TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/26 W168 2184841-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.08.2019
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Entscheidungsdatum

26.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W168 2184841 - 1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017, Zahl 1076609903/150795995, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.06.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützt unberechtigter Einreise am 05.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.07.2015 gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei Moslem. Er stamme aus der Provinz Kunar. Im Herkunftsstaat habe er sechs Jahre die Grundschule besucht. Vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe der BF als Verkäufer gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass er in der Apotheke seines Onkels gearbeitet habe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sein Onkel mit den Taliban zusammenarbeite und deshalb Waffen in der Apotheke versteckt habe. Eines Tages hätte er eine dort entdeckt. Daraufhin habe ihn sein Onkel mit dem Tod bedroht, wenn er jemandem darüber erzähle. Der BF habe seine Mutter über die Vorkommnisse informiert, die in weiterer Folge einen anderen Onkel informiert habe, der den BF nach Europa geschickt habe. Bei einer Rückkehr in den Heimatstaat würde dem BF die Todesstrafe durch die Taliban drohen.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 07.11.2017 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, dass er gesund sei und nicht an chronischen oder akuten Krankheiten leide. Er stamme aus der Provinz Kunar und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Befragt, wo er zuletzt in seinem Heimatstaat gelebt habe, erklärte der BF, dass er bis zur Ausreise mit seinem Onkel väterlicherseits, dessen Ehefrau, seiner Mutter, seinen zwei Schwestern sowie seinem Bruder zusammengelebt habe. Der BF könne keinen Reisepass oder sonstige Identitätsdokumente zur Vorlage bringen.

Zur Reiseroute befragt, brachte der BF vor, dass er von Kunar aus schlepperunterstützt über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn gereist sei. Sein Onkel habe die Reise organisiert, die diesbezüglichen Geldmittel würden von seinem Vater und seinem Onkel stammen.

