Entscheidungsdatum
16.09.2019Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W271 2175746-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK im Verfahren über die durch mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes war rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der von der gegenständlichen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes Betroffene (im Folgenden: Betroffener) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab der Betroffene an, er sei Schiite und habe sich in ein sunnitisches Mädchen verliebt. Deren Familie sei wegen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen gegen die Verbindung gewesen und habe den Betroffenen verfolgen und töten wollen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom
XXXX wurde der Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom
XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Betroffenen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Betroffenen eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Betroffenen gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.). Dem Betroffenen wurde mitgeteilt, dass er gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 bis 4 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 12.01.2017 verloren hat (Spruchpunkt V.).
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom XXXX , GZ XXXX , als unbegründet ab. Das Erkenntnis wurde am XXXX rechtswirksam zugestellt. Gegen diese Entscheidung erhob der Betroffene kein Rechtsmittel.
3. Der Betroffene ging danach für etwa sechs Monate nach Frankreich und für etwa fünf Monate nach Deutschland, wo er einen weiteren Asylantrag stellte. Von Deutschland wurde er am XXXX nach Österreich rücküberstellt.
4. Am XXXX stellte der Betroffene in Österreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung zum Folgeantrag am XXXX wie auch im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX machte er keine Angaben zu einem Fluchtgrund. Bei der zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX verwies er auf seine bereits im ersten Asylverfahren vorgetragenen Fluchtgründe; allein die Lage in Afghanistan habe sich verschlechtert.
5. Der Betroffene wurde im Rahmen seiner Einvernahme am XXXX darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen; zudem wurde ihm bekanntgegeben, dass geplant ist, ihm mit mündlich verkündetem Bescheid den faktischen Abschiebeschutz abzuerkennen.
6. Der Betroffene füllte am XXXX ein Formular für die unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe aus. Er gab bekannt, die freiwillige Rückkehr zu beabsichtigen und beantragte Rückkehrunterstützung. Die rechtsfreundliche Vertretung des Betroffenen gab mit E-Mail vom XXXX bekannt, dass dieser sich zur freiwilligen Rückkehr entschieden hat.
7. Am XXXX fand in Anwesenheit seiner Rechtsberatung eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Betroffenen vor dem BFA statt. Er gab an, seine bisherigen Angaben aufrecht zu halten. Ihm wurde neuerlich die geplante Vorgehensweise (Zurückweisung wegen entschiedener Sache samt Einreiseverbot und Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes) mitgeteilt.
8. Im Anschluss an diese Einvernahme hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Betroffenen gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXX auf. Dies wurde im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom dokumentiert.
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens nicht geändert habe. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, weil der Betroffene keinen neuen, entscheidungswesentlichen, Sachverhalt vorgebracht habe und sich auf seine bereits rechtskräftig behandelten Fluchtgründe bezogen habe. Auch die allgemeine Lage in Afghanistan habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Selbiges gelte für die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen. Im Fall seiner Abschiebung bestehe keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts.
Das BFA protokollierte sodann, dass die Verwaltungsakten unverzüglich von Amts wegen dem BVwG zur Überprüfung übermittelt würden, was als Beschwerde gelte.
9. Am XXXX langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein, worüber das BFA noch am selben Tag verständigt wurde.
10. Mit Eingabe vom XXXX gab die rechtsfreundliche Vertretung des Betroffenen bekannt, dass das Verfahren für die freiwillige Rückkehr "auf Abbruch" gestellt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Betroffene führt den Namen XXXX und ist volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Daneben spricht er sehr gut Farsi sowie ein bisschen Englisch, Russisch und Paschtu; weiters Deutsch auf B1-Niveau. Er stammt aus Kabul-Stadt, ging dort für 9 Jahre in die Schule und lebte dort bis zu seiner Ausreise. Die Ausreise kostete rund USD XXXX ; diese wurde von seinem Vater organisiert und finanziert.
Seine Kernfamilie (Mutter, Vater, Schwester, drei Brüder) lebt weiterhin in Kabul in einem eigenen Haus mit großem Hof. Die finanzielle Situation ist gut. Der Betroffene hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie. Er verfügt über zahlreiche Sozialkontakte am Herkunftsort.
Der Betroffene stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete diesen damit, dass er von der Familie eines Mädchens, in welches er sich verliebt hätte, verfolgt worden sei.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. In einem wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gegen den Betroffenen erlassen und die Abschiebung als zulässig festgestellt.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom XXXX , GZ XXXX , als unbegründet ab. Das Erkenntnis wurde am XXXX per BRZ Zustellservice an die rechtsfreundliche Vertretung des Betroffenen zugestellt. Gegen diese Entscheidung erhob er kein Rechtsmittel.
