Entscheidungsdatum
27.09.2019Norm
AVG §33 Abs3Spruch
W187 2219309-2/38E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richter Mag. Hubert REISNER als Vorsitzenden, Mag. Lena KARASZ als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und MMag. Dr. Winfried PÖCHERSTORFER als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite über den Nachprüfungsantrag der XXXX ,[HR1] vertreten durch die Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte OG, Schottengasse 1, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Wirtschaftsprüfung der ASFINAG-Gruppe 2019ff" der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Rotenturmstraße 5-9, 1011 Wien, vom 24. Mai 2019 beschlossen:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht weist den Antrag der XXXX , das Bundesverwaltungsgericht möge "die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren zu widerrufen für nichtig erklären", gemäß § 344 Abs 2 Z 2 BVergG zurück.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang
1. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2019, dem Bundesverwaltungsgericht im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 24. Mai 2019, 15.21 Uhr übermittelt, beantragte die XXXX ,[HR2] vertreten durch die Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte OG, Schottengasse 1, 1010 Wien, die Einleitung eines Verfahrens zu Nichtigerklärung der angefochtenen Widerrufsentscheidung, die Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und den Ersatz der Pauschalgebühr sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "Wirtschaftsprüfung der ASFINAG-Gruppe 2019ff" der Auftraggeberin Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Rotenturmstraße 5-9, 1011 Wien.
2. Am 27. Mai 2019 rief der Richter des Bundesverwaltungsgerichts den Rechtsvertreter der Antragstellerin an und befragte ihn zur Verspätung des Nachprüfungsantrags.
3. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2019 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte und brachte vor, dass der Nachprüfungsantrag und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verspätet eingebracht worden seien. Darüber hinaus nahm sie zum Umfang der Akteneinsicht Stellung.
4. Am 31. Mai 2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Antragstellerin auf, zur Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags und des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung zu nehmen und die ausständigen Pauschalgebühren für Anträge im Oberschwellenbereich zu bezahlen.
5. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2019 beantragte die Auftraggeberin die Erstreckung der Frist zur Vorlage der inhaltlichen Stellungnahme und der Unterlagen des Vergabeverfahrens.
6. Mit E-Mail vom 31. Mai 2019 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeberin auf, die Widerrufsentscheidung und die Zustellnachweise dafür vorzulegen.
7. Am 31. Mai 2019 übermittelte die Auftraggeberin dem Bundesverwaltungsgericht die Widerrufsentscheidung und die Zustellnachweise dafür.
8. Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2019 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Weiters nahm die Antragstellerin zu dem Schriftsatz der Auftraggeberin Stellung.
9. Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2019 nahm die Antragstellerin erneut Stellung. Darin führt sie im Wesentlichen an, dass der Rechtsvertreter der Antragstellerin am 27. Mai 2019 einen Anruf des Bundesverwaltungsgerichts erhalten habe, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass der am 24. Mai 2019 gestellte Nachprüfungsantrag verspätet sein könne, dies aber der zuständige Richter beurteilen müsse. Darüber habe sich der Rechtsvertreter der Antragstellerin überrascht gezeigt, sei er doch davon ausgegangen, dass der Nachprüfungsantrag fristgerecht eingebracht worden sei. Er sei daraufhin vom Bundesverwaltungsgericht darüber informiert worden, dass der Nachprüfungsantrag am 24. Mai 2019 erst um 18.15 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden sei und daher gemäß § 20 Abs 1 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes erst als am 27. Mai 2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht gelte. Entgegen dem im Aktenvermerk festgehaltenen Eindruck des Bundesverwaltungsgerichtes sei für den Rechtsvertreter der Antragstellerin in diesem Moment nicht die Bestimmung des § 20 Abs 1 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes, sondern vielmehr die Tatsache neu gewesen, dass der Nachprüfungsantrag erst um 18.15 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden sei. Auch habe der Rechtsvertreter der Antragstellerin nicht auf das Schreiben der Auftraggeberin und die darin enthaltene Information, wonach die Stillhaltefrist am 24. Mai 2019 um 24.00 Uhr ablaufe, verwiesen, sondern vielmehr habe der Vertreter des Bundesverwaltungsgerichtes von sich aus in Begründung seiner Annahme, dass der Nachprüfungsantrag verfristet sein könnte, dem Rechtsvertreter der Antragstellerin mitgeteilt, dass diese Information für die Beurteilung der gegenständlichen Fristversäumung irrelevant sei. Diese Information habe der Rechtsvertreter der Antragstellerin zur Kenntnis genommen und dem Vertreter des Bundesverwaltungsgerichtes mitgeteilt, diesen bisher nicht bekannten Umstand, nämlich die Fristversäumung, mit seiner Mandantin zu besprechen, was er anschließend auch getan habe.