Zu den Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, erklärte der BF, dass er in der Provinz Kunar sechs Jahre die Grundschule besucht habe und anschließend seinen Vater in der Landwirtschaft geholfen habe. Er habe weder eine weiterführende Schule besucht noch eine Erwerbstätigkeit durchgeführt, bzw. hätte sein Vater habe für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Im Herkunftsstaat würden nunmehr nach wie vor seine Mutter, seine beiden Schwestern und sein Bruder bei einem Onkel leben. Seiner Familie gehe es gut, der BF stehe in unregelmäßigem Kontakt mit seiner Mutter, die ihm berichtet habe, dass sein Onkel verschwunden sei. Die Frage, ob seine Familie über Grundstücke oder Geldwerte verfüge, wurde vom BF verneint. Neben seiner Kernfamilie würden in Afghanistan noch drei Onkeln und eine Tante mütterlicherseits und zwei Tanten und ein Onkel väterlicherseits leben. Die Frage, ob er zu den Onkeln und Tanten im Heimatstaat noch Kontakt habe, wurde vom BF verneint. Die Fragen, ob er in seinem Heimatstaat vorbestraft, inhaftiert gewesen sei oder sonstige Probleme mit Behörden gehabt habe, wurden vom BF verneint. Es würden gegen ihn keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen bestehen, er sei nicht politisch tätig oder Mitglied einer Partei gewesen und habe im Herkunftsstaat keine Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Die Fragen, ob er gröbere Probleme mit Privatpersonen gehabt habe oder an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen habe, wurden vom BF verneint.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass ihn sein Onkel nach dem Tod seines Vaters aufgefordert habe, ihn aufgrund finanzieller Probleme der Familie in der Apotheke zu unterstützen. Bei seiner Tätigkeit habe der BF vernommen, dass in der Apotheke Waffen gelagert seien, bzw. hätten am nächsten Tag Taliban das Geschäft betreten. In weiterer Folge habe er seinen Onkel darüber informiert, dass er die Tätigkeit in der Apotheke ablehne. In weiterer Folge sei der BF von seinem Onkel der Ungläubigkeit bezichtigt und geschlagen worden. Darufaufhin hätte die Mutter des BF einen anderen Onkel kontaktiert. Dieser hätte für den BF in Folge einen Schlepper organisiert. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der BF von seinem Onkel getötet werden. Befragt, wie lange seine Familie mit dem erwähnten Onkel zusammengelebt habe, erwiderte der BF, dass sie seit der Kindheit mit dem Onkel zusammengewohnt habe. Er wisse nicht, wie lange sein Onkel die besagte Apotheke bereits betrieben habe. Zur Frage, wie lange er insgesamt in der Apotheke gearbeitet habe, entgegnete der BF, dass es sich um ca. drei Tage gehandelt haben müsse. Auf Nachfrage gab der BF an, dass er die Waffen am dritten Tag in einer Ecke entdeckt habe. Befragt, ob die Waffen in einem Schrank gewesen oder offen umhergelegen seien, entgegnete der BF, dass sie in einem Regal platziert gewesen seien und er dieses geöffnet habe. Zur Frage, welche Waffen er gefunden habe, erklärte der BF, dass er eine Kalaschnikow sowie Pistolen und eine Rakete entdeckt habe. Anschließend habe er seinen Onkel zuhause darüber aufgeklärt, aufgrund seiner Entdeckung nicht mehr in der Apotheke arbeiten zu wollen und sei noch am selben Tag zu seinem Onkel mütterlicherseits gezogen. Auf Nachfrage erklärte der BF, dass er nicht wisse, was sein Onkel mit den Waffen bezweckt habe. Nach dem Waffenfund sei er jedenfalls nicht mehr zur Apotheke zurückgekehrt. Auf Vorhalt, dass er zuvor aber angegeben habe, gesehen zu haben, dass die Taliban am nächsten Tag die Apotheke betreten hätten, dass er die erwähnten Personen am dritten Tag gesehen habe, er jedoch nicht mehr zur Apotheke zurückgekehrt sei. Zum weiteren Vorhalt, dass er zu Beginn der Einvernahme erklärt habe, dass er sich erst am Tag nach dem Waffenfund an seinen Onkel gewandt habe und ihm mitgeteilt habe, die Tätigkeit in der Apotheke zu beenden und nunmehr zu Protokoll gebe, dass er noch am selben Tag des Waffenfundes den Onkel über seine Kündigung informiert habe und anschließend zu seinem Onkel mütterlicherseits gefahren sei, entgegnete der BF, dass sein Onkel und er in der Apotheke über die Waffen gesprochen hätten und dieser ihn am nächsten Tag zur Arbeit mitnehmen habe wollen, was der BF abgelehnt habe. In weiterer Folge sei er von seinem Onkel auch geschlagen worden. Dem BF wurde vorgehalten, dass er zuvor erklärt habe, am Tag des Waffenfundes zu seinem Onkel mütterlicherseits gefahren zu sein, währenddessen er nunmehr zu Protokoll gebe, dass sein Onkel ihn am nächsten Tag in die Arbeit mitnehmen habe wollen, erwiderte der BF, dass sie am dritten Tag noch bei seinem Onkel übernachtet hätten und sein Onkel ihn am vierten Tag nach Entdeckung des