TE Bvwg Beschluss 2019/8/29 W263 2179150-2

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Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W263 2179150-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über die vom Gesetz fingierte Parteibeschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2019, Zl. XXXX , betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005, den Beschluss:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Erstverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem, stellte am 17.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Im Rahmen der am 19.01.2016 vor der XXXX erfolgten Erstbefragung gab der BF an, am XXXX in XXXX in der Provinz Sar-i Pul in Afghanistan geboren zu sein. Er sei ledig, habe die Grundschule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er spreche die Sprache Dari. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er aus, dass Taliban ihn hätten zwangsrekrutieren wollen, weswegen er in den Iran geflüchtet sei. Im Iran sei er illegal gewesen und habe keine Möglichkeit zu studieren gehabt. Er wolle in Europa studieren.

1.3. Am 23.02.2016 wurde durch die XXXX ein vom BF unterfertigter Antrag auf Übernahme der Heimreisekosten für eine freiwillige Heimreise des BF übermittelt. Am 02.03.2016 wurde dieser Antrag widerrufen, weil der BF in Österreich bleiben wolle.

1.4. Am 18.11.2016 wurde der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel an einer Haltestelle in XXXX , XXXX , bei einem Vergehen gemäß § 27 SMG betreten.

1.5. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 07.10.2017 (im Einvernahmeprotokoll wurde ein offensichtlich falsches Datum angegeben) führte der BF aus, dass seine Muttersprache Farsi sei, weil er in XXXX in Teheran im Iran geboren und aufgewachsen sei. Er habe drei Jahre eine Schule besucht, anschließend habe er sieben bis acht Jahre lang gearbeitet. Die letzten fünf oder sechs Monate habe er jedoch nicht mehr gearbeitet. Seine Eltern würden aus dem Dorf XXXX in der Provinz Sar-i Pul in Afghanistan stammen. Sie hätten Afghanistan wegen des Krieges verlassen. Sein Vater sei verstorben, als er neun Jahre alt gewesen sei. Seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester der Mutter, sowie zwei Schwestern würden im Iran wohnen. Die Großeltern wären verstorben, sein Vater habe keine Geschwister gehabt. In Afghanistan habe er niemanden. Er sei auch niemals in Afghanistan gewesen. Er kenne Afghanistan auch nicht. Er habe den Iran verlassen, weil Afghanen, die sich dort illegal aufhalten würden, keine Rechte hätten. Zudem habe sein Bruder mit seinem Arbeitgeber Streit gehabt, weil dieser ihm seinen Lohn nicht habe auszahlen wollen. Sein Bruder sei von diesem vergiftet worden. Er habe befürchtet, entweder in den Krieg nach Syrien geschickt zu werden oder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Im Iran sei er von den Personen, die seinen Bruder vergiftet hätten, bedroht worden. Er wolle nicht nach Afghanistan, weil er dort - verglichen mit Österreich - keine staatliche Unterstützung erhalte. Er erhalte in Österreich ärztliche Behandlung, eine Unterkunft und Geld. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor dem Krieg. Als er sich für eine freiwillige Ausreise nach Afghanistan entschieden habe, sei es ihm nicht gut gegangen. Er sei nicht mehr drogensüchtig, benötige aber noch mehrere Jahre lang Drogenersatzstoffe einzunehmen.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Niederösterreich, vom 07.10.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde in dieser Entscheidung ausgeführt, dass der BF keine individuellen asylrelevanten Fluchtgründe habe glaubhaft machen können, zumal er nach seinen eigenen Angaben im Iran geboren wäre. Er habe auch keine Gefährdungslage in Afghanistan zu befürchten. Der BF sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er sei mit der in Afghanistan herrschenden Kultur vertraut und spreche eine der Landessprachen dieses Landes. Er habe in der Vergangenheit bewiesen, dass er in der Lage sei, für sich selbst zu sorgen. Zudem stehe dem BF in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Die Voraussetzungen für die Erteilung des Status eines subsidiären Schutzes würden ebenfalls nicht vorliegen, da die Situation in Afghanistan nicht derart sei, dass er als Afghane bei einem Aufenthalt in Afghanistan überall in eine Situation einer unmenschlichen Behandlung geraten würde.

