TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/10 W134 2006575-1

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Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

BVergG 2006 §10
BVergG 2006 §2 Z26 lita
BVergG 2006 §30 Abs2 Z2
BVergG 2006 §312 Abs3 Z3
BVergG 2006 §332 Abs3
BVergG 2006 §334
BVergG 2006 §334 Abs7
BVergG 2006 §334 Abs8
B-VG Art. 133 Abs4
VbVG §5 Abs1
VbVG §5 Abs2
VbVG §5 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W134 2006575-1/82E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzender sowie Mag. Lena Karasz als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und Dr. Theodor Taurer als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren "e-Medikation" des Auftraggebers Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Kundmanngasse 21-23, 1030 Wien, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG, Mariahilfer Straße 20, 1070 Wien, eingeleitet über Antrag der XXXX , vertreten durch HASLINGER / NAGELE & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Mölker Bastei 5, 1010 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ist gemäß § 334 Abs. 7 BVergG 2006 verpflichtet, dem Bundesverwaltungsgericht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution eine Geldbuße in der Höhe von € 100.000,00 (in Worten: einhunderttausend Euro) zu bezahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 13.05.2011, F/0002-BVA/13/2011-69 ua., wurde in Spruchpunkt I. der Antrag der XXXX "das Bundesvergabeamt möge gemäß § 312 Abs 3 Z 3 BVergG feststellen, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens betreffend die Umsetzung des Systems e-Medikation mit der" XXXX "ohne vorherige Bekanntmachung beziehungsweise ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war" gemäß § 312 BVergG 2006 zurückgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Frist zur Einbringung des Feststellungsantrages von sechs Monaten gemäß § 332 Abs. 3 BVergG 2006 am Tag der Antragstellung bereits abgelaufen sei. Weiters wurde festgestellt, dass die Durchführung von drei weiteren Vergabeverfahren betreffend die Umsetzung des Systems e-Medikation (mit den drei weiteren Unternehmen C***, I*** und IB***) rechtswidrig waren und somit den entsprechenden diesbezüglichen drei Feststellungsanträgen stattgegeben. In jedem dieser drei Fälle wurde eine Geldbuße verhängt. Insgesamt wurden deshalb Geldbußen über den Auftraggeber iHv. € 24.000,-- verhängt.

Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 29.12.2011, F/0011-BVA/13/2011-37 ua., wurde festgehalten, dass der Hauptverband zur Umgehung des Bescheides des Bundesvergabeamtes vom 13.5.2011, F/0002-BVA/13/2011-69 ua, mit den drei Unternehmen C***, I*** und IB*** jeweils einen Rahmenvertrag über die Kostenübernahme für Installation und Schulung betreffend das Pilotprojekt e-Medikation abgeschlossen hat. Die Auswahl dieser drei Unternehmen erfolgte durch eine Vorselektion, die nicht im Rahmen eines bekanntzumachenden Vergabeverfahrens erfolgte, obwohl ein solches geboten gewesen wäre. Der Inhalt dieser 3 Rahmenverträge ergibt sich aus den beiden Schreiben des Hauptverbandes vom 30.5.2011 an die Ärzte des Pilotprojektes. Auf Grundlage dieser Rahmenverträge bzw der beiden Schreiben des Hauptverbandes vom 30.5.2011 wurden sodann für den Hauptverband durch die Pilotärzte als dessen Stellvertreter mit den 3 Unternehmen 71 Einzelverträge abgeschlossen. Sowohl die Rahmenverträge als auch die Einzelverträge hätten vom Hauptverband als öffentlichen Auftraggeber einem bekanntzumachenden Vergabeverfahren unterzogen werden müssen, was vom Auftraggeber in rechtswidriger Weise entgegen den Vorschriften des BVergG unterlassen wurde. Deshalb wurde über den Auftraggeber eine Geldbuße iHv. € 10.000,-- verhängt.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 16.03.2016, 2015/04/0004-3, wurde, nachdem der EuGH aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des VwGH in der Sache mit Urteil vom 26.11.2015, Rs C-166/14, MedEval, entschieden hatte, der Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesvergabeamtes vom 13.05.2011, F/0002-BVA/13/2011-69 ua., aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die absolute Frist von sechs Monaten gemäß § 332 Abs. 3 BVergG 2006 europarechtswidrig sei und durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht verdrängt würde. Der Feststellungsantrag betreffend den Vertrag des Auftraggebers mit der XXXX für Österreich war somit nicht verfristet.