Waffenfundes mitnehmen habe wollen, er aber abgelehnt habe. Befragt, ob er nach seiner Ausreise weitere Probleme mit dem besagten Onkel gegeben habe, brachte der BF vor, dass jener Onkel, der ihn bei der Ausreise unterstützt habe, seit mehreren Monaten verschwunden sei. Der Onkel väterlicherseits habe seine Mutter jedenfalls nicht mehr kontaktiert oder aufgesucht. Zum weiteren Vorhalt, wieso ihn sein Onkel umbringen wolle, obwohl er gar nicht nach ihm suche, erwiderte der BF, dass von diesem am dritten Tag seiner Tätigkeit dazu genötigt worden sei, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Der BF sei jedenfalls in keine andere Provinz gezogen, da ihn sein Onkel in ganz Afghanistan finden würde.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF zu Protokoll, dass sich keine Familienangehörigen in Österreich befinden würden. Er habe ein Jahr eine Sozialberufsschule besucht und 16 Monate Freiwilligendienst absolviert. In seiner Freizeit lerne er die deutsche Sprache und spiele Volleyball. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und wohne in einem Asylheim in Linz. Die Fragen, ob er in Österreich Privatbesitz oder eine Freundin habe, wurden vom BF verneint.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Zertifikat vom 27.06.2017 auf dem Niveau A1, ein Zertifikat vom 24.10.2017 auf dem Niveau A2, eine Teilnahmebestätigung vom 23.09.2016 über die freiwillige Teilnahme am "Wertedialog- Eine Initiative des Frauenreferates des Landes Oberösterreich", Bestätigung vom 29.09.2016 über die regelmäßige Teilnahme am Fußballtraining, mehrere Empfehlungsschreiben, eine Teilnahmebestätigung vom 29.09.2017 über die Teilnahme an einem Integrationsprojekt, eine Praktikumsbestätigung vom 03.07.2017 über ein absolviertes Praktikum im Ausmaß von 200 Wochenstunden, eine Bestätigung vom 07.07.2017 über den Besuch der Schule für Sozialbetreuungsberufe im Schuljahr 2016/2017 als außerordentlicher Schüler sowie mehrere Unterstützungserklärungen in Vorlage gebracht.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Beweiswürdigend stellte das BFA fest, dass es dem BF nicht gelungen sei, den vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen. Befragt danach, wie sich die letzten Tage vor Ausreise aus seinem Heimatstaat zugetragen hätten, habe er in sich nicht schlüssige, konträre Angaben getätigt, da er einerseits zu Protokoll gegeben habe, dass er am Tag nach dem Waffenfund gesehen habe, dass Taliban bzw. Personen in das Geschäft gekommen seien und andererseits angegeben habe, nach dem Waffenfund nicht mehr in der Apotheke seines Onkels gewesen zu sein. Auf Vorhalt gab der BF zu Protokoll, dass er diese Personen am dritten Tag nach der Arbeit in der Apotheke seines Onkels gesehen habe, was wiederum den zeitlichen Angaben des Waffenfundes widerspreche. Nach erfolgter Rückübersetzung habe er seine Aussage wiederum dahingehend relativiert, die Personen am zweiten Tag in der Apotheke seines Onkels gesehen zu haben. Seinen Angaben zufolge sei der BF am Abend des Waffenfundes mit seiner Mutter zu seinem Onkel mütterlicherseits gegangen und habe sich dort die nächsten zwei Tage aufgehalten. In selber Einvernahme habe der BF aber ebenfalls zu Protokoll gegeben, dass er von seinem Onkel am Tag nach dem Waffenfund aufgefordert worden sei, mit ihm die Arbeit in der Apotheke fortzusetzen, obwohl er zuvor angegeben habe, das Haus seines Onkels an besagtem Tag verlassen zu haben und es in den verbleibenden Tagen seines Aufenthalts in seinem Heimatland zu keinerlei Kontakt mit seinem Onkel gekommen sei. Auf Vorhalt habe der BF zu Protokoll gegeben, dass er am Tag des Waffenfundes noch eine Nacht bei seinem Onkel väterlicherseits verbracht habe und erst am darauffolgenden Tag zum Onkel mütterlicherseits gegangen sei. Es erscheine der Behörde jedenfalls nicht plausibel, dass sein Onkel während seines zweitägigen Aufenthaltes nicht nach dem BF gesucht habe, da ihm einerseits der Standort des Hauses seines Onkels mütterlicherseits bekannt und andererseits dieses nur 20 Minuten von dessen Haus entfernt gewesen sei. Dass von Seiten seines Onkels väterlicherseits kein Interesse an der Ermordung seiner Person bestanden habe, werde durch die in der Einvernahme getätigten Aussagen bekräftigt, wonach seine Mutter, seine Geschwister und sein Onkel nach wie vor im selben Haus wie bei der Ausreise des BF wohnen würden. Außer, dass der BF von seinem Onkel zu einer Zusammenarbeit mit den Taliban aufgefordert worden sei, habe er keinerlei konkrete Begebenheiten kundtun können, welche die Behörde zu dem Schluss kommen lassen könnte, dass er einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt worden wäre. In einer Gesamtschau seiner Ausführungen gehe die Behörde nicht von