Der Betroffene reiste etwa im September 2018 unter Umgehung der Grenzkontrollen für rund sechs Monate nach Frankreich, dann für etwa fünf Monate nach Deutschland, wo er einen weiteren Asylantrag stellte. Diesen begründete er damit, in Afghanistan Probleme zu haben und deswegen nach Europa gewollt zu haben. Er wurde aus Deutschland am XXXX im Rahmen der Dublin-III-Verordnung nach Österreich rücküberstellt.
Am XXXX stellte der Betroffene in Österreich einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung zum Folgeantrag am XXXX wie auch im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX machte er keine Angaben zu einem Fluchtgrund. Bei der zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX gab er, befragt zum Grund für die neuerliche Antragstellung an, dies tun zu "müssen" und "keine andere Wahl" zu haben. Er hielt auf Nachfrage die im Verfahren bereits im ersten Asylverfahren vorgebrachten Gründe aufrecht und gab an, dass keine weiteren Fluchtgründe vorliegen. Er bestätigte ausdrücklich, dass im Vergleich zum vorhergehenden Asylverfahren keine Änderung in seinen Fluchtgründen eingetreten ist. Hinsichtlich der Fluchtgründe des Betroffenen ist kein Sachverhalt eingetreten oder hervorgekommen, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde.
Der Betroffene hat in Österreich keine engen Familienangehörigen oder eine familienähnliche Lebensgemeinschaft. Nur ein Cousin von ihm lebt in Österreich. Umfassende Sozialkontakte des Betroffenen in Österreich bestehen nicht. Eine maßgebliche Veränderung in seinem Privat- und Familienleben ist seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorhergehenden Asylverfahrens nicht eingetreten. Der Betroffene bezog bis zu seiner Entlassung aus der Grundversorgung wegen Festnahme mit XXXX Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er weist drei Vorstrafen auf; über ihn wurden Geldstrafen verhängt.
Der Betroffene leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würde. Er nimmt keine Medikamente.
Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar.
Der Betroffene kann in seine Herkunftsstadt Kabul oder nach Herat bzw. Mazar-e Sharif zurückkehren, ohne dort in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten und ohne einen Eingriff in seine Integrität befürchten zu müssen, sei es aufgrund der allgemeinen Lage oder wegen persönlicher Eigenschaften. Er findet in diesen Städten die grundlegende Infrastruktur für eine Neu- bzw. Wiederansiedelung und kann diese auch nutzen.
Der Betroffene erklärte sich am XXXX zur freiwilligen Heimreise bereit und beantragte eine Rückkehrunterstützung. Am XXXX gab die rechtsfreundliche Vertretung des Betroffenen bekannt, dass das Verfahren zur freiwilligen Rückkehr abgebrochen wurde.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Betroffenen, zu seinem sozialen Hintergrund in Afghanistan und zu seinem Leben in Österreich gründen auf den hierzu widerspruchsfreien und folglich glaubwürdigen Angaben des Betroffenen in den Verfahren über seinen ersten und den zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu dessen Erledigung sowie zum damaligen Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem hg. Gerichtsakt zum ersten Asylverfahren, GZ XXXX .
Die Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom XXXX , mit dem die Beschwerde gegen die Abweisung des (ersten) Antrags auf internationalen Schutz vom XXXX in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurde, ergibt sich daraus, dass das Erkenntnis am XXXX zugestellt wurde und unbekämpft blieb. Das Protokoll über die erfolgte Zustellung liegt im Akt XXXX auf.
Die Feststellungen zum zweiten, gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz und dem hierzu erstatteten Vorbringen des Betroffenen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensakts des BFA.
Dass es sich bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Behauptungen und vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen nicht um einen Sachverhalt handelt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz am XXXX verwirklicht wurde, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Betroffenen im Verfahren. Er bezog sich selbst auf diese Gründe aus dem ersten Verfahren und gab lediglich an, einen weiteren Antrag stellen zu "müssen". Die vom Einvernahmeleiter wiederholt auf den Grund der neuen Antragstellung gerichteten Fragen beantwortete der Betroffene ausdrücklich mit Verweisen auf die Gründe, die er im (rechtskräftig abgeschlossenen) Vorverfahren vorgebracht hatte; er gab auch selbst an, dass keine anderen Gründe vorliegen würden (BFA-Protokoll XXXX , Seiten 4 ff; vgl. z.B.: "Richtig, keine weiteren Gründe."). Daraus ergab sich, dass nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Asylantrags keine maßgebliche Veränderung der Sachlage eingetreten ist.
Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Betroffenen in Österreich gründen ebenfalls auf dessen Angaben in Zusammenschau mit der eigeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems GVS. Für maßgebliche Änderungen im Privat- und Familienleben des Betroffenen sind keine greifbaren Anhaltspunkte hervorgekommen. Hinweise auf das Bestehen eines Familienlebens sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Auch gab der Betroffene im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens vor dem BFA ausdrücklich an, dass sich an seinem Privat- und Familienleben in Österreich nichts Maßgebliches geändert habe. Eine finanzielle Abhängigkeit von einer in Österreich lebenden Person gab der Betroffene nicht an.
