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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des W R in Z, vertreten durch Dr. Martin Hahn, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Herzog-Leopold-Straße 26, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 27. Juni 1994, Zl. Senat GF-93-045, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Ehegattin Eigentümer des Grundstückes Nr. 380 der KG. Z. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G. (BH) vom 7. Mai 1991 wurde der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 172 Abs. 6 lit. a des Forstgesetzes 1975 (ForstG) verpflichtet, eine Fläche von 0,5460 ha des Grundstückes Nr. 380 der KG. Z. im Frühjahr 1992 in bestimmter, näher umschriebener Art und Weise wiederzubewalden. Die Wiederbewaldungsfläche sei im beiliegenden Lageplan, der einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilde, eingezeichnet. Nach der Begründung sei der im Jahr 1981 noch bestehende Windschutzgürtel widerrechtlich gerodet worden.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin verwies er im wesentlichen darauf, daß die Bodenschutzanlage auf dem genannten Grundstück im Jahre 1964 freiwillig errichtet worden sei. Anfänglich habe sich der Pflanzenbestand relativ gut entwickelt, er sei aber mit zunehmend trockenem Wetter immer lückenhafter geworden. Der größte Teil der gesetzten Pappeln sei durch Trockenschäden oder Pappelbock zugrundegegangen und verrottet. 1979 sei ihm erlaubt worden, den desolaten Restbestand als Brenn- und Nutzholz zu verwenden. Anschließend seien von der Bodenschutzanstalt Jungbäume gepflanzt worden, die jedoch zu 95 % im selben Jahr der Dürre zum Opfer gefallen seien. Nach der Schlägerung hätten einzelne Pappelstöcke, zerzauster Liguster und fast durchgehend Holler bestanden. Er habe in mühevoller Arbeit die Stöcke und Wurzeln entfernt und den Urzustand wiederhergestellt. Seit dem Jahre 1982 werde das Feld wieder mit Feldfrüchten bestellt. Dies sei der Bodenschutzanstalt auch bekannt gewesen. Er wolle daher seine Grundparzelle nicht wie vorgeschrieben wiederbewalden.
Mit Bescheid vom 14. Juni 1991 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Der Bescheid des Landeshauptmannes erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Mit Straferkenntnis der BH vom 22. März 1993 wurde dem Beschwerdeführer zunächst vorgeworfen, gegen das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 ForstG verstoßen zu haben (Spruchpunkt a). Ferner habe er zu vertreten, daß - wie im Zuge einer örtlichen Begehung am 9. September 1992 festgestellt worden sei - in Zuwiderhandlung gegen das ihm mit Bescheid der BH vom 7. Mai 1991 und Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von 14. Juni 1991 aufgetragenen Gebotes der Wiederaufforstung der durch Rodung entstandenen Kahlfläche eine Wiederaufforstung nicht erfolgt sei (Spruchpunkt b). Über den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen in der Höhe von S 12.000,-- (zu Spruchpunkt a) und S 8.000,-- (zu Spruchpunkt b) sowie entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin brachte er zunächst vor, daß die Tathandlungen verjährt seien. Außerdem handle es sich bei dem bescheidmäßig erteilten Wiederbewaldungsauftrag um keinen materiell-rechtlich überprüfbaren Bescheid. Es gebe keinen Gesetzesbegriff "im Frühjahr", sodaß in diesem Bescheid keine konkrete Frist genannt worden sei. Der Beschwerdeführer sei auch lediglich Hälfteeigentümer der genannten Liegenschaft, weshalb der Wiederbewaldungsauftrag an die Grundeigentümergemeinschaft hätte gerichtet werden müssen. Ohne Zustimmung seiner Gattin sei der Beschwerdeführer nicht berechtigt, die Wiederbewaldung vorzunehmen. Die Beilage, die im Wiederbewaldungsauftrag der BH genannt sei, sei dem Beschwerdeführer nicht zugekommen. Im übrigen sei die Beilage nur von einem Fachmann des Vermessungswesens lesbar. Ferner sei die Waldeigenschaft der gegenständlichen Grundfläche nie geklärt worden. Die Forstbehörde habe erst jetzt ein Verfahren gegen seine Ehegattin eingeleitet, mit dem beabsichtigt sei, auch ihr einen Wiederbewaldungsauftrag zu erteilen. Dies bedeute aber, daß die Rechtsmittelfrist für den Beschwerdeführer so lange offen sei, als sie für seine Ehegattin bestehe. Der an ihn gerichtete Wiederaufforstungsauftrag sei daher noch nicht in materielle Rechtskraft erwachsen.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1994 gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich Spruchpunkt a) des Straferkenntnisses der BH Folge. Nach der Begründung lasse der Spruch des Straferkenntnisses nicht einmal ansatzweise erkennen, wann der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen haben solle. Die Tatumschreibung lasse ferner nicht klar erkennen, welches konkrete Verhalten dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht werde.