einer glaubwürdigen Darstellung in Bezug auf sein Fluchtvorbringen aus. Soweit seine Rückkehrsituation in Betracht zu ziehen sei, werde angeführt, dass er sich in seiner Heimat niederlassen könnte. Es werde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Familienangehörige des BF nach wie vor in seinem Heimatland leben würden. Seine Mutter, zwei Schwester, ein Bruder, drei Onkeln und eine Tante mütterlicherseits sowie zwei Tanten und ein Onkel väterlicherseits würden sich in der Provinz Kunar befinden. Seine Onkel würden über finanzielle Einkünfte und würden ihnen bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat anfängliche, finanzielle Unterstützung gewähren. Hinsichtlich der Sicherheits-und Versorgungslage in Afghanistan, die sich in Teilen des Landes als prekär darstellen könnte, dass sie relevant sein könnte, sei festzuhalten, dass eine derartige Gefährdung nicht für das gesamte Gebiet Afghanistans festzustellen sei. Es werde nicht verkannt, dass die Sicherheitssituation in seinem Herkunftsstaat bedrohlich sei und dass es sich bei der Provinz Kunar um eine volatile Provinz Afghanistans handle. Es sei dem BF jedoch durchaus zumutbar, sich in einer Gegend wie Kabul niederzulassen und sich mittels Gelegenheitsarbeiten den Lebensunterhalt für sich selbst verdienen und andererseits auf finanzielle Unterstützung seitens seiner Onkel zurückzugreifen.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 18.01.2018 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die vorgebrachte Gefährdungslage von der Behörde als unglaubhaft gewürdigt und keiner rechtlichen Beurteilung zugeführt werde, dies jedoch nicht zutreffend wäre. Wie die Behörde zu dieser Annahme gelangen habe können, sei insgesamt nicht nachvollziehbar. So begründe die Behörde die Unglaubwürdigkeit im Wesentlichen mit angeblichen Ungereimtheiten der zeitlichen Abfolge betreffend der Sichtung der Taliban, als auch der angegebenen Waffen und Fluchtzeitpunkt. Insoweit die Behörde dabei als Widerspruch anführe, dass der BF in der freien Erzählung angegeben haben soll, die Waffen am zweiten und am dritten Tag gesehen zu haben und dem widersprechend in weiterer Folge geschildert habe, die Taliban am zweiten Tag und die Waffen am dritten Tag entdeckt zu haben, so sei darauf hingewiesen, dass der BF nach Rückübersetzung der freien Erzählung diese hinsichtlich der Tage zwei und drei sofort richtiggestellt habe, was jedoch offensichtlich in der Niederschrift unberücksichtigt geblieben sei. Den Umstand des zweitätigen Aufenthalts erachte die Behörde als weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens, da nach Ansicht der Behörde der Onkel den BF binnen dieser zwei Tage suchen und finden hätte müssen. Ob der Onkel den BF binnen dieser zwei Tage suchen und finden hätte müssen, entziehe sich der Kenntnis des BF. Der Vollständigkeit halber sei noch angeführt, dass der Onkel des BF zwischenzeitig verschwunden sei und die Mutter des BF nunmehr bei einem anderen Onkel lebe, der die Kontaktaufnahme des BF zu seiner Mutter verhindere, da er dem BF die Schuld am Verschwinden des Onkels gebe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Privatlebens des BF hätte die Behörde jedenfalls eine Rückkehrentscheidung als einen unzulässigen Eingriff in seine, aus Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat-und Familienlebens erkennen müssen. Der BF habe sich während seines zwischenzeitlich zweieinhalb jährigen Aufenthaltes in Österreich bereits nachweislich bestens integriert, spreche Deutsch auf A2 Niveau, habe einen österreichischen Freundeskreis, sei und sei ehrenamtlich tätig gewesen, sei sportlich engagiert und habe einen einjährigen Lehrgang zur Einführung in soziale Dienste absolviert und besuche derzeit die Übergangsstufe des Akademischen Gymnasiums Linz. Überdies sei der BF strafgerichtlich unbescholten und sein Aufenthalt in Österreich gefährde weder die öffentliche Ruhe oder Ordnung noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl. Beantragt wurde die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.06.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Zur Frage, weshalb er gegen den Bescheid des Bundesamtes Beschwerde erhoben habe, erklärte der BF, dass es bereits bei seiner ersten Einvernahme Probleme mit dem Dolmetscher gegeben habe. Zudem sei er im Rahmen dieser Einvernahme gestresst und verängstigt gewesen. Auf Vorhalt, dass er selbst mit seiner Unterschrift bestätigt habe, dass alles richtig niedergeschrieben worden sei und auch in der Beschwerde keine Verständigungsschwierigkeiten erwähnt worden seien, erwiderte der BF, dass er aufgrund Angstzuständen nichts gesagt habe, die geschilderten Probleme jedoch im Rahmen der Beschwerdeerhebung wiedergegeben habe.