Das BFA vertrat die Auffassung, dass für den BF gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Afghanistan vorliege, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung einer Gefahr für Leib und Leben in einem Maße ausgesetzt wäre, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 2 und 3 EMRK unzulässig erschiene, nicht gegeben sei.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG. Besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, stünden dem nicht entgegen.

Dieser Bescheid wurde dem BF frühestens am 10.11.2017 zugestellt.

1.7. Mit Schriftsatz vom 30.11.2017 erhob der BF, vertreten durch die XXXX , Beschwerde.

Begründend wiederholte der BF, dass er im Iran geboren sei und noch niemals in Afghanistan gewesen wäre und dort weder über familiäre noch soziale Kontakte verfüge. Er habe im Iran keine Aufenthaltsberechtigung gehabt und sei gezwungen worden, an einem zweimonatigen Ausbildungscamp für einen Einsatz im Krieg in Syrien teilzunehmen. Zudem befinde er sich in Österreich in einem Substitutionsprogramm. Er sei regelmäßig in medizinischer und psychosozialer Behandlung und nehme XXXX zur Substitution ein. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er Verfolgungshandlungen, weil er als junger schiitischer Rückkehrer, der von der schiitischen (iranischen) Regierung nach Syrien in den Krieg hätte geschickt werden sollen, in Afghanistan als von den sunnitischen Taliban oder dem Islamischen Staat als politisch bzw. religiös oppositionell gesehen würde, wovor ihn der afghanische Staat nicht schützen könnte. Zudem sei die Sicherheitslage in Afghanistan derart, dass ihm zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hätte werden müssen.

Das BFA habe es unterlassen, sich mit angebotenen Beweismitteln auseinanderzusetzen. Zudem sei das Parteiengehör verletzt worden, da eine in der Bescheidbegründung verwendete Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 30.12.2016 über "Drogenentzug, Entzugsprogramme, alternative Entgiftungsprogramme" nicht zur Stellungnahme zugänglich gemacht worden wäre. Zudem sei festgestellt worden, dass der BF gesund sei, obwohl er ein Drogen-Substitutionsprogramm durchlaufe und daher als krank zu qualifizieren sei.

Die verwendeten Länderberichte wären unvollständig und teilweise veraltet. Das BFA habe sich weder mit der Frage von Rückkehrer aus dem Iran oder aus Europa noch mit dem Themenbereich Rückkehrer ohne soziales Netz und ohne Fachausbildung in Kabul auseinandergesetzt.

1.8. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2017 die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

1.9. Am 19.02.2018 fand eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der der BF, nunmehr vertreten durch XXXX , teilnahm. Das BFA verzichtete auf eine Teilnahme.

Der BF wurde im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u. a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt.

1.10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX , wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

Das Erkenntnis wurde dem BF im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin mit 10.04.2018 zugestellt.

In der Folge wurde dem Bundesverwaltungsgericht bekannt gegeben, dass die Vertretungsvollmacht per 17.05.2018 aufgelöst wurde.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. In der Folge stellte der BF am XXXX einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, er habe niemand in Afghanistan. Er habe keine Familie dort, wo soll er denn hin. Er lebe jetzt schon mehrere Jahre in Österreich.

Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe Angst vor dem Krieg. Er habe Angst, bei einem Selbstmordanschlag getötet zu werden. Er habe auch gehört, dass die Taliban und die Paschtunen Schiiten töten würden.

Auf die Frage, seit wann ihm die Änderungen der Situation/seiner Fluchtgründe bekannt seien, gab der BF an, dass es diese Gründe schon immer gegeben habe.

Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil die belangte Behörde davon ausgehe, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Gemäß § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG 2005 wurde dem BF zudem mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005, § 29 Abs. 3 Z 6 AsylG).

2.2. Am 22.08.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA in Anwesenheit seines Rechtsberaters. Zusammengefasst gab der BF an, er sei in Schubhaft und bekomme Drogenersatzmittel. Es gehe ihm jetzt besser.

