Entscheidungsdatum
27.09.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W212 2205493-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018, Zl. 1097561103/151914399, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2019, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird insoweit stattgegeben, als gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am 29.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Im Rahmen der Erstbefragung am 02.12.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass er am 13. oder 14. November 2015 einem Kollegen beim Verladen von Hilfslieferungen geholfen habe. Als er eine Kiste von einem Kleinbus in einen LKW verladen habe, sei ihm diese hinuntergefallen und es sei ein weißes Pulver ausgetreten. Zwei Männer hätten ihm die heruntergefallene Kiste abgenommen und zurück ins Auto gebracht. Nach zwei Tagen habe er im Fernsehen gesehen, dass in Lugansk Drogenschmuggler erwischt worden seien. Am nächsten Tag sei er angerufen und gefragt worden, wo er sich befinde. Der Mann am Telefon habe sich mit ihm treffen wollen. Ihm sei gesagt worden, dass er zu viel gesehen habe und zu viel wisse, sie würden wisse wo er wohne und zu ihm kommen. Er habe mit seiner Frau ihre Sachen gepackt und sie seien zu seinem Haus im selben Ort gegangen. Nach einer halben Stunde habe ihn sein Kollege angerufen und ihn gefragt, ob er schon angerufen worden sei. Der Kollege habe ihm gesagt er müsse das Land verlassen und es werde sich jemand bei ihm melden, der ihm helfen werde. Sein Kollege habe auch das Land verlassen. Seine Frau und seine Tochter würden noch immer in seinem Haus wohnen. Seine Freunde hätten ihm gesagt, dass jemand zu seiner ehemaligen Wohnadresse gekommen sei. Bei einer Rückkehr habe er Angst, dass sich die Drogenschmuggler an ihm rächen würden.
I.2. In der Einvernahme vor dem BFA am 21.06.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er aus einem Dorf in Lviv stamme. Er habe eine Lehre als Schuster gemacht und nach dem Militärdienst für drei bis vier Jahre in einer Reifenwerkstatt gearbeitet. Danach habe er offiziell nicht mehr gearbeitet. In seinem Dorf lebten noch seine Frau und seine Tochter, außerdem lebten noch Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen in der Ukraine.
Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Mitte November einem Freund beim Verladen von Hilfspaketen von einem Bus in kleinere PKWs geholfen habe. Ein Paket sei ihm hinuntergefallen und es seien Medikamente herausgefallen. Ihm sei das Paket sofort weggenommen und er sei weggeschickt worden. Nach drei oder vier Tagen habe ihn sein Freund angerufen und gefragt, ob er schon von diesen Leuten angerufen worden sei. Der Freund habe schon einen Anruf erhalten und ihm sei gesagt worden, dass er sich zur falschen Zeit am falschen Ort befunden habe. Am nächsten Tag sei er angerufen und es sei ihm dasselbe gesagt worden. Daraufhin sei er mit seiner Frau und seiner Tochter in das Haus von Verwandten gegangen, wo sie einige Zeit gewohnt hätten. Dann habe ihn sein Freund wieder kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass er das Land verlassen habe. Bekannte hätten ihm berichtet, dass zu seinem Haus mehrmals Autos gekommen seien und dort patrouilliert worden sei. Daraufhin habe er den Entschluss gefasst das Land zu verlassen.
In Fernsehberichten drei Tage später habe es Gerüchte gegeben, dass Drogen in den Osten geschmuggelt würden. Er selbst habe die Berichte nicht gesehen, aber in den Nachrichten davon gehört. Sein Freund habe ihm gesagt, dass in diesem Fernsehbericht ein Foto von dem Fahrzeug, das zum Umladen gekommen sei, gezeigt worden sei. Das Fahrzeug sei sichergestellt und Fahrer und Beifahrer verhaftet worden. Er sei nicht zur Polizei gegangen, weil er Angst gehabt habe, dass es eventuell schlimmer werden könnte. Er wäre als Zeuge in Gefahr.