10. Am 23. August 2019 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor.
11. Am 23. August 2019 nahm die Auftraggeberin Stellung. Darin führt sie nach Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen aus, dass der Nachprüfungsantrag verspätet sei, da er am 24. Mai 2019 um 18.15 Uhr per ERV beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen sei. Er sei daher zurückzuweisen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei abzuweisen, da kein minderer Grad des Versehens vorliege. Die Auftraggeberin beantragt, jedenfalls den genannten Assistenten als Zeugen zu vereidigen. Die Auftraggeberin beantragt die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung. Die Einrichtung eines Zugangs zum elektronischen Vergabeakt für das Bundesverwaltungsgericht sei aus technischen Gründen nicht möglich.
12. Am 29. August 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. An der Verhandlung nahm für die Rechtsvertretung der Antragstellerin XXXX anstelle des bisher das Verfahren betreuenden XXXX teil. Der als Zeuge geladene XXXX , Mitarbeiter der Rechtsvertretung der Antragstellerin, erschien nicht. Im Übrigen hatte die Verhandlung folgenden Verlauf:
" XXXX stellt eine Verbindung mit XXXX her und ermöglicht ein Telefonat zwischen Herrn XXXX und dem senatsvorsitzenden Richter. XXXX teilt mit, dass er einem Telefonat mit dem Gericht entsprechend angenommen hat, dass das Erscheinen von XXXX bei der heutigen Verhandlung nicht erforderlich sei und er XXXX dementsprechend informiert habe.
...
Die Verhandlung wird zu einem anderen Zeitpunkt unter neuerlicher Ladung des Zeugen fortgesetzt werden."
13. Am 30. August 2019 nahm die Auftraggeberin Stellung. Darin führte sie im Wesentlichen zur Verpflichtung zur Bestellung eines Abschlussprüfers nach dem UGB, der Verpflichtung zur Ausschreibung, der Beschlussfassung und der Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags aus.
14. Mit Schriftsatz vom 17. September 2019 nahm die Antragstellerin erneut Stellung. Sie zog den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück, brachte im Wesentlichen vor, dass der - für Gesellschaften von öffentlichem Interesse jedenfalls zu bestellende - Prüfungsausschuss zwei Vorschläge für die Bestellung von Abschlussprüfern erstatten müsse und führte zur Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags im Wesentlichen aus, dass die Frist für die Stellung von Nachprüfungsanträgen mindestens zehn Kalendertage betrage. Sie werde ab dem Tag gerechnet, der auf den Tag folgt, an dem die Entscheidung des Auftraggebers an die betroffenen Bieter oder Bewerber abgesendet worden sei, falls sie per Fax oder auf elektronischem Weg abgesendet werde. Falls andere Kommunikationsmittel verwendet würden, müsse sie entweder mindestens 15 Kalendertage, gerechnet ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem die Entscheidung des Auftraggebers an die betroffenen Bieter oder Bewerber abgesendet worden sei, oder mindestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem Tag nach dem Eingang der Entscheidung des Antragstellers, betragen. Daher habe die Frist nicht vor Ablauf des 24. Mai 2019 enden dürfen, um nicht gegen die Vorgabe des Art 2c RL 2007/66/EG zu verstoßen. Innerstaatliche Behörden müssten die inhaltlich von der Richtlinie berührten nationalen Normen soweit wie möglich in Einklang mit der Richtlinie auslegen oder unangewendet lassen. § 20 Abs 6 GO BVwG habe vorgesehen, dass die dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Schriftsätze bis 15.00 Uhr bei diesem einlangen müssten, um rechtzeitig zu sein. Dadurch stünden für die Stellung von Nachprüfungsanträgen weniger als die in Art 2c RL 2007/66/EG verlangten zehn Tage zur Verfügung. Die Frist müsse bis Mitternacht des letzten Tages laufen. Entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Rechts müsse das Bundesverwaltungsgericht außer Acht lassen. Der Nachprüfungsantrag sei daher rechtzeitig eingebracht.
