TE Vwgh Beschluss 2020/1/21 Ra 2019/14/0511

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 11/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2019, W256 2192618- 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte am 8. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er zusammengefasst vor, er sei in Daroor geboren und aufgewachsen. Früher habe diese Gegend zu Somalia gehört, jetzt gehöre sie zu Äthiopien. Er sei somalischer Staatsangehöriger und sei in Äthiopien aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden. Zudem habe man ihm vorgeworfen, der Ogaden National Liberation Front (ONLF) anzugehören. In Somalia sei er gefährdet, da er aufgrund eines Abkommens als ONLF-Verdächtiger wieder nach Äthiopien zurückgeschickt werden würde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das aufgrund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer Verhandlung den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Es legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Revisionswerber befinde sich seit 9. September 2016 in Österreich und weise eine gute Integration auf. Es bestehe auch ein Privatleben im Sinn des Art. 8 EMRK in Österreich, sodass ihm gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen sei. Allein bereits durch die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten drohe dem Revisionswerber die Abschiebung nach Somalia (obwohl er aus Äthiopien stamme) und dort wie da die neuerliche Verfolgung, Inhaftierung und Folter. Die zu lösende Rechtsfrage, ob bei einem derartigen, wie dem vorliegenden Sachverhalt die Versagung bzw. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 zur Zeit zulässig sei, sei in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet worden und gehe über den Einzelfall hinaus.

7 Weiters hänge die Revision von der Lösung der Rechtsfrage ab, ob eine Abschiebung eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Der Revisionswerber sei somalischer Staatsangehöriger, habe aber bis zu seiner Flucht mit seiner Familie in Äthiopien gelebt und sei seinen Angaben nach bereits mehrmals inhaftiert und der Zugehörigkeit zur OLNF bezichtigt worden.

8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. zum Ganzen VwGH 10.9.2019, Ra 2019/14/0258, mwN). Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision lässt eine solche konkrete Darlegung vermissen.

9 Überdies ist, soweit sich die Revision gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wendet, darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0356, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit wird von der Revision aber mit dem bloßen Hinweis auf eine "gute Integration" nicht einmal ansatzweise aufgezeigt. 10 Insoweit der Revisionswerber moniert, die Revision hänge von der Rechtsfrage ab, ob eine Abschiebung eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bei dieser Beurteilung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0175; VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0404; 12.6.2018, Ra 2018/20/0284, jeweils mwN). Die Revision zeigt ein Abweichen von dieser Rechtsprechung ebenso nicht auf.

11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140511.L00

Im RIS seit

18.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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