Zu seinen Lebensumständen im Heimatland befragt, führte der BF aus, dass er aus der Provinz Kunar stamme und sich dort nach wie vor seine Mutter, seine beiden Schwestern sowie ein Bruder und sein Onkel aufhalten würden. Insgesamt habe er drei Onkeln mütterlicherseits, die 15-20 Minuten vom Dorf entfernt wohnen würden. Befragt, ob er mit seinen Familienangehörigen in Kontakt stehe, erklärte der BF, dass er zurzeit mit seinen Verwandten keinen Kontakt habe und er zuletzt vor sechs Monaten mit seiner Mutter gesprochen habe, da er niemanden gefunden habe, der eine telefonische Verbindung zu seiner Mutter herstellen könne. Zur Frage, womit er in Afghanistan seinen Lebensunterhalt verdient habe, entgegnete der BF, dass sein verstorbener Vater durch seine Arbeit in der Landwirtschaft für die Familie gesorgt habe und seine Familie nunmehr von den Einkünften seines Onkels mütterlicherseits lebe. Die Frage, ob es an den Gründen seiner Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheides seit Erhalt des angefochtenen Bescheids der ersten Instanz eine wesentliche Änderung ergeben habe, wurde vom BF verneint.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass sein Onkel ihn sechs Monate nach dem Tod seines Vaters zur Unterstützung in seiner Apotheke aufgefordert habe und in weiterer Folge am zweiten Tag seiner Arbeitstätigkeit bemerkt habe, dass sein Onkel von Taliban aufgesucht worden sei. Am dritten Tag habe er zudem Waffen registriert, woraufhin er seinen Onkel mit seiner Entdeckung konfrontiert habe, der ihn jedoch auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet habe. Nach seiner Arbeit habe er seiner Mutter darüber aufgeklärt, dass er in der Apotheke seines Onkels sowohl die Taliban als auch Waffen gesehen habe, weswegen sie ihm zur Beendigung seiner Tätigkeit geraten habe. Nachdem der BF seinen Onkel mitgeteilt habe, dass er ihn nicht mehr in der Apotheke unterstützen wolle, habe dieser ihn und seine Mutter geschlagen und dem BF überdies erklärt, dass er zu dieser Arbeitsleistung verpflichtet sei. Am nächsten Morgen habe der BF die weitere Aufforderung seines Onkels erneut abgelehnt, woraufhin der Onkel ihn und seine Mutter wieder geschlagen und den BF als ungläubig bezeichnet habe. Anschließend habe die Mutter des BF ihren Bruder verständigt, der ihnen versprochen habe, ein Auto zukommen zu lassen. Der Onkel habe dem BF erklärt, dass er im Gegensatz zu seiner restlichen Familie aufgrund kultureller Besonderheiten und seiner Vorgeschichte nicht bei ihm wohnen könne. Zur Frage, wie viel Geld er gehabt habe, um seine Reise nach Europa zu finanzieren, erwiderte der BF, dass sich seine Mutter um die Ersparnisse gekümmert habe und er deshalb nicht wisse, wie viel Geld für die Reise aufgewendet worden sei. Auf Vorhalt, wieso er sich mit dem Geld nicht in größere Städte wie Herat oder Mazar-e Sharif begeben habe, erwiderte der BF, dass seine Familie dort keine Anknüpfungspunkte habe und andere Stämme vorherrschend seien. Zum weiteren Vorhalt, dass er als Paschtunen der Mehrheit angehöre, brachte der BF vor, dass ihn sein Onkel und seine Mutter woanders nicht unterstützen hätten können und er sich zudem vor seinem Onkel väterlicherseits gefürchtet habe. Befragt, weshalb der besagte Onkel nach ihm suchen sollte, gab der BF zu Protokoll, dass er von seinem Onkel zu seiner Arbeitsleistung gezwungen worden sei und als Ungläubiger von ihm im Falle der Ablehnung der Taliban und der islamischen Religion getötet werde. Zur Frage, ob er spezielle Fachkenntnisse, besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse aufweise, die ihn für eine Rekrutierung durch die Taliban besonders interessant erscheinen lasse, erklärte der BF, dass sein Onkel die Taliban und ihn darüber informiert habe, dass er zwei Familienmitglieder für die Verbreitung des Jihads einsetzen wolle. Auf weitere Nachfrage, wieso er sich deswegen nicht in Millionenstädte wie Mazar-e Sharif oder Herat begeben habe, entgegnete der BF, dass es in ganz Afghanistan keine Sicherheit geben und er in diesen Städten zudem keine familiären Anknüpfungspunkte habe. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat habe er Angst, ein Problem für seine Familie darzustellen. Befragt, ob er irgendwelche konkreten Hinweise auf eine ihn unmittelbar betreffende Bedrohung habe, gab der BF an, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe und Probleme mit seinem Onkel väterlicherseits habe. Bescheinigungsmittel für seine Fluchtgeschichte könne der BF jedenfalls nicht in Vorlage bringen. Die Frage, ob er wegen der Bedrohungen eine Anzeige bei der Polizei eingebracht habe, wurde vom BF verneint und ausgeführt, dass diese nicht für Sicherheit sorgen könne. Zur Frage, wo sein Onkel die Waffen eingelagert habe, erklärte der BF, dass diese in einem unversperrten Kasten gewesen seien. Auf Nachfrage, wieso sein Onkel Waffen unversperrt gelassen habe, entgegnete der BF, dass er immer in Begleitung der Taliban gewesen sei und ansonsten niemand die Apotheke betreten habe können, da sich nur wenige Medikamente darin befinden würden. Auf Vorhalt, wieso ihm sein Onkel nicht bereits vor Beginn seiner Arbeitsaufnahme über seine Zugehörigkeit zu den Taliban informiert habe, gab der BF an, dass er ihm das nicht gesagt habe und ihn nur zu seiner Tätigkeit aufgefordert habe. Zur Frage, ob sein Onkel seine restlichen Familienmitglieder nach seiner Ausreise bedroht habe, erklärte der BF, dass er lediglich ihn selbst mit der Ermordung bedroht habe. Befragt, wieso sich seine Mutter, seine Schwestern sowie auch seine Onkel in Afghanistan weiterhin unbehelligt aufhalten dürften, brachte der BF vor, dass sich Angriffe der Taliban ausschließlich gegen erwachsene Männer und nicht gegen Frauen und Kinder richten würden. Sein Onkel habe nur ihn aufgefordert, mit ihm den Jihad zu verbreiten. Zur Frage, ob sein Onkel innerhalb der Taliban eine besondere Funktion gehabt habe, entgegnete der BF, dass er als Dorfvertreter auch ein Vertreter der Taliban sei. Zum Vorhalt, dass den Würdigungen des BF zu entnehmen sei, dass insbesondere in Herat und in Mazar e-Sharif die Lage stabil sei und sich Vorfälle in diesen Städten hauptsächlich gegen "high-profile" Personen richten würden, gab der BF zu Protokoll, dass sein Onkel eine wichtige Funktion bei den Taliban habe und er deshalb nicht in den genannten Städten leben könne. Auf weiteren Vorhalt, dass er im gesamten bisherigen Verfahren die wichtige Funktion seines Onkels unerwähnt gelassen habe, brachte der BF vor, dass er zur Funktion seines Onkels nicht befragt worden sei.

