines - noch nicht abgeschlossenen - Servitutenregulierungsverfahrens gebildeten Ablösungsfläche handelt es sich sehr wohl um ein Begehren, das mit dem Servitutenregulierungsverfahren (noch) zu tun hat. Die Entscheidung darüber ist nämlich offensichtlich eine über solche - tatsächlichen und rechtlichen - Verhältnisse, die gemäß §38 Abs3 WWSG "zum Zweck der Durchführung einer Regulierung oder Ablösung in das Verfahren einbezogen werden müssen." Ist aber grundsätzlich die Zuständigkeit der Agrarbehörde gemäß §38 Abs3 WWSG zur Entscheidung über das Räumungsbegehren gegeben, so ist weiters zu prüfen, ob es sich dabei nicht doch um eine Angelegenheit handelt, die gemäß §38 Abs5 oder 6 leg.cit. von der agrarbehördlichen Zuständigkeit ausgeschlossen ist.
Es ist - wie hier - offensichtlich, daß es sich bei dem Räumungsbegehren, das dem vorliegenden Kompetenzkonflikt zugrundeliegt, um kein unter §38 Abs6 WWSG fallendes handelt und auch nicht handeln kann: Schon aus der Formulierung des gerichtlichen Klagebegehrens und der Anträge im agrarbehördlichen Verfahren ergibt sich, daß nicht die Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes das Ziel ist.
Eindeutig ist aufgrund des Sachverhaltes auch, daß es sich bei dem gestellten Räumungsbegehren um kein gemäß §38 Abs5 leg.cit. von der Zuständigkeit der Agrarbehörden ausgeschlossenes handelt. Denn es geht dabei weder um Angelegenheiten der Eisenbahnen, der Bundesstraßen, der Luftfahrt und des Bergbaues, noch um eine Streitigkeit über Eigentum und Besitz an einem berechtigten Gut oder verpflichteten Grundstück. Das hat auch der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 23.6.1988 ausgesprochen.
Der Verweis des Landesagrarsenates darauf, daß das Verfahren bereits durchgeführt worden sei, ist verfehlt, da es gemäß der ausdrücklichen Anordnung des §46 WWSG darauf ankommt, daß der Abschluß des Verfahrens mit Bescheid festgestellt worden ist. Bis zu dem solcherart erfolgten Abschluß des Verfahrens aber erstreckt sich, was sich aus dem ersten Satz des §38 Abs3 WWSG ergibt, sofern sie - wie hier - in sachlicher Hinsicht gegeben ist, die Zuständigkeit der Agrarbehörde auch in zeitlicher Hinsicht.
Es ist somit, solange das Verfahren gemäß §46 WWSG nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, die Zuständigkeit des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz gegeben, über das dem vorliegenden Kompetenzkonflikt zugrunde liegende Begehren zu entscheiden.
Die dieser Feststellung entgegenstehenden Bescheide des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 14.12.1992 und des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 3.3.1994 waren gemäß §51 VerfGG aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §52 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist USt in der Höhe von S 3.000,-- enthalten. Zuzusprechen waren nur die Prozeßkosten, nicht aber die dem Antragsteller in den Anlaßverfahren erwachsenen Kosten.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Agrarbehörden, Zuständigkeit Agrarbehörden, Bodenreform, ServitutenregulierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:KI1.1995Dokumentnummer
JFT_10039074_95K00I01_00