Er halte seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren aufrecht. Diese Fluchtgründe würden noch bestehen und seien noch aufrecht.

Er habe keine neuen Fluchtgründe, er wolle freiwillig nach Hause fahren. Er habe beim XXXX und bei der XXXX einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt.

Auf die Frage, aus welchem Grund er nun einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stelle, antwortete der BF, dass er den Antrag nur gestellt habe, damit er nach Hause fahren könne.

Bei einer Rückkehr hätte er keine Probleme.

In Österreich habe er seinen Lebensunterhalt durch die Grundversorgung bestritten. Er habe keine in Österreich, der EU, Norwegen, der Schweiz oder Island aufhältige Eltern oder Kinder. Er lebe nicht in einer Lebensgemeinschaft. Er habe einen Deutschkurs (A1) besucht und spreche ein wenig Deutsch. Er sei kein Mitglied bei einem Verein oder eine Organisation.

Nach Vorhalt der ergangenen Verfahrensanordnungen und auf die Frage, was gegen seine Ausweisung spreche, über die bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei, antwortete der BF, dass er freiwillig nach Afghanistan zurück wolle.

Im Zuge dieser Einvernahme wurde dem BF mit mündlich verkündeten Bescheid der ihm nach § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Das BFA begründete dies im Wesentlichen damit, dass der neue Antrag auf internationaler Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein werde. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der BF habe keine Familienangehörigen in Österreich. Unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 EMRK erkannt werden.

Weiters traf das BFA Feststellungen zur medizinischen Versorgung und zu Rückkehrern (beide Stand Juni 2018, aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation).

Dass der BF weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit noch einer psychischen Erkrankung leiden würde, ergebe sich daraus, dass keine Mitteilung des PAZ erstattet worden wäre. Aufgrund der Angaben des BF könne das BFA nur zu dem Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es liege somit entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, weil das Vorbringen jeglicher Glaubwürdigkeit entbehre.

Die allgemeine Lage im Herkunftsstadt habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert.

Da sich die allgemeine Lage wie auch die persönlichen Verhältnisse und der körperliche Zustand seit der letzten Entscheidung nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat für den BF zu keiner Bedrohung der angeführten Menschrechte führen werde.

Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse; auch diesbezüglich sei keine Veränderung in Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass dem BF keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 beschrieben, drohe.

2.6. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt von Amts wegen am 28.08.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der vom BF am 17.01.2016 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.10.2017, Zl. XXXX , sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft festgesetzt.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.04.2018, XXXX , vollinhaltlich abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem BF im Wege seines ausgewiesenen Vertreters am 09.04.2018 übermittelt.

Zum BF wurde im Erkenntnis u.a. festgestellt, dass er in Afghanistan weder über familiäre noch soziale Kontakte verfügt. Der BF ist krank. Er befindet sich in Österreich in einem Substitutionsprogramm und erhält täglich XXXX . XXXX , der Wirkstoff von XXXX zur Substitution, ist ein Arzneimittel aus der Gruppe der XXXX . XXXX wird zur Substitutionsbehandlung (Drogenersatzbehandlung) bei XXXX verschrieben. Der BF wurde bereits im Iran drogensüchtig, wobei vom erkennenden Gericht nicht festgestellt werden kann, welche Drogen, in welchem Zeitraum in welcher Dosis und in welcher Verabreichungsform vom BF konsumiert wurden. Der BF ist jung und - nach einer Behandlung seiner Drogenerkrankung - in der Lage zu arbeiten. Er war trotz seiner Drogensucht in der Lage vom Iran bis nach Österreich zu gelangen. Er vermochte über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr seine Drogensucht derart zu kontrollieren, dass er erst nach einem Aufenthalt in Österreich von mehr als 13 Monaten medizinische, psychologische und soziale Behandlung in Anspruch nehmen musste. Zudem war er auch in der Lage an diversen Integrationskursen teilzunehmen. Er ist in der Lage in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden.