Zur Reiseroute befragt, führte der BF aus, dass er schlepperunterstützt über Nangarhar, Kabul und anschließend vom Iran über die Türkei, Bulgarien und Serbien nach Ungarn gelangt sei und sich von dort nach Österreich begeben habe. Die Frage, ob er in Kabul oder Nangarhar bedroht worden sei, wurde vom BF verneint. Im Iran sei er inhaftiert worden und die bulgarische Polizei habe ihm an der Grenze Geld abgenommen. Befragt, wie sich seine eigene Situation von jener Situation eines anderen, jungen und gesunden Afghanen unterscheide, erklärte der BF, dass er im Falle einer sicheren Lage nicht nach Österreich gekommen wäre. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde er von seinem Onkel belästigt werden. Zur Frage, wie sein Onkel von seiner Rückkehr erfahren könnte, erwiderte der BF, dass er nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren könne, ohne sich eine neue Tazkira ausstellen zu lassen.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er Unterstützung von der Caritas erhalte und 16 Monate als freiwilliger Helfer tätig gewesen sei und keine Arbeitserlaubnis für eine dauerhafte Tätigkeit bekommen habe. Er wolle eine Lehre als Krankenpfleger absolvieren. Der BF habe in Österreich bereits zahlreiche Freunde und verbringe seine Freizeit durch die Absolvierung von Deutschkursen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF eine Kursbestätigung vom 07.11.2018 über die Absolvierung eines Kurses auf dem Niveau Deutsch B1 vom 01.10.2018 bis zum 07.11.2018 und ein Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung vom 06.09.2018 in Vorlage gebracht.