15. Am 25. September 2019 nahm die Auftraggeberin erneut Stellung. Darin verwies sich im Wesentlichen auf ihre bisherigen Stellungnahmen und den Vergabeakt. Die von der Antragstellerin vorgelegte Empfehlung des Prüfungsausschusses an den Aufsichtsrat sei nicht Teil des Vergabeakts und liege somit auch nicht im Vergabeakt auf. Nach Zurückziehung des Antrags auf Wiedereinsetzung betonte die Auftraggeberin erneut, dass der Nachprüfungsantrag verspätet sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1 Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft schreibt unter der Bezeichnung "Wirtschaftsprüfung der ASFINAG-Gruppe 2019ff" einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich mit dem CPV-Code 79200000-6 Dienstleistungen im Bereich Rechnungslegung und -prüfung sowie Steuerwesen in einem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt € 89.425 pro Jahr, insgesamt daher € 625.975 jeweils ohne USt. Die Bekanntmachung der Teilnahmeunterlagen erfolgte am 13. November 2018 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zur Zahl 2018/S 218-499297, und im Lieferanzeiger vom 12. November 2018, abgesandt am 8. November 2018. Die Bekanntmachung der Berichtigung der Teilnahmeunterlagen erfolgte am 23. November 2018 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zur Zahl 2018/S 226-517943, und im Lieferanzeiger vom 23. November 2018, abgesandt am 20. November 2018. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.2 Die Auftraggeberin gab am 14. Mai 2019 über ihre Vergabeplattform allen Bietern die Widerrufsentscheidung bekannt. (Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung vom 14. Mai 2019 in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)
1.3 Die Antragstellerin brachte ihren Nachprüfungsantrag und ihren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 24. Mai 2019, 18.21 Uhr, ein. (gegenständlicher Verfahrensakt)
1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Zuschlag erteilt. (Auskünfte der Auftraggeberin)
1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €
3.240. (gegenständlicher Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl I 2013/10 idF BGBl I 2019/44, lauten:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl I 2013/10 idF BGBl I 2018/22, lauten:
Geschäftsordnung
§ 19. Die näheren Regelungen über die Geschäftsführung und den Geschäftsgang des Bundesverwaltungsgerichtes sind in der Geschäftsordnung vorzusehen. In der Geschäftsordnung kann insbesondere festgelegt werden, wann (Amtsstunden) und wo (Dienststelle am Sitz, Außenstelle) Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können. Die Geschäftsordnung ist von der Vollversammlung auf Vorschlag des Geschäftsverteilungsausschusses zu beschließen und vom Präsidenten zur allgemeinen Einsicht aufzulegen; diese kann auch auf andere Weise öffentlich zugänglich gemacht werden.
...
Elektronischer Rechtsverkehr
§ 21. (1) Die Schriftsätze können auch im Wege des nach diesem Abschnitt eingerichteten elektronischen Rechtsverkehrs wirksam eingebracht werden. Anstelle schriftlicher Ausfertigungen der Erledigungen sowie anstelle von Gleichschriften von Eingaben, die elektronisch eingebracht worden sind, kann das Bundesverwaltungsgericht die darin enthaltenen Daten an Einschreiter, die Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr nach diesem Abschnitt einbringen, im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermitteln.
