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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des XY, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019, Zl. L508 2102925-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Libanon, stellte am 10. Oktober 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte vor, er sei zwar im Libanon geboren, habe aber in Syrien gelebt. Syrien habe er aufgrund des Krieges verlassen. 2 Mit Bescheid vom 16. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag (im zweiten Rechtsgang) ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Libanon zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Mit Beschluss vom 24. Oktober 2019, E 2354/2019-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 11. November 2019, E 2354/2019- 12, trat dieser die Beschwerde über nachträglichen Antrag im Sinn des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentliche zusammengefasst geltend, das BVwG hätte nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Zum einem habe das BFA den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren ermittelt. Dem BFA seien in diesem Zusammenhang grobe Ermittlungsmängel hinsichtlich der Frage, inwiefern eine Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers eingreife, unterlaufen. Zum anderen habe das BVwG die beweiswürdigenden Erwägungen des BFA nicht bloß unwesentlich ergänzt, indem es weitergehende Feststellungen zum Beschwerdevorbringen getroffen und seine Beweiswürdigung auf zusätzliche zentrale Argumente gestützt habe. Weiters habe der Revisionswerber in der Beschwerde den durch das BFA festgestellten Sachverhalt im Hinblick auf die Interessenabwägung substantiiert bestritten und das BVwG habe die besondere Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände verkannt.
9 Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn dieser Bestimmung "geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich:
10 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht muss die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0391, mwN). 11 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0245, mwN). 12 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 2.12.2019, Ra 2019/14/0408, mwN). 13 Dem Revisionswerber gelingt es mit seinem Vorbringen nicht, ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen:
14 Das BVwG legte seiner Entscheidung das Vorbringen in der Beschwerde in Bezug auf die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers zugrunde. Damit konnte aber eine mündliche Verhandlung zur Klärung dieser Fragen unterbleiben und das BVwG durfte von einem geklärten Sachverhalt ausgehen (vgl. etwa VwGH 29.11.2017, Ra 2017/18/0425, Rn. 20; 21.12.2018, Ra 2018/19/0621, Rn. 15; 2.5.2019, Ra 2018/20/0316, Rn. 11; 5.8.2019, Ra 2019/20/0307, Rn. 11).
15 Insofern die Revision vorbringt, es wäre notwendig gewesen, die tatsächlichen Familienverhältnisse in einer mündlichen Verhandlung zu klären, ist anzumerken, dass bereits das BFA feststellte, der Revisionswerber lebe mit seinem Halbbruder in einer Unterkunft und es bestehe weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Halbgeschwistern oder den Kindern seiner Halbschwester. Diese Feststellungen bestritt der Revisionswerber in seiner Beschwerde nicht.
16 Im Hinblick auf die beantragten Zeugeneinvernahmen wird die Relevanz eines allfälligen Verfahrensfehlers nicht dargetan, weil das BVwG dem Revisionswerber ohnedies bestehende Deutschkenntnisse nicht absprach, von einem größeren Freundes- und Bekanntenkreis im Inland ausging und die vom Revisionswerber gesetzten Integrationsbemühungen in seine Interessenabwägung miteinbezog. Es gelingt dem Revisionswerber insbesondere nicht darzulegen, dass das BVwG, wäre es - wie in der Beschwerde vorgebracht - von hervorragenden anstatt alltagstauglichen Deutschkenntnissen ausgegangen, zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können. 17 Insofern der Revisionswerber geltend macht, das BVwG hätte die für ihn zu erwartenden, konkreten Verhältnisse im Libanon in die Interessenabwägung miteinbeziehen müssen, ist auf die Ausführungen des BVwG zu verweisen, wonach sich seine Eltern nach wie vor im Libanon aufhielten und davon auszugehen sei, der Revisionswerber könne im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen. Davon abgesehen sei der Revisionswerber als arbeitsfähig und arbeitswillig anzusehen.
18 Mit seinem übrigen Vorbringen legt der Revisionswerber in Bezug auf die Abwägung nach Art. 8 EMRK nicht substantiiert dar, welche zu seinen Gunsten sprechenden Umstände vom BVwG hätten ergänzend festgestellt werden müssen.
19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. Jänner 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140011.L00Im RIS seit
18.02.2020Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020