Der Beschwerdeführer legte seinen ukrainischen Reisepass und ein Empfehlungsschreiben einer griechisch-katholischen Pfarre vor.
I.3. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 8 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt V.).
Dem Bescheid wurden die entsprechenden Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt. Der Beschwerdeführer hätte kein Vorbringen erstattet, das auf eine aslyrelevante Verfolgung schließen lasse. Dem Vorbringen komme keine Glaubhaftigkeit zu. Da der Beschwerdeführer arbeitsfähig und gesund sei, gehe die Behörde davon aus, dass ihm auch keine Gefahren drohten, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I., dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter § 3 AsylG 2005 darstelle. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorlägen, die dafür sprechen würden, dass er bei einer Rückkehr in die Ukraine in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Unter Spruchpunkt III. wurde mit näherer Begründung darauf verwiesen, dass im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgetreten seien, die die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen würden somit keine Hinweise gefunden werden, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens eingegriffen werden würde.
I.4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 26.07.2018 Beschwerde erhoben. Begründend wurde unter anderem vorgebracht, dass der Sachverhalt mangelhaft erhoben und rechtlich unrichtig beurteilt worden sei. Die angeführten Informationen über die politische und wirtschaftliche Situation in der Ukraine seien unrichtig. Dem Beschwerdeführer drohe in der Ukraine eine lange Haftstrafe. Weiters verfüge er über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1, habe Kurse absolviert und sich in Österreich wohlverhalten. In Summe würden die positiven Integrationsschritte überwiegen.
Der Beschwerde lagen ein Bericht von Human Rights Watch vom Jänner 2018 zur Ukraine und ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Kiew vom 31.01.2018 bei.
I.5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
I.6. Am 20.11.2018 teilte das BFA mit, dass die Heim-und Ausreisekosten für den Beschwerdeführer übernommen und ihm eine finanzielle Starthilfe bewilligt werde.
I.7. Am 21.02.2019 wurde mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer gegen die freiwillige Rückkehr entschieden habe.
I.8. Das BVwG führte am 27.08.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Ukrainisch durch, zu der der Beschwerdeführer im Beisein eines gewillkürten Vertreters persönlich erschien. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.
Im Zuge der Verhandlung legte der Beschwerdeführer zwei Schriftstücke vor, wonach er am 16.10.2018 und am 08.03.2019 als Zeuge in einem Strafverfahren zur Polizei geladen werde. Hierzu gab der Beschwerdeführer an, dass er die Ladungen im Dezember des Vorjahres von seiner Mutter erhalten habe. Diese seien an seiner Adresse hinterlegt worden.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er einem Freund am 13.11.2015 beim Verladen von Hilfspaketen für die Ostukraine von einem Mercedes in ein größeres Fahrzeug geholfen habe. Ein anderes Fahrzeug sei hinzugekommen und er sei ersucht worden, zwei Kartons in das größere Fahrzeug zu laden. Ein Karton sei ihm dabei aus der Hand gerutscht und es seien Tabletten herausgefallen. Einer der Männer habe ihm den Karton dann aus der Hand genommen und zurück in das Auto gebracht. Das zweite Paket habe er in den größeren Bus gebracht. Sie seien dann mit dem Verladen fertig gewesen und wieder gegangen.
Am zweiten Tag habe ihn sein Freund wieder angerufen und gefragt, ob er einen Anruf erhalten habe, weil der Freund einen Drohanruf von einer unbekannten Nummer bekommen habe. Am Morgen des nächsten Tages habe er Anrufe erhalten, habe aber nicht abgehoben. Er habe dann seinem Freund von den Anrufen erzählt. Der Freund habe ihm dann gesagt, er solle nach Hause gehen, er habe zu dieser Zeit bei seiner Frau gewohnt. Dann seien er, seine Frau und seine Tochter zu seiner Mutter gefahren. Ein paar Stunden später habe ihm ein Nachbar berichtet, dass drei Personen aus einem schwarzen Fahrzeug ausgestiegen seien und nach seiner Wohnung gefragt hätten. Er habe dann erneut seinen Freund angerufen, der ihm berichtet habe, dass zu seiner Wohnung auch schon Personen gekommen seien und er vorhabe, die Ukraine zu verlassen. Er habe ihm geraten, dies ebenfalls zu tun. Er habe ihm eine Telefonnummer gegeben, dieser Mann habe schließlich seine Ausreise organisiert.