In Fortführung des Verfahrens wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2016, W123 2006575-1/41E, festgestellt, dass das Vergabeverfahren e-Medikation rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wurde, wobei der Antrag, den Vertrag zwischen dem Auftraggeber und der XXXX für absolut nichtig zu erklären abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis wurde nicht bekämpft. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2016, W123 2006575-1/43E, wurde deshalb über den Auftraggeber eine Geldbuße in der Höhe von € 90 000,-- verhängt.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 23.10.2017, Ra 2017/04/0005-6, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2016, W123 2006575-1/43E, aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Begründung des aufgehobenen Erkenntnisses mangelhaft sei.

In Fortführung des Verfahrens wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, W123 2006575-1/67E, wiederum eine Geldbuße in der Höhe von € 90 000,-- verhängt.

Mit Erkenntnis des VwGH vom 27.02.2019, Ra 2018/04/0139-3, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2018, W123 2006575-1/67E, aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Begründung des aufgehobenen Erkenntnisses mangelhaft sei.

Mit Aktenvermerk des BVwG vom 23.07.2019 wurde aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W123 abgenommen und der Gerichtsabteilung W134 neu zugewiesen.

In Fortführung des Verfahrens fand im Bundesverwaltungsgericht darüber am 04.09.2019 eine mündliche Verhandlung statt. Dabei wurde unter anderem folgendes vorgebracht:

"VR: Wie hoch ist die Auftragssumme?

XXXX : Ich habe leider den Aktenbestandteil nicht mit, der dies aufschlüsselt.

VR: Ich darf Ihnen helfen, indem ich Ihnen das Schreiben des Hauptverbandes vom 05.10.2016 vorhalte, mit welchem die sieben Rechnungen, mit welchen die XXXX der XXXX ihre verfahrensgegenständlichen Leistungen in Rechnungen stellte, vorgelegt wurden. Diese Rechnungsaufstellung ergibt eine Summe von €

1.258.113,60.

XXXX : Das ist richtig. Die Summe von € 1.258.113,60 ist die Auftragssumme.

VR: Wir kommen nun zu den einzelnen Punkten, die für die Bemessung der Geldbuße entsprechend § 334 Abs. 8 BVergG 2006 relevant sind. Wir beginnen mit der Schwere des Verstoßes. Wollen Sie dazu etwas sagen?

XXXX : Ja, ich möchte eingangs auf die Stellungnahme vom 17.04.2019 verweisen, wonach bei meiner Mandantschaft kein Verschulden vorliegt. Die Mandantschaft nimmt zwar zur Kenntnis, dass die Geldbuße auch ohne Verschulden zu verhängen ist, meint aber, dass zu den Gesichtspunkten der Wirksamkeit, der Angemessenheit und Eignung zur Abschreckung mit einem deutlich niedrigeren Betrag als 90.000 €

das Auslangen gefunden werden kann. Diesbezüglich möchte ich auf die Entschädigungsverordnung BGBl II. 82/2019 verweisen, die eine 12-malige jährliche Entschädigungsgebühr für Funktionäre der Sozialversicherungsträger in Höhe von € 4.200 vorsieht.

VR: Wir kommen nun zur Besprechung der "Vorgangsweise des Auftraggebers" gemäß § 334 Abs. 8 BVergG 2006. Wollen Sie dazu etwas sagen?