Es konnte weiters nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle eines Aufenthaltes in Afghanistan aufgrund einer (ihm unterstellten) politischen oppositionellen Orientierung in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt oder Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass gerade er von Zwangsrekrutierung durch Taliban in Afghanistan betroffen wäre.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat überall in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Kabul ist aus infrastruktureller Sicht vom internationalen Flughafen in Kabul über das Straßennetz in Afghanistan erreichbar. Eine über die allgemeine Sicherheitslage hinausgehende besondere Gefährdung konnte nicht festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Kabul - trotz anfänglicher Schwierigkeiten - nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Weiters traf das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen zur Behandlung von Drogensucht in Afghanistan und weiters Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung vom 30.01.2018. Dabei wurden u.a. Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan allgemein und Feststellungen insb. zur Sicherheits- und Versorgungssituation in Kabul getroffen.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der BF nicht in Abrede stellte, arbeits- bzw. erwerbsfähig zu sein. Eine Verfolgung in Afghanistan hatte der BF nicht glaubhaft machen können. Dies auch nicht im Hinblick auf seinen Aufenthalt in Europa.

In Zusammenschau der Beweisergebnisse des abgeführten Verfahrens und unter Berücksichtigung der Volljährigkeit des BF konnte insgesamt von keiner potenzierten Gefährdungslage, die dem BF außerhalb seines familiären und sozialen Netzwerkes ein Leben im urbanen Raum verunmöglichen würde, ausgegangen werden.

Aus den Angaben des BF und den dazu vorgelegten Unterlagen ließ sich ein schützenswertes Privat- bzw. Familienleben mangels Abhängigkeit sowie Erreichen der notwendigen Intensität nicht ableiten.

Rechtlich wurde zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gefolgert, dass dem BF keine konkrete individuell asylrelevante Verfolgung im Fall seiner Rückkehr droht. Der BF ist im Herkunftsland auch nicht aufgrund generalisierender Merkmale - wie seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. seines schiitischen Glaubens - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt. Hinsichtlich einer Verfolgung als Rückkehrer aus Europa war es dem BF mangels Substantiierung weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung als "Rückkehrer" glaubhaft zu machen. Auch eine von individuellen Aspekten unabhängige Verfolgung konnte auf Basis der Quellenlage nicht erkannt werden.

Hinsichtlich der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen, wurde ausgeführt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein akut lebensbedrohlicher Zustand vorliegt bzw. im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten wäre. Das erkennende Gericht übersieht nicht, dass das afghanische Gesundheitssystem nicht österreichischen Standards entsprechen mag. Die von der Judikatur des VfGH geforderte Schwelle für eine Verletzung des Art. 3 EMRK wird im gegenständlichen Fall jedoch nicht erreicht.

Aus den Länderfeststellungen sowie der ins Verfahren eingebrachten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation gehe hervor, dass in Afghanistan Drogenabhängigkeit behandelbar ist und auch behandelt werde. Zudem müssen auch die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist.

Substitutionsprogramm bedeutet, dass sich der BF in einer Therapie bezüglich einer vorhandenen Krankheit befindet. Von dieser Krankheit sind in Afghanistan - wie sich aus den Feststellungen ergibt - ca. 2,5 bis 3 Millionen Personen betroffen. Das bedeutet, dass ca. 2,5 bis 3 Millionen Afghanen sich in Afghanistan - sofern sie dazu bereit sind - einer entsprechenden Behandlung unterziehen würden.

Außergewöhnliche Umstände liegen beim BF nicht vor. Angesichts von 2,5 bis 3 Millionen drogensüchtig Afghanen und damit einem drogenabhängigen Bevölkerungsanteil von 11% der afghanischen Gesamtbevölkerung Afghanistans ist eine durch Drogenmissbrauch entstandene Erkrankung kein außergewöhnlicher Umstand.