(2) ...
(6) Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sind Rechtsanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird wie ein Formmangel behandelt, der zu verbessern ist.
(7) Schriftsätze, die im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht werden, gelten als bei einer Bundesbehörde oder beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. Ist vorgesehen, dass die Schriftsätze über eine Übermittlungsstelle zu leiten sind (Abs. 3), und sind sie auf diesem Weg bei der Bundesrechenzentrum GmbH tatsächlich zur Gänze eingelangt, so gelten sie als bei der Bundesbehörde oder beim Bundesverwaltungsgericht mit demjenigen Zeitpunkt eingebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer rückgemeldet hat, dass sie die Daten des Schriftsatzes zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat.
(8) ..."
3.1.3 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2018/57, lauten:
"Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
...
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) ...
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."
3.1.4 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:
"Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) ...
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) ...
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) ...
Fristen für Nachprüfungsanträge
§ 343. (1) Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung sind bei einer Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung auf elektronischem Weg sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen 10 Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einen anderen geeigneten Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.
(2) ...
Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages
§ 344. (1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:
1. ...
(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn
1. ...
2. er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder
3. ..."
3.1.5 Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten (BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung - BVwG-EVV), BGBl II 2013/515 idF BGBl II 2016/222, lauten:
"Elektronische Einbringung von Schriftsätzen und von Beilagen zu Schriftsätzen
§ 1. (1) Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen können nach Maßgabe technischer Möglichkeiten auf folgende Weise elektronisch eingebracht werden:
1. im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs;
2. ...
E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung.
(2) ...
(5) Wer Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (Abs. 1 Z 1) einbringt, hat sich hiefür einer auf der Website www.edikte.justiz.gv.at bekanntgemachten Übermittlungsstelle zu bedienen.
(6) Hat die Übermittlungsstelle die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen, so hat sie dies dem Einbringer sofort mitzuteilen sowie das Datum (Tag und Uhrzeit) dieser Rückmeldung zu protokollieren; dieses Datum ist mit den Daten der Eingabe zu übermitteln.
(7) Die Bundesrechenzentrum GmbH hat zu protokollieren, wann die Daten der Eingabe bei ihr eingelangt sind (Tag und Uhrzeit).
(8) ..."
3.1.6 Die maßgeblichen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG), beschlossen von der Vollversammlung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Jänner 2014 idF des Beschlusses vom 4. August 2014 lauten:
"§ 20. Amtsstunden
(1) Die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes sind an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitages, des 24. und des 31. Dezember, von 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr.
(2) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze) können nur innerhalb der Amtsstunden physisch (z.B. postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien eingebracht werden.
(3) ...
(5) Elektronische Eingaben mit Telefax oder E-Mail sind an die dafür allgemein vorgesehene Telefax-Nummer oder E-Mail-Adresse des Bundesverwaltungsgerichtes zu übermitteln.
(6) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze), die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht.
(7) Für die Einbringung von Eingaben (Schriftsätzen) im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG gelten die Bestimmungen der BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung (BVwG-EVV), BGBl. II Nr. 515/2013."
3.2 Zu Spruchpunkt A) -Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG ist die Autobahnen-und Schnellstraßen Finanzierungs-Aktiengesellschaft. Sie ist nach ständiger Rechtsprechung öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG (st Rspr zB BVwG 25. 11. 2016, W187 2135663-2/24E; 12. 10. 2018, W139 2200549-1/23E, W139 220549-2/32E; 30. 1. 2019, W138 2210940-1/23E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 7 BVergG. Der geschätzte Auftragswert des Auftrags liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG geforderten Inhalte.