XXXX : Ich verweise wieder auf die Stellungnahme vom 17.04.2019. Ich führe ergänzend aus, dass der Hauptverband durch die Einholung des Gutachtens der Finanzprokuratur vom 26.02.2010 berechtigterweise in der Annahme sein durfte, gesetzeskonform zu handeln.

VR: Vorgehalten wird, dass wie rechtskräftig festgestellt wurde, sich der Hauptverband eines Privaten nämlich der Firma XXXX bedient hat. In dem Gutachten vom 26.02.2010 wird jedoch im Punkt IV. "Auftragsvergabe an XXXX vergabefrei?" ausdrücklich festgehalten:

"Die Beauftragung - durch welchen öffentlichen Auftraggeber auch immer - der Firma

XXXX kann nach dem derzeitigen Informationsstand der Prokuratur nicht auf eine Ausnahme des § 10 BVergG 2006 gestützt werden" Weiters heißt es in dem Gutachten: "Die Beauftragung der Fa. XXXX mit der Erweiterung/Adaption der bereits von ihr entwickelten Software wäre nur bei Bejahung von technischen Gründen im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2006 durch einen Sachverständigen rechtfertigbar". Hat eine solche Beauftragung eines Sachverständigen stattgefunden?

XXXX : Ich mache dazu keine Angabe.

VR: Ich ersuche Sie noch einmal ausdrücklich, Angaben zu machen, da dies für die Ermittlung des wesentlichen Sachverhalts von Bedeutung ist und weise Sie darauf hin, dass das Gericht diese Angaben nicht selbst ermitteln kann, außer durch die Befragung des Auftraggebers!

XXXX : Nach meinem Kenntnisstand hat keine Beauftragung eines Sachverständigen mit der oben genannten Frage stattgefunden.

VR: Offen ist noch Ihre Stellungnahme zu dem oben genannten Vorhalt.

XXXX : Dazu bringe ich vor, dass das Gutachten nach Ansicht des Auftraggebers als Milderungsgrund gewertet werden muss und verweise diesbezüglich auf das bisherige Vorbringen.

VR: Wir kommen nun zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen des § 5 VbVG und beginnen mit den Erschwerungsgründen gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 bis 3 VbVG. Gibt es dazu ein Vorbringen Ihrerseits?

XXXX : Es liegt nach Ansicht des Hauptverbandes kein Erschwerungsgrund vor.

VR: Vorgehalten wird, dass nach Ansicht des Gerichtes möglicherweise ein Erschwerungsgrund deshalb vorliegt, weil der Hauptverband trotz Kenntnis der Gesetzwidrigkeit seines Verhaltens, welche sich aus dem Gutachten der Finanzprokuratur vom 26.02.2010 ergibt, die gegenständlichen rechtswidrigen Vergaben durchgeführt hat. XXXX :

Keine Stellungnahme.

VR: Vorgehalten wird, dass ein Erschwerungsgrund darin liegen könnte, dass der Hauptverband aus der rechtswidriger Vergabe den Vorteil erlangte, dass er sich den Aufwand des gebotenen Vergabeverfahrens erspart hat.

XXXX : Keine Stellungnahme.

VR: Vorgehalten wird, dass ein Erschwerungsgrund darin liegen könnte, dass der Hauptverband den Markt insofern geschädigt wurde, als der gegenständliche Auftrag dem Wettbewerb entzogen wurde.

XXXX : Der Hauptverband hat den Markt vorab sondiert und auf Basis darauf seine Entscheidung getroffen. Es wird bestritten, dass eine potenzielle Schädigungseignung vorliegt.

VR: Bitte legen Sie entsprechende Beweismittel für die oben genannte

Sondierung vor. XXXX : Diese Beweismittel kann ich nicht vorlegen.

VR: Warum nicht?

XXXX : Weil sie mir derzeit nicht vorliegen.

VR: Wollen Sie eine bestimmte Frist für die Vorlage dieser Beweismittel?