Im Fernsehen habe er einen Bericht gesehen, wonach in Hilfslieferungen für die Ostukraine Drogen gefunden worden seien.
Er habe sich nicht an die Polizei gewandt, da er sich gedacht habe, dass diese ihm nicht helfen könne, nachdem diese Personen bei ihm aufgetaucht seien.
Seine Frau und Tochter hielten sich bei seiner Mutter auf, dort seien sie nicht aufgesucht worden. Er habe aber erfahren, dass an ihrem früheren Wohnort jemand mehrmals aufgetaucht sei. Was mit den anderen Personen, die an diesem Tag beim Verladen anwesend gewesen seien, passiert sei, wisse er nicht.
Er sei sicher, dass gegen ihn ein Verfahren eingeleitet worden sei. Der Mann, an den das Schreiben der Staatsanwaltschaft andressiert sei, sei vermutlich der Ermittler in diesem Verfahren. Ein Freund von ihm sein Anwalt, dieser habe seine Frau kontaktiert, da er bei der Polizei in Lviv seinen Namen in irgendwelchen Unterlagen gesehen habe. Er habe sich schließlich in Kiew erkundigt und dieses Schreiben erhalten. Seine Frau habe es dann an ihn weitergeleitet. Er habe das Schreiben Anfang 2018 erhalten und auch bei seiner Einvernahme vor dem BFA vorgelegt. Auf Vorhalt der erkennenden Richterin, dass das Schreiben erst in der Beschwerde vorgelegt worden sei, bestand er darauf, es bei seiner Einvernahme vorgelegt zu haben. Er könne sich den Inhalt des Schreibens und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht erklären. Er befürchte, dass er für Verbrechen verurteilt werde, mit denen er nichts zu tun habe. Es sei offensichtlich leicht, gegen eine Person wie ihn ein Verfahren zu fabrizieren.
Zu seinem Leben in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er manchmal in der Kirche helfe. Er verfüge über eine Einstellungszusage, diese habe er über einen Bekannten vermittelt bekommen. Er habe keine Verwandten oder Freunde in Österreich, aber Bekannte. Er habe bisher kein Sprachniveau abgeschlossen.
Die anwesende Vertretung des Beschwerdeführers gab zu Protokoll, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr einem Strafverfahren ausgesetzt wäre und kein faires Verfahren erwarten könne, da Justiz und Sicherheitskräfte korrupt seien. Er ersuche daher um die Gewährung von zumindest subsidiärem Schutz.
Der Beschwerdeführer gab abschließend an, dass sich die Lage in der Ukraine nicht geändert habe, nach wie vor herrsche im Osten Krieg. Die Korruption sei bekannt. Es gebe leere Versprechen, in Wirklichkeit bleibe aber alles wie gehabt.
Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
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Kursbesuchsbestätigung über einen Deutschkurs der Stufe A1 vom 31.07.2019 samt Prüfungsanmeldebestätigung
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Bestätigung über eine Arbeitsplatzzusage unter der Voraussetzung einer Niederlassungsbewilligung bzw. Arbeitsbewilligung
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Schriftstück in ukrainischer Sprache, wonach der BF am 08.03.2019 um 11:00 Uhr, Dienstzimmer Nr. 35, Gebiet Lviv, der Bezirksabteilung
XXXX , Hauptverwaltung der nationalen Polizei der Ukraine, Gebiet Lviv, im Strafverfahren als Zeuge geladen ist, datiert mit 30.01.2019
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Schriftstück in ukrainischer Sprache, wonach der BF am 16.10.2018 um 09:00 Uhr, Dienstzimmer Nr. 35, Gebiet Lviv, der Bezirksabteilung
XXXX , Hauptverwaltung der nationalen Polizei der Ukraine, Gebiet Lviv, im Strafverfahren als Zeuge geladen ist, datiert mit 09.10.2018
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine und bekennt sich zum griechisch-katholischen Glauben. Er beherrscht die Sprachen Ukrainisch, Russisch und etwas Deutsch. Er gehört der ukrainischen Mehrheitsbevölkerung an und seine Identität steht mit ausreichender Sicherheit fest. Bis zu seiner Ausreise lebte er in der Ukraine in einem Dorf im Gebiet Lviv. Im Herkunftsstaat ging er einem Erwerb nach und war selbsterhaltungsfähig. Im Herkunftsstaat leben noch die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers, weiters Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen.