3.2.2 Verspätung des Nachprüfungsantrags
3.2.2.1 Vorauszuschicken ist, dass die Zulässigkeit von Anträgen oder Rechtsmitteln nach der zum Zeitpunkt ihrer Einbringung geltenden Rechtslage zu beurteilen sind (zB VwGH 29. 3. 2005, 2005/04/0188; 24. 3. 2015, Ro 2014/09/0066; 18. 5. 2016, Ra 2016/11/0072 bis 0074). Dies ist die Rechtslage, die am 24. Mai 2019 gegolten hat. Eine allenfalls seither eingetretene Änderung der Rechtslage ist dabei nur dann zu berücksichtigen, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist. Maßgeblich ist § 19 BVwGG, der durch das BGBl I 2019/44 geändert wurde. Die Inkrafttretensbestimmung des § 27 Abs 7 BVwGG idF BGBl I 2019/44 ordnet ein Inkrafttreten der geänderten Bestimmungen am 1. Juli 2019 und damit erst nach dem 24. Mai 2019 an.
3.2.2.2 Die Antragstellerin ist gemäß § 21 Abs 6 BVwGG verpflichtet, Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs einzubringen, da sie sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt. Sie hat ihren Nachprüfungsantrag gemeinsam mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 24. Mai 2019,
18.21 Uhr, und somit nach Ende der Amtsstunden gemäß § 20 Abs 1 GO-BVwG eingebracht. Gemäß § 20 Abs 2 GO-BVwG können Schriftsätze auf elektronischem Wege jedoch lediglich innerhalb der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts eingebracht werden. Gemäß § 20 Abs 6 GO-BVwG gelten die Anträge daher erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht (zB VwGH 14. 10. 2015, Ra 2015/17/0039; 16. 11. 2017, Ra 2017/07/0076; siehe dazu auch VfGH 27. 6. 2018, E 1933/2018). Es handelt sich dabei um Regelungen des Verwaltungsorganisationsrechts und nicht des Verwaltungsverfahrensrechts (VfGH 3. 4. 2014, G 106/2013). Die Festlegung von Amtsstunden in der Geschäftsordnung kann innerstaatlich nicht als Verkürzung einer verfahrensrechtlichen Frist angesehen werden (VwGH 8. 8. 2019, Ra 2018/04/0116, 0119 und 0120). Überdies ist auf die Regelung des § 33 Abs 3 AVG zu verweisen. Da der 24. Mai 2019 ein Freitag war, gelten die Anträge daher als am Montag, 27. Mai 2019, eingebracht.
3.2.2.2 Ein Nachprüfungsantrag muss innerhalb der Fristen des § 343 BVergG eingebracht werden. Diese beträgt zehn Tage ab der Absendung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung an den Antragsteller, da die Übermittlung im Wege der Vergabeplattform der Auftraggeberin elektronisch am 14. Mai 2019 erfolgte. Die Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrags endete daher gemäß § 343 Abs 1 BVergG am 14. Mai 2019. Der Beginn der Stillhaltefrist bei der Mitteilung einer Widerrufsentscheidung in § 350 BVergG spielt dabei im Gegensatz zu den Ausführungen der Antragstellerin keine Rolle, da die Stillhaltefrist dazu dient, bis zum Ende der Frist zur Einbringung von Nachprüfungsanträgen sicherzustellen, dass der Auftraggeber keine Handlungen vornehmen können, die ein effektives Nachprüfungsverfahren verhindern. Sie ist damit an den Auftraggeber gerichtet und läuft unabhängig von der Frist zur Einbringung von Nachprüfungsanträgen, sodass letztere nach den eigenen Regeln in § 343 BVergG zu berechnen sind.
3.2.2.3 Das BVergG enthält jedoch keine - organisatorischen - Bestimmungen für die Einbringung von Schriftsätzen beim Bundesverwaltungsgericht. Diese finden sich - wie unter 3.2.2.2 ausgeführt - in den allgemeinen Regelungen über das Einbringen von Eingaben beim Bundesverwaltungsgericht.