Die strafrechtliche Bescholtenheit ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.
Die Feststellung zum aktuellen Gesundheitszustand des Betroffenen gründet auf dessen eigenen Angaben in seinen Einvernahmen im Folgeantragsverfahren. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Betroffenen, die einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen könnte, sind weder im ersten noch im zweiten Asylverfahren hervorgekommen.
Dass die allgemeine Situation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens ( XXXX ) im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Afghanistan für den Betroffenen nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie im Erkenntnis des BVwG enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan. Das Erkenntnis des BVwG, mit dem die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, datiert auf den XXXX . Der Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde am XXXX erlassen und gründet sich auf das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018, aktualisiert am 04.06.2019. Die letzten Anschläge in Afghanistan veranlassten eine Aktualisierung der Berichte dahingehend, ergeben jedoch keine wesentliche Lageänderung.
Dass der Betroffene im Fall seiner Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird, ergibt sich aus seinen persönlichen Eigenschaften und Erfahrungen sowie sozialer Vernetzung in Zusammenschau mit der allgemeinen Lage am angenommenen Rückkehrort. Insbesondere in Kabul, seinem Geburtsort, verfügt er über ein familiäres und soziales Netz und weist Ortskenntnisse auf. Kabul und Herat, wie auch Mazar-e Sharif weisen grundsätzlich die städtischen Infrastrukturen auf, um eine Neuansiedelung möglich zu machen; der Betroffene wird die dort vorhandenen Infrastrukturen auch für eine Neu- bzw. Wiederansiedelung nutzen können. Spezifische Vulnerabilitäten sind nicht hervorgekommen.
Dass der Betroffene sich zunächst zur Heimreise bereiterklärte, ergibt sich aus einem von ihm ausgefüllten Formular für die unterstützte freiwillige Rückkehr, welches seine Rechtsberatung dem BFA übermittelte. Auch, wenn der Betroffene sodann wieder von der freiwilligen Rückkehr zurückgetreten ist, zeigt dessen grundsätzliche Bereitschaft hierfür, dass der Betroffene selbst keine Befürchtungen hinsichtlich einer Neu- bzw. Wiederansiedelung in Afghanistan haben kann.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.
3.2. Zu Spruchpunkt A): Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:
§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:
"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
[...]
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."
§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:
"(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
§ 22 BFA-VG lautet:
"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:
Das Verfahren über den ersten Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom XXXX wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX und Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das BVwG am XXXX rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom XXXX handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.
Der Bescheid vom XXXX ist mit wirksamer Zustellung des abweisenden Erkenntnisses des BVwG vom XXXX am XXXX in Rechtskraft erwachsen.
Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG des BFA vom XXXX wurde somit ebenfalls am XXXX rechtskräftig, sie ist auch weiterhin aufrecht. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.
Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz vom XXXX voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine Sachverhaltsänderung wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche aus der Aktenlage. Der Betroffene behauptete nicht einmal das Vorliegen neuer Fluchtgründe. Die behauptete Angst des Betroffenen vor den Verwandten eines Mädchens, in das er sich verliebt hatte, war bereits Gegenstand des ersten, rechtskräftig abgeschlossenen, Asylverfahrens. Bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen des Betroffenen handelt es sich insgesamt nicht um einen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde. Aus den Länderberichten ergibt sich zudem, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Betroffenen keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid vom XXXX bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom XXXX eingetreten ist. Eine Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht. Der Betroffene brachte lediglich vor, dass sich die Lage in Afghanistan verschlechtert habe.
Im vorliegenden Fall gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Betroffenen nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wurde vom Betroffenen zu keiner Zeit substantiiert vorgebracht. Bereits im ersten Verfahren betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde festgehalten, dass dieser bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für den Betroffenen im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden; der Sachverhalt hat sich weder in Bezug auf die Sicherheitslage, noch in Bezug auf die sozioökonomischen Rahmenbedingungen, noch hinsichtlich der persönlichen Eigenschaften des Betroffenen maßgeblich geändert.
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.
Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).
Es sind auch keine erheblichen in der Person des Betroffenen liegenden (neuen) Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden oder die nahelegen würden, der Betroffene wäre einer "realen Gefahr" oder "ernsthaften Bedrohung" im obgenannten Sinn ausgesetzt. Der Betroffene gab in diesem Zusammenhang selbst an, keiner Medikamente zu bedürfen.
Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Betroffenen ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Betroffene hat auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in den Einvernahmen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Betroffene bereits im ersten Asylverfahren angegeben, in Österreich keine enge Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Gegenteiliges wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht behauptet. Dass sich an seinem Familien- oder Privatleben in Österreich etwas geändert hätte, verneinte er ebenfalls. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines kurzen Aufenthalts, der seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unrechtmäßig ist, und seiner vorübergehenden Ausreise nach Frankreich und Deutschland nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.
Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Betroffenen in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXX ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W271.2175746.2.00Zuletzt aktualisiert am
17.02.2020