Zudem existiert auch in Afghanistan eine Behandlungsmethode für Drogenkranke, wenngleich diese Behandlungsmöglichkeit nicht mit einer Behandlung in Form eines Substitutionsprogrammes zu vergleichen ist. Allein der Umstand, dass die in Afghanistan bestehenden Behandlungseinrichtungen angesichts eines großen Zulaufes an Patienten überlastet sind und Patienten, die sich behandeln lassen wollen, mit Wartezeiten rechnen müssen, rechtfertigt nicht eine Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Der BF selbst hat auch dargelegt, dass er, obwohl er bereits als Drogensüchtiger im Jänner 2016 in Österreich einreiste, in der Lage war, seine Drogensucht unter Kontrolle zu halten und erst mehr als ein Jahr später eine Drogenberatung bzw. eine Drogenentzugstherapie zu beginnen. Daraus leitete das erkennende Gericht ab, dass es dem BF auch zugemutet werden kann, auf einen Therapieplatz in Afghanistan zu warten und dieser Umstand nicht dazu führt, dass der BF in eine ausweglose bzw. aussichtslose Lage geraten würde.

Selbst im Falle des fehlenden familiären Rückhalts und allfälliger (anfänglicher) wirtschaftlicher Schwierigkeiten kann ihm eine Niederlassung in der Hauptstadt Kabul im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative zugemutet werden. Im Folgenden wurde zu seinen persönlichen Umständen und der Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung ausgeführt.

Dem BF ist es aufgrund der dargelegten Umstände daher möglich - auch ohne unmittelbar in Kabul bestehende familiäre Anknüpfungspunkte - sich dort eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der BF in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Das Gericht verkennt nicht, dass Rückkehrer, wie aus den Länderfeststellungen und dem in der Beschwerde und Stellungnahme zitierten Berichtsmaterial ersichtlich ist, auch in den Großstädten Afghanistans Konflikten, Unsicherheit und dem Risiko weitreichender Armut ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner aktuellen Judikatur ausdrücklich ausgeführt hat, dass Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine exzeptionellen Umstände im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative in Kabul darstellen. Ferner begründen selbst eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK.

Hinsichtlich der in der Region herrschenden Sicherheitslage, wurde ausgeführt, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren hat. Seit August 2008 liegt die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern bei der afghanischen Armee und Polizei. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten im Jahr 2010 gelungen, Zahl und Schwere sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen.

Kabul ist eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Innerhalb Kabuls existieren in verschiedenen Vierteln freilich unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als zumutbare Ausweichmöglichkeit des BF innerhalb seines Herkunftsstaates zu bewerten ist.

Allein der Umstand, dass sicherheitsrelevante Vorfälle seitens terroristischer Gruppierungen erfolgen könnten, begründet bei der derzeitigen Gefahrenlage für den BF noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor.

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation des BF nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369).

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen. Ein schützenswertes Familienleben des BF in Österreich liegt nicht vor. In Gesamtbetrachtung nach vorgenommener Interessenabwägung der vorliegenden Umstände überwiegen die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des BF. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich auch keine Unzulässigkeit der Abschiebung iSd § 50 FPG.

Am XXXX stellte der BF den zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Der BF begründete diesen damit, dass er niemanden in Afghanistan habe. Er habe keine Familie dort, wo solle er denn hin. Er lebe jetzt schon mehrere Jahre in Österreich. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat habe er Angst vor dem Krieg. Er habe Angst, bei einem Selbstmordanschlag getötet zu werden. Er habe auch gehört, dass die Taliban und die Paschtunen Schiiten töten würden. Diese Gründe habe es schon immer gegeben.

Vor dem BFA am 22.08.2019 gab der BF u.a. an, derzeit in Schubhaft zu sein und Drogenersatzmittel zu bekommen. Es gehe ihm jetzt besser. Die Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren würden noch bestehen und seien nach wie vor aufrecht. Im Folgenden gab der BF an, er wolle freiwillig nach Hause fahren. Er habe den gegenständlichen Antrag nur gestellt, damit er nach Hause fahren könne. Bei einer Rückkehr habe er keine Probleme.