3.2.2.4 Wenn die Antragstellerin nun vorbringt, dass eine Regelung wie § 20 Abs 6 GO-BVwG die unionsrechtlich in Art 2c RL 89/665/EWG idF RL 2007/66/EG vorgesehene Frist auf unzulässige Art verkürzt, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen. Er hat dazu ausgeführt (VwGH 8. 8. 2019, Ra 2018/04/0116, 0119 und 0120):
"27 5.1. Mit den Regelungen des § 20 Abs. 2 und 6 GO-BVwG, an die in § 13 Abs. 2 und 5 AVG angeknüpft wird, legt das Bundesverwaltungsgericht fest, zu welchen Zeiten es zur Entgegennahme schriftlicher Anbringen bereit ist bzw. wann außerhalb der Amtsstunden eingebrachte Anbringen als eingebracht gelten. Diese Regelungen haben ihrem Wesen nach allerdings keine Verkürzung der Rechtsmittelfrist des § 321 Abs. 1 BVergG 2006 als solche zur Folge. Dies ist zunächst vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 3. März 2014, G 106/2013, zu sehen, denen zufolge die organisatorischen Beschränkungen des elektronischen Verkehrs und die Festlegung der Amtsstunden, während derer eine Behörde zur Entgegennahme von schriftlichen Anbringen verpflichtet ist, eine Angelegenheit des Verwaltungsorganisationsrechts und nicht des Verwaltungsverfahrensrechts sind. Eine organisationsrechtliche Festlegung von Amtsstunden in einer Geschäftsordnung kann daher innerstaatlich nicht als Verkürzung einer verfahrensrechtlichen Frist angesehen werden. Zudem ist auf die Regelung des § 33 Abs. 3 AVG hinzuweisen, der zufolge die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinn des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die verfahrensrechtliche Frist nicht eingerechnet werden. Erfolgt die Übermittlung eines Anbringens somit im Wege eines Zustelldienstes, kommt es nicht auf das Einlangen des Anbringens bei der Behörde, sondern auf die Übergabe an den Zustelldienst an (siehe eingehend dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I2 [2014] § 33 Rz. 3 ff, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH). Die Regelungen über die Amtsstunden bzw. die Bereitschaft zur Entgegennahme von schriftlichen Eingaben in zeitlicher Hinsicht betreffen somit nicht alle, sondern nur bestimmte Formen der Übermittlung von Eingaben.
28 5.2. Die von der Revisionswerberin begründend ins Treffen geführte Regelung der Nachprüfungsfristen in der Rechtsmittelrichtlinie sieht zwar Mindestfristen vor, enthält aber keine Vorgaben dahingehend, in welcher Weise bzw. zu welchen Zeiten die Nachprüfungsstelle dafür Vorsorge zu tragen hat, zur Entgegennahme von Eingaben empfangsbereit zu sein.
29 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) ist es mangels einer einschlägigen Unionsregelung gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Modalitäten für das Verwaltungsverfahren und das Gerichtsverfahren zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Verfahrensmodalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Rechtsbehelfe (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (siehe EuGH 6.10.2015, C-61/14, Orizzonte Salute, Rn. 46, mwN).
30 Den Mitgliedstaaten kommt hinsichtlich der Festlegung von Amtsstunden und der Bereitschaft zur Entgegennahme von Eingaben im Zusammenhang mit vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren somit kein unbeschränkter Gestaltungsspielraum zu. Die praktische Wirksamkeit der Rechtsschutzregelungen der Rechtsmittelrichtlinie darf durch derartige Festlegungen nicht beeinträchtigt werden.
31 5.3. Durch die konkret erfolgten Regelungen in § 20 GO-BVwG gelten Anbringen, die - und sei es am letzten Tag der Frist - nach 15.00 Uhr eingebracht werden, erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht. Dass durch diese zeitliche Ausgestaltung die Ausübung der durch die Rechtsmittelrichtlinie eingeräumten Rechte übermäßig erschwert würde, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.
32 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Amtsstundenregelung bei einer Einbringung im Wege eines Zustelldienstes im Sinn des § 2 Z 7 Zustellgesetz nicht maßgeblich ist, weil es nach § 33 Abs. 3 AVG diesfalls auf die Übergabe an den Zustelldienst ankommt. Zwar sind Rechtsanwälte - nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten - gemäß § 21 Abs. 6 erster Satz BVwGG zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Allerdings besteht in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kein Anwaltszwang.