XXXX : Ich ersuche um eine Frist von 21 Tagen.

VR: Der Hauptverband hat die Möglichkeit, eine Stellungnahme zur Vorlage der genannten Beweismittel bis spätestens 25.09.2019 beim BVwG einlangend, abzugeben.

VR: Wir kommen nun zu den Milderungsgründen gemäß § 5 Abs. 3 VbVG. Wollen Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

XXXX : Ich bringe dazu vor, dass bislang vor den rechtskräftig festgestellten Rechtswidrigkeiten keine anderen Rechtswidrigkeiten vom Hauptverband gesetzt wurden.

VR: Hat der Hauptverband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung rechtswidriger Vergaben im Sinne des § 5 Abs. 3 Z. 1 VbVG getroffen?

XXXX : Ich ersuche diese Frage schriftlich bis spätestens 25.09.2019 beantworten zu dürfen.

VR: Hat der Hauptverband nach der rechtswidrigen Vergabe erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen im Sinne des § 5 Abs. 3 Z. 3 VbVG und wenn ja, wie?

XXXX : Ich ersuche diese Frage schriftlich bis spätestens 25.09.2019 beantworten zu dürfen.

VR: Hat der Hauptverband die Folgen der rechtswidrigen Folgen gutgemacht im Sinne des § 5 Abs. 3 Z. 4 VbVG?

XXXX : Ich ersuche diese Frage schriftlich bis spätestens 25.09.2019 beantworten zu dürfen.

VR: Hat der Hauptverband die wesentlichen Schritte zur zukünftigen Verhinderung zu ähnlicher rechtswidriger Vergaben im Sinne des § 5 Abs. 3 Z. 5 VbVG unternommen? XXXX : Ich ersuche diese Frage schriftlich bis spätestens 25.09.2019 beantworten zu dürfen.

VR: Hat die rechtswidrige Vergabe bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Hauptverband im Sinne des § 5 Abs. 3 Z. 6 VbVG nach sich gezogen?

XXXX : Ich ersuche diese Frage schriftlich bis spätestens 25.09.2019 beantworten zu dürfen.

VR: Liegt mit der rechtswidrigen Vergabe ein qualifizierter Verstoß des Hauptverbandes vor bzw. war die Vorgangsweise des Hauptverbandes offenkundig unzulässig im Sinne der Erläuterungen?

XXXX : Ich ersuche diese Frage schriftlich bis spätestens 25.09.2019 beantworten zu dürfen.

VR: Der Hauptverband erhält die Möglichkeit bis spätestens 25.09.2019 beim BVwG einlangend die oben genannten Fragen zu beantworten."

Mit Schreiben des Auftraggebers vom 25.9.2019 hat dieser eine ergänzende Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.10.2016, W123 2006575-1/41 E, wurde festgestellt, dass das vom Auftraggeber Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger durchgeführte Vergabeverfahren "e-Medikation", welches mit dem Zustandekommen des Vertrages mit der XXXX vom 10.08.2010 endete, rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde. Der Vertrag zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträgern und der XXXX betreffend die Umsetzung des Projektes e-Medikation wurde nicht für nichtig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde rechtskräftig und blieb unbekämpft. (Akt des BVwG)

Die Auftragssumme im Sinne des § 2 Z 26 lit. a) BVergG 2006, also die Summe aus Gesamtpreis und Umsatzsteuer, beträgt € 1.258.113,60. Der Kostenrahmen in Punkt 9.1 des Vertrages vom 10.08.2010, welcher mit € 864.938 ohne Ust (= € 1.037.925,60 inkl. Ust) angegeben war, wurde somit überschritten. Der Vertrag wurde somit in vollem Ausmaß aufrecht erhalten und uneingeschränkt umgesetzt. (Schreiben des Auftraggebers vom 05.10.2016 samt beiliegenden 7 Rechnungen von XXXX an die PXXXX sowie dies bestätigendes Schreiben des Auftraggebers vom 25.09.2019; Akt des BVwG)