Der BF leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit. Er befindet sich seit Jänner 2016 im Bundesgebiet. Der BF hat in Österreich keine Angehörigen, er ist nicht verheiratet oder verlobt und lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der BF hat keine Kinder. Er besuchte zumindest einen Deutschkurs und spricht ein wenig Deutsch. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.

Das BFA legte seinem mündlich verkündeten Bescheid vom 22.08.2019 Länderfeststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand Juni 2018, zur medizinischen Versorgung und zur Rückkehr zugrunde (Kapitel 22 und 23).

Das BFA hat es - davon abgesehen - unterlassen, dem gegenständlichen Bescheid Länderfeststellungen zur aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und konkret in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat zu Grunde zu legen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Antragstellers, dem Erstverfahren und dem gegenständlichen Verfahren ergeben sich aus der eindeutigen und unzweifelhaften Aktenlage.

Eine aktuelle schwerwiegende oder lebensbedrohliche Krankheit des BF ist nicht hervorgekommen. Der vom Antragsteller im Folgeverfahren erneut vorgebrachte Sachverhalt - insbesondere betreffend die Einnahme von Drogenersatzstoffen - wurde bereits im Erstverfahren eingehend geprüft. Der Antragsteller verweist in seinem zweiten Antrag hauptsächlich auf sein bisheriges Fluchtvorbringen und gab in der Folge auch an, keine neuen Fluchtgründe zu haben und freiwillig nach Hause fahren zu wollen, wie sich aus der Erstbefragung - Folgeverfahren und der Einvernahme vor dem BFA am 22.08.2019 ergibt. Er habe den zweiten Antrag nur gestellt, damit er nach Hause fahren könne und habe bei einer Rückkehr auch keine Probleme (s. ebenso BFA 22.08.2019).

Nach seinen Angaben vor dem BFA am 22.08.2019 hat der BF in Österreich keine Angehörigen und lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Er besuchte zumindest einen Deutschkurs und spricht ein wenig Deutsch. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Das Bundeverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung an diesen Angaben zu zweifeln. Eine Ehe, Verlobung oder Kindes des BF sind in beiden Verfahren ebenso nicht hervorgekommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist in Hinblick auf die gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu bejahen (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010-15, mHa VfGH 10.10.2018, G 186/2018 u.a.).

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 erfolgt die Entscheidung durch Beschluss.

Zu A) Stattgabe der gesetzlich fingierten Parteibeschwerde:

Gegenständlich wird eine Entscheidung über die vom Gesetz fingierte Parteibeschwerde getroffen (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010-15).

Die hierfür maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten auszugsweise:

Asylgesetz 2005:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) ...

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) ..."

"Entscheidungen

§ 22. (Anm.: Abs. 1 bis Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(6) - (8) ...

(Anm.: Abs. 9 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

BFA-Verfahrensgesetz:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

§ 12a Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern.

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte.

Diese - einschränkenden - Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes müssen berücksichtigt werden. Um eine gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung sicherzustellen, sieht die Norm überdies vor, dass die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln sind; dies gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, das im Folgenden gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG die Entscheidung des BFA unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen hat (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451; zuletzt VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010-15 mHa VfGH 10.10.2018, G 186/2018).

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Es liegt kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

Gegen den Antragsteller besteht nach dem - rechtskräftigen - Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2018 eine aufrechte Rückkehrentscheidung.

Der vom Antragssteller im Folgeverfahren erneut vorgebrachte Sachverhalt betreffend fehlende familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte, der Verfolgung von Schiiten und der Einnahme von Drogenersatzstoffen wurde bereits im Erstverfahren eingehend geprüft. Der Antragsteller wiederholt in seinem zweiten Antrag hauptsächlich sein bisheriges Fluchtvorbringen und gab in der Folge auch an, keine neuen Fluchtgründe zu haben und freiwillig nach Hause fahren zu wollen, wie sich aus der Erstbefragung - Folgeverfahren und der Einvernahme vor dem BFA am 22.08.2019 ergibt.