33 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass durch die Regelung der Amtsstunden und der Empfangsbereitschaft des Bundesverwaltungsgerichtes nur während dieser dem in Art. 2 Abs. 3 der Rechtsmittelrichtlinie normierten Ziel - nämlich sicherzustellen, dass der Auftraggeber den Vertrag während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens nicht abschließen kann - Rechnung getragen wird. Die in Art. 2a der Rechtsmittelrichtlinie grundgelegte Stillhaltefrist betreffend die Zuschlagsentscheidung, innerhalb derer ein Vertrag nicht geschlossen werden darf, beträgt nämlich ebenfalls zehn Tage. Die Festlegung von Amtsstunden führt dazu, dass das Bundesverwaltungsgericht den Auftraggeber auch von einem am letzten Tag der Rechtsmittelfrist eingebrachten Nachprüfungsantrag verständigen kann und der Suspensiveffekt des Antrags somit gewahrt wird. Dies wäre bei einem außerhalb der Amtsstunden eingebrachten und somit erst am nächsten Tag - nach Ablauf der Stillhaltefrist - in Behandlung genommenen Antrag nicht zwingend der Fall, weil diesfalls der Zuschlag schon rechtmäßig hätte erteilt werden können.
34 5.4. Ausgehend von den dargelegten Erwägungen sieht der Verwaltungsgerichtshof den Grundsatz der Effektivität durch die zugrunde liegenden Regelungen nicht als beeinträchtigt an (eine Verletzung des Äquivalenzgrundsatzes ist ebenfalls nicht ersichtlich) und teilt auch nicht die Auffassung der Revisionswerberin, es liege eine unionsrechtswidrige Umsetzung der Regelungen der Rechtsmittelrichtlinie vor. Somit war auch der in der Revision erstatteten Anregung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, nicht näher zu treten; diesbezüglich kommt noch hinzu, dass der in der aufgeworfenen Vorlagefrage angesprochene § 56 Abs. 7 BVergG 2006 (der nicht für verfahrensrechtliche Fristen gilt) im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden war und auch nicht angewendet wurde.
35 5.5. Im Hinblick auf die erwähnten Ablehnungsbeschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2018 sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, aus Anlasse der vorliegenden Revisionen - wie von der Revisionswerberin angeregt - einen Gesetzesprüfungsantrag bzw. Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu richten."
Aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich, dass die Regelungen über das Einbringen von Eingaben im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs, wie sie am 24. Mai 2019 in Kraft waren, nicht Art 2c RL 89/665/EWG widersprachen und daher ein Nachprüfungsantrag bis 15.00 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht hätte werden müssen, um noch als am 24. Mai 2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht zu gelten.
3.2.2.5 Der Nachprüfungsantrag gilt - wie unter 3.2.2.2 ausgeführt - als am 27. Mai 2019 eingebracht. Die Auftraggeberin übermittelte den Bietern die angefochtene gesondert anfechtbare Entscheidung am 14. Mai 2019. Die Frist des § 343 Abs 1 BVergG endete daher am 24. Mai 2019. Damit erweist sich der am 27. Mai 2019 eingebrachte Nachprüfungsantrag als verspätet (zB VwGH 19. 11. 2015, Ra 2015/11/0094; 2. 8. 2017, Ra 2017/03/0071; 8. 8. 2019, Ra 2018/04/0116, 0119 und 0120; siehe dazu auch VfGH 18. 2. 2016, E 162/2016) und ist gemäß § 344 Abs 2 Z 2 BVergG unzulässig. Da die Antragstellerin den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mit Schriftsatz vom 17. September 2019 zurückgezogen hat, war darüber nicht mehr zu entscheiden.
3.3 Zu Spruchpunkt B) - Nichtzulassung der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu die unter 3.2.2 zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Amtsstunden, Dienstleistungen, Dienstleistungsauftrag,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W187.2219309.2.00Zuletzt aktualisiert am
17.02.2020