1.2. Laut eigenen Angaben reiste er illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
1.3. Im Bundesgebiet geht der Beschwerdeführer keiner legalen Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er spricht Deutsch auf dem Niveau A1. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, engagiert sich jedoch in seiner Kirchengemeinde. Eine überdurchschnittlich fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestehen nicht. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Schwere körperliche oder psychische Erkrankungen liegen nicht vor.
1.4. Dem Beschwerdeführer droht in der Ukraine weder in der Vergangenheit noch aktuell eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität.
1.5. Der Beschwerdeführer ist im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine nicht in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.
Der Beschwerdeführer würde im Falle seiner Rückkehr in seinem Herkunftsstaat nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten.
1.6. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:
Politische Lage
Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.
Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).
Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).
Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).
Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).
Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019
-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019
-
CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019
-
DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,
https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019
-
FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019
-
KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair,
https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019
-
Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019
-
UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail
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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019
Sicherheitslage
In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).
Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).
Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).
Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).
Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019
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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,
https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019
-
FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019
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SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019
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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019
Ostukraine
In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).
In den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk kam es insbesondere 2014/15 zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl die Separatisten seither die öffentliche Ordnung und eine soziale Grundversorgung im Wesentlichen wiederhergestellt haben, werden zahlreiche Grundrechte (v.a. Meinungs- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Eigentumsrechte) weiterhin systematisch missachtet (AA 22.2.2019).
In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DPR) und Luhansk (LPR) gibt es seit 2014 keine unabhängige Justiz, und das Recht auf ein faires Verfahren wird systematisch eingeschränkt. Es werden Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit ohne gerichtliche Überprüfung und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren berichtet. Bei Verdacht auf Spionage oder Verbindungen zur ukrainischen Regierung werden von Militärgerichten geheime Gerichtsverfahren abgehalten, gegen deren Urteile es nahezu keine Beschwerdemöglichkeit gibt und die Berichten zufolge lediglich dazu dienen, bei der Verfolgung von Personen einen Anschein von Legalität zu wahren. Willkürliche Verhaftung sind in der DPR und der LPR weit verbreitet. In der LPR wurde die Möglichkeit der Präventivhaft für 30 bis 60 Tage geschaffen. Die Präventivhaft wird Angehörigen nicht mitgeteilt (incommunicado) und kein Kontakt zu einem Rechtsbeistand und Verwandten zugelassen. Der Zustand der Hafteinrichtungen in den separatistisch kontrollierten Gebieten verschlechtert sich weiter. Berichten zufolge existiert in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kellern, Abwasserschächten, Garagen und Industrieunternehmen ein umfangreiches Netz inoffizieller Haftstätten, die meist nicht einmal für eine kurzfristige Inhaftierung geeignet wären. Es gibt Berichte über schweren Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, Hitze, sanitären Einrichtungen und angemessener medizinischer Versorgung. Ein unabhängiges Monitoring der Haftbedingungen wird von den Machthabern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt. Es gibt Berichte über systematische Übergriffe gegen Gefangene, wie Folter, Hunger, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Einzelhaft sowie den umfangreichen Einsatz von Gefangenen als Zwangsarbeiter zur persönlichen Bereicherung der separatistischen Anführer (USDOS 13.3.2019).