Mit dem im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bescheid vom 27. Juni 1994 gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Spruchpunktes b des Straferkenntnisses der BH teilweise Folge. Der diesbezügliche Spruch des Straferkenntnisses wurde folgendermaßen abgeändert:
"Mit Bescheid der BH vom 7. Mai 1991, 14-H-9111, wurden Sie (Beschwerdeführer) verpflichtet, die auf dem Grundstück Nr. 380 (KG Z.) befindliche Kahlfläche im Frühjahr 1992 in einem Ausmaß von 0,5460 ha wiederzubewalden. Dieser Bescheid wurde durch den Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 14. Juni 1991, VI/4-Fo-174, bestätigt.
Sie haben die Befolgung dieses bescheidmäßig erteilten Auftrages per 9. September 1992 unterlassen, da zu diesem Zeitpunkt die Wiederaufforstung nicht vorgenommen wurde.
Übertretungsnorm:
Bescheid der BH vom 7.5.1991, 14-H-9111, i.V.m. Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 14.6.1991, VI/4-Fo-174, i.V.m.
§ 174 As. 1 lit. b Z. 33 Forstgesetz 1975.
Gemäß § 174 Abs. 1 zweiter Satz wird über Sie eine Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 70 Stunden) verhängt.
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, haben Sie als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz den Betrag von S 500,-- zu entrichten."
Nach der Begründung stelle die Unterlassung der vorgeschriebenen Wiederaufforstung ein Dauerdelikt dar, sodaß der Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist noch gar nicht eingetreten sei. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Fristenberechnung nach dem AVG gehe ins Leere. Die Angabe "Frühjahr 1992" bedeute, daß spätestens am letzten Tag des Frühjahres 1992, somit am 20. Juni 1992, die vorgeschriebene Maßnahme durchgeführt sein müsse. Zum Vorbringen, daß der Beschwerdeführer lediglich Hälfteeigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft und daher nicht alleine verfügungsberechtigt sei, sei festzustellen, daß dieser Umstand im gegenständlichen Fall nicht zum Tragen komme. Bei der in Rede stehenden Wiederbewaldung handle es sich um einen bescheidmäßigen Auftrag, mit dem ein rechtswidriger Zustand beseitigt werden solle. Somit bleibe allein schon begrifflich kein Platz dafür, diese Maßnahme als Angelegenheit der Liegenschaftsverwaltung zu betrachten, für die die Mehrheit der Miteigentümer erforderlich sei. Aus dem Umstand, daß der Ehegattin des Beschwerdeführers erst jetzt von der BH ein Wiederbewaldungsauftrag erteilt worden sei, könne allein noch nicht die Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Bestrafung oder die Unzulässigkeit der dem Beschwerdeführer aufgetragenen Wiederbewaldung abgeleitet werden. Die belangte Behörde könne auch nicht finden, daß der bescheidmäßige Auftrag nur für einen Fachmann des Vermessungswesens lesbar sei. Der Bescheid beinhalte klar das betreffende Grundstück, die Art der Wiederbewaldung und in Verbindung mit dem Lageplan auch deren örtliche Situierung. Rund ein Jahr nach Bescheidzustellung im anschließenden Verwaltungsstrafverfahren zu behaupten, daß der Lageplan dem Beschwerdeführer nicht übermittelt worden sei, erscheine nicht glaubhaft und müsse als Schutzbehauptung abgetan werden. Die Behauptung, daß jene Grundfläche, für welche eine Wiederaufforstung vorgeschrieben worden sei, niemals Wald im Sinne des Forstgesetzes gewesen sei, gehe im Strafverfahren ins Leere. Derartiges hätte im Wiederbewaldungsverfahren vor der BH vorgebracht werden müssen. Gleiches gelte für die Behauptung, daß eine rechtsverbindliche Widmung als Windschutzgürtel nie bestanden habe. Der Auffassung des Beschwerdeführers, daß durch die Einbeziehung seiner Gattin in das Wiederbewaldungsverfahren die Rechtsmittelfrist für den Beschwerdeführer so lange offen sei wie für seine Ehegattin, könne nicht gefolgt werden. Der an den Beschwerdeführer gerichtete Wiederbewaldungsauftrag sei in Rechtskraft erwachsen. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers gegen einen an sie allfällig gerichteten Wiederbewaldungsauftrag ebenfalls das Rechtsmittel der Berufung erheben könne. Die Rechtsmittelfrist beginne für jede Partei mit der Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung. Wenn daher in einem Mehrparteienverfahren die Bescheide nicht gleichzeitig zugestellt würden, sei die Rechtsmittelfrist für jede Partei individuell zu beurteilen. Der Beschwerdeführer sei so lange verpflichtet, die vorgeschriebene Wiederbewaldung vorzunehmen, so lange nicht der entsprechende Bescheid behoben worden sei. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle ein sogenanntes "Ungehorsamsdelikt" dar, weshalb er initiativ alles darzulegen habe, aus dem geschlossen werden könne, daß ihm kein Verschulden anzulasten sei. In dieser Richtung habe er keine glaubwürdigen Umstände vorgebracht, weshalb er die angelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten habe. Selbst unter der Annahme, daß er irrtümlich der Ansicht gewesen sei, er dürfe ohne Zustimmung seiner Ehegattin die vorgeschriebenen Maßnahmen nicht vornehmen, so hätte er sich zumindeset um deren Zustimmung bemühen müssen. Daß ein derartiges Bemühen stattgefunden habe, bzw. seine Gattin ihre Zustimmung verweigert hätte, sei nicht vorgebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer hat in einen ergänzenden Schriftsatz darauf hingewiesen, daß der an seine Ehegattin gerichtete Wiederbewaldungsauftrag des Landeshauptmannes vom 10. Juli 1996 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1997, Zl. 96/10/0187, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Soweit in der Beschwerde die Rechtswidrigkeit des an den Beschwerdeführer gerichteten Wiederbewaldungsauftrages des Landeshauptmannes vom 14. Juni 1991 behauptet wird, ist darauf zu verweisen, daß der entsprechende Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Daß dieser Bescheid etwa wegen der Leistungsfrist "Frühjahr 1992" vom Beschwerdeführer nicht befolgt werden konnte, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gesagt werden. In dem Umstand, daß bis Anfang September 1992 vom Beschwerdeführer keinerlei Wiederbewaldungsmaßnahmen gesetzt worden sind, ist daher jedenfalls ein Verstoß gegen den Wiederbewaldungsauftrag zu erblicken.
2. Im gesamten Verwaltungsstrafverfahren hat der Beschwerdeführer niemals behauptet, mangels eines ausdrücklich vorgeschriebenen Reihenabstandes die Anpflanzungen nicht durchführen zu können. Den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG wird im übrigen schon dann entsprochen, wenn für einen Fachmann die zu ergreifenden Maßnahmen erkennbar sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 5. März 1985, VwSlg. 11.691/A). Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
3. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren allerdings behauptet, daß seine Ehegattin als Miteigentümerin des Grundstückes der ihm rechtskräftig aufgetragenen Wiederaufforstung widerspreche ("nicht zustimmen" bzw. gegen eine Ersatzvornahme "opponiere": vgl. die in den Verwaltungsstrafakten erliegende Berufung des Beschwerdeführers und das Vorbringen seines Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde). Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Sie hat insbesondere nicht untersucht, ob der Beschwerdeführer alles unternommen hat, um seinen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, d.h. ob ihm etwa unter den gegebenen Umständen zumutbar war, gegen die Miteigentümerin gerichtlich vorzugehen.
4. Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde insoweit ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
5. Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.
6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für 3 Beschwerdeausfertigungen und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zugesprochen werden.
Schlagworte
Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994100124.X00Im RIS seit
20.11.2000