Der geschätzte Auftragswert beträgt € 864.938,-- ohne Ust. Es handelt sich um einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich. (Schreiben des Auftraggebers vom 30.3.2011)

Die Finanzprokuratur nahm im Auftrag des Auftraggebers mit ihrem Schreiben vom 26.02.2010, GZ V/329.253, eine "Vergaberechtliche Beurteilung des Projektes "e-Medikation"" vor. Darin kam sie in Punkt IV. "Auftragsvergabe an XXXX vergabefrei?" zu dem Schluss:

"Die Beauftragung - durch welchen öffentlichen Auftraggeber auch immer - der Firma XXXX kann nach dem derzeitigen Informationsstand der Prokuratur nicht auf eine Ausnahme des § 10 BVergG 2006 gestützt werden: von der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorhergehende Bekanntmachung basierend auf dem Schutz von Ausschließlichkeitsrechten (§ 30 Abs. 2 Z. 2 lt. Fall BVergG) rät die Prokuratur ab. Ob technische Gründe im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2006 vorliegen, die ein derartiges Verfahren rechtfertigen würden, muss vorab durch einen Sachverständigen aus dem Bereich Software-Entwicklung geklärt werden." Ein entsprechendes Sachverständigengutachten aus dem Bereich Software-Entwicklung wurde nicht eingeholt. (Akt des BVwG; Verhandlungsschrift des BVwG vom 4.9.2019, W134 2006575-1/79Z; Schreiben des Auftraggebers vom 25.09.2019)

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen des Auftraggebers keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 334 Abs. 7 und 8 BVergG 2006 lauten:

"(7) Wenn das Bundesverwaltungsgericht von der Nichtigerklärung des Vertrages gemäß den Abs. 2 erster Satz oder 3 abgesehen hat, dann ist eine Geldbuße über den Auftraggeber zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss. Die Höchstgrenze für eine Geldbuße beträgt 20 vH, im Unterschwellenbereich 10 vH, der Auftragssumme. Geldbußen fließen dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (§ 2 des Bundesgesetzes zur Förderung der Forschung und Technologieentwicklung, BGBl. Nr. 434/1982) zu.

(8) Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Verhängung der Geldbuße die Schwere des Verstoßes, die Vorgangsweise des Auftraggebers sowie sinngemäß die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes - VbVG, BGBl. I Nr. 151/2005, heranzuziehen und zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß der Vertrag aufrecht erhalten wird."

§ 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes, BGBl. I Nr. 151/2005, lautet:

"(1) Bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze hat das Gericht Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Höhe der angedrohten Geldbuße bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

(2) Die Anzahl ist insbesondere umso höher zu bemessen,

1. je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, für die der Verband verantwortlich ist;

2. je höher der aus der Straftat vom Verband erlangte Vorteil ist;

3. je mehr gesetzwidriges Verhalten von Mitarbeitern geduldet oder begünstigt wurde.

(3) Die Anzahl ist insbesondere geringer zu bemessen, wenn

1. der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angehalten hat;

2. der Verband lediglich für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist (§ 3 Abs. 3);

3. er nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;

4. er die Folgen der Tat gutgemacht hat;

5. er wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen hat;

6. die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat."

Da das Bundesverwaltungsgericht von der Nichtigerklärung des Vertrages abgesehen hat, ist gemäß § 334 Abs. 7 BVergG 2006 eine Geldbuße über den Auftraggeber zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss.

Da es sich bei dem Vergabeverfahren um einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich handelt, beträgt die Höchstgrenze für eine Geldbuße 20 vH. der Auftragssumme. Die Auftragssumme beträgt €

1.258.113,60. Die Höchstgrenze für eine Geldbuße beträgt somit €

251.622,72.

Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß § 334 Abs. 8 BVergG 2006 bei der Verhängung der Geldbuße die Schwere des Verstoßes und die Vorgangsweise des Auftraggebers heranzuziehen. Dabei zeigt sich, dass der Auftraggeber die Frage, ob er den gegenständlichen Vertrag ohne Berücksichtigung der Vorschriften des Vergaberechts ("Auftragsvergabe an XXXX vergabefrei?") durchführen darf, zum Gegenstand eines Gutachtens durch die Finanzprokuratur vom 26.02.2010 gemacht hat. Diesem Gutachten ist eindeutig zu entnehmen, dass die Auftragsvergabe an XXXX "nicht vergabefrei" ist, somit dass bei dem Abschluss des Vertrages mit der XXXX vom 10.08.2010 sehr wohl die Vorschriften des BVergG 2006 zu berücksichtigen gewesen wären. Trotzdem hat sich der Auftraggeber im Wissen um die Rechtswidrigkeit dafür entschieden, die Vorschriften des BVergG 2006 nicht einzuhalten, was mit dem Erkenntnis des BVwG vom 17.10.2016, W123 2006575-1/41 E, festgestellt wurde. Bei einer Verletzung des BVergG im Wissen um die Rechtswidrigkeit handelt es sich um eine besondere Schwere des Verstoßes und ist die Vorgangsweise des Auftraggebers in erhöhtem Maße zu sanktionieren. Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht das vom Auftraggeber vorgelegte Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei Schramm Oehler Rechtsanwälte OG vom 13.04.2010, da, wie dort unter Punkt 7. Conclusio ausdrücklich angeführt wird, eine Beauftragung nur bis zu einem Wert von €

613.905,-- zulässig sei und dieser Wert, wie oben ausgeführt, erheblich überschritten wurde.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das BVwG die Tatsache, dass der Auftraggeber zur Umgehung des Bescheides des Bundesvergabeamtes vom 13.5.2011, F/0002-BVA/13/2011-69 ua, mit den drei Unternehmen C***, I*** und IB*** jeweils einen Rahmenvertrag über die Kostenübernahme für Installation und Schulung betreffend das Pilotprojekt e-Medikation abgeschlossen hat, bei der Bemessung dieser Geldbuße nicht berücksichtigt hat, weil diese Handlungen des Auftraggebers bereits mit einer Geldbuße belegt wurden (vgl. Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 29.12.2011, F/0011-BVA/13/2011-37 ua.).

Sinngemäße Erschwerungs- und Milderungsgründe im Sinne des § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes sind nicht hervorgekommen. Der Auftraggeber hat im normalen (wenn auch zum Teil wenig bemühten: siehe Seite 4 ff der Verhandlungsschrift vom 04.09.2019) Maß zur Wahrheitsfindung beigetragen. Dass der Auftraggeber - wie er vorbringt - erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hätte, kann nicht festgestellt werden.

Der Vertrag wurde im vollen Umfang aufrechterhalten und der geschätzte Auftragswert von € 864.938,-- ohne Ust (= € 1.037.925,60 inkl. Ust) mit einem Gesamtpreis von € 1.258.113,60 inkl Ust sogar überschritten.

Bei Berücksichtigung des oben Gesagten war daher über den Auftraggeber eine Geldbuße in der Höhe von € 100 000,-- zu verhängen. Diese Geldbuße beträgt ca. 8 % der Auftragssumme bzw. ca. 40 % der Höchstgrenze für die Geldbuße und ist damit eine wirksame, angemessene und abschreckende Geldbuße.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu das bereits zitierte Erkenntnis des VwGH vom 23.5.2014, 2013/04/0025; zur Geldbuße siehe auch VwGH 11.11.2015, Ra 2015/04/0073); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Auftragswert, Feststellungsantrag, Feststellungsverfahren, Geldbuße,
mündliche Verhandlung, Nachprüfungsantrag, Nachprüfungsverfahren,
Rahmenvertrag, Rechtswidrigkeit, Schätzung des Auftragswertes,
Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W134.2006575.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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