9. Mit Stellungnahme vom 13.06.2019 wurde zusammenfassend ausgeführt, dass das Vorbringen betreffend die Angaben und Verhältnisse zu der Familie in Afghanistan glaubwürdig und nachvollziehbar wären. Der BF könne insbesondere keinen Schutz von der Familie der Mutter erwarten. Der Onkel des BF wäre in seiner Ehre verletzt und aus diesem Grund hätte dieser auch nun noch ein persönliches Interesse den BF zu finden. Es wäre festzuhalten, dass der Onkel die Waffen in einer "Scheinapotheke" gleagert hätte, die eben nicht für jedermann tatsächlich zugänglich wäre. Somit wären auch die hierauf bezogenen Ausführungen des BF sehr wohl nachvollziehbar. Betreffend den Vorhalt, dass der BF erst im Zuge der Verhandlung ausgeführt hätte, dass der Onkel ein Mitglied der Taliban gewesen wäre, wäre auszuführen, dass hierzu im bisherigen Verfahren keine Vorhalte und Fragen an den BF erstattet worden wären. Der BF hätte davon ausgehen können, dass sich die Behörde bewusst sein könnte, dass ein Dorfvertreter in einem Dorf, welches unter Kontrolle der Taliban steht, eng mit diesen zusammenarbeiten würde. Zum Vorhalt, dass der BF nicht bereits in anderen Ländern Schutz gesucht hätte, wäre auf das bisherige Vorbringen zu verweisen, wonach die belangte Behörde davon ausgegangen wäre, dass der BF in keinem anderen Land, durch das er reiste Schutz suchen konnte. Ansonsten hätte die Behörde den Antrag zurückweisen müssen. Betreffend die derzeitige Situation des BF wäre festzuhalten, dass der BF mehrfach angegeben hätte, dass dieser die Traditionen Afghanistans ablehen würde. In Österreich hätte der BF diese Einstellung noch mehr verinnerlicht, bzw. hätte sich durch seine überaus gute Integration noch mehr von diesen entfernt. Er fühle sich westlich ausgestalteten Normen verpflichtet. Es wäre zu befürchten, dass dem BF aufgrund seiner verfestigten Überzeugung und Einstellungen in Afghanistan eine Abkehr vom Islam unterstellt werden würde. Jedenfalls würde der BF als verwestlicht wahrgenommen und es bestehe schon aus diesem Grund die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Eine interne Schutzalternative käme stigmatisierten Personen die aus europäischen Ländern nach Afahnistan zurückkommen würden insgesamt nich zu. Die Massenrückkehr von Personen hätte zu einer Überfroderung der Infrastruktur in Kabul geführt. Es wäre festzustellen, dass eie Gesamtschau eine drohende Verfolgung des BF aufgrund seiner politischen und religiösen Einstellungen und Lebensweise maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen würde. Der BF verfüge über Einstellungen und Verhaltensweisen, die aus Sicht regierungsfeindlicher Gruppen, sowie konservativer Teile der afghanischen Gesellschaft als "westlich" wahrgenommen würden. Es wäre glaubhaft, dass der BF als weltoffener Mann anzusehen wäre, der die Wertvorstellungen Afghanistans nicht akzeptieren würde. Der BF wäre daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht. Auch wäre er von strafrechtlicher Verfolgung durch wegen unterstellter Abkehr vom Islam bedroht. Die zu erwartende Bedrohung hätten jedenfalls asylrelevante Intensität. Eine Innerstaatliche Fluchtalternative würde den BF nicht offenstehen. Deshalb wäre dem BF der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Kunar und besuchte in der Heimatprovinz sechs Jahre die Grundschule. Der Beschwerdeführer reiste im Juli 2015 illegal ins Bundesgebiet ein, wo er am 05.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die Mutter des BF, zwei Schwestern und ein Bruder leben nach wie vor in der Provinz Kunar im Herkunftsstaat. Der BF steht mit diesen Familienangehörigen eigenen Angaben zufolge nicht in Kontakt.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer leidet gegenwärtig nicht unter akut lebensbedrohlichen, bzw. schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen und befindet sich nicht in einer durchgehenden stationären Behandlung. Eine ausreichende medizinische Versorgung, bzw. der Zugang zu Medikamenten ist aufgrund der vorliegenden Länderinformationen in Afghanistan für den Beschwerdeführer vorhanden und diesem zugänglich.