Insofern kann keine Änderung des Vorbringens gesehen werden, welche nicht bereits einer Prüfung unterzogen worden wäre. Der Antragsteller brachte weiters lediglich vollkommen vage und wenig konkrete Angaben vor, weshalb ein glaubhafter Kern nicht gesehen werden kann (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

Der Antragsteller wiederholt insofern in seinem zweiten Antrag hauptsächlich sein bisheriges Fluchtvorbringen und liegt darüber hinaus kein neues Vorbringen, welches zumindest einen glaubhaften Kern aufweist, vor.

Soweit der Antragsteller angab, weiterhin Drogenersatzstoffe zu nehmen, handelt es sich dabei um einen bereits vor Eintritt der Rechtskraft bestandenen Sachverhalt und liegt auch eine maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigung - unter Annahme der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers - auch vor dem Hintergrund der unbestrittenen Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nicht vor (vgl. dazu schon ausführlich BVwG 04.04.2018, XXXX ).

Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher insgesamt kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Die Angaben des BF vor dem BFA am 22.08.2019 indizieren auch eine missbräuchliche Antragstellung.

Allerdings übergeht das BFA im konkreten Fall folgendes:

Im vorangegangenen Verfahren wurde rechtskräftig verneint, dass der Antragssteller bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht vor allem mit dem Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Hauptstadt Kabul.

So finden sich im rechtkräftigen Erkenntnis insb. folgende Feststellungen:

"Er ist in der Lage in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. ...

Kabul ist aus infrastruktureller Sicht vom internationalen Flughafen in Kabul über das Straßennetz in Afghanistan erreichbar. Eine über die allgemeine Sicherheitslage hinausgehende besondere Gefährdung konnte nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Kabul - trotz anfänglicher Schwierigkeiten - nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

..."

Weiters traf das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen zur Behandlung von Drogensucht in Afghanistan und weiters Feststellungen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung vom 30.01.2018. Dabei wurden Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan allgemein und Feststellungen insb. zur Sicherheits- und Versorgungssituation in Kabul getroffen.

Dass der BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergebe sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte zu Kabul sowie den festgestellten persönlichen Umständen des BF. Bei dem BF handle es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.

Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dass selbst bei Fehlen familiären Rückhalts und (anfänglicher) wirtschaftlicher Schwierigkeiten dem BF eine Niederlassung in der Hauptstadt Kabul im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative zugemutet werden könne. Der BF könne durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul ein Auslangen finden. Dem BF sei es aufgrund der dargelegten Umstände möglich, auch ohne unmittelbar in Kabul bestehende familiäre Anknüpfungspunkte, sich dort eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden.

Hinsichtlich der in der Region herrschenden Sicherheitslage, wurde u. a. nochmals ausgeführt, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren innehabe. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter seien künftig nicht auszuschließen.

Kabul sei eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Innerhalb Kabuls würden in verschiedenen Vierteln freilich unterschiedliche Sicherheitslagen existieren. Aus den entsprechenden Länderberichten ergebe sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen würden. Diese Gefährdungsquellen seien jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als zumutbare Ausweichmöglichkeit des BF innerhalb seines Herkunftsstaates zu bewerten sei.

Allein der Umstand, dass sicherheitsrelevante Vorfälle seitens terroristischer Gruppierungen erfolgen könnten, begründe bei der derzeitigen Gefahrenlage für den BF noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liege deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor.

Im gegenständlichen Bescheid finden sich aber keine Länderfeststellungen zu Sicherheitslage in der Herkunftsregion und vor allem zur Sicherheits- und (abgesehen von medizinischer Versorgung) Versorgungslage konkret in Kabul oder auch zur Sicherheits- und Versorgungslage in anderen Städten wie Mazar-e Sharif oder Herat (ebenfalls abgesehen von Feststellungen zur medizinischer Versorgung).

UNHCR vertrat aber zuletzt auf Basis der zum 31.05.2018 vorgelegenen Informationslage die Einschätzung, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, S. 127f).