In der Region Donbass unterdrücken die Separatisten die Rede- und Pressefreiheit durch Belästigung, Einschüchterung, Entführungen und Übergriffe auf Journalisten und Medien (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019, ÖB 2.2019). Die Separatisten verhindern auch die Übertragung ukrainischer und unabhängiger Fernseh- und Radioprogramme in von ihnen kontrollierten Gebieten. Mittlerweile haben die Separatisten im Osten des Landes ihre Bemühungen verstärkt, Online-Inhalte zu blockieren, welche angeblich die ukrainische Regierung oder die ukrainische kulturelle Identität unterstützen. Es sind nur Demonstrationen zulässig, welche von den lokalen "Behörden" unterstützt oder organisiert werden. In der DNR/LNR können nationale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei arbeiten. Es gibt eine steigende Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von den Separatisten gegründet wurden (USDOS 13.3.2019).
Es gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen waren und bleiben weiterhin betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen oder nur zeitweise gesichert, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit in den Separatistengebieten sind dort Frauen besonders gefährdet. Es gibt Berichte über Missbrauch, Sexsklaverei und Menschenhandel (ÖB 2.2019).
Die meisten LGBTI-Personen sind aus den separatistischen Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen oder verstecken ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität (USDOS 13.3.2019).
Die Separatisten in der Ostukraine haben Berichten zufolge einige religiöse Führer inhaftiert. Im Februar 2018 wurden in Luhansk religiöse Gruppen, die nicht den "traditionellen" Religionen angehören, darunter Protestanten und Zeugen Jehovas, verboten (FH 4.2.2019).
Die separatistischen Kräfte erlauben keine humanitäre Hilfe der ukrainischen Regierung, sondern nur solche internationaler humanitärer Organisationen. Infolgedessen sind die Preise für Grundnahrungsmittel angeblich für viele Bewohner der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der Ostukraine zu hoch. Menschenrechtsgruppen berichten auch über einen ausgeprägten Mangel an Medikamenten, Kohle und medizinischen Hilfsgütern. Es kommen weiterhin Konvois der russischen "humanitären Hilfe" an, die nach Ansicht der ukrainischen Regierungsbeamten aber Waffen und Lieferungen für die separatistischen Streitkräfte enthalten (USDOS 13.3.2019).
Durch die Kontaktlinie, welche die Konfliktparteien trennt, wird das Recht auf Bewegungsfreiheit beschnitten und Gemeinden getrennt. Jeden Tag warten bis zu 30.000 Menschen stundenlang unter erschwerten Bedingungen an den fünf Checkpoints auf das Überqueren der Kontaktlinie. Unzureichend beschilderte Minen entlang der Straßen stellen eine Gefahr für die Wartenden dar (ÖB 2.2019; vgl. PCU 3.2019). Es gibt nur unzureichende sanitäre Einrichtungen, speziell auf separatistischer Seite (HRW 17.1.2019).
Im Zuge der Kampfhandlungen zwischen der Ukraine und den Separatisten kam es 2014 in jenen Gebieten, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern Freiwilligenbataillone eingesetzt waren, mitunter zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese Bataillone wurden in der Folgezeit sukzessive der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt, nur das Bataillon Ajdar wurde in die Armee eingegliedert. Offiziell wurden Freiwilligenbataillone danach nicht mehr an der Kontaktlinie, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete eingesetzt. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen kam, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Infolge des Übergangs von der ATO (Anti-Terror-Operation in der Ostukraine, geführt vom SBU, Anm.) zu der nunmehr von der Armee koordinierten OVK (Operation der Vereinigten Kräfte) mit April 2018, wurden verbliebene Freiwilligenverbände endgültig in die regulären Streitkräfte eingegliedert oder haben die OVK-Zone verlassen (AA 22.2.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019
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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002209.html, Zugriff 25.4.2019
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PCU - Protection Cluster Ukraine (3.2019): Mine Action in Ukraine, https://www.unhcr.org/ua/wp-content/uploads/sites/38/2019/04/2019_03_advocacy_note_on_mine_action_eng-1.pdf, Zugriff 17.5.2019
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ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019
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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin ein Problem. Einige Richter behaupteten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte erhielten Berichten zufolge Bestechungsgelder. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte Gerichte und mangelnde Möglichkeiten Urteile durchzusetzen (USDOS 13.3.2019).
Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, der langjährige Prozess der Implementierung der Reform dauert weiter an. Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, das u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah. Eine im Februar 2015 angenommenen Gesetzesänderung zur "Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren" sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung ("re-attestation") aller Richter vor, die jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde. Bislang wurden laut Informationen von ukrainischen Zivilgesellschaftsvertretern rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen. Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, der am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 2.2019).
2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wieder herzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht. Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter. Durchgesetzt haben sich in erster Linie jedoch Kandidaten, die bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde mit der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen, was jedoch noch nicht einfach gesetzlich umgesetzt wurde. Jedenfalls wurde in einer ersten Phase die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurde mit dem Staatsanwaltschaftsrat ("council of prosecutors") ein neues Selbstverwaltungsorgan der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen und Entlassungen, Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Ankläger, die im Durchschnitt rund je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt aber, trotz einer signifikanten Reduktion der Zahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB 2.2019).
Nachdem unter Präsident Janukowitsch die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eingemahnte Verfassungsreform jahrelang hinausgezögert wurde, wurde von Präsident Poroschenko durch seinen im Juli 2014 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung der ukrainischen Verfassung ein neuer Impuls gesetzt. Die darin vorgesehenen Schritte zu dezentraleren Strukturen mit erweiterten Kompetenzen der gewählten Gemeinde- und Bezirksräte, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verteilung und Verwaltung öffentlicher Mittel, dem Ausbau der regionalen Selbstverwaltung und der erstmaligen Verankerung des Prinzips der Subsidiarität, wurden von der Venedig-Kommission begrüßt. Jedoch gibt es für die Annahme der Verfassungsreform in zweiter Lesung derzeit keine Mehrheit im Parlament. Vor allem die verfassungsrechtliche Absicherung der im Rahmen des Minsk-Prozesses zur Beilegung des Konflikts in der Ostukraine festgelegten Dezentralisierung steht unter starker Kritik einiger Parteien, weil diese eine "Ermächtigungsklausel" zur Schaffung eines Gesetzes über den Sonderstatus des Donbasss enthält. In der Praxis wurden jedoch bereits Erfolge bei der finanziellen Dezentralisierung erzielt, sowie zahlreiche Gemeinden zusammengelegt, die dadurch mit mehr finanziellen Mittel ausgestattet sind und effizienter arbeiten können. Ohne eine verfassungsmäßige Absicherung der Dezentralisierungsreform bleibt diese jedoch vorerst weiterhin unvollendet (ÖB 2.2019).
Die jüngsten Reforminitiativen bleiben hinter den Erwartungen zurück, werden aber fortgesetzt (FH 4.2.2019).
Quellen:
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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019
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ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019
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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019
Sicherheitsbehörden
Die Sicherheitsbehörden unterstehen generell effektiver ziviler Kontrolle. Die Sicherheitskräfte verhindern oder reagieren im Allgemeinen auf gesellschaftliche Gewalt. Zuweilen wenden sie jedoch selbst übermäßige Gewalt an, um Proteste aufzulösen, oder verabsäumen es in einzelnen Fällen, Opfer vor Belästigung oder Gewalt zu schützen (z.B. im Falle der Zerstörung eines Roma-Camps durch Nationalisten, gegen die die Polizei nicht einschritt). Der ukrainischen Regierung gelingt es meist nicht, Beamte, die Verfehlungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen (USDOS 13.3.2019).