1.2 Zu den Beschwerdegründen

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen ihn unmittelbar konkret betreffenden Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan aufgrund seiner ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit oder seiner damaligen Minderjährigkeit konkret bedroht worden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Herat oder Mazar-e-Sharif, besteht für den Beschwerdeführer keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation. Es besteht kein maßgebliches Risiko, dass der Beschwerdeführer in Herat oder Mazar-e-Sharif einer asylrelevanten Verfolgung, insbesondere auch durch den angegebenen Onkel, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgesetzt ist.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Mazar e-Sharif, besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehender, gesunder und leistungsfähiger Mann im berufsfähigen im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Juli 2015 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer absolvierte ein Praktikum in einem Seniorenheim und nahm im Schuljahr 2016/17 als außerordentlicher Schüler am Lehrgang zur Einführung in soziale Dienste teil. Er hat die Pflichtabschlussprüfung positiv absolviert. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 besucht und Deutschprüfungen auf dem Niveau A1 und A2 abgelegt. Er nimmt seit 2015 regelmäßig am Fußballtraining einer Sportunion teil, spielt regelmäßig Volleyball und hat an einem Integrationsprojekt teilgenommen.

Das Bestehen einer insgesamt besonderen Integration, bzw. von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

* Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Afghanistan übernommen (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Anmerkung der Staatendokumentation: Zur besseren Ortung der oben beschriebenen Vorfälle folgt eine kartografische Darstellung der Staatendokumentation mit der Einteilung der Stadt Kabul in Polizeidistrikte:

Quellen:

-

1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in

Kabul,

http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking-blast-rocks-

kabul, Zugriff 3.6.2019

-

AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018

Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,

https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-

elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/. Zugriff 22.5.2019

-

AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in

Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-

military-training-centre-kabul-190530082719388.html. Zugriff 3.6.2019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

-

Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?,

-

https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-

-

4422023.html, Zugriff 3.6.2019

-

IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):

Press

-

Declaration 24/2/1398,

-

https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572? tn =-R,

-

Zugriff 4.6.2019

-

IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results,

http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2.

Zugriff

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4.6.2019

-

LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul, https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombsbus-security-personnel-in-western-kabul.php. Zugriff 3.6.2019

-

Newsweek (21.5.2019): Russia Spy Chief warns 5,000 ISIS Foreign Fighters

-

Threaten Borders of Former Soviet Union, https://www.newsweek.com/russia-spychief-warns-5000-isis-foreign-fighters-threaten-borders-former-1431576.

Zugriff

-

4.6.2019

-

Tolonews (3.6.2019): Five Killed As Explosion Targets Govt Employees Bus In Kabul,

-

https://www.tolonews.com/afghanistan/explosion-targets-govt-bus-kabul.

Zugriff

-

3.6.2019

-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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