In den Richtlinien vom 30.08.2018 äußert UNHCR angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul die Auffassung, dass eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt grundsätzlich nicht zur Verfügung stehe (s. S. 129).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (s. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; zur "Indizwirkung" vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN). Diese Rechtsprechung geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zurück, in der dieser erkannte, dass Empfehlungen internationaler Organisationen zweifelsohne Gewicht zukomme, wenn es um die Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse vor Ort geht. Sie ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl. VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453).

Soweit UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 die Auffassung vertritt, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage in Kabul eine relevante interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt grundsätzlich nicht zur Verfügung stehe, ist festzuhalten, dass die Ausführungen zur Sicherheitslage in den Richtlinien vom 30.08.2018 im Unterschied zu den bis dahin relevanten UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016, in denen vom generellen Bestehen einer interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul ausgegangen wurde, ausdrücklich auf das nicht quantifizierte Risiko hinweisen, Opfer von generalisierter Gewalt im Zuge der Teilnahme an tagtäglichen sozialen oder wirtschaftlichen Aktivitäten zu werden.

Nach den aktualisierten Richtlinien vom 30.08.2018 ist UNHCR vor dem näher dargestellten Hintergrund weiters der Ansicht, dass eine vorgeschlagene innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu Unterkünften, grundlegenden Dienstleistungen wie Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung und Bildung sowie Möglichkeiten für den Lebensunterhalt oder nachgewiesene und nachhaltige Unterstützung für den Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard hat. Darüber hinaus hält UNHCR eine innerstaatliche Flucht- und Neuansiedlungsalternative nur für zumutbar, wenn die Person Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft in der Gegend der potenziellen Umsiedlung hat, die beurteilt wurden, bereit und in der Lage zu sein, dem Antragsteller in der Praxis echte Unterstützung zu leisten.

UNHCR ist allerdings weiterhin der Ansicht, dass die einzige Ausnahme von der Anforderung der externen Unterstützung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sind, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten (wie näher beschrieben) vorliegen. Unter bestimmten Umständen können diese Personen ohne familiäre und soziale Unterstützung in urbaner und semi-urbaner Umgebung leben, soweit diese Umgebung über die notwendige Infrastruktur und Lebensgrundlagen verfügt, um die Grundbedürfnisse des Lebens zu decken und soweit diese einer wirksamen staatlichen Kontrolle unterliegt (s. S. 123ff).

In Hinblick auf diese Ausführungen betont UNHCR, dass diese immer vor dem Hintergrund einer Einzelfallprüfung zu verstehen sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative ausgehen zu können, reicht es weiters nicht aus, dem Antragsteller entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat; es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Dabei handelt es sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mwN).

Dem gegenständlichen Bescheid wurden aber lediglich Informationen zur medizinischen Versorgung und zur Rückkehr (beides mit Stand Juni 2018) zugrunde gelegt, aber keine darüber hinausgehenden aktuellen Berichte - etwa der Staatendokumentation - zur Entwicklung der Sicherheits- und Versorgungslage und kann der Aktenlage auch nicht entnommen werden, dass solche überhaupt ins Verfahren eingebracht wurden.

Aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides geht insofern auch nicht hervor, dass für den BF Kabul weiterhin sicher erreichbar wäre und ihm im Hinblick auf die Sicherheitslage und ökonomische Situation eine Aufenthaltsnahme dort zumutbar wäre oder dass für den BF etwa die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat sicher erreichbar wären und ihm im Hinblick auf die Sicherheitslage und ökonomische Situation eine Aufenthaltsnahme dort zumutbar wäre.

Das BFA hat auch nichts dazu ausgeführt, wo dem Antragsteller eine Niederlassung möglich und zumutbar wäre.

Vor dem Hintergrund der fehlenden Länderberichte bzw. Länderfeststellungen ist insgesamt nicht erkennbar, ob die Rückführung des Antragstellers nach Afghanistan, zu einem unzulässigen Eingriff führen würde bzw. er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würden, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte. Insofern kann eine reale Gefahr der Verletzung von 2 und 3 EMRK prima facie - unvorgreiflich einer eingehenden Prüfung - nicht verneint werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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