Das sichtbarste Ergebnis der ukrainischen Polizeireform ist die Gründung der Nationalen Polizei nach europäischen Standards, mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, als von der Politik grundsätzlich unabhängiges Exekutivorgan, die im Juli 2015 in vorerst 32 Städten ihre Tätigkeit aufnahm. Mit November 2015 ersetzte die Nationale Polizei offiziell die bestehende und aufgrund von schweren Korruptionsproblemen in der Bevölkerung stark diskreditierte "Militsiya". Alle Mitglieder der Militsiya hatten grundsätzlich die Möglichkeit, in die neue Truppe aufgenommen zu werden, mussten hierfür jedoch einen "Re-Attestierungsprozess" samt umfangreichen Schulungsmaßnahmen und Integritätsprüfungen durchlaufen. Im Oktober 2016 verkündete die damalige Leiterin der Nationalen Polizei den erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses, in dessen Zuge 26% der Polizeikommandanten im ganzen Land entlassen,
4.400 Polizisten befördert und im Gegenzug 4.400 herabgestuft wurden. Zentrale Figur der Polizeireform war die ehemalige georgische Innenministerin Khatia Dekanoidze, die jedoch am 14. November 2016 aufgrund des von ihr bemängelnden Reformfortschrittes, zurücktrat. Zu ihrem Nachfolger wurde, nach einem laut Einschätzung der EU Advisory Mission (EUAM) offenen und transparenten Verfahren, im Feber 2017 Serhii Knyazev bestellt. Das Gesetz "Über die Nationalpolizei" sieht eine Gewaltenteilung zwischen dem Innenminister und dem Leiter der Nationalen Polizei vor. Der Innenminister ist ausschließlich für die staatliche Politik im Rechtswesen zuständig, der Leiter der Nationalen Polizei konkret für die Polizei. Dieses europäische Modell soll den Einfluss des Ministers auf die operative Arbeit der Polizei verringern. Dem Innenministerium unterstehen seit der Reform auch der Staatliche Grenzdienst, der Katastrophendienst, die Nationalgarde und der Staatliche Migrationsdienst. Festzustellen ist, dass der Innenminister in der Praxis immer noch die Arbeit der Polizei beeinflusst und die Reform somit noch nicht vollständig umgesetzt ist. Das nach dem Abgang von Katia Dekanoidze befürchtete Zurückrollen diverser erzielter Reformen, ist laut Einschätzung der EUAM, jedenfalls nicht eingetreten. Das im Juni 2017 gestartete Projekt "Detektive" - Schaffung polizeilicher Ermittler/Zusammenlegung der Funktionen von Ermittlern und operativen Polizeieinsatzkräften, spielt in den Reformen ebenfalls eine wichtige Rolle. Wie in westeuropäischen Staaten bereits seit langem praktiziert, soll damit ein- und derselbe Ermittler für die Erhebung einer Straftat, die Beweisaufnahme bis zur Vorlage an die Staatsanwaltschaft zuständig sein. Bislang sind in der Ukraine, wie zu Sowjetzeiten, immer noch die operative Polizei für die Beweisaufnahme und die Ermittler für die Einreichung bei Gericht zuständig. Etwas zögerlich wurde auch die Schaffung eines "Staatlichen Ermittlungsbüros (SBI)" auf den Weg gebracht und mit November 2017 ein Direktor ernannt. Das SBI hat die Aufgabe, vorgerichtliche Erhebungen gegen hochrangige Vertreter der Staates, Richter, Polizeikräfte und Militärangehörige durchzuführen, sofern diese nicht in die Zuständigkeit des Nationalen Antikorruptions-Büros (NABU) fallen. Die Auswahl der Mitarbeiter ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Mit Unterstützung der EU Advisory Mission (EUAM) wurde 2018 auch eine "Strategie des Innenministeriums bis 2020" sowie ein Aktionsplan entwickelt.(ÖB 2.2019).
Die Nationalpolizei muss sich mit einer, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beeinträchtigenden Zunahme der Kriminalität infolge der schlechten Wirtschaftslage und des Konflikts im Osten, einer noch im alten Denken verhafteten Staatsanwaltschaft und der aus sozialistischen Zeiten überkommenen Rechtslage auseinandersetzen. Über Repressionen durch Dritte, für die der ukrainische Staat in dem von ihm kontrollierten Staatsgebiet mittelbar die Verantwor